Montag, 4. Januar 2010, 00:29h

I wanna be a boss, I wanna be a big boss - oder Mitarbeiterführung in einem gemeinnützigen Verein

behrens

Manche Begebenheiten liegen lange zurück und bleiben uerklärlicherweise trotzdem irgendwie im Gedächtnis haften. Und vielleicht sollte man sie dann einmal niederschreiben. Nicht zuletzt deswegen, weil manche Dinge sich nicht wiederholen sollten. So geht es mir bei dem letzten Gespräch, das ich im Betreuungsverein Elbe mit unserem Big Boss führte, kurz nachdem ich meine Kündigung ausgesprochen hatte.

Big Boss :„Ich habe gerade erfahren, daß Sie gekündigt haben“.

Ich: „Stimmt, ich habe keine Lust, an einem Platz zu arbeiten, an dem man sogar noch seinen PC selbst mitbringen muß“. Zur Erklärung: Obwohl im Betreuungsverein Hauptteil der Arbeit aus Schreibarbeiten bestand, gab es für die Mitarbeiter keinen eigenen PC und so hatte ich meinem Kollegen seinen Laptop abgekauft. Meine Erwiderung hatte die gute Laune des Geschäftsführers sofort zum verschwinden gebracht.

Big Boss: „Keiner hier hat Sie hier gezwungen, einen PC zu kaufen“.

Ich: „Das mag sein, aber der größte Teil der Arbeit findet am PC statt und es ist arbeitstechnisch unzumutbar, ständig Arbeit vor sich hinzuschieben, nur weil der PC gerade besetzt ist. Aber es geht hier nicht nur um den PC, hier werden Mitarbeiter ausgenutzt. Mitarbeiter machen hier jede Menge unbezahlte Arbeit und dies wird in keiner Weise anerkannt. Und dann werden Mitarbeiter auch noch einfach rausgeschmissen“. Hiermit sprach ich die vor kurzem erfolgte Kündigung der Sekretärin an.

Big Boss:„Die Kanzlei kann sich eine Weiterbeschäftigung nicht leisten“. Ich habe schließlich Verpflichtungen gegenüber meiner Familie.

Ich: „Andere Menschen haben auch Verpflichtungen. Mein Gehalt muß zum Beispiel auch für zwei reichen, weil mein Freund ist arbeitslos ist“ .

Big Boss: „Ihr Freund ist selbst Schuld, daß er arbeitslos ist“.

Ich: „Mein Freund hat aufgrund seiner Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache Probleme, eine Arbeit zu finden“. Mein Freund ist Ausländer und war damals erst vor kurzem nach Deutschland gekommen.

Big Boss: „Ihr Freund ist einfach nur faul. Der hat keine Lust, Deutsch zu lernen“.

Auf so eine Dreistigkeit fiel mir – und das ist selten bei mir – keine direkte Antwort ein. Das Gespräch ging dann aber weiter, indem ich nochmals auf die sehr vielen Gratisüberstunden hinwies, die alle Mitarbeiter – auch die besagte rausgeschmissene Mitarbeiterin – leisteten. Überraschenderweise gab dies der Geschäftsführer in einem Anfall von kleinlauter Ehrlichkeit sogar zu – beschwerte sich im gleichen Atemzug über die Krankschreibung der besagten Mitarbeiterin. Offensichtlich hielt er das (immerhin schon seit Bismarck bestehende) Lohnfortzahlungsgesetz für eine kommunistische Erfindung zur Zerstörung eines Arbeitgebers. Außerdem wies er eifrig darauf hin, daß ihm die Mitarbeiterin viel verdanken würde.

Ich: „In diesem Verein werden die Mitarbeiter ausgenutzt. Es werden Unmengen von unentgeltlichen Überstunden geleistet und das wird als selbstverständlich angesehen. Es gibt für die Mitarbeiter hier nicht die geringste Unterstützung. Und zum 10jährigen Jubiläum fällt Ihnen nichts anderes ein, als eine lausige Kaffetasse für 1,95 DM als Geschenk zu präsentieren“.

