Samstag, 16. März 2013, 13:58h

Viktor Frankl: per effectum und per intentionem

behrens

Manchmal stößt man beim Lesen auf Aussagen, die genau das auf den Punkt bringen, was man selbst als weniger exakt formulierte Aussage auch schon lange im Kopf hat. Auch wenn man wie ich über keine Lateinkenntnisse verfügt, beeindruckt Viktor Frankl darin, wie er den Unterschied charakterisiert, der im Bereich der menschlichen Wertvorstellungen und Motivationen zwischen Resultat und Ziel liegt – etwas par effectum erreichen oder per intentionem. Er erläutert dies am Beispiel am Wunsch nach einem guten Gewissen:

Der Mensch, der anständig handelt, hat per effectum ein gutes Gewissen, aber wenn er es per intentionem haben wollte, dann kann er es gar nicht haben. Wo soll er einen Grund haben, ein gutes Gewissen zu haben, wenn er nur um seiner selbst willen anständig handelt?

Diese Erkenntnis ist gilt natürlich auch für andere Bereiche als die des Gewissens, so zum Beispiel auch bezogen auf den Wunsch, einen guten Eindruck zu machen. Und damit sind wir bei dem so oft und so hartnäckig formulierten Ziel vieler Betreuer, in der Öffentlichkeit einen guten Eindruck machen zu wollen, was sich dann nach Frankl so formulieren ließe:

„Der Betreuer, der anständig handelt, macht per effectum einen guten Eindruck, aber wenn er ihn per intentionem haben will, dann kann er ihn gar nicht haben. Wo soll er einen Grund haben, einen guten Eindruck zu machen, wenn er nur um seiner selbst willen anständig handelt?“

Mir war es schon immer suspekt, wenn Menschen in ihrem Handeln ständig davon bestimmt sind, welchen Eindruck dies auf die Umwelt macht, denn leider rückt dabei etwas nicht besonders Rühmliches in den Mittelpunkt – das Bestreben, alles wegzuleugnen, was das Bild der Perfektion stört. Und da ich nun mal unverbesserlich daran glaube, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem Mangelhaften und Unschönen eine Bedingung – und übrigens auch eine Chance – für die Optimierung gesetzter Ziele ist, bin ich mehr als skeptisch, wenn ich sehe, mit welcher Hartnäckigkeit der gute Eindruck verteidigt wird.

Frankl bringt es wunderbar auf den Punkt, was das Bestreben nach einem guten Ruf deutlich macht – dass es nämlich denjenigen überhaupt nicht um andere, sondern in erster Linie nur um die eigene Person bzw. den eigenen Berufsstand geht. Somit stimmt zwar die oft gebrauchte Formulierung: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ aber der Mensch ist eben nicht der Betreute, sondern – der Betreuer!

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