Montag, 2. Dezember 2013, 15:21h

Subjektives Empfinden als Gradmesser für Qualität? – Betreuungspäpste und Betreuungspäpstinnen

behrens

Die Diskussion über die Frage, bis zu welcher Fallzahlhöchstzahlgrenze die Qualität für die Führung einer Betreuung noch als gesichert gelten dauert an und zwischen Gerichten, Betreuungsbehörde, Angehörigen und Betreuern bestehen nach wie vor sehr kontroverse Ansichten. Auch ich habe die Thematik hier schon erörtert. Und immer gab und gibt es Kritik daran – selbst aus den eigenen Reihen – wenn jemand sehr viele Betreuungen führt. Ich erinnere mich noch daran, wie es zu Beginn meiner Betreuungstätigkeit von der Betreuungsbehörde heftig kritisiert wurde, dass jemand aus unserem Betreuerkreis 120 Betreuungen führte und ich entsinne mich an den Ausdruck „Betreuungspapst“. Damals wurde dann auch konsequent auf die Abgabe einiger Betreuungen gedrängt.

Jetzt habe ich erfahren, dass die hohe Zahl von 120 Betreuungen noch erheblich getoppt werden kann, denn eine frühere Kollegin teilte mir (ziemlich entrüstet) mit, dass eine Betreuerin aus unserem Bezirk es zur Betreuungszahl von 160 (!) gebracht hat. Auch ich war erstaunt über eine derart hohe Zahl, bin mir aber im Klaren darüber, dass nicht jeder mein Erstauen teilt, denn auch in diesem Fall wird es Stimmen unter den Betreuern geben, die darauf hinweisen, dass es einzig und allein die Entscheidung des einzelnen Betreuers ist, ob er wenig oder viele Betreuungen führt. Nur der Betreuer selbst soll entscheiden, ob die Qualität seiner Arbeit noch gewährt ist. Dies deckt sich auch mit der Schilderung der früheren Kollegin, dass bei jedem Betreuertreffen der Unmut über die Aufforderung der Mitteilung der Betreuungszahlen geäußert wird.

Es mutet sehr seltsam an, dass die Qualität einer so verantwortungsvollen Tätigkeit ausschließlich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Betreuers abhängig sein soll und selbst die Bitte um Information über die Betreutenzahl Protest auslöst. Reicht subjektives Empfinden tatsächlich aus als Richtlinie für eine mit einer enormen Machtfülle ausgestatteten Aufgabe, die zudem oftmals mit existentiellen Entscheidungen verbunden ist?

Der Berufsverband der Berufsbetreuer setzt sich schon seit langem für eine Anhebung des aktuellen Stundensatzes von 44,00 € ein und führt dabei auch in seiner Öffentlichkeitsarbeit das Argument an, dass Qualität seinen Preis haben muss. Wenn man dieser – zweifellos nicht falschen – Argumentation gegenüberstellt, dass ein 160 Betreuungen führender Betreuer einen monatlichen Umsatz von rund 22.500,00 € (!) hat, wird die Öffentlichkeit dafür allerdings wenig Verständnis haben.

In der Diskussion über diese Problematik werden jetzt wahrscheinlich so manche Betreuer kontern, dass es sich bei einer derart hohen Zahl doch nur um eine Ausnahme handelt. Selbst wenn dies zuträfe, so sind es aber eben gerade diese Ausnahmen, die in der Argumentation für eine berechtigte Stundensatzerhöhung ein Eigentor darstellen, denn die sogenannten Ausnahmen bergen nun mal das Gegenargument in sich, dass eine zu geringe Vergütung doch problemlos durch das Steigern der Betreuungszahl angehoben werden kann. Dies muss dann ja noch nicht einmal die Zahl von 160 Betreuungen sein, sondern auch bei 100, 90 oder selbst 80 Betreuungen ergibt sich doch noch ein ausreichendes Einkommen.

Als weiteres Argument aus den eigenen Reihen für die Akzeptanz hoher Betreuungszahlen wird natürlich auch angeführt werden, dass jemand mit 160 Betreuungen ja selbstverständlich auch Angestellte hat, die zum einen eine ausreichende Bearbeitung der anfallenden Aufgaben garantieren und zum anderen auch den Umsatz um Lohnkosten verringern. Hierbei sollte man jedoch nicht außer Acht lassen, dass sich bei 160 Betreuungen immerhin eine Zahl von 512 Monatsstunden ergibt (ausgehend von 3,2 Stunden als Durchschnitt). Wenn man hierbei wiederum von einer Arbeitszeit von 137 Monatsstunden bei einer Vollzeitstelle (165 Stunden reduziert um Urlaub, Krankheit, Fortbildung) ausgeht, müssten mindestens 2,5 Mitarbeiter angestellt sein. Dabei bleibt noch unberücksichtigt, ob der Betreuer noch anderen Tätigkeiten neben der Betreuungstätigkeit nachgeht, die das Zeitbudget weiter schmälern (was bei diesem Beispiel der Fall ist).

Nun gut, vielleicht sind in diesem Fall tatsächlich die erforderlichen 2,5 Mitarbeiter vorhanden und somit ist Kritik an der hohen Betreuungszahl doch eigentlich überflüssig und unangemessen. Eigentlich. Allerdings ist mir die besagte Betreuerin nicht unbekannt, ich habe hier schon einmal zwei nicht sehr erfreuliche Begebenheiten beschrieben. Zum einen ging es um eine Bekannte, die sich als Hartz-IV Empfängerin und alleinerziehende Mutter von drei Kindern in einer finanziell katastrophalen Situation befand und deren anwaltliche Beratung trotz der staatlichen Kostenübernahmeerklärung von einem Vorschuss abhängig gemacht wurde. Zum anderen sprach mich ein Sozialarbeiter darauf an, dass er mit betreffender Betreuerin die Erfahrung eines sehr arroganten und ignoranten Umgangs gemacht hat.

