Montag, 16. Juni 2014, 11:53h

Eine schwere Entscheidung II – und der Versuch, nicht voreingenommen zu sein

behrens

Drei Monate liegt es nun zurück, dass ich für meinen Stiefvater eine Betreuung beantragt habe. Wie ich hier bereits beschrieben habe, fiel es mir alles andere als leicht, mich zu dieser Entscheidung durchzuringen, da ich ja während meiner Tätigkeit als rechtliche Betreuerin leider im Kollegenkreis auch einige sehr unschöne Dinge miterlebt habe. In meinem Antrag an das Amtsgericht erwähnte ich diesen Umstand und schloss das Schreiben mit den Sätzen: „....da es mir aber aus den genannten Gründen jetzt nicht mehr möglich ist, mich selbst um die Belange meines Stiefvaters zu kümmern, würde ich mir wünschen, dass ein Betreuer vorgeschlagen wird, der für seriöses und engagiertes Führen von Betreuungen bekannt ist. Ich möchte darum bitten, keinen Betreuer auszuwählen, der seine Arbeit ausschließlich an kaufmännischen Leitlinien orientiert oder der bei Gericht im Ruf eines respektlosen Umgangs mit den Betreuten steht.

Vor etwa drei Wochen rief mich dann mein Stiefvater an und sagte mir, dass ihm der Name des Betreuers mitgeteilt wurde. Weil keine Telefonnummer aufgeführt war, suchte ich diese im Internet, aber ich fand unter dem genannten Namen nur ein Maklerbüro. Als ich keinen anderen Eintrag vorfand, rief ich trotzdem an und mir wurde mitgeteilt, dass die Telefonnummer richtig sei, da der besagte Betreuer auch Makler ist.

Ich muss gestehen, dass ich bei dieser Information erstmal enttäuscht schlucken musste, denn ich habe ja gerade mit Betreuern, die ihre Betreuertätigkeit mit Maklergeschäften koppeln, extrem ungute Erfahrungen gemacht. In meinem Schreiben an das Amtsgericht hatte ich daher auch erwähnt, dass ich bestimmte berufliche Konstellationen wie eben beispielsweise das Führen von Betreuungen in Verbindung mit der Tätigkeit als Makler für bedenklich halte. Was sollte ich jetzt davon halten, dass nun trotzdem ausgerechnet ein Makler zum Betreuer meines Stiefvaters bestellt wurde?

Ehemalige Kollegen, mit denen ich über die Entscheidung des Gerichts sprach, konnten mein Erstaunen und meine Skepsis verstehen und empfanden die Entscheidung als ignorant. Was mir dann allerdings half, war die Reaktion einer Bekannten, der die Arbeitspraktiken einiger Betreuer meines Bezirks nicht unbekannt sind. Sie empfahl mir, einfach erstmal abzuwarten. Auch wenn der Beruf bzw. die ursprüngliche Ausbildung sicherlich Einfluss hat auf die Art, wie jemand seine Betreuungen führt, so sagt diese letztendlich dennoch nichts über die tatsächliche Ausführung der Arbeit aus.

Immerhin hat der Betreuer meines Stiefvaters meine Bitte erfüllt, meinen Stiefvater vor der eigentlichen richterlichen Anhörung aufzusuchen, damit dieser nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Dies würde mit Sicherheit von vielen meiner früheren Kollegen empört als nicht erforderlich abgelehnt werden. Außerdem hat der Betreuer meinen Stiefvater mittlerweile schon dreimal besucht und ich habe auch einen Rückruf erhalten – beides ist ebenfalls längst nicht selbstverständlich. Bei dem Telefonat erfuhr ich dann, dass der Betreuer meines Stiefvaters nur 30 Betreuungen führt. Das ist eine Zahl, die mich überrascht, da es Betreuer gibt, die trotz ihrer Maklertätigkeit zeitweilig bis zu 70 Betreuungen führen. Auch wenn eine geringe Betreuungszahl noch kein Garant für hohe Qualität ist, so sagt sie dennoch aus, dass es dem Betreffenden ganz offensichtlich nicht in erster Linie um Gewinnmaximierung geht. Ein weiterer Pluspunkt ist der Umstand, dass es keine Homepage gibt, die für peinliche Eigenwerbung genutzt wird.