Die Erwähnung dieser höchst peinlichen Begebenheit anläßlich eines Jubiläums schien irgendwie direkt ins Schwarze getroffen zu haben, denn der Geschäftsführer lief krebsrot an. Und gab dann die dämlichste und unglaubwürdigste Antwort, die jemals jemand gegeben hat, bei dem sich alles einzig und allein ums Geld dreht:

Big Boss: „Ich halte es für einen Fehler, wenn Anerkennung nur in Form von materiellen Werten ausgedrückt wird. “.

Aber meine Worte verzieh er mir nicht und jetzt wurde richtig aufgefahren:

Big Boss: „Ich schon gleich am Anfang dafür, Sie rauszuschmeißen. Aus Ihnen wird nie etwas werden. Mit Ihnen stimmt doch auch etwas nicht. Wenn jemand mit 40 Jahren noch nichts geworden ist, dann kann man sicher sein, daß aus so jemandem nie etwas wird. Ihnen mangelt es an Respekt gegenüber Vorgesetzten. Ein Untergebener hat grundsätzlich alles zu akzeptieren, was vom Vorgesetzten vorgegeben wird. Wenn ich als Chef Ihnen sage, daß dieser Stuhl hier – dabei klopfte er heftig auf einen rabenschwarzen Stuhl – weiß ist, dann hat er für Sie die Farbe weiß zu haben“ .

Das Gespräch endetet dann und es stimmt mich noch immer nachdenklich, daß so eine Sorte Mensch problemlos Geschäftsführer eines gemeinnützigen – und somit aus Steuergeldern finanzierten – Vereins werden und jahrelang bleiben kann. Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, daß der Big Boss sich noch aufs Abfälligste über eine/n Mitarbeiter/in und dessen/deren Familie äußerte und mit Nachdruck auf die wohlsituierte Lage des/derjenigen im Vergleich zu ihm hinwies.

Wer meine Nachdenklichkeit mit gekränkter Eitelkeit erklärt, mag vielleicht nicht völlig falsch liegen, trifft aber dennoch nicht den Kern meiner Kritik - zumal ja auch nicht nur ich ausgenutzt und beleidigt wurde. Der Grund meiner Fassungslosigkeit liegt darin, daß zwar ausnahmslos jeder die Arbeitsweise des Vereins katastrophal fand, aber niemand auch nur den leisesten Hauch von Kritik äußerte.

Und ich frage mich, was Demokratie für einen Sinn macht, wenn sich Mitarbeiter so verhalten, als würden wir noch in Zeiten leben, in der man die Gestapo oder die Stasi fürchten mußte.

10cc kennt wahrscheinlich niemand mehr, aber anscheinend kannte 10cc unseren ehemaligen Big Boss:

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Freitag, 23. November 2007, 06:52h

Manchmal fehlen sie mir ........

behrens

Manchmal fehlen sie mir - die Sozialarbeiter aus früheren Zeiten. Die auch mal den Mund aufgemacht haben und noch den Wunsch nach Veränderung hatten. Die sich mit Behörden, Vorgesetzten und wem auch immer angelegt haben, wenn es sein mußte. Die Sozialarbeiter, ohne die es die jetzigen Beratungsstellen, Fachbeauftragten und so einige Rechtsansprüche auf Hilfen nicht geben würde, weil die nicht einfach vom Himmel fielen, sondern hart erkämpft werden mußten. Sozialarbeiter, für die ihre Arbeit nicht bloß kaufmännische Kosten/Nutzenrechnung war, sondern die manchmal ein bißchen über das unbedingt Erforderliche hinaus getan haben, weil es eben manchmal genau das kleine Bißchen mehr ist, das für wirkliche Veränderungen erforderlich ist. Sozialarbeiter, die keine Angst hatten, zu ihrer Einstellung und ihrer Arbeit mit allem Für und Wider auch in der Öffentlichkeit zu stehen und damit etwas in Bewegung gebracht haben.

