Mittwoch, 19. Januar 2022, 15:45h
"Was ist eigentlich einfühlsam?" Nachtrag
Da wieder einmal der Vorwurf der Unkollegialität im Raum steht, weil in meinem Beitrag "Was ist eigentlich einfühlsam?" jemand aus dem früheren Kollegenkreis kritisiert wird, möchte ich den Beitrag nachträglich ergänzen mit der Schilderung eines Vorfalls, in dem es um eben jene Kollegialität geht:
vor einiger Zeit hat sich die Betreuerin, deren Verhalten in dem besagten Beitrag beschrieben wird, an das Amtsgericht gewandt, um dort die angebliche Behauptung eines Betreuten mitzuteilen. Behauptet wurde, dass ein Betreuer eine hohe Geldsumme an Dritte zahlen würde, wenn diese ihn für die Übernahme einer Betreuung vorschlagen. Es gibt viele Dinge, die man als unkollegial bezeichnen kann, aber wenn eine Betreuerin eine Information eines Betreuten unhinterfragt und ungeprüft gleich an das Amtsgericht weiterleitet, ist das so ziemlich das Letzte, was man von einem Kollegen erwarten sollte. In diesem konkreten Fall war die Behauptung nachweislich ebenso falsch wie absurd, denn der betreffende Betreuer hat einen guten Ruf und es absolut nicht nötig, um Betreute zu werben.
Man muss nicht viel spekulieren, worin die Motivation für eine derart schäbige Denunziation liegt. Wenn jemand den zweifelhaften Ruf hat, in erster Linie auf Gewinnmaximierung ausgerichtet zu sein und zudem oftmals einen grenzwertigen Ton im Umgang mit Betreuten zu haben, dann ist es natürlich ärgerlich, wenn andere Betreuer einen guten Ruf haben, weil deren Priorität in der Qualität der Arbeit besteht. Was bietet sich da besser an, als ein wenig Rufschädigung zu betreiben?
Ich bin weder Anwältin noch Immobilienmaklerin, sondern Sozialpädagogin. Dabei ist die Anmerkung wichtig, dass ich noch zu Zeiten vor dem Neoliberalismus studiert habe. Dementsprechend stellen für mich die Menschen, die sich hilfesuchend an mich wenden, auch keine "Kunden" dar, sondern Klienten und andere Betreuer oder Sozialarbeiter stellen für mich keine Konkurrenz dar, sondern Kollegen.
Die zunehmenden Beschwerden von Betroffenen im Bereich der rechtlichen Betreuung bedürfen keiner lächerlichen Werbefloskeln, sondern einer offenen Thematisierung und eines Dialogs. Die Tatsache, dass Menschen zunehmend nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag ohne Hilfe von Dritten zu bewältigen, sehe ich nicht als ein rein individuelles Problem, sondern als ein gesamtgesellschaftliches, das nicht durch die Etablierung von immer mehr Betreuungsbüros gelöst werden kann. Dies allein ist mein Anliegen, wenn ich hier in diesem Blog über Sozialarbeit und speziell über Betreuungen schreibe. Um Probleme zu lösen, ist es unvermeidlich, diese auch zu benennen. Wer da mit Unkollegialität kontert, stellt nicht das Wohl des Klientels in den Fokus, sondern das eigene.
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Samstag, 16. Mai 2020, 02:40h
Ich bin dann mal weg
"Ihr müßt euch nämlich darüber im klaren sein, dass es zweierlei Arten der Auseinandersetzungen gibt: die mit Hilfe des Rechts und die mit Gewalt. Da die erste oft nicht zum Ziele führt, ist es nötig, zur zweiten zu greifen."
Niccolò Machiavelli (1469 – 1527)
Manchmal ist es schier unfassbar, mit welcher rasanten Geschwindigkeit sich Dinge binnen kürzester Zeit so verändern können, dass sie kaum noch wiedererkennbar sind. Noch vor einem guten Vierteljahr war meine Arbeitswelt in Ordnung, um nicht zu sagen sogar ideal. Mein Team bestand aus großartigen Kollegen und besaß einen fachlich und menschlich hochkompetenten Leiter. Unsere Einrichtung wurde gut besucht und erfreulicherweise war auch die Zahl der neuen Interessenten gestiegen. Aber leider verließ uns dann unerwartet unser Leiter.
