Sonntag, 21. November 2010, 20:29h

Stichwort Konkurrenz unter Betreuern

behrens

Stehen Betreuer untereinander eigentlich in einem Konkurrenzverhältnis oder nicht?

Das steht und fällt mit dem Arbeitsansatz und dem Selbstverständnis des einzelnen Betreuers.

Es gibt zwei Arbeitsansätze, die sich diametral entgegenstehen. Betrachtet man das Führen von Betreuungen als eine soziale Aufgabe, dann sind andere Betreuer keine Konkurrenten, sondern Kollegen. So wie es z.B. auch in sozialen Einrichtungen der Fall ist, für die Vernetzung, Austausch und gemeinsame Zielformulierungen – insbesondere auch im Hinblick auf Mitgestaltung in sozialpolitischer Planung – unverzichtbar sind.

Der andere Arbeitsansatz ist der, in dem das Führen von Betreuungen mehr oder weniger als eine Dienstleistung eingestuft wird, die jeder Betreuer unabhängig vom anderen ausführen kann, wie er möchte. Ziel ist maximaler Gewinn – was gleichbedeutend mit hohen Betreuungszahlen und geringem Betreuungsaufwand ist. Die anderen Betreuer sind keine Kollegen, mit denen man sich vernetzen will, sondern Konkurrenz.

Berufsbetreuer sind – bis auf die Ausnahme der für Vereine tätigen – freiberuflich tätig und stehen somit in keinem Angestelltenverhältnis und gehören auch keiner sozialen Einrichtung an. Aus kaufmännischer Sicht sind wir also Konkurrenten, die um die Zuteilung neuer Betreuungen buhlen. Der Betreute wird zum „Kunden“, um dessen „Kaufleistung“ Betreuer untereinander konkurrieren. Es kann also gar nicht im Interesse eines Betreuers sein, wenn andere Betreuer gut arbeiten, da dies eine noch stärkere Konkurrenz darstellt. Je besser die anderen arbeiten, desto schlechter sieht es für einen selbst aus.

Soll dies für die Betreuten – um die es ja wie immer bei alledem geht – tatsächlich von Vorteil sein? Stimmt die These des „Konkurrenz schafft Qualität“ hier wirklich noch?

Wenn man die Leistung von uns Beteuern mit einem Supermarktangebot vergleichen würde, mag dies gerade noch zutreffen. Nur wer die beste Ware anbietet, verkauft erfolgreich und hat die meisten Käufer. Aber unsere Betreuten sind keine Konsumenten und es geht bei ihnen auch nicht um den Einkauf von Kartoffeln oder Würstchen. Wir Betreuer arbeiten in einem komplexen gesellschaftlichen System sozialer und rechtlicher Strukturen. Und die individuelle psychosoziale Problematik des einzelnen Betreuten ist ebenfalls sehr vielschichtig. Unter diesen Voraussetzungen ist es sehr fraglich, ob es für die Betreuten selbst von Vorteil ist, wenn jeder Betreuter vor sich hinarbeitet und dabei andere Berufsbetreuer lediglich als Konkurrenz betrachtet.

Und es gibt übrigens einen entscheidenden Unterschied zum Supermarkt. Dort ist das Angebot transparent und die Qualität von Produkten wie Kartoffeln und Würstchen ist überprüfbar. Bei Betreuungen, deren Führung für Außenstehende gar nicht einsehbar ist – und denen im Übrigen der Einblick oftmals sogar vehement verweigert wird – gilt dies nicht.

Das Prinzip der „Guten Qualität durch Konkurrenz“ scheitert schon in der ganz normalen Warenwelt. Im Bereich der Berufsbetreuungen ist es verheerend. Und eins darf man nicht vergessen – ein Käufer kann problemlos den Supermarkt wechseln, aus einer gesetzlichen Betreuung herauszukommen ist dagegen nicht ganz so einfach…

Ein wenig ausführlicher habe ich es hier dargestellt.

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Mittwoch, 17. November 2010, 11:26h

Insichgeschäfte machen nur die anderen?

behrens

Vor einigen Jahren gab es in einer kleinen Gruppe von Betreuern einen Vorschlag eines Kollegen, der mir noch im nachherein Bauchschmerzen bereitet. Es ging darum, dass dieser Kollege dem Amtsgericht eine Mitteilung darüber machen wollte, dass eine Betreuerin eine Wohnung an einen Betreuten vermietet hatte, was für ihn den eindeutigen Fall eines Insichgeschäfts darstellte, durch den die Betreuerin sich Vorteile verschaffen würde.