Sicher, es gibt immer noch Menschen, die sich in ihrer Arbeit aufreiben und viel mehr für andere tun, als sie eigentlich müßten. Aber leider tun sie dies im stillen Kämmerlein und so kann niemand mitbekommen, daß viele Dinge nur umgesetzt werden konnten, weil man eben NICHT nur das Plansoll erfüllt hat. So edel und lobenswert diese Kollegen auch sind; hätte es in der Vergangenheit nur diese Arbeitsweise gegeben – wir würden uns jetzt wahrscheinlich noch im Mittelalter befinden, wir hätten noch die 60 Stundenwoche und als einzige soziale Einrichtungen würde es vielleicht Findelhäuser und Suppenküchen geben.

Was speziell die Betreuer und Betreuerinnen betrifft, so gibt es auch hier einige, die sich sehr engagiert um ihre Betreuten kümmern und die dabei nicht nur ihre Vergütung im Kopf haben, obwohl in nicht wenigen Betreuerköpfen kaum ein anderes Thema Platz findet. Leider scheint es aber wenig Hoffnung zu geben, Mitstreiter im Einsatz für grundlegende Veränderungen zu finden, und die bräuchten wir heute mehr denn je.

Wenn Sozialarbeit nicht auf Flickschusterei begrenzt bleiben soll, sondern auch verändernd eingreifen will, wird nicht nur Engagement gebraucht, sondern auch die Bereitschaft, Mißstände offen zu benennen und Konflikte auch – oder gerade - in der Öffentlichkeit auszutragen.

Ich habe in meiner Arbeit dieses Ideal noch lange nicht verwirklicht. ABER: ich habe zumindest noch dies Ideal!

18.05.:1498/24.11.:1412

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Dienstag, 13. November 2007, 02:31h

Der dunkle Punkt in meiner Biographie

behrens

Der „Dunkle Punkt“ in meiner Biographie

Bevor ich mich 1999 selbständig machte, arbeitete ich als Vereinsbetreuerin im Betreuungsverein Elbe. Der Verein mußte im Jahr 2000 schließen, weil ihm die öffentlichen Gelder entzogen worden waren. Als Grund hierfür wurden „finanzielle Unregemäßigkeiten“ genannt.

Ich hatte den Verein schon vor der Schließung verlassen, weil es meiner Ansicht nach noch viel mehr als die unzweckmäßig verwendeten Gelder zu beanstanden gab. Es gab eine äußerst unselige Interessenverquickung innerhalb des Vereins, da der zweite Geschäftsführer eine Anwaltskanzlei besaß, die sich in denselben Büroräumen wie der Verein befand. Nicht nur, daß die Kosten der Anwaltskanzlei fast vollständig über den Verein abgerechnet wurden, es wurde außerdem auch erwartet, daß bei Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung für die Betreuten der zweite Geschäftsführer beauftragt wurde. Dies wäre vielleicht noch vertretbar gewesen, wenn man nur dann Mandate erteilt hätte, wenn diese auch tatsächlich erforderlich und sinnvoll gewesen wären. Hiervon konnte jedoch keine Rede sein, denn Mandatserteilungen wurden auch dann erwartet, wenn die zu regelnden Angelegenheiten problemlos von dem Betreuer allein hätten geregelt werden können oder auch dann, wenn überhaupt keine Aussicht auf Erfolg eines gerichtlichen Verfahrens bestand. Die Leidtragenden waren in diesem Fall die Betreuten, die dann auf den Anwaltskosten sitzen blieben. Aber auch im Fall von Prozeßkostenhilfe ist es fraglich, ob man die ohnehin leeren Staatskassen noch mit Anwaltskosten belasten sollte, die völlig überflüssig sind, ganz zu schweigen von den überlasteten Gerichten, die auf überflüssige Rechtsstreits verzichten können.

Aber nicht nur die zweifelhafte Verquickung von Anwaltskanzlei und Betreuungsverein war moralisch fragwürdig. Bevor ich die Arbeit im Verein antrat, hatte der Geschäftsführer etliche Betreuungen als Privatperson geführt, so daß die Vergütung nicht dem Verein sondern ihm allein zu Gute kam. Strafrechtlich nicht belangbar, denn jeder kann jederzeit Betreuungen führen. Moralisch jedoch völlig unhaltbar, denn wenn eine Arbeit innerhalb der Arbeitszeit ausgeführt wird, gehört das hiermit erzielte Geld auch an den Arbeitsplatz und nicht in das Portemonnaie des Geschäftsführers.