Es stellt sich die Frage, wie all dies zusammen passt. Im Grunde wird sehr deutlich, dass eine derartig hohe Zahl – und ich halte daran fest, dass diese Zahl sehr hoch ist – nur möglich ist, wenn man rigorose Abstriche im Umgang mit anderen und bei der Mitbeteiligung an Entscheidungsprozessen macht. Eindeutig sind auch die Gründe, aus denen heraus jemand trotz eines nicht gerade geringen Verdienstes auf einen Vorschuss von einer Hartz-IV-Empfängerin besteht. Bei einem Umsatz von 22.500,00 € wird das soziale Gefälle zu einem Hartz-IV-Empfänger so groß, dass jemand Gefahr läuft, das Gefühl dafür zu verlieren, welche Bedeutung die Summe von 100,00 € für eine Hartz-IV-Empfängerin hat.

Wie immer man zu einer derart hohen Fallzahl auch stehen mag – Betreuer mit extrem hohen Betreuungszahlen erweisen ihrem Berufsstand damit einen Bärendienst, denn in der Öffentlichkeit wird darin wohl kaum jemand das in der Selbstdarstellung betonte „Engagement“ sehen, sondern vielmehr nur die Absicht, möglichst viel zu verdienen. Dies jedenfalls ist meine konkrete Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den sozialen Diensten, Heimen, Behörden oder anderen Involvierten.

Um den üblichen Fehlinterpretationen vorzubeugen – es geht mir nicht darum, Betreuer in schlechte und gute Betreuer einzuteilen, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Thema Qualität im Betreuungswesen. Welche Strukturen und Vorgaben sind erforderlich, damit Menschen optimal betreut werden? Welche Maßnahmen sind nötig, um die zunehmende Kritik an Betreuern ernst zu nehmen und konstruktiv umzusetzen? Ist es wirklich im Sinne des Wohls der Betreuten, wenn die Anzahl der Betreuten beliebig hochgefahren werden kann und einzig von der subjektiven Einschätzung des jeweiligen Betreuers abhängig ist?

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Donnerstag, 9. Mai 2013, 02:49h

Sind Kneipentreffen gemeinnützig?

behrens

Was macht eigentlich Gemeinnützigkeit aus? An und für sich nicht schwierig zu beantworten, denn der Begriff beinhaltet ja schon genau das, worum es geht: All-gemeinheit und Nutzen. Es geht also um eine Einrichtung, die für die Allgemeinheit in irgendeiner Form einen Nutzen darstellt, wie dies z.B. der Fall ist bei Beratungsstellen, Fortbildungsträgern, kulturellen Begegnungsstätten e.t.c. Entscheidend ist, dass der Nutzen nicht nur auf diejenigen beschränkt ist, die dieser Einrichtung angehören, sondern auch auf andere Teile der Bevölkerung.

Dass man den Begriff der Gemeinnützigkeit auch ganz, ganz anders deuten kann, fällt mir immer wieder ein, wenn ich an die Betreuertreffen denke, an denen ich bis vor ein paar Jahren teilnahm. Nach dem offiziellen, alle zwei Monate stattfindenden Treffen in den Räumen der behördlichen Betreuungsstelle hatte es sich ergeben, dass anschließend ein paar der Betreuer noch auf ein Glas Bier in eine nahegelegene Kneipe gingen, was sich dann für sieben von uns zu einem regelmäßigem Treffen gestaltete. Es wurde dabei über dies und das und natürlich auch über unsere Arbeit geredet. Irgendwann kam es dann dazu, für uns sieben eine gemeinsame Website anzulegen. Und einige Zeit später kam dann einer der Kollegen auf eine denkwürdige Idee: unser zwangloses Treffen könnte in einen gemeinnützigen Verein umfunktioniert werden und dadurch würden wir keine Gewerbesteuer mehr zahlen müssen.

Ich selbst war bei dem besagten Treffen nicht anwesend, aber ein anderer Kollege schilderte mir den Vorschlag. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass es sich um einen Scherz handeln würde, denn selbst mit viel Fantasie kann man aus regelmäßigen Kneipentreffen noch keinen Nutzen für die Allgemeinheit ableiten. Mein Kollege beteuerte allerdings, dass diese Idee tatsächlich durchaus ernst gemeint war, obwohl er selbst den Vorschlag auch als völlig absurd empfand. Natürlich fragte ich sofort danach, wie denn die Reaktion der anderen Kollegen ausgefallen war. Die war für die Gruppe sehr bezeichnend, denn obwohl offensichtlich niemand auch nur ansatzweise Interesse an der Umsetzung des Vorschlags zeigte, wagte andererseits niemand, offen Kritik zu äußern und somit wurde die Angelegenheit der Einfachheit halber vertagt, wodurch sie dann mehr oder weniger in Vergessenheit geriet.

Warum ist diese lang zurückliegende Begebenheit bei mir nicht in Vergessenheit geraten? Weil es meiner Ansicht nach kein besseres Beispiel dafür gibt, welche absurden Formen eine zwanghaft aufs Kaufmännische reduzierte Arbeitseinstellung annehmen kann. Da gibt es die Situation, dass ein paar Betreuer regelmäßig in eine Kneipe gehen, es wird dabei viel Wein und noch mehr Bier getrunken und nur weil während des Trinkens ab und zu auch mal Arbeitsthemen gestreift werden, wird dies schon als Arbeitsleistung eingestuft, die doch gefälligst auch bezahlt werden sollte. Worin das Gemeinwohl des gemeinsamen Wein- und Biertrinkens liegen soll, ist und bleibt eine geheimnisvolle Frage. Und wieder einmal wird deutlich, worum es in einem übersteigert kaufmännischen Denken geht: auf Biegen und Brechen nach Möglichkeiten zu suchen – und seien sie noch so absurd – um zusätzliche Einnahmequellen zu eröffnen. Dass dies dann oftmals nur in einem gewaltigen Etikettenschwindel münden kann, gibt dem Ganzen nicht nur einen bitteren Beigeschmack sondern lässt auch das Vertrauen in gemeinnützige Einrichtungen schwinden.