Sicherlich ist es keine optimale Lösung, wenn ein Betreuer auch Vermieter des Betreuten ist, aber angesichts der verheerenden Wohnungsknappheit in Hamburg aufgrund der einige Betreute sogar obdachlos sind, ist es durchaus verständlich, wenn ein Betreuer die Möglichkeit der Vermietung einer Wohnung nutzt. Von einem Bekannten erfuhr ich übrigens, dass es sich bei der betreffenden Betreuten um eine sehr engagierte Betreuerin handelt, die weit davon entfernt ist, von ihren Betreuten zu profitieren.

Von den Betreuern der Gruppe teilte niemand mein Befremden und als ich einen früheren Kollegen darauf ansprach, entgegnete mir dieser sofort, dass meine Kritik anmaßend wäre, da ich selbst doch auch ein ganz typisches Insichgeschäft betreiben würde. Welches? Mein Freund hatte regelmäßig bei einer meiner Betreuten Besuchs- und Einkaufsdienste gemacht, die ihm auch (mit 9,00 € pro Stunde) bezahlt wurden. Ich habe daraufhin mit einem Rechtspfleger gesprochen, der mir sagte, dass mir zwar niemand im Gericht unterstellen würde, zum eigenen Vorteil zu handeln, doch wenn ich wirklich auf der sicheren Seite stehen wolle, wäre es besser, keinen Auftrag an meinen Freund zu erteilen. Nachdem die Betreute verstarb, habe ich meinem Freund folglich keine weiteren Besuchsdienste vorgeschlagen, allerdings zähneknirschend, denn mein Freund hat seine Arbeit nach Meinung aller gut gemacht und wurde vom Hausarzt sogar als „pure Therapie“ bezeichnet. Außerdem kommt mir der Vorwurf des Insichgeschäfts etwas abwegig vor, da ich mich ja nicht selbst beschäftigt habe, sondern eine dritte Person.

Was aber an dem Vorwurf des Insichgeschäfts an die Kollegin – ob nun berechtigt oder nicht – das eigentlich Absurde ist, ist die Tatsache, dass dieser Vorwurf ausgerechnet von jemandem erhoben wurde, der neben dem Führen der Betreuungen auch als Makler arbeitet und hierbei auch für die eigenen Betreuten tätig wird. Warum die Vermietung einer Wohnung – für die man in Hamburg übrigens ohne Schwierigkeiten etliche andere Mieter finden würde – soviel verwerflicher sein soll, ist mir völlig unverständlich. Und unverständlich ist auch die Reaktion der Kollegen, die mit keinem Wort auf diesen Widerspruch hinwiesen.

Worum geht es eigentlich wirklich bei der Auseinandersetzung über die Arbeit im Bereich der Berufsbetreuung? Geht es wirklich noch um Maßstäbe, die einzig und allein am Wohl des Betreuten ausgerichtet sind? Oder geht es in Wahrheit nicht viel mehr um das Wohl des Betreuers, das wiederum auch nur dann Priorität hat, wenn es sich um das eigene handelt oder um dasjenige von Kollegen, mit denen man unmittelbar zusammen arbeitet?

Eine Betreuerin bei Gericht anschwärzen zu wollen, die sich im Grunde gar keines Vergehens schuldig macht und deren Handeln in keiner Weise einen Nachteil für die Betreuten darstellt, ist mehr als unschön. Geschieht dies dann aber noch vor einem Hintergrund, wie hier geschildert, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einzig und allein um eins geht: darum, in bester Kaufmannsmanier Konkurrenz auszuschalten. Und was die wenigen Kollegen betrifft, die dieses Verhalten genauso befremdlich empfinden wie ich – die würden sich aus Angst vor der Reaktion eher die Zunge abbeißen, als ihre Bedenken zu äußern, was die dringend erforderliche Auseinandersetzung dann gänzlich zum Stocken bringt.

Was wird bei alldem aus dem von genau diesen Betreuern so gern proklamierten „Wohl des Betreuten“? An das verschwendet niemand einen Gedanken, so dass dieses angebliche Wohl kläglich auf der Strecke bleibt und zur reinen Werbefloskel verkümmert.

