Mittwoch, 24. Oktober 2012, 11:42h

Ein Fernsehtipp und die Reaktion darauf

behrens

Gestern lief in der Sendung Panorama der Beitrag über Betreuungen: „Wenn ein Fremder das Leben bestimmt“. Es ist durchaus üblich, in unserer speziell für Betreuer eingerichteten Mailliste auf Sendungen zum Thema Betreuung hinzuweisen, was ich gestern getan habe. Heute Morgen habe ich diese zwei Antworten von Kollegen im Postfach gehabt:

Liebe Frau Behrens,
mein Arzt hat mir solche Sendungen verboten.
Viele Grüße
Betreuer X

Hallo Herr X,
sehr guter Arzt!! ;-)
MfG Betreuer Y



Wer keinen Arzt hat, der das Ansehen derartiger Sendungen verboten hat, sollte einen Blick in diesen etwa 8minutigen Beitrag werfen:

http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_3/betreuung155.html

Die Sendung wird Samstag Nacht nochmals wiederholt.

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Was denn nun?
Vorhin rief mich eine Kollegin an und fragte mich, ob die Kommentare auf meinen Filmtipp ernst oder als Witz gemeint waren. Das weiß ich natürlich auch nicht. Vor allem weiß ich auch nicht, warum wir Betreuer uns lieber keine Filme über Betreuer ansehen sollten:

Weil die Medien uns Betreuer wieder einmal zu Unrecht verreißen?

Oder weil die Berufspraktiken einiger Kollegen so unerträglich sind?

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Es ist die Ausnahme von dem "Normalen"
"Weil die Medien uns Betreuer wieder einmal zu Unrecht verreißen?"

Ein wenig zu viel Salz in der Suppe kann diese ungenießbar machen.
Das Gleiche gilt für Berufsstände, die ein mehr oder minder großes Vertrauen ihrer Klienten voraussetzen.
!Eine einzige korrupte Person in so einem Beruf ist durchaus geeignet, den ganzen Berufsstand in Mißkredit zu bringen!

Vergeht sich ein biederer Buchhalter an einem Knaben, so ist das der Presse kaum eine Schlagzeile wert.
Tut es dagegen ein katholischer Priester, so sind alle treu Gläubigen und sogar die Atheisten erschüttert.

Von Menschen, die in dem Beruf (oder der Berufung) eines Betreuers arbeiten, wird ein hohes Maß an Integrität erwartet und vorausgesetzt.
Wird dieses Vertrauen mißbraucht, so wiegt dieses schwerer als der Fehltritt innerhalb einer Berufsgruppe, der man nicht ebenso hilflos ausgeliefert ist.

Das größte Problem der Berufs-Betreuer sind vermutlich die vielen der in diesem Beruf tätigen Rechtsanwälte.
Sie kennen Paragraphen und sind es gewohnt zielgerecht und logisch zu denken und zu argumentieren, aber soziale Elemente und Empathie gehören anscheinend nicht zu ihren Stärken.

Ein "guter" Rechtsanwalt setzt sich für einen unschuldigen Mandanten genau so gut ein, wie für einen Schuldigen, dem er die Strafe herunter handelt.
Es geht ihm nicht zwingend um das Recht oder gar um Gerechtigkeit, sondern um das Gewinnen zugunsten des ihn Bezahlenden.
(Sorry, das ist keine Tastachenbehauptung, sondern nur meine Meinung; man mag mich korrigieren.)

Diesen Monolog könnte ich noch seitenlang fortsetzen.
Aber das dürfte müßig sein.
Es gibt viele Statistiken; ich meine nicht jene, die ich selbst gefälscht habe.
So weiß man, daß bestimmte Berufsgruppen bestimmte Subjekte geradezu anziehen und andere Berufe fast frei davon sind.
Würde man so eine Statistik auch einmal über Berufsbetreuer erstellen, und diese Statistik auch noch auf die berufliche Herkunft der Betreuer ausweiten, so bin ich sicher, daß die Betreuer aus sozialpädagogischen Berufen darin wesentlich besser aussehen, als jene aus der juristischen Bildungslaufbahn.

Eine sozialpädagogisch orientierte Berufsbetreuerin kann sich jederzeit einen Rechtsanwalt zur Unterstützung heran holen, aber ich vermute einmal, daß ein Rechtsanwalt, der als Berufsbetreuer arbeitet, sich nur in den seltensten Fällen der Hilfe einer Sozialpädagogin bedienen würde.