Mit der Betreuung von sogenannten vermögenden Betreuten kann wesentlich mehr Vergütung erzielt werden als mit mittellosen Betreuten. Bei der Verteilung der Betreuungen auf die ehrenamtlichen und die Vereinsbetreuer erhielten vorzugsweise die auch als Betreuerinnen arbeitenden Ehefrauen der Geschäftsführer die vermögenden Betreuten. Wenn man dann bedenkt, daß auch eine der Ehefrauen im Vereinsvorstand saß und daß die beiden Geschäftsführer verschwägert waren, kann man des Eindrucks der Vetternwirtschaft nur sehr schwer erwehren.

Als ich den Betreuungsverein verließ, war die Presse schon auf die Vorwürfe gegen den Verein aufmerksam geworden. Der zweite Geschäftsführer hatte geschickt kurz vor der Schließung den Verein verlassen und der erste Geschäftsführer gab eifrig Interviews, in denen er sich als Opfer darstellte, was mich irgendwann dazu brachte, einen Leserbrief an unser Lokalblatt zu schreiben, da die haarsträubenden Darstellungen des Geschäftsführers nicht mehr erträglich waren. Ich erhielt überraschenderweise sofort einen Anruf der Zeitung und wurde um ein Interview gebeten. An dieser Stelle beginnt jetzt der „dunkle Punkt“ in meiner Geschichte, denn ich lehnte leider ab. Meine ehemaligen Kollegen arbeiteten noch in dem Betreuungsverein und mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dem Verein jetzt einen Dolchstoß zu versetzen, der zur Schließung und somit zum Verlust des Arbeitsplatzes meiner ehemaligen Kollegen hätte beitragen können. Außerdem war mir - ehrlich gesagt - auch etwas mulmig, so völlig allein gegen den Verein anzutreten. Ich empfinde ich meinen Rückzieher immer noch als ziemlich feige und mir wäre jetzt wohler, wenn ich mit der Zeitung offen geredet hätte, auch wenn meine Infos in einem weiteren Artikel thematisiert wurden.

Letztendlich habe ich gegen in der ganzen Angelegenheit lediglich eine Klage vorm Sozialgericht erhoben gegen die Sperrfrist, die aber nur einen Vergleich erbrachte. Ach ja, ein großes Lob vom Richter gab’s noch, immerhin endlich mal jemand, der meine Empörung über den Verein teilte!



WARUM schreibe ich das alles auf, obwohl die ganze Sache schon mehr als 8 Jahre zurückliegt?

WEIL es zum Himmel stinkt, wenn gemeinnützige Vereine vorrangig gegründet werden um leicht und schnell an öffentliche Gelder zu kommen.

WEIL in einer Zeit, in der viele Menschen von existenzieller Armut bedroht sind, die ohnehin knappen Staatsgelder für sozial Bedürftige verwendet werden sollten und nicht für die Finanzierung des kostspieligen Lebenswandel von Geschäftsführern.

WEIL es in keiner Weise vertretbar ist, zu diesen Umständen einfach zu schweigen. Hätten die beiden Geschäftsführer es nicht etwas zu weit getrieben, dann würde der unselige Betreuungsverein noch immer existieren und es würde weiterhin nicht nach den Interessen der Betreuten und der Öffentlichkeit gehandelt werden, sondern nach Eigeninteressen. Unrecht mitansehen, heißt Unrecht möglich machen. Jeder Schwarzfahrer muß für sein Vergehen büßen, die beiden Geschäftsführer hat man niemals zur Rechenschaft gezogen.

WEIL ich nur schwer verstehe, daß meine Reaktion anscheinend mehr Unverständnis auslöst als die eigentlichen Vorfälle, frei nach der Devise: „Sicher, es ist nicht gerade toll, was sich die Herren da geleistet haben aber muß man sich darüber wirklich so aufregen?“ Ja, liebe KollegInnen, man muß!


Wer ein Unrecht nicht verhütet, wenn er kann, fördert es.
Seneca

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