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Montag, 15. November 2010, 00:35h

Petition

behrens

Gerade eben ist mir eine Petition an den Bundestag zugemailt worden, in der es um die Aufnahme eines Kriterienkatalogs in das Betreuungsrecht geht. Hier ist sie:

Betreuungsrecht – Kriterienkatalog für Berufsbetreuer im Betreuungsrecht

Von: Richard Georg Albrecht Graf von Albrechtshaus aus D / Thüringen
An: Den Deutschen Bundestag

Der Deutsche Bundestag möge zum besseren Schutz der betreuten Menschen einen Kriterienkatalog im Betreuungsrecht aufnehmen, der im Rahmen der §§ 1896 ff. BGB Mindestkriterien für Berufsbetreuer festlegt.

Begründung: Berufsbetreuer/innen sollte folgende mindestens Kriterien erfüllen:

Verpflichtung auf kontinuierliche Weiterbildung

Geordnete finanzielle Verhältnisse

Einwandfreier Leumund

Geeignete Arbeitsmittel

Beachtung des Datenschutzes

Absicherung von Risiken

Erreichbarkeit und Mobilität

Fundierte Kenntnisse

Im Betreuungsrecht

Im Sozialleistungsrecht

im Bereich der psychiatrischen und Alterserkrankungen über die Versorgungsstruktur der betroffenen Menschen wie Einrichtungen für Senioren, Behinderte oder psychisch Kranke.

Einsetzung einer Bundesweiten neutrale Stelle an die sich Betroffene oder deren Angehörige mit einem rechtlichen Betreuer unzufrieden sind wenden
können.

Eine Ausbildung für Berufsbetreuer.

Im Namen aller Unterzeichner.

D / Thüringen, 09.11.2010 (aktiv bis 22.12.2010)
Petition

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Mittwoch, 25. November 2009, 13:04h

Betreuermund tut Wahrheit kund

behrens

Dies ist eine kleine Sammlung der Aussagen meiner ehemaligen Betreuerkollegen über ihre Arbeit. Alles ist wortgenau wiedergegeben. Die Liste wird laufend ergänzt.

Wenn es in einer Konfliktsituation zu einer Gegenüberstellung der Aussage meines Betreuten und meiner Aussage kommen sollte, hätte ich keine Bedenken, die Unwahrheit zu sagen, wenn ich mir dadurch einen Nachteil ersparen kann, denn ich gehe davon aus, dass das Gericht mir und nicht dem Betreuten Glauben schenken wird.
Betreuer M.

Wenn nach der Beendigung der Betreuung ein Angehöriger oder ein Nachlasspfleger noch eine Frage an mich hat und um Rückruf bittet, reagiere ich grundsätzlich nicht darauf. Ich habe den Fall ordnungsgemäß abgeschlossen und bekomme nichts mehr bezahlt, also interessiert es mich auch nicht mehr.

Ich habe nicht viel Lust auf die regelmäßige Teilnahme an den Betreuertreffen in der Betreuungsbehörde. Ich gehe nur deswegen hin, damit ich auch weiterhin Betreuungen erhalte.

Warum sollte ich eine Fortbildung machen? Ich bin so qualifiziert, dass ich besser überlegen sollte, selbst eine Fortbildung für Betreuer anzubieten.

Es muss doch eine Möglichkeit gefunden werden, damit du auch die Ratschläge und Unterstützung, mit denen du Freunden und Bekannten weiterhilfst, vergütet bekommst.

(dies ist wirklich (!) so gesagt worden)

Es gibt keinen Grund, Kritik öffentlich auszutragen - die Betreuten haben ja schließlich die Möglichkeit, sich bei Gericht zu beschweren.

Ich habe mich für die Arbeit als Betreuer entschieden, weil dies eine der wenigen Tätigkeiten ist, in der ich auf selbständiger Basis und ohne Vorgesetzten arbeiten kann.

Wenn ich bei einem Betreuten über die 3,5-Stundenpauschale komme, dann mache ich nichts mehr für ihn.

Die Angehörigen von Betreuten, die sich beschweren, sind doch sowieso alle Psychopathen.

Das mit den überhöhten Rechnungen bei Betreuer X darf man nicht kritisieren; er hat bei der Aufstellung seiner Tätigkeiten einfach eine andere Sichtweise, diese zu berechnen.

Ich gebe gegenüber der Betreuungsstelle nicht den tatsächlichen Jahresumsatz an, die Mitarbeiter würden dann neidisch werden.

Wer sich umbringen will, soll sich doch umbringen. Damit habe ich kein Problem.

Betreuer X mag keine offenen Auseinandersetzungen und danach müssen wir uns auch richten.