Während der ersten beiden Monate glänzte die neue Leiterin weitgehend durch Abwesenheit, was sich jedoch urplötzlich änderte, als sich zwei unserer Klienten über eine Kollegin beschwerten. Dies weckte Feuereifer in ihr und es folgten sofort Abmahnungen, die in haarsträubender Weise Arbeitnehmerrechte ignorierten. Ignoriert wurde ebenfalls der Umstand, dass sich die Kollegin in einer äußerst schwierigen belastenden Situation befand, denn sowohl der Lebensgefährte als auch ein Familienangehöriger waren schwerkrank. Auch das in der Sozialarbeit übliche und bewährte Prinzip der Teamtransparenz, demzufolge Probleme in der Arbeit mit Klienten gemeinsam besprochen werden, galt plötzlich nicht mehr und bis jetzt wissen weder die Kollegin noch das Team, worum es bei den Beschwerden konkret geht.
Ich versuchte, der Kollegin beizustehen, aber selbst, als der Familienangehörige verstarb und sie einen schweren Zusammenbruch erlitt, wurde rigoros weiterhin verweigert, das ihr vorgeworfene Fehlverhalten konkret zu benennen, wodurch ihr auch Möglichkeit einer Stellungnahme genommen wurde. In meinen Augen sehr fragwürdig, denn wenn Arbeitnehmerrechte so offensichtlich ignoriert werden, dann wird ein Abmahnverfahren zu einem bedenklichen Willkürakt degradiert. Was mich an dem ganzen unerfreulichen Vorgang besonders erschreckte, war die Reaktion des Teams auf meinen Hinweis darauf, dass selbstverständlich auch jemand, der sich ein (vermeindliches) Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen hat, ein gesetzlich garantiertes Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln und auf eine faire Behandlung hat. Während ich dies immer als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt hatte, blieben einige Teammitglieder bei ihrer Meinung, dass bei einem Fehlverhalten auch auf die Gewährung der Rechte auf Einhaltung des Rechtswegs verzichtet werden dürfe.
Die Art und Weise, in der mit personeller Macht umgegangen wurde, entpuppte die neue Leiterin als weibliche Variante eines Machiavelli. Nicht unbedingt in Hinsicht auf dessen geistige Größe, aber in Hinsicht auf die Unterordnung ethischer Grundsätze unter den Anspruch auf Macht. Und irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich wirklich unter jemandem arbeiten möchte, der sich wie ein spätgeborener Machiavelli aufführt. Und diese Frage habe ich mir mit einem klaren „Nein“ beantwortet.
Während das Team in der jetzigen Situation aufgrund des Fehlens von zwei Kolleginnen hart an seiner Belastungsgrenze arbeitet, hat die Leiterin jetzt für fast zwei Monate eine Auszeit durch eine Kur mit anschließendem Urlaub genommen.
Die sechs Jahre mit meinen Kollegen waren toll und wir hatten ein durch Kollegialität und hohe Fachkompetenz geprägtes Team, in dem sich jeder wohl fühlte. Wir haben aus dem Nichts einen gut besuchten sozialen Treffpunkt aufgebaut – was zu einem großem Teil auch der inzwischen gegangenen Kollegin zu verdanken ist – und außerdem auch gute sozialpsychiatrische Betreuung geleistet. Aber ein autoritärer Führungsstil hat die bisherige Offenheit der Kommunikation schlagartig in Einschüchterung gewandelt und kritisches Hinterfragen wird jetzt als Störfaktor gewertet, auf den mit fragwürdigen Halbwahrheiten reagiert wird.
Einen Machiavelli hält selbst das beste Team nicht aus.
Und deswegen: Ich bin dann mal weg
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Donnerstag, 11. Dezember 2014, 13:39h
Ein merkwürdiger Kommentar und eine verschwundene Supportanfrage
herbertfunding, Donnerstag, 11. Dezember 2014, 08:28
Haben Sie dringend Kredit?
Haben Sie dringend Kredit?, Können wir Ihr Projekt von Eur 1.000 auf 150 Millionen Euro zu finanzieren. Wir tun Mobilparks , Autohäuser, Mehrfamilien, Betreutes Wohnen, Tankstellen, medizinische Einrichtungen, Bestattungsunternehmen, Autowaschanlagen, Überbrückungskredite, Hard Money Darlehen für nicht eigengenutzte Immobilien, Rechnungen Schulden und Erweiterung des Geschäfts oder bezahlen Investition / Einrichtung und mehr. Auch unbesicherte Mittel für die Geschäftsausweitung. Schnelle Aussagen, da es sich um privates Geld, nicht nur Bank .Principals. Kontakt für weitere Informationen ..Email: herbertfunding@hotmail.com
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Ganz offenkundig eine Kreditwerbung (anscheinend in fürchterlicher maschineller Übersetzung), die inzwischen auch wieder verschwunden ist. Aber trotzdem merkwürdig, dass mein Hinweis* im Support sofort gelöscht wurde, obwohl Hinweise auf kommerzielle Blognutzung doch gang und gebe sind:
*Kreditwerbung?