Bleibt der Vollständigkeit halber noch anzumerken, dass es die Gewerbesteuerpflicht für Betreuer schon seit einigen Jahren nicht mehr gibt, ich selbst schon vor einigen Jahren aus der Homepage ausgeschlossen wurde und sich die restliche Gruppe mittlerweile kaum noch trifft.

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Freitag, 26. April 2013, 11:58h

Eine ungewöhnliche Frage und ein ungewöhnlicher Anruf – Lichtblicke

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Dass es doch auch immer wieder positive Beispiele in Hinsicht auf die Arbeitseinstellung von Betreuern gibt, habe ich gerade diese Woche erfahren.

Meine frühere Mitarbeiterin, die den größten Teil meiner Betreuungen übernommen hat, wird ihr Büro mit einer Kollegin teilen, die ebenfalls Berufsanfängerin ist. Ich habe immer noch mit der Abwicklung der Betreuungsübergaben zu tun, so dass ich ab und zu noch mein altes Büro aufsuche. Vorgestern stellte mir die Kollegin meiner früheren Mitarbeiterin dann eine für Betreuer sehr ungewöhnliche Frage. Es ging um ein Ehepaar, für dessen Betreuung sie demnächst vorgeschlagen werden soll. Wie so oft bei der Einrichtung einer Betreuung herrscht eine ziemliche Notlage und das Ehepaar befindet sich in einer äußerst misslichen Lage. Die Frage lautete:

„Darf ich auch vor der Einrichtung der Betreuung schon etwas für die beiden tun?“

Ich bejahte die Frage. Auch wenn Paragraphenreiter die Frage vielleicht verneinen mögen, so gibt es keinen Grund – das Einverständnis der Betroffenen vorausgesetzt – schon Dinge in Angriff zu nehmen, wie etwa nach einer Wohnung zu suchen, Unterlagen zu sichten, Recherchen zu machen, e.t.c. Allerdings bekommt man vor der Einrichtung der Betreuung noch nichts bezahlt. Und deswegen ist die Frage auch sehr ungewöhnlich. Es gilt unter vielen Betreuern die eiserne Regel: Mache niemals etwas vor Einrichtung der Betreuung. Genauso wie es die ebenfalls eiserne Regel gibt, niemals etwas nach Beendigung einer Betreuung für den Betreuten zu machen. Und da sind wir auch schon bei dem zweiten Lichtblick:

In der vergangenen Woche rief der Freund einer früheren Betreuten an, der sehr verzweifelt war, weil die ehemalige Betreute sich von ihm getrennt hatte und sich überhaupt nicht mehr meldete. Meine frühere Mitarbeiterin, die ja formal mit der schon beendeten Betreuung nichts mehr zu tun hat, rief den Freund und auch eine Beratungsstelle an, weil sie sich Sorgen machte. Zum einen wegen der verzweifelten Stimmung des Freundes, aber zum anderen auch, weil die frühere Betreute sehr labil und oftmals auch latent suizidal ist. Durch die Anrufe erfuhr sie dann allerdings, dass die Situation doch nicht so hoffnungslos war, wie es zuerst den Eindruck machte.

Vielleicht empfindet mancher diese beiden Reaktionen von zwei Betreuerinnen kaum erwähnenswert, denn in allen sozialen Einrichtungen ist es völlig selbstverständlich, dass die dortigen Mitarbeiter auch ehemaligen oder zukünftigen Klienten nicht völlig gleichgültig gegenüber stehen und einen Ratschlag oder eine kleine Hilfeleistung nicht von formaler Zuständigkeit abhängig machen, obwohl auch hier natürlich gilt, dass dies nicht mehr bezahlt wird. Betreuer blenden diesen Umstand allerdings gern aus und sind der Meinung, dass ihr Berufsstand der einzige ist, der bei formaler Nichtzuständigkeit nicht bezahlt wird. Entsprechend empört ist meist auch die Reaktion von vielen Betreuern, wenn es jemand wagt, doch mal vor oder nach der Betreuung um eine Auskunft zu bitten. Im kaufmännischen Wertesystem gilt das Interesse außerhalb der bezahlten Tätigkeit als größter Faux pas und dabei fällt dann auch schon mal der böse Vorwurf der „Unprofessionalität“.

Deswegen habe ich mir also doch die Mühe gemacht, über diese beiden Begebenheiten zu schreiben. Denn – es geht auch anders!

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Sonntag, 17. März 2013, 14:17h

Die Zeit ist reif

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...für einen runden Tisch. Die Unzufriedenheit Betroffener einerseits und der Ärger mancher Betreuer über die als einseitig wahrgenommenen Medienberichte andererseits machen einen runden Tisch unaufschiebbar.

Ein Zusammentreffen, an dem Vertreter aller Seiten repräsentiert sein sollten, wie zum Beispiel:

- Landesverband der Angehörigen psychisch Kranker
- Bundesverband Psychiatrieerfahrener
- Bund der Berufsbetreuer
- Verein Betreuungsgeschädigter
- Betreuungsgerichtstag
- Betreuungsstellen
- Betreuungsgericht
- Berufsverband der freiberuflichen BetreuerInnen
- Psychiatrie
- Heime
- Beirat der Heimbewohner

Die jeweiligen Ergebnisse der gemeinsamen Treffen sollten protokolliert werden und eventuell auch für andere einsehbar sein. Warum nicht die Möglichkeit nutzen, einen „Runden-Tisch-Blog“ einzurichten, der denjenigen, die am Thema interessiert sind, die Möglichkeit gibt, sich zu äußern?

