Mittwoch, 26. September 2012, 13:58h

Erfahrungen Angehöriger von Betreuten – „Sie haben immer noch nicht verstanden, dass ich der Chef hier bin!“

behrens

Gestern nahm ich zum zweiten Mal an einer Veranstaltung des Landesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker teil zum Thema „Die gesetzliche Betreuung in der Alltagspraxis – Anspruch und Wirklichkeit“. Obwohl zumindest in unserem Bezirk alle durch die Betreuungsstelle verschickte Einladung erhalten haben, glänzten bis auf meinen Kollegen und mich alle durch Abwesenheit.

Es war nicht immer angenehm, was da von Angehörigen berichtet wurde. Eine ehrenamtlich Engagierte berichtete anhand von Beispielen, dass Betreuer ihre Betreuten grundsätzlich nicht in Entscheidungen mit einbeziehen und grundsätzlich versuchen, ihre Aufgaben auf andere abzuwälzen. Die Mutter eines psychisch kranken Sohnes, die in einem Punkt etwas anders sah als der Betreuer, erhielt die denkwürdige Antwort „Sie haben immer noch nicht verstanden, dass ich der Chef hier bin“ und sie betonte, dass dies der originale Wortlaut war.

Ich konnte nicht umhin, mich in der anschließenden Diskussion zu Wort zu melden. Es war mir wichtig, auch die Seite der Betreuer darzustellen, insbesondere, was den immer wieder erhobenen Vorwurf betraf, wir Betreuer würden Geld veruntreuen. Ich schilderte, dass ich mindestens fünf Betreute habe, die in vollster Überzeugung behaupten, ich stecke Geld in die eigene Tasche, obwohl ich jede noch so kleine Kontobewegung detailliert nachweisen und belegen kann. Psychische Erkrankungen und insbesondere Demenz äußern sich nicht selten darin, dass der Überblick über die finanziellen Verhältnisse nicht mehr vorhanden ist.

Die Äußerung „Ich-bin-hier-der-Chef“, rief zwangsläufig auch meine (inzwischen schon ein wenig beiseite geschobenen) eigenen Erfahrungen mit einer bestimmten Art von Betreuern ins Gedächtnis. Wobei ich mich glücklicherweise nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis befinde, wie es bei den Betreuten und deren Angehörigen der Fall ist. Aber auch ich empfinde es natürlich nicht als angenehm, wenn ich nur aufgrund einer Kritik an einer definitiv gemachten Äußerung eines Betreuers aus einer Gemeinschaftshomepage ohne jede vorherige Diskussion ausgeschlossen werde. Und natürlich stehen mir die Haare zu Berge, wenn Kollegen das Verhalten des betreffenden Betreuers damit entschuldigen, dass „er nun mal offene Auseinandersetzung ablehnt“. Wie die Schilderung der Angehörigen zeigte, stellt dieses Verhalten anscheinend keinen Einzellfall dar. Vielleicht ziehen die Rahmenbedingungen - die nicht vorhandene Kontrolle durch Vorgesetzte/Kollegenteam - einen bestimmten Typus an?

Was das eigentlich Tragische ist an solch einem haarsträubenden und anmaßenden Verhalten, ist die Tatsache, dass dadurch zwangsläufig leider alle Betreuer diskreditiert werden. Dies habe ich auch in meiner Wortmeldung deutlich zu machen versucht. Es ist nicht zu leugnen, dass es diese Art von Betreuer gibt, deren diktatorisches Verhalten sich nicht nur gegen Betreuer und Angehörige richtet, sondern eben auch gegen Kollegen und überhaupt alle, die in irgendeiner Form mit Betreuten zu tun haben. Aber es sind eben längst nicht alle Betreuer, die Gefallen daran haben, sich wie Diktatoren aufzuführen.

Bleibt anschließend anzumerken, dass eine im Berufsverband aktive Kollegin in der Veranstaltung anhand einer Falldarstellung eine exzellente Darstellung unserer Arbeit abgegeben hat. Eine Darstellung ohne jene inflationär benutzte Floskel vom „Menschen, der im Mittelpunkt steht“ und ohne jede ebenfalls überstrapazierte Phrase der „hohen Qualifikation“ und des „hohen Engagements“.

Es geht also auch anders. Und im Gegensatz zu den Selbstdarstellungen wie sie auf den Homepages mancher KollegInnen zu finden sind, war das Referat besagter Kollegin ein Schritt hin zur Lösung des im Bereich der Betreuung vorhandenen hohen Konfliktpotentials. Und ein Schritt hin in die Richtung eines demokratischen Miteinanders.

Wie gesagt – es geht also auch anders!

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