Was ist denn das für ein merkwürdiger Kommentar?
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Montag, 16. Juni 2014, 11:53h
Eine schwere Entscheidung II – und der Versuch, nicht voreingenommen zu sein
Drei Monate liegt es nun zurück, dass ich für meinen Stiefvater eine Betreuung beantragt habe. Wie ich hier bereits beschrieben habe, fiel es mir alles andere als leicht, mich zu dieser Entscheidung durchzuringen, da ich ja während meiner Tätigkeit als rechtliche Betreuerin leider im Kollegenkreis auch einige sehr unschöne Dinge miterlebt habe. In meinem Antrag an das Amtsgericht erwähnte ich diesen Umstand und schloss das Schreiben mit den Sätzen: „....da es mir aber aus den genannten Gründen jetzt nicht mehr möglich ist, mich selbst um die Belange meines Stiefvaters zu kümmern, würde ich mir wünschen, dass ein Betreuer vorgeschlagen wird, der für seriöses und engagiertes Führen von Betreuungen bekannt ist. Ich möchte darum bitten, keinen Betreuer auszuwählen, der seine Arbeit ausschließlich an kaufmännischen Leitlinien orientiert oder der bei Gericht im Ruf eines respektlosen Umgangs mit den Betreuten steht.
Vor etwa drei Wochen rief mich dann mein Stiefvater an und sagte mir, dass ihm der Name des Betreuers mitgeteilt wurde. Weil keine Telefonnummer aufgeführt war, suchte ich diese im Internet, aber ich fand unter dem genannten Namen nur ein Maklerbüro. Als ich keinen anderen Eintrag vorfand, rief ich trotzdem an und mir wurde mitgeteilt, dass die Telefonnummer richtig sei, da der besagte Betreuer auch Makler ist.
Ich muss gestehen, dass ich bei dieser Information erstmal enttäuscht schlucken musste, denn ich habe ja gerade mit Betreuern, die ihre Betreuertätigkeit mit Maklergeschäften koppeln, extrem ungute Erfahrungen gemacht. In meinem Schreiben an das Amtsgericht hatte ich daher auch erwähnt, dass ich bestimmte berufliche Konstellationen wie eben beispielsweise das Führen von Betreuungen in Verbindung mit der Tätigkeit als Makler für bedenklich halte. Was sollte ich jetzt davon halten, dass nun trotzdem ausgerechnet ein Makler zum Betreuer meines Stiefvaters bestellt wurde?
Ehemalige Kollegen, mit denen ich über die Entscheidung des Gerichts sprach, konnten mein Erstaunen und meine Skepsis verstehen und empfanden die Entscheidung als ignorant. Was mir dann allerdings half, war die Reaktion einer Bekannten, der die Arbeitspraktiken einiger Betreuer meines Bezirks nicht unbekannt sind. Sie empfahl mir, einfach erstmal abzuwarten. Auch wenn der Beruf bzw. die ursprüngliche Ausbildung sicherlich Einfluss hat auf die Art, wie jemand seine Betreuungen führt, so sagt diese letztendlich dennoch nichts über die tatsächliche Ausführung der Arbeit aus.
Immerhin hat der Betreuer meines Stiefvaters meine Bitte erfüllt, meinen Stiefvater vor der eigentlichen richterlichen Anhörung aufzusuchen, damit dieser nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Dies würde mit Sicherheit von vielen meiner früheren Kollegen empört als nicht erforderlich abgelehnt werden. Außerdem hat der Betreuer meinen Stiefvater mittlerweile schon dreimal besucht und ich habe auch einen Rückruf erhalten – beides ist ebenfalls längst nicht selbstverständlich. Bei dem Telefonat erfuhr ich dann, dass der Betreuer meines Stiefvaters nur 30 Betreuungen führt. Das ist eine Zahl, die mich überrascht, da es Betreuer gibt, die trotz ihrer Maklertätigkeit zeitweilig bis zu 70 Betreuungen führen. Auch wenn eine geringe Betreuungszahl noch kein Garant für hohe Qualität ist, so sagt sie dennoch aus, dass es dem Betreffenden ganz offensichtlich nicht in erster Linie um Gewinnmaximierung geht. Ein weiterer Pluspunkt ist der Umstand, dass es keine Homepage gibt, die für peinliche Eigenwerbung genutzt wird.
