Dienstag, 7. November 2017, 13:42h

Auf der anderen Seite – Zusammenarbeit rechtlicher Betreuer mit sozialen Einrichtungen

behrens

Obwohl ich nun seit mittlerweile vier Jahren keine rechtlichen Betreuungen mehr führe, habe ich dennoch immer wieder mit rechtlichen Betreuern zu tun, denn einige meiner Klienten und auch die meiner Kollegen stehen unter rechtlicher Betreuung.

Um es gleich vorab zu sagen – es gibt nicht nur negative Erfahrungen. Da wäre zum Beispiel Betreuerin Frau S., die von sich aus den Wunsch geäußert hat, mehrmals jährlich Gespräche gemeinsam mit ihrem Betreuten und mir zu führen. Frau S. geht auf die Wünsche unseres gemeinsamen Klienten ein, obwohl dies für sie oftmals mit Mehrarbeit verbunden ist. Frau S. ist Rechtsanwältin und in Anbetracht der Diskussion darüber, ob Rechtsanwälte als rechtliche Betreuer geeignet sind, macht Frau S. deutlich, dass dies durchaus möglich ist.

Oder da wäre Betreuerin Frau B. die sich ebenfalls dadurch auszeichnet, dass sie auf die individuellen Wünsche unserer gemeinsamen Klientin akzeptiert, wenngleich dies nicht immer einfach ist. Auch Frau B. zeichnet sich durch den Wunsch nach Austausch aus.

Auf der anderen Seite gibt es nicht wenige Betreuer, die sich durch ausgesprochene Nichttätigkeit auszeichnen. So kam es beispielsweise bei einem Klienten zu erheblichen Mietschulden mit der Konsequenz des drohenden Wohnungsverlusts, weil eine rechtliche Betreuerin die Kontrolle der regelmäßigen Abbuchung der Miete versäumte und dadurch nicht bemerkte, dass der Betreute schon mehrere Monate eigenmächtig die Mietzahlung gekürzt hatte. Hierbei sei erwähnt, dass die betreffende Betreuerin nicht nur die Vermögenssorge, sondern auch einen Einwilligungsvorbehalt(!) hatte, also somit unbedingt zur Kontrolle des Zahlungsverkehrs verpflichtet war. Als es dann zum drohenden Wohnungsverlust kam, argumentierte die Betreuerin allen Ernstes damit, wie schwierig es sei, sich ausreichend zu kümmern, da ihr Büro von der Wohnung des Betreuten zu weit entfernt sei. Eine merkwürdigere Begründung ist kaum möglich, denn der Zahlungsverkehr wird in der Regel übers Online Banking getätigt oder aber durch Zusendung der Kontoauszüge. Davon abgesehen, betrug die besagte Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln weniger als zwanzig Minuten, ich selbst habe eine Zeitlang diese Strecke als täglichen Arbeitsweg zurückgelegt.

Auch Herr Ö. gehört zu den Betreuern, die grundsätzlich nicht auf Anrufe oder Schreiben reagieren. Mir war Herr Ö. schon während meiner Zeit als rechtliche Betreuerin bekannt, da Mitarbeiter sozialpsychiatrischer Einrichtungen sich auch darüber beklagten, dass Herr Ö. den Kontakt zu ambulanten Betreuern grundsätzlich als überflüssig erachtet. In meinem Fall ließ sich Herr Ö. erst dann zu einem Rückruf herab, als ich ihn über die dringend erforderliche zahnärztliche Notbehandlung seiner Betreuten informierte, die der Zahnarzt ohne Rückmeldung des Betreuers nicht durchführen wollte.

Herr Ö. ist ein Beispiel dafür, dass Tätigkeiten, die eindeutig in den Aufgabenbereich des rechtlichen Betreuers fallen, gern auf andere abgewälzt werden. Zum rechtlichen Aufgabenbereich gehören im Falle der Vertretung gegenüber Behörden selbstverständlich auch Antragstellungen beim Sozialamt. Zwar hat der Betreute selbst durchaus auch die Möglichkeit der Antragstellung, aber nicht jeder Behördenmitarbeiter will den rechtlichen Betreuer übergehen und so kann sich die Bearbeitung sehr stockend gestalten, da der weitere Schriftverkehr grundsätzlich über den Betreuer läuft, so dass der Betreute selbst gar nicht über die Bewilligung oder die Erfordernis weiterer Unterlagen informiert wird. Gibt der Betreuer diese Information weiter, wäre das nicht hinderlich, aber Herr Ö. sah hierfür keine Veranlassung, so dass es wochenlang unklar war, ob Geld für eine Renovierung bewilligt wurde oder nicht.