Nur zur Anmerkung: ich habe meine erste Arbeitsstelle als Sozialpädagogin über einen Runden Tisch erhalten. An diesem wurden von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung und dem Arbeitsamt gemeinsam (jawohl, das funktionierte!) Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit getroffen. Eine davon war die Betreuungsstelle für Arbeitslose, für die ich eingestellt wurde und die von den Betroffenen sehr gut angenommen wurde.

Ein Runder Tisch ist ein Instrumentarium, das darauf abzielt, zwischen den einzelnen Parteien zu vermitteln. An diesem Tisch wäre für einseitige Schuldzuweisungen genauso wenig Platz wie für Verbote, Kritik offen anzusprechen. Und vor allem wäre dieses Instrumentarium ein geeignetes Mittel, um Missverständnisse zu beheben, die auf Unkenntnis der tatsächlichen rechtlichen Grundlagen beruhen.

Zumindest bei dem Landesverband der psychisch Kranken und dem Bund der Psychiatrieerfahrenen wäre ich mir relativ sicher, dass Interesse bestehen würde, denn beide Organisationen beteiligen sich auch an anderen übergreifenden Treffen (wie z.B. dem der Psychosozialen Arbeitsgruppe, an der ich regelmäßig teilnehme).

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Samstag, 16. März 2013, 13:58h

Viktor Frankl: per effectum und per intentionem

behrens

Manchmal stößt man beim Lesen auf Aussagen, die genau das auf den Punkt bringen, was man selbst als weniger exakt formulierte Aussage auch schon lange im Kopf hat. Auch wenn man wie ich über keine Lateinkenntnisse verfügt, beeindruckt Viktor Frankl darin, wie er den Unterschied charakterisiert, der im Bereich der menschlichen Wertvorstellungen und Motivationen zwischen Resultat und Ziel liegt – etwas par effectum erreichen oder per intentionem. Er erläutert dies am Beispiel am Wunsch nach einem guten Gewissen:

Der Mensch, der anständig handelt, hat per effectum ein gutes Gewissen, aber wenn er es per intentionem haben wollte, dann kann er es gar nicht haben. Wo soll er einen Grund haben, ein gutes Gewissen zu haben, wenn er nur um seiner selbst willen anständig handelt?

Diese Erkenntnis ist gilt natürlich auch für andere Bereiche als die des Gewissens, so zum Beispiel auch bezogen auf den Wunsch, einen guten Eindruck zu machen. Und damit sind wir bei dem so oft und so hartnäckig formulierten Ziel vieler Betreuer, in der Öffentlichkeit einen guten Eindruck machen zu wollen, was sich dann nach Frankl so formulieren ließe:

„Der Betreuer, der anständig handelt, macht per effectum einen guten Eindruck, aber wenn er ihn per intentionem haben will, dann kann er ihn gar nicht haben. Wo soll er einen Grund haben, einen guten Eindruck zu machen, wenn er nur um seiner selbst willen anständig handelt?“

Mir war es schon immer suspekt, wenn Menschen in ihrem Handeln ständig davon bestimmt sind, welchen Eindruck dies auf die Umwelt macht, denn leider rückt dabei etwas nicht besonders Rühmliches in den Mittelpunkt – das Bestreben, alles wegzuleugnen, was das Bild der Perfektion stört. Und da ich nun mal unverbesserlich daran glaube, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem Mangelhaften und Unschönen eine Bedingung – und übrigens auch eine Chance – für die Optimierung gesetzter Ziele ist, bin ich mehr als skeptisch, wenn ich sehe, mit welcher Hartnäckigkeit der gute Eindruck verteidigt wird.

Frankl bringt es wunderbar auf den Punkt, was das Bestreben nach einem guten Ruf deutlich macht – dass es nämlich denjenigen überhaupt nicht um andere, sondern in erster Linie nur um die eigene Person bzw. den eigenen Berufsstand geht. Somit stimmt zwar die oft gebrauchte Formulierung: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ aber der Mensch ist eben nicht der Betreute, sondern – der Betreuer!

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Montag, 18. Februar 2013, 12:18h

Fremdschämen

behrens

Die Sendung bei Maischberger mit dem Titel „Entmündigt – wenn die Betreuung zum Albtraum wird“ hat Reaktionen von allen Seiten auf sich gezogen. Man muss zur Sendung vorab sagen, dass die Auswahl der eingeladenen Gäste nicht besonders ausgewogen war. Für die Seite derer, die die Praxis des Betreuungsrechts kritisieren, waren zwei Angehörige von Betreuten eingeladen worden sowie ein Rechtsanwalt. Die Situation von Betreuern wurde allein durch den Vorsitzenden des Berufsverbandes der Betreuer vertreten. Außerdem waren noch zwei weitgehend neutrale Personen anwesend, denen es nicht um Kritik an Betreuern ging, sondern um die Darstellung der Situation als Angehörige eines Kranken, bzw. hilfebedürftigen Menschen.

Von Seiten der Angehörigen wurden massive Vorwürfe gegen die Betreuer ihrer Angehörigen erhoben und auch der Anwalt vertrat vehement die Ansicht, dass bei der Führung der Betreuungen nicht das Interesse des Betreuten und seiner Angehörigen im Vordergrund steht, sondern das der Betreuer. Der Kern der Kritik der Angehörigen lautete, dass die jeweilige Betreuerin die Betreute gegen den Willen der Angehörigen in ein Heim einweisen ließ, obwohl eine Versorgung in der eigenen Wohnung durchaus möglich gewesen wäre.