Alles in allem versuche ich, die Entscheidung des Gerichts gelassen zu nehmen und nicht voreingenommen zu sein. Zugegebenermaßen fällt mir dies nicht leicht, denn wie bereits erwähnt, fiel es mir nach allem, was ich während meiner Tätigkeit als Betreuerin mitbekommen habe äußerst schwer, eine Betreuung für meinen Stiefvater zu beantragen, zumal es eben nicht nur um fragwürdigen Umgang mit den Betreuten geht, sondern auch darum, dass ein nicht unerheblicher Teil des Berufsstandes eine offene Auseinandersetzung mit Kritik vehement und rigoros ablehnt. Aber dennoch ist der Hinweis meiner Bekannten richtig – nicht jeder Makler geht zwangsläufig autoritär und respektlos mit anderen Menschen um. Und auch ein Makler kann einen humanistischen demokratischen Arbeitsansatz haben und Qualität und nicht Zeitersparnis als Ziel anstreben.
Warten wir es also ab.
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Dienstag, 15. April 2014, 14:33h
Eine schwere Entscheidung und der Versuch des Optimismus
Seitdem mein Stiefvater im Jahr 2005 einen schweren Schlaganfall erlitt, kümmere ich mich um die Regelung seiner Angelegenheiten. Ganz bewusst habe ich dies nicht im Rahmen einer rechtlichen Betreuung getan, sondern über die Erteilung einer Vollmacht. Ich hatte mir vorgenommen, dies auch beizubehalten. Allerdings ist es nicht so einfach, Angelegenheiten für einen Familienangehörigen zu regeln, wenn derjenige relativ weit weg wohnt. Und die Sorge für einen Angehörigen wird ebenfalls erschwert durch den Umstand, dass jemand infolge von Pflegebedürftigkeit nur über ein Existenzminimum verfügt. Ob Angehöriger oder rechtlich Betreuter – das Leben an der Armutsgrenze erfordert es, jeden Cent dreimal umzudrehen. Jede unerwartete Ausgabe erfordert eine Neuberechnung des zu Verfügung stehenden Etats.
Schweren Herzens habe ich mich jetzt dazu durchgerungen, für meinen Stiefvater eine Betreuung zu beantragen. Neben der örtlichen Ferne spielen dabei auch gesundheitliche Gründe eine Rolle, außerdem gehört mein Stiefvater auch nicht zu den Menschen, die im Umgang immer einfach sind. Vor seinem Schlaganfall hatte ich eigentlich überhaupt keinen Kontakt zu ihm, aber da sein Sohn sowie alle anderen Familienmitglieder es ablehnen, sich um ihn zu kümmern, übernahm notgedrungen ich diese Aufgabe.
Auch wenn es gute Gründe für meine Entscheidung zur Beantragung einer Betreuung gibt, so kommt es mir dennoch wie ein Verrat vor. Mir klingt immer noch der Satz eines Kollegen im Ohr, der auf meine Aussage, dass mein Stiefvater nicht ins Pflegeheim möchte, weil er nach einem arbeitsreichem Leben nicht mit dem Taschengeldsatz von ca. 100,00 € leben will, antwortete: „Das ist dieses Anspruchsdenken, das unsere Gesellschaft kaputt macht“. Wie kann man beruhigt eine Betreuung für einen Angehörigen beantragen, solange es Betreuer gibt, die eine derartig verächtliche und ignorante Einstellung gegenüber schwerkranken Menschen haben, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben?
Letztendlich war es mein eigener Arzt, der mich davon überzeugt hat, dass man sich immer wieder vergegenwärtigen muss, dass nicht jeder Betreuer eine derartige Ansicht vertritt. Nur eine Minderheit unter den Betreuern tätigt Insichgeschäfte und längst nicht alle Betreuer wollen mehr als vierzig Betreuungen führen. Mein Arzt arbeitet auch als Gutachter in Betreuungsverfahren und steht der Praxis des Betreuungsgesetzes nicht unkritisch gegenüber. Seiner Meinung nach hält sich die Zahl derjenigen Betreuer, die ihre Betreuungen vorschriftsmäßig führen die Waage mit denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist. Dies ist übrigens auch die Ansicht des für meinen Stiefvater zuständigen Mitarbeiter des Sozialamts, den ich nach seiner Erfahrung mit den ortsansässigen Betreuern fragte. Mit anderen Worten – es muss nicht der Fall eintreten, dass mein Stiefvater einen Betreuer erhält, dem unseriöse Praktiken nachgesagt werden.