Manchmal treffe ich in meiner jetzigen Arbeit auch auf „alte Bekannte“ aus meinem früheren Kollegenkreis. Gemeinsam mit einer Kollegin biete ich regelmäßig Sozialberatung an und im Rahmen der Beratung suchte uns eine unter Betreuung stehende Klientin auf, bei der es aufgrund fehlender Mitteilungen an das Sozialamt zu nicht gerechtfertigten Leistungskürzungen kam. Beim Telefonat mit der zuständigen Mitarbeiterin stellte sich dann heraus, dass die rechtliche Betreuerin Frau K. es mehrmals versäumt hatte, die Abrechnungen der Versorgungsunternehmen einzureichen, wodurch es zum einen zu Mahnungen und zum anderen zu einem zu geringen Leistungssatz kam. Da die Betreuerin außerdem nicht auf die Schreiben des Sozialamtes reagierte, war die Klärung der Angelegenheit äußerst schwierig. Frau K. ist für ihre ausgesprochen hohe Fallzahl bekannt und hierbei wird deutlich, dass hohe Fallzahlen nicht nur Auswirkungen auf die Qualität der Betreuung haben, sondern oftmals auch nur deswegen möglich sind, weil Aufgaben, die definitiv in den Tätigkeitsbereich der rechtlichen Betreuer fallen, auf soziale Einrichtungen oder andere Dritte abgewälzt werden. Selbstverständlich ist eine soziale Beratungsstelle dafür zuständig, bei Problemen mit dem Sozialamt zu helfen. Fragwürdig ist dabei jedoch, ob eine Soziale Beratungsstelle für die Regelung der Versäumnisse eines rechtlichen Betreuers zuständig ist.

Diese Thematik erinnert mich an eine Veranstaltung de Landesverbandes der Angehörigen von psychisch Kranken, in der es um die Zusammenarbeit mit rechtlichen Betreuern ging. Hierbei kam unter anderem eine Mitarbeiterin zu Wort, die ehrenamtlich im Besuchsdienst arbeitete und die von einem rechtlichen Betreuer erzählte, der gern die Möglichkeit nutzte, sich von ihr im Auto zur Wohnung des Betreuten chauffieren zu lassen, aber ansonsten jede Reaktion auf ihre Anliegen verweigerte. Dass dies bei weitem kein Einzelfall ist, wird an den Schilderungen einer ehemaligen Mitarbeiterin der Betreuungsstelle deutlich, die nach der Berentung für einige Zeit Besuchsdienste für den rechtlichen Betreuer Herrn M.* machte. Sie beschrieb, dass sie zunehmend für Tätigkeiten eingespannt wurde, die nichts mehr mit dem eigentlichen Besuchsdienst zu tun haben, sondern eindeutig zum Aufgabenfeld der rechtlichen Betreuung gehören. Die Betreffende weiß mit Sicherheit wovon sie spricht, denn nach ihre Tätigkeit als Amtsvormund war sie jahrelang selbst als rechtliche Betreuerin in der Behörde tätig!

Zieht man ein Resümee aus den Erfahrungen ehrenamtlich Tätiger, bzw. Mitarbeitern aus Sozialen Einrichtungen aus der Zusammenarbeit mit rechtlichen Betreuern, dann ergibt sich kein einheitliches Bild, sondern es gibt sowohl positive als auch negative Erfahrungen. Für Menschen, die sich darüber Gedanken machen, wie man sich eine rechtliche Betreuung für sich selbst oder für die eigenen Angehörigen wünscht (dazu gehöre ich), wäre es wünschenswert, wenn man sich vorab Informationen über Betreuer beschaffen könnte. Aber bis jetzt gibt es keine andere Möglichkeit, als sich eine eventuell vorhandene Website anzusehen. Und hier kann ich aus Erfahrung eine ziemlich sicheres Kriterium nennen: je einfacher eine Website gestaltet ist, je weniger Hinweise auf vermeintliche Qualifikationen und vor allem je weniger jemand sich selbst positive Attribute verleiht, desto größer die Chance an einen Betreuer zu geraten, der weiß, dass kollegiale Zusammenarbeit und Selbstkritik für die Qualität der Betreuungsarbeit unverzichtbar ist.

*übrigens auch ein “alter Bekannter“

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 16. Juli 2017, 12:16h

Ein rechtlicher Betreuer im Schwarzen Block – Huch wie passt denn das zusammen?

behrens

…war meine erste Frage, als ich von einem rechtlichen Betreuer hörte, der im Schwarzen Block der Hamburger G20 Demos mitmarschierte. Nein, es handelt sich ausnahmsweise nicht um den Immobilien aufkaufenden Betreuer mit Sympathie für die RAF, dessen befremdliche Arbeitsweise ich hier schon einige Male beschrieb, sondern um jemanden, der mir nur flüchtig bekannt ist. Der allerdings genauso wie ausnahmslos jeder andere Betreuer im Auftrag des Amtsgerichts arbeitet und dessen Befugnisse mit einer enormen Machtfülle verbunden sind. Macht, die unter anderem auch die Veranlassung von Zwangseinweisungen beinhaltet, für die ein Betreuer übrigens das Ordnungsamt beauftragt und bei Schwierigkeiten die Hilfe der Polizei in Anspruch nimmt. Jene Polizei also, die vom Schwarzen Block als Schweine und Faschisten betitelt werden.