Alles in allem versuche ich, die Entscheidung des Gerichts gelassen zu nehmen und nicht voreingenommen zu sein. Zugegebenermaßen fällt mir dies nicht leicht, denn wie bereits erwähnt, fiel es mir nach allem, was ich während meiner Tätigkeit als Betreuerin mitbekommen habe äußerst schwer, eine Betreuung für meinen Stiefvater zu beantragen, zumal es eben nicht nur um fragwürdigen Umgang mit den Betreuten geht, sondern auch darum, dass ein nicht unerheblicher Teil des Berufsstandes eine offene Auseinandersetzung mit Kritik vehement und rigoros ablehnt. Aber dennoch ist der Hinweis meiner Bekannten richtig – nicht jeder Makler geht zwangsläufig autoritär und respektlos mit anderen Menschen um. Und auch ein Makler kann einen humanistischen demokratischen Arbeitsansatz haben und Qualität und nicht Zeitersparnis als Ziel anstreben.

Warten wir es also ab.

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Der Stein, der vom Herzen fällt
Da mein Stiefvater sich schon längere Zeit nicht mehr gemeldet hat, rief ich ihn gestern an und erkundigte mich danach, wie es ihm geht. Und ich erfuhr, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht und er mit seinem neuen Betreuer zufrieden ist. Nach den großen anfänglichen Bedenken, die ich hatte, als ich davon erfuhr, dass der neue Betreuer ein Makler ist, fällt mir jetzt ein riesengroßer Stein vom Herzen. Der Betreuer kommt vorbei, wenn es etwas zu besprechen gibt (!), erklärt seine Vorgehensweise und hat, als es einen unvorhergesehenen finanziellen Engpass gab, sogar eine kleine Summe vorgestreckt (!). Es sieht so aus, als ob meine Bekannte Recht hatte, als sie mir riet, erst einmal abzuwarten.

Und ich denke darüber nach, in wieweit man schlechte Erfahrungen generalisieren kann. Wichtig ist, einzuschätzen, ob die persönlichen Erfahrungen denen anderer entsprechen, was man in meinem Fall allerdings ganz eindeutig bejahen muss. Wann immer der Name des Betreffenden aus meinem früheren Kollegenkreis erwähnt wird, geschieht dies definitiv ausnahmslos in negativem Zusammenhang und mit eindeutig ablehnender Beurteilung. Trotzdem gibt ein Berufsstand nicht per se Auskunft darüber, wie derjenige mit anderen Menschen umgeht. Respektloses, autoritäres und selbstgefälliges Auftreten sind nicht an eine bestimmte Ausbildung gekoppelt, auch wenn sicherlich eine Berufswahl immer auch von Persönlichkeitsmerkmalen beeinflusst wird.

Eine generelle Regel ist allerdings, dass sich manche Verhaltensweisen in bestimmten Arbeitsfeldern nicht halten könnten. Beispielsweise ist ein extrem respektloses Verhalten innerhalb eines sozialpädagogischen Arbeitsfeldes auf Dauer nicht haltbar und wird daher zwangsläufig irgendwann zum Rausschmiss führen. Und was ein Verbot der Kritik an der eignen Person betrifft, so ist es kaum vorstellbar, dass in einer Teamsitzung jemand damit durchkommt, dass er diese mit dem Hinweis auf seine Ablehnung gegenüber offenen Auseinandersetzungen verbietet. Genauso verhält es sich mit einem ausgeprägt autoritärem Auftreten – auf lange Sicht wird das weder ein Team noch ein Arbeitgeber akzeptieren, wobei dies mit Sicherheit nicht nur im sozialpädagogischen Bereich der Fall sein dürfte, denn selbst im kaufmännischen Bereichen wirkt sich dies kontraproduktiv aus und verhindert die erforderliche kollegiale Zusammenarbeit. Man muss folglich schon selbständig sein, um sich derartige Verhaltensweisen leisten zu können.

Alles in allem bin ich sehr froh, dass sich meine anfänglichen Befürchtungen nicht bestätigt haben. Es gab für mich in den letzten Jahren manche familiäre Schicksalsschläge, so dass ich für eine Entlastung mehr als dankbar bin. Und genau das soll eine rechtliche Betreuung darstellen – eine Entlastung derjenigen Angehörigen, die die rechtliche Betreuung ihres Familienmitglieds auf Dauer nicht selbst ausführen können.

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