Ich versuche also optimistisch zu sein, was mir allerdings nicht immer leicht fällt. Ich wäre wesentlich beruhigter, wenn ich wüsste, dass es einen Konsens unter Betreuern geben würde, demzufolge bestimmte Praktiken und Haltungen scharf verurteilt würden. Ich erinnere mich noch gut an die Kollegin, die mir bitterste Vorwürfe wegen meines Interviews machte, weil ihrer Meinung nach Kritikpunkte auf keinen Fall öffentlich angesprochen werden dürfen und die damit argumentierte, dass sich die Betreuten ja beschweren könnten. Dies trifft auf meinen Stiefvater – wie auf sehr viele andere auch – definitiv nicht zu. Er wäre weder in der Lage, einen Beschwerdebrief zu schreiben, noch könnte er das Gericht persönlich aufsuchen und sich adäquat ausdrücken. Außerdem stellt es ein Paradox dar, dass jemand, der einerseits anerkannterweise nicht in der Lage ist, sich ausreichend selbst für seine Rechte einzusetzen, die Fähigkeit zugesprochen wird, sich gegen denjenigen, der ihn vertreten soll, zur Wehr zu setzen.
Aber vielleicht ändert sich ja auch irgendwann einmal die Einstellung der Betreuer gegenüber dem Umgang mit Kritik. Vielleicht wird es sogar irgendwann so etwas wie Beschwerdemanagement oder einen runden Tisch mit Vertretern aller Seiten geben. Und vielleicht passiert dies sogar noch zu Lebzeiten meines Stiefvaters. Ich würde dann auf jeden Fall ruhiger schlafen können.
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Sonntag, 17. Juli 2011, 21:51h
Wer weiß Rat, was man mit einer Leiche im Keller tut?
Manchmal kann eine einzige Frage mit einem Schlag sofort wieder alte Traumen in Erinnerung ruft. Gestern stellte mir ein guter Freund so eine Frage. „Warum hast Du nichts unternommen, als Du von den Betrügereien Deines Anstellungsträgers erfuhrst?“ fragte er mich. Ja, warum nicht – frage ich mich seit dem gestrigen Abend selbst wieder. Die ganze alte Geschichte, in der ich nicht das Rückgrat hatte, adäquat einzugreifen. In der ich mich nicht getraut hatte, das zu tun, was man tun sollte, wenn jemandem, der sich selbst nicht wehren kann, massives Unrecht zugefügt wird. Wenn Menschen sich wie Herrenmenschen aufführen, für die andere nur Untermenschen sind, die man nach Belieben für seine Zwecke missbrauchen kann.
Das ist meine ganz persönliche Leiche im Keller. Ich weiß nicht, wie man mit so einer Leiche umgeht. Und wünsche mir sehnlichst einen Rat.
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Samstag, 25. Dezember 2010, 01:31h
Ich habe keinen Korpsgeist
Gestern hat mich ein Kollege mit dem Begriff „Korpsgeist“ vertraut gemacht. Ehrlich gesagt war mir dieser Begriff überhaupt nicht geläufig. Ich kenne Begriffe wie Solidarität, Kollegialität, Sozialverhalten. Aber all diese Begriffe haben nur entfernt etwas mit Korpsgeist zu tun.
Korpsgeist gab es in den Ritterorden, im preußischen Militär, in den studentischen Verbindungen und heutzutage sogar in den Bereichen der Betriebsführung. Einer für alle – alle für einen. Hört sich nicht schlecht an. Klingt irgendwie doch ein bisschen nach Solidarität – die ich mir ja schon so lange und so sehnlichst wünsche. Ein gemeinsames Ziel verfolgen, etwas gemeinschaftlich erkämpfen und durchsetzen, anderen bei Angriffen den Rücken stärken und im Gegenzug selbst den Rücken gestärkt bekommen. Aber wenn all dies gleichbedeutend mit Korpsgeist wäre, dann würde man ja diesen Begriff und nicht den der Solidarität verwenden.
Es muss also einen entscheidenden Unterschied geben. Und es muss etwas sein, das mir persönlich fehlt, denn von einigen Kollegen wurde vorgeworfen, dass es eben jener Korpsgeist ist, an dem es mir mangeln würde. Begründet wird dies mit dem Vorwurf, dass es der Korpsgeist zwingend gebietet, Kritik - selbst wenn sie berechtigt ist - nicht öffentlich zu äußern, wenn es sich dabei um das Verhalten der eigenen Gruppenmitgliedern handelt.
Ich glaube, ich habe den Unterschied zu den mir geläufigen Begriffen eben herausgefunden. Korpsgeist bedeutet Gleichschritt. Und zwar ganz gleich in welche Richtung. Korpsgeist kann bedeuten, sogar großen Unsinn, böse Schweinereien oder absurde Aktionen mitzumachen und mitzutragen. Es ist nicht ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Haltung, durch die eine Verbindung mit den anderen Korpsmitgliedern entsteht – nein, es ist lediglich eine mehr oder weniger zufällige und auch nur partielle Zugehörigkeit zu einem Stand oder einer Gruppe. Und zu allem was immer dieser Stand oder diese Gruppe dann tut, muss konsequent genickt werden. Der Korps hat keine andere Funktion als die, sich selbst zu nützen. Eine Zweckgemeinschaft, deren einziger Zweck sie selbst ist.