Wenn ich gefragt werde, was meine Aufgabe ist, antworte ich: „Alles wofür ich bezahlt werde“.

Ich muss mich doch nicht vor der Öffentlichkeit rechtfertigen für das, was ich als Betreuer tue.

Ich mache grundsätzlich keine Insolvenzverfahren für meine Betreuten - zu aufwändig.

Ich spare immer das Vermögen der Betreuten an, damit ich den erhöhten Vergütungssatz erhalte.

Man müsste etwas dagegen tun, dass einige Betreuer auch Besorgungen für ihre Betreuten machen, denn das verdirbt uns die Preise.

Ist doch nicht mein Problem, wenn das Heim auf seinen Kosten sitzen bleibt.

Jemand will sich umbringen und da sitzt hier so eine Arschgeige* und will ihm dieses Recht nehmen.

Ich will keine Kritik an Kollegen äußern, ich will mit dem Strom schwimmen.

Wo der Betreute wohnt oder nicht, bestimme immer noch ich und nicht die Angehörigen.

Das ist das Anspruchsdenken, das unsere Gesellschaft kaputt macht, wenn jemand nicht ins Heim will, weil ihm 96,00 € Taschengeld zuwenig sind.

Ich will keinen Hinweis auf Adressen anderer Betreuer in unserer Homepage, das ist unsere Konkurrenz.

Da möchte jemand einfach mal gemütlich ein Bier mit anderen Betreuern zusammen trinken und da sprichst du einfach Kritikpunkte an.

Wenn ich Ihnen als Chef sage, dieser schwarze Stuhl hat die Farbe weiß, dann hat er für Sie weiß zu sein.

Anweisung des früheren Geschäftsführers des Betreuungsvereins Elbe

Ihre Kritik führt zu nichts, Betrug gab es auch schon zu Zeiten der Vormundschaften. Und es gibt ja auch viele Gegenbeispiele.

Ich würde noch nicht einmal im Traum daran denken, etwas zu tun, was nicht bezahlt wird.

Es gehört sich nicht, einen Kollege offen zu kritisieren - wenn man Kritik äußern will, darf dies nur in einem Gespräch unter vier Augen geschehen.

Es liegt nur an einem selbst, wenn man von dem Regelsatz von 359,00 € nicht leben kann.

Sie haben immer noch nicht begriffen, dass ich der Chef hier bin.


Es gibt durchaus auch kritische Stimmen:



Die Frage, ob ein Betreuer gut oder schlecht verdient kann man so beantworten: wenn er gut arbeitet vedient er schlecht und wenn er schlecht arbeitet, verdient er gut.

Ich habe in den Jahren meiner Tätigkeit als Betreuer schon jede Form von Betrug mitbekommen.

Ich würde meine Mutter nie rechtlich betreuen lassen.

Wenn Betreuer sich über die Einführung der pauschalierten Vergütung aufregen, denke ich oft, dass wir dies denjenigen Kollegen verdanken, die grundsätzlich völlig überhöhte Rechnungen erstellt haben.

Kollege X. leidet definitiv an einem krankhaften Verarmungswahn.

Es gibt im Rahmen der Betreuung jede Menge Möglichkeiten, Vermögen zu veruntreuen und es nervt mich, dass es immer wieder vorkommt, dass Betreuer dies auch tun.

Ein Betreuer in einer vor Jahren gesendeten Dokumentation über rechtliche Betreuung.

Kollegin X. gilt als engagiert, aber sie hat ihre Lieblinge, für die sie viel macht und um den Rest kümmert sie sich nicht viel.

Kollege X. hat in seinem Bericht geschrieben, dass ein Gespräch mit dem dementen Betreuten in keiner Weise mehr möglich ist, aber in seinen Vergütungsabrechnung berechnet er trotzdem 90 Minuten für einen Heimbesuch.

