Samstag, 16. März 2013, 18:28h

Fernsehtipp zum Thema Alter und Buchtipp Demenz

behrens

Am kommenden Montag, dem 18.03.2013 gibt es um 21.15 Uhr auf RTL die Sendung "Jenke - Das Experiment". Der 47jährige Reporter Jenke zieht in ein Appartement im Altenheim. Um sich auch körperlich in die Lage eines alten Menschen zu versetzen, trägt er einen speziellen Anzug, der Schwerfälligkeit und Zittern simuliert und außerdem eine Maske, die ihn um die 30 Jahr älter aussehen lässt.

Ich habe mir vorgenommen, mich mehr mit dem Thema Alter und Demenz zu beschäftigen (zumal das Thema ja auch bedrohlich näher rückt...) und mir das Buch "Demenz" (Annette Bruns u.a., Spiegel Buchverlag) bestellt. Ich kann das Buch nur etappenweise lesen und lege es dann wieder aus der Hand. Merkwürdigerweise ist dieses Thema für mich belastender als das Thema Locked-In-Syndrom, mit dem ich mich auch schon beschäftigt habe.

Habe noch nicht herausgefunden, was genau an dem Thema Demenz so viel erschreckender ist. Vielleicht ist der Verlust des Geistes noch furchteinflößender als der Verlust der Körperbeherrschung, da man das Gefühl hat, mit dem Geist geht auch die gesamte Persönlichkeit verloren.

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Gründe für das Ansteigen der Betreuungszahlen

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Bereits zweimal wurde jetzt in Fernsehsendungen darauf hingewiesen, dass seit Verabschiedung des Betreuungsgesetzes die Zahlen dramatisch angestiegen sind. Während es 1992 nur 600.000 Vormundschaften gab, gibt es mittlerweile rund 1.300.000 Millionen Betreuungen. Diese Zahlen wurden meist angeführt im Kontext von Schilderungen über vermeintlich gegen den Willen der Betreuten/Angehörigen durchgeführten Heimeinweisungen, so dass man rückschließen könnte, es gäbe jetzt erheblich mehr Menschen, bei denen Zwangsmaßnahmen angeordnet werden, als zur Zeit des Vormundschaftsgesetzes.

Mit diesem Rückschluss muss man jedoch vorsichtig sein, denn auch zur Zeit, als Menschen nicht im Rahmen von gesetzlicher Betreuung betreut wurden, sondern im Rahmen von Vormundschaften, gab es nach bestimmten Kriterien Zwangsmaßnahmen und man muss außerdem betonen, dass es heute bei einem großen Teil der Betreuungen gar nicht zu Zwangsmaßnahmen kommt.

Der Anstieg der Betreuungszahlen macht etwas ganz anderes deutlich, nämlich die Tatsache, dass immer mehr Menschen Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags benötigen. Wenn es bei meinen Betreuten beispielsweise um die Frage der Verlängerung der Betreuung geht und ich dies gemeinsam bespreche, dann möchte ein nicht unerheblicher Teil der Betreuten die Betreuung unbedingt beibehalten. Ich habe über dieses Thema hier auch schon geschrieben, denn natürlich gibt es zu denken, dass viele Menschen sich nicht mehr selbst helfen können, sondern professioneller Hilfe bedürfen.

Gerade weil eine rechtliche Betreuung nicht so rigoros geführt wird wie eine Vormundschaft, stellt sie auch für viele Betreute eine Hilfe und keine Einschränkung dar. Die Unterteilung der Befugnisse in verschiedene Aufgabenbereiche wie z.B. den der Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Behördenangelegenheiten e.t.c. kommt einer individuellen Problemlage viel mehr entgegen als die Vertretung in grundsätzlich allen Lebensbereichen. Die Möglichkeit des Beschwerderechts ist dabei ein weiterer Punkt, den es früher in der Form nicht gab.

Natürlich gibt es nach wie vor auch diejenigen Betreuungen mit einem umfassenden Aufgabenkreis, die auch bei Beschwerde von Seiten des Betreuten weiter geführt werden. Aber die Differenz der Steigungsrate, die ja immerhin 2.700.000 Betreuungen beträgt, setzt sich nicht vorrangig aus den gegen den Willen geführten Betreuungen zusammen.