Ob jemand andere Menschen ausnutzt, ob jemand menschenverachtende Positionen vertritt, ob jemand lügt und betrügt oder ob jemand kompletten Schwachsinn veranstaltet – all dies muss ausnahmslos mitgetragen werden. Mit anderen Worten – das Gehirn bleibt draußen. Das Gewissen im Zweifelsfall auch.
Und deswegen habe ich keinen Korpsgeist. Ich will nicht im Ritterorden an Kreuzzügen teilnehmen. Ich will auch nicht im preußischen Stechschritt marschieren. Ich will auch in keiner schlagenden Burschenschaft an Trinkgelagen teilnehmen. Ich will nicht in irgendeinem Betrieb als Heldin der Arbeit gefeiert werden. Und vor allem will ich weder ducken vor Betreuern, die sich wie Obersturmführer aufführen noch vor Betreuern, die in den Betreuten nichts anderes als eine Einnahmequelle sehen.
Da wo Korpsgeist herrscht, zählt nichts anderes mehr als das Wohl derjenigen, die zum Korps gehören – das aller anderen wird bedeutungslos. Korpsgeist ist ein Euphemismus für Cliquen- und Vetternwirtschaft.
Ich habe keinen Korpsgeist. Und ich will auch keinen.
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Dienstag, 2. November 2010, 21:11h
Wichtige Frage an Internet-Kenner
Ich habe mal eine Frage, die die Möglichkeiten betrifft, jemanden in einem Forum zu diffamieren, indem man nicht nur unter einem Namen registriert ist, sondern unter vielen (konkret 16). Ich habe null Ahnung von diesen Dingen, aber mir hat jemand gesagt, dass es eine IP-Nummer geben würde, die immer den Platz orten würde, von dem eine Registrierung getätigt wurde. Wenn es so etwas tatsächlich geben sollte, ist es dann auch wahrscheinlich, dass ein Forumsbetreiber dies auch kontrolliert, denn ich frage mich, warum jemand so eine Kontrolle wichtig finden sollte?
Zum Beispiel hier bei Blogger.de kann man sich ja auch unter vielen Namen registrieren und später einloggen, ohne dass dies verboten wäre - wofür es ja eigentlich auch keinen Grund gibt.
Nicht lustig machen über meine Frage, es ist etwas ziemlich Mieses passiert (nicht mir, sondern jemand anderen) und ich möchte der Sache nachgehen.
Vielleicht weiß ja jemand von Euch/Ihnen so etwas.
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Mittwoch, 5. Mai 2010, 15:42h
Das Wesen der Kritik – Eigenlob oder Unzufriedenheit?
Während der vielen Jahre, die ich nun schon im Bereich der Berufsbetreuungen tätig bin, erhalte ich bei der Äußerung von Kritik an der Arbeitspraxis von Berufsbetreuern in steter Regelmäßigkeit immer wieder den Vorwurf des Eigenlobs. Die Motivation meiner Kritik wird nicht darin gesehen, dass ich einige Dinge für äußerst fragwürdig halte, sondern mir wird unterstellt, meine Arbeitsweise für besser als die der anderen zu halten. Ich habe schon viel über diesen äußerst merkwürdigen Rückschluss nachgedacht und dabei fiel mir auf, dass in meinen früheren Arbeitsbereichen dieser sonderbare Vorwurf weder jemals gegen mich noch gegen irgend jemanden aus dem Kollegenkreis erhoben wurde. Kritik wurde immer als das angesehen, was Kritik ihrer Natur nach ist – Unzufriedenheit mit etwas oder mit jemandem. Und eben dies scheint einigen Menschen völlig fremd zu sein.
Was ist daran eigentlich so ungewöhnlich, dass man etwas für fragwürdig und somit für veränderungswürdig hält? In meiner Ausbildung zur Sozialpädagogin wurde eben genau dies als Grundlage und Triebfeder allen Handelns begriffen – etwas in irgendeiner Form verändern zu wollen. Und zwar als immerwährender Prozess, der als Spiegelbild der sich wandelnden gesellschaftlichen Zustände selbst auch immer wieder verändert werden muss.