Es war keine leichte Situation für den Vertreter der Berufsbetreuer, dieser massiven Kritik etwas entgegenzusetzen, zumal auch ein Film eingespielt wurde, der den Abtransport der Mutter in ein Heim unter Polizeieinsatz zeigte. Im Grunde gibt es auch nur zwei Möglichkeiten auf diese Vorwürfe zu reagieren: zum einen kann man entgegnen, dass sich die dargestellten Fälle auf keinen Fall so zugetragen haben können und zum anderen kann man antworten, dass man die dargestellten Fälle zwar nicht grundsätzlich anzweifelt, aber dennoch das Gros der Betreuer anders arbeitet und den Willen der Angehörigen nicht einfach ignoriert. Der Vorsitzende der Berufsbetreuer entschied sich zu letzterer Möglichkeit. Und dies stieß unter Kollegen nicht nur auf Zustimmung, denn man hätte deren Ansicht nach viel vehementer die genannten Beispiele in Frage stellen und vor allen Dingen darauf hinweisen müssen, wie engagiert doch viele Berufsbetreuer arbeiten.

Zwei Meinungen, die für sich genommen durchaus ihre Berechtigung haben. Es wäre dabei allerdings sehr interessant, einmal gedanklich durchzuspielen, welche Wirkung das strikte Infragestellen dargebrachter Vorwürfe wohl auf die Zuschauer haben mag. Und dabei sollte man einfach mal die Berufsgruppe austauschen und sich vorstellen, dass es ein anderes Thema betrifft. Angenommen, es gäbe eine Sendung zum Thema Krebsbehandlung und es wären Betroffene mit sehr negativen Erfahrungen geladen sowie auch ein Vertreter der Ärztekammer. Angenommen, dieser Vertreter würde alle Kritik rigoros zurückweisen und seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Betroffenen äußern und außerdem ausdrücklich betonen, wie professionell und engagiert die Ärzte die Behandlung durchführen.

Ich habe meine Zweifel, ob so eine Argumentation tatsächlich so überzeugend wirken würde, wie es manche Kollegen annehmen, denn nicht auf jeden macht es einen seriösen Eindruck, wenn Kritik grundsätzlich als unberechtigt dargestellt wird und auf viele wird dies eher wie ein Ablenkungsmanöver wirken, um sich mit der eigentlichen Kritik nicht auseinandersetzen zu müssen. Wobei im Falle der Betreuer – ob man dies nun gern hört oder nicht – leider erwiesenermaßen nicht jede Kritikäußerung völlig unberechtigt ist. Und in sofern halte ich die Hinweis des Vertreters des Berufsverbandes für richtig, dass es auch unter den Betreuern schwarze Schafe gibt; das Gros der Betreuer jedoch verantwortungsbewusst und vorschriftsmäßig arbeitet. Aber für diese Äußerung gab es Schelte und es wurde – da sind wir bei der Überschrift – der Ausdruck des Fremdschämens gebraucht.

Es gibt viele Ausdrücke, an die ich mich nie gewöhnen werde. „Fremdschämen“ ist einer davon. Diesen Begriff assoziiere ich mit Menschen wie zum Beispiel Dieter Bohlen, bei dem dieser Begriff zum Standartvokabular gehört und der oft und gern damit zum Ausdruck bringen will, wie blamabel und miserabel jemand etwas darstellt. Diesen Begriff allerdings darauf anzuwenden, dass jemand eine definitiv vorhandene Tatsache nicht abstreitet, löst bei mir Unverständnis aus. Da wird anscheinend Ursache und Wirkung verwechselt, denn Scham sollte man nicht für denjenigen empfinden, der inakzeptables Verhalten nicht abstreitet, sondern für denjenigen, der inakzeptabel handelt. Ebenfalls löst es bei mir Unverständnis aus, wenn jemand der Ansicht ist, dass es ausreicht, den Focus auf die positive Darstellung zu legen, um auch als gut bewertet zu werden. Werbung mag ja durchaus ihre Wirkung haben, wenn es um die Bekanntmachung und Information über eine Dienstleistung geht. Wenn es allerdings zunehmend Menschen gibt, die mit dieser Dienstleistung nicht zufrieden sind, kann diese Unzufriedenheit auch durch eine professionell positiv gestaltete Außendarstellung nicht verhindert werden.

Man sollte Menschen in ihrer Kritikfähigkeit nicht unterschätzen. Ein eloquent und wortgewaltig vorgetragenes Plädoyer für Betreuungsarbeit wird nur dann eine Wirkung entfalten, wenn diese mit der tatsächlichen Erfahrung in der Bevölkerung auch übereinstimmt. Alles andere wird – früher oder später – als Mogelpackung in die Kritik geraten. Dies wäre dann in der Tat etwas, bei dem das Gefühl der Scham seine Berechtigung haben könnte.

Die Bereitschaft, Kritik ernst zu nehmen und sich mit ihr auseinanderzusetzen wäre mit Sicherheit für einen Berufsstand die beste Werbung und eine realistische Möglichkeit, das umzusetzen, worum es bei der Reform des Betreuungsgesetz im Kern geht – Demokratie!

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Samstag, 9. Februar 2013, 13:44h

Der Teufel in Person oder der beste Betreuer der Welt – kann man sich immer auf die Darstellung der Betreuten und ihrer Angehörigen verlassen?

behrens

Wie bei jeder anderen Tätigkeit, kommt es auch bei der Betreuertätigkeit zu Bewertungen. Genauso wie beispielsweise die Arbeit eines Handwerkers, eines Arztes oder eines Kaufmanns von all denjenigen bewertet wird, für die die Tätigkeit geleistet wird, so urteilen auch die Betreuten über die Arbeit, die ihr Betreuer für sie leistet. Dabei ist es nicht selten der Fall, dass ein- und derselbe Betreuer in seiner Bewertung einer erstaunlichen Spannbreite unterliegt. Diese kann von der Titulierung „Teufel in Person“ bis zur „besten Betreuerin der Welt“ reichen. Hier ein paar Beispiele:

In der vergangenen Woche habe ich eine im Heim lebende Betreute besucht, mit der ich im Laufe eines Jahres immer wieder ausführlich besprochen habe, ob sie trotz ihrer schweren Pflegebedürftigkeit wieder in ihre Wohnung zurückkehren möchte, oder aber im Heim bleiben möchte. Das Ergebnis war, dass sie sich dafür entschied, im Heim zu bleiben. Ich ließ mir ihre Einwilligung in die Kündigung ihrer Wohnung nicht nur unterschreiben, sondern nahm auch meine Mitarbeiterin zu dem damit verbundenen Gespräch mit. Als ich jetzt besagte Betreute vor zwei Wochen besuchte, weigerte sie sich, mir die Hand zu geben und bezeichnete mich als „Teufel in Person“, dem sie „die Pest an den Hals wünschte“. Ihrer Meinung nach hatte ich ihr gegen ihren Willen die Wohnung weggenommen und mich außerdem an ihr bereichert.