Ein Rechtspfleger hat vor längerem mir gegenüber geklagt: „Jetzt kommen die Menschen schon zu uns ins Gericht, um für sich selbst eine Betreuung zu beantragen!“ Und das ist eine sehr bezeichnende Aussage, die deutlich macht, dass das Problem ganz woanders liegt, als in der Zunahme staatlicher Repression. Wobei andererseits aber auch unbedingt betont werden muss, dass es auch bei den sogenannten „einvernehmlich“ eingerichteten Betreuungen vielschichtige Machtstrukturen gibt, die für den Betreuten ein Abhängigkeitsverhältnis darstellen, dem er in gewisser Weise auch ausgeliefert sein kann.

Zusammenfassend kann man sagen, der Anstieg der Betreuungszahlen macht deutlich, dass heute viele Menschen Unterstützung durch rechtliche Betreuung benötigen, die früher ohne diese Hilfe auskamen, bzw. auskommen mussten. Dadurch wiederum ist ein Bereich des Lebens, der früher weitgehend von der Familie wahrgenommen wurde, institutionalisiert worden und somit ist ein Berufstand entstanden, den es früher in dieser Form nicht gab. Private Ressourcen wurden gewissermaßen ersetzt durch professionelle Hilfe. Und hierdurch hat sich auch das Konfliktpotential verlagert vom innerfamiliären privaten Bereich hin in den Bereich der rechtlichen Betreuung.

Der drastische Anstieg der Betreuungszahlen – da sind wir wieder beim Ausgangsthema – muss also in Bezug auf die entstandenen Abhängigkeitsstrukturen nicht zwangsläufig als etwas Nachteiliges angesehen werden, solange Betreuungsarbeit im Dialog mit der Öffentlichkeit steht und Kritik nicht als Bedrohung, sondern als Chance begriffen wird.

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Viktor Frankl: per effectum und per intentionem

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Manchmal stößt man beim Lesen auf Aussagen, die genau das auf den Punkt bringen, was man selbst als weniger exakt formulierte Aussage auch schon lange im Kopf hat. Auch wenn man wie ich über keine Lateinkenntnisse verfügt, beeindruckt Viktor Frankl darin, wie er den Unterschied charakterisiert, der im Bereich der menschlichen Wertvorstellungen und Motivationen zwischen Resultat und Ziel liegt – etwas par effectum erreichen oder per intentionem. Er erläutert dies am Beispiel am Wunsch nach einem guten Gewissen:

Der Mensch, der anständig handelt, hat per effectum ein gutes Gewissen, aber wenn er es per intentionem haben wollte, dann kann er es gar nicht haben. Wo soll er einen Grund haben, ein gutes Gewissen zu haben, wenn er nur um seiner selbst willen anständig handelt?

Diese Erkenntnis ist gilt natürlich auch für andere Bereiche als die des Gewissens, so zum Beispiel auch bezogen auf den Wunsch, einen guten Eindruck zu machen. Und damit sind wir bei dem so oft und so hartnäckig formulierten Ziel vieler Betreuer, in der Öffentlichkeit einen guten Eindruck machen zu wollen, was sich dann nach Frankl so formulieren ließe:

„Der Betreuer, der anständig handelt, macht per effectum einen guten Eindruck, aber wenn er ihn per intentionem haben will, dann kann er ihn gar nicht haben. Wo soll er einen Grund haben, einen guten Eindruck zu machen, wenn er nur um seiner selbst willen anständig handelt?“

Mir war es schon immer suspekt, wenn Menschen in ihrem Handeln ständig davon bestimmt sind, welchen Eindruck dies auf die Umwelt macht, denn leider rückt dabei etwas nicht besonders Rühmliches in den Mittelpunkt – das Bestreben, alles wegzuleugnen, was das Bild der Perfektion stört. Und da ich nun mal unverbesserlich daran glaube, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem Mangelhaften und Unschönen eine Bedingung – und übrigens auch eine Chance – für die Optimierung gesetzter Ziele ist, bin ich mehr als skeptisch, wenn ich sehe, mit welcher Hartnäckigkeit der gute Eindruck verteidigt wird.

Frankl bringt es wunderbar auf den Punkt, was das Bestreben nach einem guten Ruf deutlich macht – dass es nämlich denjenigen überhaupt nicht um andere, sondern in erster Linie nur um die eigene Person bzw. den eigenen Berufsstand geht. Somit stimmt zwar die oft gebrauchte Formulierung: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ aber der Mensch ist eben nicht der Betreute, sondern – der Betreuer!