Aber vielleicht muss man es gar nicht so kompliziert ausdrücken sondern kann es in einer viel einfacheren Formel auf den Punkt bringen: Ich möchte Menschen so betreuen, wie ich selbst auch betreut werden möchte – nicht besser und nicht schlechter. Und weil ich selbst keine überhöhten Rechnungen bezahlen möchte, kritisiere ich Kollegen, die zur Zeiten der nichtpauschalierten Abrechnung Rechnungen in schwindelnder Höhe gestellt haben. Und wenn ich Kollegen kritisiere, die völlig überflüssige Anwaltsmandate erteilen, dann nicht deshalb, um stolz darauf hinzuweisen, dass ich selbst so etwas nicht tue, sondern weil mir vor dem Gedanken graut, irgendwann selbst einmal in die Situation zu kommen, in der ich einen Anwalt nur deswegen bezahlen muss, weil mein Betreuer mit ihm verwandt ist und ihm deswegen einen lukrativen Auftrag verschaffen möchte.
Apropos Eigenlob – ein Lob wird eigentlich nur für etwas besonders Hervorzuhebendes erteilt. Und ich halte es in keiner Weise für etwas besonders Hervorzuhebendes, wenn Rechnungen nicht gefälscht werden oder wenn keine unsinnigen und nichtbegründbaren Mandate erteilt werden. Dies sollte schlichtweg den Normalfall darstellen. Es macht nachdenklich, dass allein schon die Abneigung gegen fragwürdige Arbeitspraktiken als Eigenlob umgedeutet wird.
Ich habe vor kurzem ein Feedback auf meine Homepage erhalten, das für mich äußerst ungewöhnlich war. Ausnahmsweise mal kein Vorwurf des Eigenlobs, sondern jemand hat mir seinen Respekt ausgesprochen. Derjenige hat dabei allerdings auch betont, dass ich „ganz schön austeilen“ würde, was ich auch nicht abstreite, denn ich stimme mit den vielen Kritikern des Betreuungswesens überein, dass vieles nicht so läuft, wie es laufen sollte. Übrigens auch bei mir nicht. Auch ich habe schon Entscheidungen gefällt, die ich im nachherein als falsch ansehe. Und auch ich habe schon einmal Fristen versäumt oder mich bei Kalkulationen verrechnet. Die Frage ist aber, ob schon allein der Umstand, selbst Fehler zu machen, von dem Recht auf Kritik ausschließt. Wäre dies der Fall, dann käme dies konsequenterweise einem Kritikverbot gleich, da jeder Fehler macht. Die Sichtweise des „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“ soll vor dem voreiligen und selbstgefälligen Richten schützen, nicht aber vor dem Recht – und der Pflicht! – Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Und vor allem sollte diese Sichtweise nicht als Entschuldigung missbraucht werden für feige Bequemlichkeit. Denn es ist oftmals nichts anderes als eben diese feige Bequemlichkeit, die der Grund dafür ist, alles und jeden kritiklos zu akzeptieren.
Jede noch so berechtigte Kritik mit dem Vorwurf des Eigenlobs abzuschmettern ist ein geschickter Schachzug, um gezielt abzulenken von der eigenen Taktik, sich jeder Auseinandersetzung und Stellungnahme zu entziehen. Nach dem Motto „Ich will nicht kritisiert werden, also kritisiere ich andere auch nicht“ – kann man sich bequem einen Schutzwall bauen.
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Mittwoch, 24. März 2010, 00:00h
Solidarität - ein lang vermisstes Verhalten
Momentan gibt es in unserem Berufsstand große Diskussionen darüber, dass wir Berufsbetreuer eventuell unsere seit Jahren gezahlte Mehrwertsteuer erstattet bekommen. Dies wäre gleichbedeutend mit einer mehrere Tausend Euro betragenden Finanzspritze – worüber verständlicherweise jeder mehr als froh wäre. Allerdings hängt alles davon ab, ob ein vor dem Europäischen Gerichtshof gefälltes Einzelurteil auch auf nationaler Ebene Anerkennung findet. Wenn dies der Fall wäre, würden wir gleichgestellt werden und eine Menge Geld erstattet bekommen. Aber ob es tatsächlich eine entsprechende Rechtssprechung geben wird, steht noch in den Sternen.
Anstatt sich allerdings darüber ganz normal auszutauschen, wird jetzt der Berufsstand in Schwarzmaler und in Richtigdenker eingeteilt. Momentan gibt es noch keinen genauen Verfahrensweg, der eindeutig eingeschlagen wurde. Voraussetzung ist auf jeden Fall eine Einspruchseinlegung – die allerdings erstmal zu einer Ablehnung führt, da die entscheidende Rechtsprechung ja wie erwähnt noch aussteht. Die meisten der Kollegen haben erstmal prophylaktisch Einspruch eingelegt und warten ab. Ohne mir etwas Böses dabei zu denken, habe ich den von mir eingeschlagenen Rechtsweg in unserer Mailliste dargestellt und dabei auch betont, dass ich einfach nur meinen Weg vorstellen möchte. Das hätte ich lieber nicht tun sollen, denn Folge war eine ziemliche harte Zurechtweisung durch eine Kollegin, die anscheinend meinen Weg ideologisch in die Schwarzmaler-Kategorie einordnete.