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Sonntag, 18. Oktober 2009, 01:03h

Sind alle Kritiker der Arbeit von Betreuern Psychopathen?

behrens

Schon vor einiger Zeit habe ich durch die behördliche Fachabteilung für rechtliche Betreuung erfahren, daß sich Beschwerden über Betreuer en masse ansammeln. Wörtlich wurde die Situation beschrieben als „Es kocht und brodelt an allen Stellen“. Jetzt habe ich Einsicht in eine sehr gut recherchierte Website erhalten, in der Beiträge zum Thema rechtliche Betreuung gesammelt und kategorisiert aufgeführt werden. Bisher habe ich mich immer sehr allein gefühlt mit meiner Kritik und habe bei Kollegen grundsätzlich nur negative Reaktionen erfahren. Mir als Betreuerin wird mein Wunsch nach Selbstkritik und Auseinandersetzung grundsätzlich als Selbstbeweihräucherung ausgelegt und den vielen Menschen, die sich über Betreuer beschweren, wird kurzum (wortwörtlich!) der Titel „Psychopathen“ aufgedrückt. Und nicht selten werden die Beschwerden der Angehörigen von Betreuten auf eigennützige wenn nicht sogar kriminelle Interessen zurückgeführt.

Durch die Einsicht in die – nicht öffentliche - Website, bekommt man allerdings einen ganz anderen Eindruck. Und bei den betreffenden zitierten Beiträgen handelt es sich keinesfalls um Beiträge aus Zeitungen wie der Bild oder Sendern wie RTL. Die Artikel stammen überwiegend aus fachlich versierten Quellen wie: Rechtspflegerforum, Bundesministerium der Justiz, Forum für Psychiatrie und Psychotherapie, Deutsches Ärzteblatt, Vormundschaftsgerichtstag und außerdem Medien wie der Welt, Spiegel e.t.c. Sind alle diese Foren Sammelstellen für Psychopathen? Alles Menschen, die nur aus reiner Querulanz und Dilletantismus kritisieren? Wohl kaum.

Wenn man nicht erst warten will, bis die Situation völlig eskaliert, müßten wir jetzt dringend reagieren. Dringend Qualitätsstandards entwickeln. Und endlich damit aufhören, jegliche Kritik an Betreuern als psychopathisches oder eigennütziges Verhalten zu diffamieren. Und es sollte endlich einmal realisiert werden, daß es verheerende Auswirkungen hat, wenn man die Arbeit mit Menschen, die auch hoheitliche Entscheidungen beinhaltet, ausschließlich an einer rein kaufmännischen Sichtweise orientiert.

Und vor allem müßte jetzt für uns Betreuer endlich einmal das Pflicht sein, was bei der Arbeit mit Menschen grundsätzlich und zwingend erforderlich ist: Selbstkritik!

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Montag, 18. Februar 2008, 00:20h

Kaufmännische Scheuklappen oder warum Stuart Mill und Adam Smith geirrt haben

behrens

Das Denkmodell des Sozialökonoms Mill (1806 – 1873) lautet: „Wenn jeder zu seinem Vorteil handelt, hat auch die Gemeinschaft einen Vorteil“. Und Smith (1723 – 1790) meint: „Wenn jeder Einzelne seine eigenen Interessen wahrnimmt, erfährt auch das Gesamtwohl der Volkswirtschaft die beste Förderung“.

Wenn man beide Aussagen einmal auf unsere Betreuungsarbeit bezieht, scheint es fraglich, ob es wirklich dem Allgemeinwohl dient, wenn hauptsächlich die Eigeninteressen und der eigene Vorteil im Mittelpunkt stehen. Bei so manchem Betreuer wird die Arbeit prinzipiell bestimmt durch die Frage „Wird das auch vergütet?“ Alles, was scheinbar nicht eindeutig und unmittelbar als Aufgabe eines Betreuers empfunden wird, wird hartnäckig und fast schon zwanghaft abgelehnt und ausgeklammert. Um Beispiele zu nennen:


- Betreuer, die nach der Abgabe eines Betreuten an einen Kollegen auf keinen Anruf mehr reagieren und die die manchmal irrümlich noch eingehenden Briefe einfach auf den Müll werfen.

- Betreuer, die bei der Abgabe eines Betreuten keinerlei Unterlagen übergeben und ebenfalls jede Bitte um Rückruf ignorieren.

- Betreuer, die beim Tod eines Betreuten die Bitte des Nachlaßpflegers nach dringend erforderlichen Informationen oder Urkunden ins Leere laufen lassen. Meldet sich eine Behörde beim Betreuer, um für die Durchführung der Bestattung ebenfalls noch Infos oder Urkunden zu erhalten, ergeht es denen genauso wie dem Nachlaßpfleger.

- Betreuer, die in Diskussionen den Kollegen, die sich in Bezug auf ungeklärte Kostenübernahmen Gedanken darüber machen, ob die Pflegeheime oder Pflegedienste für ihre Leistung auch Geld erhalten, lapidar entgegnen: „Das ist doch nicht unser Problem“.