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"So weiß man, daß bestimmte Berufsgruppen bestimmte Subjekte geradezu anziehen und andere Berufe fast frei davon sind".

Das ist sicherlich eine unbestreitbare Tatsache. Die Entscheidung für eine Lehre zum Bankkaufmann ist eine andere als die Entscheidung für eine Heilerzieherausbildung. Und die Motivation für eine Ausbildung zum EDV-Kaufmann ist eine andere als die Motivation für eine Ausbildung zur Altenpflegerin.

Mir ist noch die Aussage eines Kollegen im Ohr, der Psychologe ist: „Betreuer ist einer der wenigen Bereiche, bei denen man keinen Chef hat“. Ich glaube, dass dies für nicht wenige Betreuer ein Anreiz ist. Während ich persönlich ein Team als ausgesprochene Unterstützung empfinde und bisher nie grundsätzliche Probleme mit Vorgesetzten hatte (solange diese an sozialpädagogischen Richtlinien orientiert waren), stellt es für manche Kollegen einen großen Anreiz dar, freiberuflich und ohne Vorgesetzte zu arbeiten.

Ein Pflegedienstmitarbeiter, der früher einmal kurzzeitig als Betreuer gearbeitet hat, sagte einmal über den Berufsstand: „Viele Betreuer sind einfach machtgeil“. Das ist zwar sehr barsch ausgedrückt, aber wenn man sich Aussagen vor Augen führt wie ”Ich bin hier der Chef” oder ”Wenn ich als Chef Ihnen sage, dieser schwarze Stuhl hier ist weiß, dann hat der für Sie weiß zu sein” dann scheint der Pflegedienstmitarbeiter auch nicht völlig falsch zu liegen.

Fest steht aber andererseits auch, dass es viele Beschwerden gegen uns Betreuer gibt, die absolut ungerechtfertigt sind. Wie beispielsweise der ewige Vorwurf, man würde Geld veruntreuen oder die ewigen Vorwürfe mancher Angehörigen, die nicht verstehen wollen, dass der Betreute auch ein Selbstbestimmungsrecht hat und Entscheidungen nicht von den Wünschen der Angehörigen abhängig gemacht werden dürfen.

Ob in unserem Berufsstand die Rechtsanwälte diejenigen sind, die die meiste Kritik auf sich ziehen, kann ich nicht beurteilen. Ich habe vor Jahren in einer Bürogemeinschaft mit einem Anwalt zusammen gearbeitet, dem zum damaligen Zeitpunkt die Arbeitsqualität grundsätzlich wichtiger war als die Gewinnmaximierung. Allerdings muss man hinzufügen, dass sich dies mittlerweile völlig geändert zu haben scheint, wenn man der Kritik von Seiten Dritter Glauben schenken darf.

Meiner Erfahrung nach kommt es besonders häufig zu Konflikten bei Betreuern mit kaufmännischem Hintergrund. Obwohl die Betreuungsarbeit auch ein großes Maß an kaufmännischen Kenntnissen erfordert, sind sozialpädagogische/sozialarbeiterische Kenntnisse genauso Voraussetzung. Und damit kommen wir dann zu Ihrer Vermutung, dass sich ein Sozialpädagoge jederzeit die Unterstützung eines Rechtsanwalts holen kann, aber ein Rechtsanwalt sich wohl kaum der Hilfe eines Sozialpädagogen bedienen würde. Wenn man diese Aussage auf die kaufmännischen Betreuer bezieht, dann mag sie in so manchen Fällen (natürlich nicht in allen) den Kern des Problems treffen.

Ich möchte bei dieser Thematik aber auf keinen Fall unerwähnt lassen, dass die Tatsache, ein sozialpädagogisches Studium absolviert zu haben, bei weitem noch keine Garantie für gute Betreuungsarbeit ist. Ich muss mir nur vor Augen führen, mit wie vielen Dingen ich vor meiner Arbeit als Betreuerin noch nie zu tun hatte – Pflegeversicherung, Immobilienverkauf, Haushaltsauflösung, Klageverfahren, Buchhaltung e.t.c.

So wichtig es auch ist, die Gründe für die sich häufende Kritik an Betreuern in berechtigt und unberechtigt zu differenzieren – worauf es an erster Stelle ankommt ist, dass wir Betreuer grundsätzlich bereit sind, uns mit Kritik auseinanderzusetzen. Fachliche Qualität steht und fällt mit der Bereitschaft, Kritik ernst zu nehmen.

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