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Freitag, 15. März 2013, 11:50h

Meine Betreuten V: – Ein Suizid

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Die Betreuung von Herrn R. fällt in die Anfangszeit meiner Tätigkeit als Betreuerin, als ich noch in einem Verein angestellt war. Herr R. litt an schweren Depressionen, die mit einer starken Antriebslosigkeit verbunden waren, die oft so ausgeprägt war, dass selbst kleinste Anforderungen für ihn sehr quälend waren und ihn immer wieder die eigene Hilflosigkeit spüren ließen. Aus diesem Grund veranlasste ich die Unterstützung durch eine Haushaltshilfe eines Pflegedienstes. Dies stellte zwar einerseits eine Entlastung für Herrn R. da, andererseits wiederum auch eine Belastung, da Herr R. sich durch die Aktivität der Haushaltshilfe unter Druck gesetzt fühlte.


Herr R. sprach eigentlich fast nie direkt über seine Depressionen, aber diese wurden bei ihm zwischen den Zeilen deutlich. Ich erinnere noch klar seinen gequälten Gesichtsausdruck, wenn er etwas beschrieb, das für ihn ein großes Problem darstellte, ihm dabei aber gleichzeitig bewusst war, dass es für „normale“ Menschen lediglich nur eine ganz normale Alltagsanforderung war.

Herr R. erhielt Medikamente gegen seine Depressionen und Ängste und er suchte auch regelmäßig eine Beratungsstelle in unserem Bezirk auf. Aber eine wirklich Besserung trat bei ihm nicht ein.

Eines Tages rief mich die Mitarbeiterin des Pflegedienstes aufgeregt an, weil Herr R. ihr nicht die Tür öffnete, was bisher noch nie geschehen war. Auch telefonisch war Herr R. nicht erreichbar und so musste ich entscheiden, ob ich gewaltsam die Tür öffnen ließ. Mir war völlig klar, dass dies bei Herrn R. katastrophale Folgen haben würde, wenn er einfach nur außer Haus gewesen wäre, denn er hätte sich durch so ein Vorgehen kontrolliert und nicht mehr sicher gefühlt. So ließ ich also ein paar Stunden verstreichen und versuchte regelmäßig, ihn telefonisch zu erreichen. Außerdem informierte ich auch den Mitarbeiter der Beratungsstelle. Dieser entschloss sich dann, bei Herrn R. vorbeizugehen, da sein Büro im Gegensatz zu meinem nicht sehr weit entfernt lag. Als dem Mitarbeiter nicht geöffnet wurde, holte er extra eine Leiter, um durch das im Hochparterre liegende Fenster zu sehen. Dort sah er dann, dass die Tür zum Badezimmer offenstand und das Licht brannte.

Hieraufhin entschloss ich mich dann, die Feuerwehr zur gewaltsamen Öffnung der Wohnung einzuschalten, die ich dann nach einiger Zeit anrief. Mir wurde die Auskunft gegeben, dass keine ungewöhnlichen Vorkommnisse vorlagen.

Irgendetwas in meinem Inneren sagte mir jedoch, dass dies nicht stimmte und etwas sehr Schlimmes passiert sei und ich rief trotzdem die Polizei an, die ich um Auskunft bat. Die sagte mir dann, dass sich Herr R. im Badezimmer erhängt hatte.

Diese Nachricht löste bei mir einen kleinen Schock aus, den ich auch heute noch ein wenig spüre, wenn ich daran denke. Natürlich kam mir damals sofort der Gedanke, ob ich den Suizid hätte verhindern können. Ob es vielleicht nicht doch irgendeine Form der Hilfe für Herrn R. hätte geben können. Eine Hilfe, die Herrn R. wieder befähigt hätte, sein Leben als lebenswert zu empfinden. Aber es war schon vieles versucht worden: stationäre Behandlung, Tagesklinik, Medikamente und Psychosoziale Beratungsstelle – aber die Depressionen und Ängste waren stärker.

Ich war sehr froh, mich mit dem Mitarbeiter der Beratungsstelle austauschen zu können. Auch ihm ging es ähnlich und auch er fragte sich, ob er die Tat vielleicht verhindern hätte können. Allerdings hatte er ein Kollegenteam, in dem Raum dafür bestand, den Suizid aufzuarbeiten. Das hatte mir damals sehr gefehlt, denn ein lapidares „Wer sterben will, soll doch sterben“ ist nicht gerade hilfreich, wenn es um einen leidenden Menschen geht, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sein Leben zu beenden.

