Montag, 27. August 2012, 13:06h

Altersdiskriminierung

behrens

Man weigert sich,
solange man im jugendlichen Drang
den wechselvollen Alltag genießt,
in den Greisen das eigene Schicksal zu sehen.

Simone de Beauvoir (1908-1986)

Ich habe schon seit längerem vor, mich mehr dem Thema Alter zu widmen. Anfangen will ich mit den Vorurteilen, die aus allen Bereichen heraus gegenüber alten Menschen bestehen. Ich erinnere mich noch gut, dass es sogar im Studium der Sozialpädagogik, in dem ja eigentlich Vorurteile abgebaut anstatt vertreten werden sollen, auch hier und da heftig gegen alte Menschen ausgeschlagen wurde. „Ich habe keinen Bock auf alte Menschen, die sind alle voll fascho!“ äußerte ein Kommilitone. Auch wenn die meisten anderen Studenten diese Ansicht mit Sicherheit nicht teilten, so hat doch niemand den Mund aufgemacht, was wahrscheinlich auch daran lag, dass es sich nicht lohnt, auf so platte Aussagen zu reagieren. Allerdings wäre dies mit großer Wahrscheinlichkeit doch etwas anderes gewesen, wenn sich so eine platt verallgemeinernde Aussage gegen andere Gruppen, wie zum Beispiel Ausländer oder Jugendliche, gerichtet hätte. „Alte Leute sind doch alle voll fascho“ sagte auch eine frühere Kollegin aus einer Drogenberatungsstelle. Mit einer differenzierten Sichtweise können alle möglichen Bevölkerungsschichten rechnen – alte Menschen jedoch nicht.

Auch hier unter den Bloggern habe ich mal einen (sehr unerfreulichen) Dialog mit jemandem geführt, der gegen einen von mir veröffentlichten Beitrag über die Vermarktung der Sexualität unter anderem mit einem Argument konterte, das genauso platt wie diskriminierend ist:

Ich sitze schließlich nicht in einem Altenheim unter zu Betreuenden, sondern mitten im Leben unter jungen Menschen zwischen zwei bis sechzig und älteren.

Abgesehen davon, dass zu Betreuende nicht nur im Altersheim anzutreffen sind, sondern ein großer Teil der Betreuungen quer durch alle Altersklassen verläuft, also auch weit unter 60, drückt diese Aussage die ganze Armseligkeit eines Vorurteils aus. Da gibt es also zum einen diejenigen, die „mitten im Leben stehen“ weil sie ihr Leben unter jungen Menschen verbringen. Die anderen – also diejenigen, deren Beruf mit alten Menschen zu tun hat, bekommen vom eigentlichen Leben nichts mehr mit. Und selbstredend ist die erste Gruppe weltoffenen und allem Neuem aufgeschlossen und letztere kleinkariert und erzkonservativ. Man muss also noch nicht einmal selbst alt sein, sondern es reicht aus, dass man seine berufliche Zeit mit alten Menschen verbringt. Anscheinend geht besagter Blogger davon aus, dass die „Krankheit“ Alter ansteckend ist. Und selbstredend nimmt er für sich in Anspruch, jung geblieben zu sein. Dies trifft merkwürdigerweise auf viele zu, die platte Vorurteile gegen das Alter vertreten, obwohl gerade unter diesen Vertretern so mancher ist, der eher oberlehrerhaft als jugendlich und tolerant wirkt.

Ich komme zurück auf das Zitat von Simone de Beauvoir. Für mich ist Beauvoir, die auch im hohen Alter noch publiziert hat, ein positives Beispiel dafür, dass man die Auseinandersetzung mit dem Thema Alter auch anders angehen kann. Ohne platte Vorurteile, sondern mit Respekt und im Bewusstsein der Wichtigkeit dieses Themas, das in unserer Gesellschaft so gern verdrängt wird, weil es einen selbst – und darauf ist so mancher offensichtlich sehr stolz – ja überhaupt nicht betrifft.

Die bittere Ironie des Schicksals der ewig Jungen besteht darin, dass es wenn der Zeitpunkt dann doch irgendwann eintritt (was nicht zu verhindern ist), zu spät ist, sich aktiv für seine Belange einzusetzen.

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