Die Titulierung „Teufel in Person“ war mir nicht neu. Vor vielen Jahren hatte ich eine Betreute, die seit Jahren Sozialhilfe bezog, obwohl sie Ersparnisse in fünfstelliger Höhe besaß. Die Wohnung musste dringend entmüllt werden, da sich der Müll schon meterhoch stapelte. Zwar war die Betreute mit der Entmüllung einverstanden, aber sie war hochempört, als ich die Kosten von ihren Ersparnissen bestreiten wollte und keinen Antrag beim Sozialamt stellte. Wo immer die Möglichkeit bestand, erzählte die Betreute, dass ich ihr ihr Geld vorenthalten und mich nicht für ihre Rechte einsetzen würde. Das tat sie so überzeugend, dass dann auch in steter Regelmäßigkeit Menschen bei mir anriefen und mich vorwurfsvoll ermahnten, mich besser um die Betreute zu kümmern. Ich stellte dann natürlich die Angelegenheit richtig, was mir wiederum barsche Kritik der Schwester der Betreuten einbrachte, die mir vorwarf, „meinen Beruf verfehlt zu haben“, weil ich zu viel Informationen abgeben würde. Die Betreute selbst drohte mir ständig mit der Einschaltung der BILD-Zeitung. Außerdem drohte sie mir damit, dass man „schon für vierzig DM jemand umbringen lassen könne“. Wie ich übrigens später erfuhr, hatte die Betreute tatsächlich schon einmal eine Sozialarbeiterin mit einem Messer angegriffen.

Wie ich hier auch schon einmal ausführlich dargestellt habe, gibt es auch Angehörige, die einen Betreuer mit ihrem Hass regelrecht verfolgen, so wie der Vater einer Betreuten, der seiner schwerkranken Tochter jeglichen Kontakt zur Außenwelt verbieten wollte und dabei auch schon mit erhobener Faust auf mich zukam. Auch dieser Angehörige bezeichnet mich als „Teufel in Person“ und beauftragte einen Anwalt damit, gegen mich vorzugehen, weil ich seiner Ansicht nach das Geld seiner Tochter nicht richtig verwalten würde – was ich allerdings durch Darlegung der entsprechenden Unterlagen eindeutig widerlegen konnte.

In einem anderen – hier auch schon beschriebenen Fall – hatte ein Angehöriger ebenfalls einen Anwalt eingeschaltet und sich bei Gericht über mich beschwert, weil ich seiner Ansicht nach eine angeblich muslimische Betreute zum Christentum bekehren wollte. Hierbei war die Einschaltung eines Anwalts noch harmlos, denn der Angehörige hatte mich auch mit vollem Namen bei zwei als sehr fundamentalistisch geltenden muslimischen Einrichtungen denunziert. Natürlich war die Bekehrung zum Christentum völlig aus der Luft gegriffen zumal meine Betreute auch überhaupt keine Muslimin war, sondern evangelisch. Aber bevor diese Vorwürfe entkräftet wurden, standen sie erst einmal im Raum und geben ein sehr negatives Bild über Betreuungsarbeit ab.

Natürlich gibt es nicht nur diese Fälle von Betreuten und Angehörigen, die Betreuungsarbeit sehr negativ sehen. So schickte mir vor kurzem einer meiner Betreuten einen Brief, der adressiert war an „die beste Betreuerin der Welt“. So sehr ich mich auch über dieses Lob freue, so bin ich mir natürlich auch im Klaren darüber, dass auch diese Bewertung subjektiv ist. Aber natürlich ist es bei einer Arbeit, die oftmals mit sehr viel harter Kritik verbunden ist, wohltuend, wenn nicht nur negativ geurteilt wird. Wenn Angehörige nicht nur den „Teufel in Person“ in mir sehen, sondern mir beispielsweise sogar auch noch nach Beendigung der Betreuung nette Weihnachtsgrüße schicken. Auch wenn ich immer betone, dass ich keine Geschenke möchte, so habe ich doch auch schon einige Male Blumen, Pralinen und andere Kleinigkeiten erhalten, über die ich mich natürlich sehr gefreut habe.

Aber die in der Überschrift dieses Beitrags formulierte Frage bleibt:

Kann man sich immer auf die Darstellung der Betreuten und ihrer Angehörigen verlassen?

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Dienstag, 22. Januar 2013, 14:23h

Supervision – Blick über den Tellerrand

behrens

Vor ungefähr einem Jahr hatte ich mich entschlossen, mir einige Stunden Supervision zu gönnen. Einfach mal selbst in der Position zu sein, in der man nicht anderen zuhört, sondern selbst Rat und Hilfe erhält. Das Hilfreiche bei einer Supervision, so wie bei jeder andern Form der Beratung auch, ist das Feedback aus einem anderen Blickwinkel heraus. Man sieht sich und seine arbeitsspezifischen Probleme quasi von oben in einem größeren Zusammenhang und Radius.