Ich hatte mich über den Rüffel der Kollegin geärgert, aber ließ die Sache erstmal auf sich beruhen, zumal weder negative noch positive Reaktionen kamen. Heute habe ich dann allerdings doch ein – weitgehend nettes – kleines Statement abgegeben. Dann kam überraschenderweise eine Resonanz. Eine mir nicht bekannte Berufsbetreuerin hinterließ eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter, in der sie mir mitteilte, dass sie genau meiner Meinung sei und die besagte Reaktion überhaupt nicht nachvollziehen konnte.
„Ich möchte Ihnen dies nur mitteilen, damit Sie wissen, dass sie nicht allein dastehen“. Diesen Satz habe ich während der letzten 13 Jahren meiner Tätigkeit als Berufsbetreuerin nicht mehr gehört. Wenn irgendwelche ungerechtfertigten Angriffe kamen, sei es von Angehörigen, Kollegen, Rechtspflegern oder meinen früheren Chefs, stand ich dem immer völlig allein gegenüber. Allein in der Auseinandersetzung um die Betrügereien des Betreuungsvereins, allein vor dem Sozialgericht, als meine früheren Chefs mir einen Teil meines Lohns streitig machten und allein bei ziemlich heftigen Beleidigungen von KollegInnen. Und jetzt, bei einer relativ harmlosen Angelegenheit, ruft mich plötzlich ein Wildfremder an, um mir den Rücken zu stärken. Ob mein gegenüber dem Finanzamt eingeschlagener Weg richtig oder falsch ist, sei dahingestellt – auf jeden Fall gibt es keinen Grund, mir dabei öffentlich irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen ideologischen Gründe zu unterstellen.
Ich glaube, man kann bestimmte Ziele und Ideale in seiner Arbeit nur dann durchhalten, wenn man ab und zu den Rücken gestärkt bekommt. Und plötzlich kommen mir Erinnerungen an frühere Zeiten, in denen ich Rückhalt erhalten habe. Erinnerungen an Kollegen, Klienten – manchmal sogar Arbeitgeber – mit denen man sich wechselseitig darin unterstützt hat, für seine Meinung einzutreten und keine faulen Kompromisse zu machen. Menschen, die Lust haben, etwas zu verändern und denen es nicht ausreicht, ständig nur den Weg des kleinsten Widerstands zu gehen.
Übrigens hatte ich ursprünglich gar nicht die Absicht gehabt, die von mir eingeschlagene rechtliche Vorgehensweise anderen mitzuteilen. Aber jemand aus dem Kollegenkreis fand meine Vorgehensweise plausibel und sinnvoll und riet mir zum Einbringen in die öffentliche Mailliste. Nachdem ich den öffentlichen Rüffel der Kollegin erhalten hatte, hatte ich insgeheim natürlich die Hoffnung auf ein wenig Solidarität, die sich aber leider nicht erfüllte, sondern mir nur den Vorwurf der Abhängigkeit von Bestätigung durch Dritte einbrachte. Aber dann macht sich doch plötzlich jemand die Mühe, der mich gar nicht kennt, mir ein paar ermutigende Worte aufs Band zu sprechen.
Fazit: Man sollte in der Lage sein, ohne die Bestärkung anderer auskommen und arbeiten zu können. Aber wenn ich mich an die Zeiten zurückerinnere, in denen Solidarität und gegenseitige Unterstützung und Bestärkung selbstverständlich waren, dann kann ich nicht umhin zu sagen: Es hat mehr Spaß gemacht, war weniger anstrengend und man hat viel mehr erreicht!
„Damit Sie wissen, dass sie nicht allein dastehen“ - ein toller Satz. Ein Satz, den man viel zu selten hört und den man bitter nötig hat, wenn es für wichtig hält, auch die unbequemen und lästigen Dinge anszusprechen. Ein Satz, den man ab und zu mal hören muss, wenn man sich nicht verbiegen will...
Edit:
Habe mich heute bei der Kollegin telefonisch bedankt und das erste Mal seit ewigen Zeiten ein 1 1/2 stündiges Fachgespräch über Betreuungsarbeit geführt (NICHT über Vergütungsfragen) - es gibt noch Wunder!
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