Vermutlich hätte es tatsächlich keine Unterstützung gegeben, die Herrn R. dabei geholfen hätte, sein Leben wieder als lebenswert zu empfinden.
Vermutlich.

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Donnerstag, 7. März 2013, 00:52h

Auf die alten Tage nach Thailand? – Fortsetzung

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Zufällig habe ich heute eine Art Fortsetzung der Sendung gesehen über den Trend, seinen Lebensabend in einem Heim in Thailand zu verbringen. Nach einem Jahr wurde eine Art Folgebesuch bei den in Thailand lebenden Senioren gemacht. Dabei erfuhr man auch ein paar Details. Zum Beispiel kostet ein Platz in einer Seniorenresidenz für Demente mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung 2.500,00 € und ein kleines Häuschen mit Vollpension in einer Seniorenresidenz für noch rüstige Rentner ohne Pflegebedarf kostet 880,00 €.

Da wurde die Rentnerin Ute gezeigt, die sich in ihrem Häuschen gar nicht so wohl fühlte, da sie in der Seniorenresidenz nicht den erwarteten Anschluss gefunden hatte. Ute gibt als Grund für die Abkehr Deutschlands „Flucht vor der Altersarmut“ an und sie will auch jetzt nicht wieder zurück in die Heimat. Kurzentschlossen sucht sie jetzt über Internetkontakte eine neue Bleibe, wobei man natürlich unterstreichen muss, dass sie noch rüstig genug ist, um die dafür nötige Aktivität zu haben.

Und da ist die gebürtige Schweizerin Elisabeth, die so dement ist, dass sie den Namen ihrer thailändischen Pflegerin immer wieder vergisst, die aber dennoch perfekt Englisch spricht und zwar so gut, dass sie der Pflegerin jetzt Sprachunterricht gibt! Ich bin höchst erstaunt, aber ich habe in der Vergangenheit auch schon einen Dementen erlebt, der zeitweilig wieder im Besitz seiner Latein- oder Altgriechischkenntnisse war.

Dann wird ein sehr dementer Mann gezeigt, der von seiner Ehefrau in das Dementenpflegeheim gegeben wurde. Sie besucht ihn jedes Jahr für einige Monate. Auf die Frage, warum sie sich dazu entschlossen hat, ihren Mann in ein thailändisches Pflegeheim zu geben, antwortet sie: „ Um ihm die Freiheit zu lassen und die Würde. Er hat in Deutschland so viele Medikamente bekommen, dass er völlig steif wurde und in Thailand wurden dann die Medikamente langsam abgesetzt“.

Und jetzt kommt noch ein ganz spezieller Fall, der zeigt, dass es eben doch nicht das Gleiche ist, ob eine Frau altert oder aber ein Mann. Gezeigt wird Reinhard, der mit einer wesentlich jüngeren Thailänderin in einem Hochhaus in Pattaya wohnt. Ihm ist die Idee gekommen, seinen weiteren Lebensabend mit seiner thailändischen Freundin zu verbringen, weil „die Leute hier bekannt dafür sind, dass sie die Alten sehr gut pflegen“. Er lobt, dass seine Freundin „nicht raucht, nicht trinkt und nicht spielt“. Lediglich Geld würde sie nicht ablehnen (das mag wohl auch der Grund ihrer Motivation für die Beziehung sein…). Er besucht dann auch tatsächlich die auf dem Land lebende Familie der Freundin, die ihn sehr herzlich grüßt und dabei schätzt er schon mal ab, ob man mit einem Rollstuhl im Haus herumfahren könnte.

In dem kleinen Dorf wird dann noch ein Zeremoniell an einem speziellen Festtag für ältere Menschen gezeigt; es werden zur Bezeugung des Respekts die Hände der alten Menschen gewaschen.

Ich muss gestehen, dass ich den Gedanken der Versorgung deutscher Pflegebedürftiger in Thailand nicht mehr so befremdlich empfinde wie bei der ersten Sendung. Es machte nicht den Eindruck, dass jemand der vier gezeigten Menschen unglücklich war. Zwar hat Elisabeth gefragt: „Why I’am here and not in Switzerland?“ aber es machte eher den Eindruck einer Frage aus reiner Neugier, als aus Bedauern oder Kummer.

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