Das Merkwürdige ist jedoch nicht allein diese Ungereimtheit, sondern die Tatsache, dass auch dieser Betreuer einige Immobilien sein eigen nennt, sich aber trotzdem bitter über den viel zu geringen Verdienst rechtlicher Betreuer beklagt. Aber vielleicht stellt dies gar keine Ungereimtheit dar, sondern vielmehr eine plausible Erklärung? Schließlich sieht sich der Schwarze Block als einzig wirkliche Vertretung der Ausgebeuteten dieser Welt und anscheinend zählt sich der betreffende Betreuer dazu. Oder geht es vielleicht doch um das edle Motiv der Solidarität mit den gesellschaftlich Benachteiligten? Wohl kaum, denn dagegen spricht seine Äußerung, auf die von ihm empfundene Minderentlohnung in Zukunft mit höheren Betreutenzahlen zu reagieren, Zitat: „Dann ist eben weniger Qualität drin.“ Mit anderen Worten: die Qualität der Betreuung von Schwerkranken und Hilfsbedürftigen wird dem Wunsch nach Gewinnmaximierung geopfert. Und diese Haltung habe ich erschreckend oft bei denjenigen beobachtet, die sich als linksradikal bezeichnen – der konkrete und persönliche Umgang mit Menschen ist von beängstigender Gleichgültigkeit und Kälte geprägt.

Sicherlich ist ein im Schwarzen Block marschierender Betreuer die Ausnahme. Was jedoch keine Ausnahme darstellt, ist der Umstand, dass paradoxerweise ausgerechnet diejenigen Betreuer über ihren angeblich geringen Verdienst klagen, die äußerst gut verdienen – wer sich gleich mehrere Wohnungen leisten kann, verdient zweifellos besser als all jene, die zur Miete wohnen oder allenfalls die selbstbewohnte Wohnung ihr eigen nennen. Und das Selbstverständnis, mit dem jemand – ob nun Betreuer oder nicht – sich trotz seiner eindeutig privilegierten gesellschaftlichen Position gegen eben diese Gesellschaft radikalisiert, kann nur als völliger Realitätsverlust bezeichnet werden. Bei den Teilnehmern des Schwarzen Blocks handelt es sich mit Sicherheit nicht um diejenigen, die für einen Hungerlohn als Putzfrau, Kellnerin oder Taxifahrer malochen, sondern um Menschen, die erheblich besser gestellt sind und die die Vorteile unseres Gesellschaftssystems für sich zu nutzen wissen.

Besagter Betreuer aus dem Schwarzen Block steht exemplarisch für jene, die wahrscheinlich das erste Mal im Schwarzen Block mitmarschierten, als sie noch Studenten waren und nur vom BAföG lebten. Obwohl das Einkommen mittlerweile längst nach oben schoss und obwohl man längst bestens mit dem kapitalistischen System kooperiert, wird munter weitergekämpft, als wäre die Zeit stehengeblieben. Wenn jemand außerdem keinen Widerspruch darin sieht, einerseits eng mit Judikative und Exekutive zusammenzuarbeiten und andererseits im gegen Staat, Kapital und Polizeigewalt kämpfenden Schwarzen Block zu marschieren, dann zeugt dies von einem kompletten Mangel an Selbstreflexion.

Etty Hillesum* hat diesen Typus schon vor langer Zeit sehr treffend beschrieben:
"Am deprimierendsten ist, dass es fast niemanden gibt, dessen innerer Horizont sich erweitert hätte. Sie leiden auch nicht wirklich. Sie hassen, sie sind in Bezug auf ihre eigene Person optimistisch verblendet, sie intrigieren und verteidigen ehrgeizig ihre Pöstchen, das Ganze ein riesiger Saustall.

Eine Frage muss ich zum Abschluss doch noch loswerden: gab es nicht früher in der Szene die Parolen: „keine Macht für niemand“ und „Eigentum ist Diebstahl“ oder erinnere ich das falsch?

* die 1943 in Auschwitz ermordete jüdische Autorin von "Das denkende Herz"

... link (5 Kommentare)   ... comment


Samstag, 8. Juli 2017, 01:23h

Der einzig mögliche Kommentar zu den Staaten des G20 Gipfels und zum Schwarzen Block:

behrens

„Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte“
Max Liebermann*(1847-1935)

Richtig gelesen: ich bin sowohl gegen die Politik der G20 Staaten als auch gegen die Aktionen des Schwarzen Blocks. Um es noch besser auf den Punkt zu bringen – ich finde beide zum Kotzen!

Man fragt sich unweigerlich, wieso sich die beiden Fronten bekämpfen – die könnten doch problemlos Jobsharing machen.

*Liebermann soll das beim Vorbeiziehen eines Fackelzugs der Nazis gesagt haben.

... link (1 Kommentar)   ... comment