Bei allen diesen Beispielen wird so verfahren wie etwa bei einer Bank, einer Versicherung oder einem Immobilienhandel, bei denen einzig und allein der Verdienst zählt. Dies allein wäre wohl auch kein Kritikpunkt, wenn es sich wirklich um Bankgeschäfte, Versicherungen und Immobilien handeln würde. Bei der Arbeit mit Menschen ist die Problematik jedoch komplexer und vor allem wird diese Arbeit nicht vorrangig von „Kunden“ bezahlt, sondern vom Staat. Der Staat hat enorme Mehrkosten, wenn Betreuer Mitarbeit verweigern. Wenn der Betreuer sich beispielsweise um die Zusendung von Gutachten an Rententräger drückt, dann müssen neue erstellt werden – dies kostet Geld. Wenn beim Tod des Betreuten die Bestattung mangels Infos des Betreuers nicht vorgenommen werden kann, dann kostet die Einlagerung des Toten ebenfalls sehr viel Geld.

Und auch Vermieter, Angehörige, oder Folgebetreuer haben Mehrkosten oder Mehrarbeit, wenn Betreuer dringend erforderliche Infos oder Unterlagen verweigern. So manche Probleme könnten auch hier schneller und kostengünstiger bearbeitet werden, wenn die entscheidenden Infos und Unterlagen übermittelt werden würden.

Eine Grundprinzip des kaufmännischen Denkens ist die völlige Ausklammerung jeglichen sozialen Kontextes. Der zu erzielende Preis bestimmt die Vorgehensweise und die Moral. Im Gegensatz hierzu muß bei sozialpädagogischen Konzepten zwangsläufig umfassender und systemischer gedacht werden. Es ist ineffektiv, nur partiell auf einen Bereich allein zu blicken, wenn dadurch ein angrenzender Bereich völlig vernachlässigt wird und dadurch erneute Probleme entstehen. Soziale Probleme kosten Geld – sehr viel Geld sogar. Man könnte in diesem Bereich erhebliche Einsparungen erreichen, wenn nicht mit kaufmännischen Scheuklappen gearbeitet werden würde, sondern kontextbezogen.

Die Problematik der Unterordnung aller Prinzipien an kaufmännische betrifft natürlich nicht allein die Betreuungsarbeit, sondern ist in vielen Bereichen anzutreffen. Interessant ist hierbei das Phänomen, daß Menschen, die sich ganz allein an kaufmännischen Prinzipien orientieren, dies grundsätzlich auch bei anderen Menschen vermuten. Menschen, die gern mal die Hilfsbereitschaft anderer (aus)nutzen, fühlen sich erstaunlicherweise extrem schnell selbst ausgenutzt und neigen hierbei zu völlig verzerrter Wahrnehmung.

Es steht außer Frage, daß jeder Betreuer ein Recht auf eine angemessene Vergütung hat. Und natürlich müssen sich Betreuer dagegen wehren, für alles und jeden in Anspruch genommen zu werden. Aber hierbei sollte die Verhältnismäßigkeit nicht außer Augen gelassen werden. Es ist abwegig und unverständlich, wenn Betreuer ihren finanziellen Ruin befürchten, nur weil ab und zu mal eine Briefmarke mehr bezahlt wird und manchmal ein zusätzliche kurzes Telefonat geführt wird.

Ich habe in der Zusammenarbeit mit Behörden, sozialen Einrichtungen und auch Einzelpersonen die Erfahrung gemacht, daß ich oftmals für einen erbrachten Dienst im Gegenzug auch Hilfestellungen erhalten habe. Und last not least habe ich als Berufsanfängerin bei dem Betreuungsverein Elbe die sehr aufschlußreiche Erfahrung gemacht, daß das einzig und allein an kaufmännischen Prinzipien orientierte Arbeiten nicht immer zu dem erwünschten Erfolg führt. Der Verein machte trotz oder gerade wegen seiner Profitorientierung bankrott!

Und jetzt zurück zu Stuart Mill und Adam Smith: beide Denker haben die menschliche Natur in ihrer Unmäßigkeit unterschätzt. Die Fixierung der eigenen Vorteile und der eigenen Interessen dienen nur in begrenztem Maß dem Antrieb der Volkswirtschaft und somit dem Gemeinwohl. Wenn Eigeninteressen übertrieben werden, kommt genau das heraus, womit wir momentan konfrontiert sind: Sozialabbau, Verschuldung und Arbeitslosigkeit.

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