Mir ging es bei der Supervision nicht so sehr um einzelne Fallbesprechungen, sondern um die Arbeit an sich. Um die Situation, dass die Betreuungsarbeit nicht eingegliedert ist in soziale oder behördliche Träger, sondern jeder Betreuer mehr oder weniger eine kleine Ich-AG bildet und das Prinzip der Zusammenarbeit durch das der Konkurrenz ersetzt wird.

Wichtig zu erwähnen, dass die Supervisorin selbst Betreuerin ist und sehr aktiv in unserem Berufsverband mitarbeitet. Mit anderen Worten – schon das allein war für mich ungewohnt und neu, denn ich habe in den vielen Jahren meiner Arbeit noch nie einen Kollegen kennengelernt, der sich übergeordnet engagiert.

Wenn ich die Quintessenz der Ergebnisse meiner Supervision darlegen sollte, dann ist es die, dass es auch einen gänzlich anderen Typus des Betreuers gibt, als diejenigen, mit denen ich bisher meist zu tun hatte. Schon die Ausbildung der Supervisorin unterscheidet sich von der allgemein üblichen, denn sie hat weder eine kaufmännische noch eine juristische Ausbildung, sondern ein Politikwissenschaftstudium absolviert.

Obwohl Supervision im Allgemeinen Wertungen vermeidet, war es ohne viele Worte selbstverständlich, dass vieles von dem, was ich im Laufe meiner Berufspraxis mitangesehen hatte, auch für die Supervisorin ohne Wenn und Aber unvertretbar ist. Übereinstimmung auch darin, dass Betreuungsarbeit Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit bedarf. Allerdings betonte die Supervisorin nachdrücklich, dass ein großer Teil der Betreuer unseriöse Arbeitspraktiken genauso vehement ablehnt wie ich. Das ist es auch, was die Supervisorin mir ans Herz legte – immer zu bedenken, dass es sich bei den von mir gemachten Erfahrungen nur um einen Ausschnitt eines viel größeren Spektrums handelt. Ein Spektrum, das sehr vielfältig ist und das sich nicht auf kaufmännische Prioritäten reduziert.

Obwohl der Blick über den Tellerrand etwas Versöhnliches und Optimistisches hat, macht er jedoch auch deutlich, dass es allerdings auch nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist, Betreuer zu treffen, für die Vernetzung und Interesse für übergeordnete Themen genauso wichtig wie Fragen der Vergütung sind. Wenn ich mir zum Beispiel den Bezirk ansehe, in dem ich tätig bin, dann gibt es dort keinen einzigen Betreuer, der sich die für Arbeit des Berufsverbands oder für kollegialen Austausch einsetzt. Zwar gibt es ein alle zwei Monate stattfindendes Treffen, aber dieses findet einzig und allein durch die Initiative der zuständigen Behörde statt. Und obwohl unser bezirkliches Treffen eigentlich nach den Vorschlägen der Betreuer gestaltet werden soll, werden von diesen so gut wie nie Vorschläge gemacht und viele der Betreuer sagen (natürlich nicht während des Treffens) dass die Teilnahme in erster Linie geschieht, um auch weiterhin Betreuungen zu erhalten.

Fazit meiner Supervision: auch trotz der vielen negativen Erfahrungen gibt nicht den Betreuer und man wird der Beurteilung des Betreuungswesens nur dann gerecht, wenn man bisher gemachte Erfahrungen nicht generalisiert. Dies ist nicht unbedingt einfach, denn schlechte Erfahrungen lassen sich nicht so einfach wegwischen. Der erste Schritt zur Verarbeitung negativer Erfahrungen wird nur möglich, wenn überhaupt erst einmal ausgesprochen werden darf, dass etwas negativ war. Die Tatsache, dass mir in der Person der Supervisorin das erste Mal jemand aus unserem Berufsstand begegnete, der unseriöser Berufspraktiken voll und ganz ablehnt, zeigte mir, dass ich mich auf meine Wahrnehmung und meine Urteilskraft verlassen kann. Der zweite Schritt besteht dann in dem Öffnen für das Zulassen neuer Erfahrungen. So wie ich ja inzwischen auch Kontakt zu zwei Kolleginnen außerhalb unseres Bezirks habe, die meine Ansichten in Bezug auf die Pflichten als Betreuerin teilen.

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Dienstag, 18. Dezember 2012, 19:40h

Steckt in häufig kritisierten Betreuern in Wahrheit ein heimlicher Robin Hood?

behrens

Immer, wenn es mir gelingt, mich längere Zeit nicht mit der Kritik an Betreuern und unserer Arbeit zu beschäftigen, dann passiert garantiert irgend etwas, das die alten Geschichten wieder aufleben lässt. Gestern gab es wieder so einen Rückschritt, denn das Gesprächsthema kam unter anderem wieder auf diejenigen Betreuer, deren Verhalten auf allen Ebenen Anstoß zu Kritik und Beschwerden erregt.

Und da habe ich dann eine denkwürdige Erklärung für die große Menge an Kritik an bestimmten Betreuern erhalten: „Es sind ja häufig gar nicht die Betreuten, die Kritik äußern, sondern die betroffenen Institutionen, wie Pflegedienste, PPM-Anbieter oder die Angehörigen, e.t.c. Die Betreuten selbst sind doch alle rundherum zufrieden.“ Dies wäre doch ein deutliches Zeichen, dass man die Kritik getrost übergehen kann.

Mit dieser merkwürdigen Sichtweise hat man dann im Handumdrehen eine geschickte Möglichkeit geschaffen, um für die an sich negative Tatsache der häufigen Kritik eine durch und durch positive Erklärung abzugeben. Denn gemäß dieser abenteuerlichen Erklärungslogik zeigt doch gerade die häufige Kritik, wie überaus engagiert der Kritisierte sich für seine Betreuten einsetzt. Wir haben es sozusagen mit einem Robin Hood zu tun, der mit Kritik strafverfolgt wird, weil er sich mit aller Konsequenz und natürlich völlig selbslos für die Witwen und Waisen dieser Welt einsetzt!

Man könnte so einen Unsinn fast glauben, wenn man nicht wüsste, dass sich viele der involvierten Dritten eben gerade deswegen über bestimmte Betreuer beschweren, weil sie aus allernächster Nähe mitbekommen, dass deren Betreute nicht gut betreut werden.

Aber auch davon abgesehen, gibt es auch weitere gute Gründe, die Kritik von Dritten nicht gleich ad acta zu legen, denn oftmals hängt das Wohl der Betreuten eben gerade davon ab, ob es gelingt, zwischen dem Betreuten und seiner Umwelt ein spannungsfreies und soziales Miteinander herzustellen. Wenn man die Probleme der Pflegedienste, der PPM-Betreuer, der Vermieter, der Heime oder der Angehörigen einfach ignoriert, wird sich dies unweigerlich auch auf das soziale Zusammenspiel mit dem Betreuten auswirken. Niemand engagiert sich gern, wenn er dafür einen Fußtritt erhält. Und dies kann sich dann sogar auch auf abstraktere Ebenen verschieben, indem beispielsweise manche Vermieter überhaupt keine Betreuten mehr als Mieter wollen, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass Betreuer sich einen Dreck um die Erfüllung der mit einem Mietverhältnis verbundenen Pflichten kümmern.

Es ist an sich schon schlimm genug, dass manche Betreuer in ihrer Umgangsform ein derart autoritäres Verhalten zeigen, das wahrscheinlich selbst bei der Bundeswehr zu einem Rausschmiss führen würde. Aber es grenzt an einer kaum zu übertreffenden Fehlwahrnehmung des eigenen Handelns, wenn man die von vielen Seiten hagelnde Kritik auch noch zur Auszeichnung hochstilisiert.

Nein, wir haben es hier nicht mit Robin Hood zu tun. Der genoss nämlich der Sage nach auf breiter Ebene – abgesehen von der Obrigkeit – Verehrung im Volk, weil er das meiste von dem was er erbeutete, an andere abgegeben hat. Und nur so ganz nebenbei erwähnt – von Robin Hood wird nirgends berichtet, dass er wohlhabend war, sondern im Gegenteil, er gehörte zu den Ärmsten der Armen!

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Samstag, 5. Februar 2011, 01:56h

Wirklich das Schlimmste?

behrens

Vor einiger Zeit bei einem Gespräch über Betreuer hörte ich folgenden Satz: „Das Schlimmste, was ich im Zusammenhang mit Berufsbetreuern gehört habe, ist, dass ein Betreuer seine Betreute geheiratet hat!“. Es gibt ja zugegebenermaßen sehr viel, was ich an Betreuern kritisiere, aber dies ist ausnahmsweise einmal etwas, woran ich nichts wirklich Schlimmes entdecken kann. Es fiel in der Diskussion das Argument der Unprofessionalität. Nun ja, Liebe ist vielleicht wirklich nichts, das man als professionell bezeichnen kann – aber Liebe ist auch nicht steuerbar und Liebe hält sich vor allen Dingen nicht an Kriterien wie die des Betreutseins und des Betreuens.

Man müsse sich in einem therapeutischen Beruf abgrenzen, lautete ein weiteres Argument. Stimmt zweifellos. Man darf bei Betreuten – und bei allen anderen Klienten innerhalb helfender Professionen ist dies genauso – nicht den Eindruck einer Freundschaft oder eines Eltern/Kind-Verhältnis erwecken, denn dies schafft falsche Hoffnungen und endet erwartungsgemäß mit einer großen Enttäuschung. Nur mit angemessener Distanz kann man auf lange Sicht wirklich jemandem helfen.

Aber dennoch – Betreuer und Betreute sind noch weitaus mehr als eben nur Betreuer oder Betreute. Ein Mensch ordnet sich nicht zwangsläufig einer anderen Spezies zu, nur weil er betreut wird. Es gibt bestimmte Bereiche, in denen ein Betreuter Hilfe benötigt. In anderen wiederum kann er aber einem Betreuer vielleicht auch überlegen sein. Einen Menschen über einen einzelnen Aspekt seiner Existenz zu definieren, halte ich für sehr bedenklich. Darüber hinaus dauern Betreuungen nicht zwangläufig immer ein Leben lang, sondern sind manchmal auch nur für eine bestimmte Zeit lang erforderlich, was eine starre Zuordnung noch fraglicher macht.

Gerade solche neuen Ideen wie die des Experienced Involvement zeigen ein neues Verständnis von Krankheit und Abweichung vom Normalen. Hier geht man endlich einmal weg von der starren Definition des Gesunden im Kontrast zum Kranken. Mir fällt in diesem Zusammenhang eine Kollegin ein, die sehr gern den Satz benutzt: “Der/Die ist ja fast wie ein Betreuter!”. Anscheinend besteht bei ihr die Vorstellung zweier völlig verschiedener Spezies, von der die eine über- und die andere unterlegen ist. Und anscheinend scheint es wichtig zu sein, ausdrücklich darauf hinzuweisen und gewissermaßen betont man hierdurch sein Perfektsein.

Zurück zum Ausgangspunkt, also zum Umstand, dass ein Betreuer seine Betreute geheiratet hat. Man sollte bedenken, wie unendlich schwierig es ist, die wahre Liebe zu finden und auf denjenigen zu trefffen, der wie kein anderer zu einem passt. Und dass wirkliche Liebe, die nicht nur aus gemeinsamen Haus und gemeinsamen Bausparverträgen besteht, sondern die die Verbindung zweier Menschen darstellt, die füreinander geschaffen sind, nur sehr Wenigen widerfährt. Hält man sich all dies vor Augen, dann gibt es wirklich Schlimmeres, als die Tatsache, dass es sich zufällig um Betreuer und Betreute handelt, oder?

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