Montag, 30. April 2018, 02:42h

Das Bonmot nach Mitternacht

behrens

"Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren."
Karl Raimund Popper (1902-1994), aus: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“

Dazu hier in meinem anderen Blog ein wenig ausführlicher.

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Samstag, 17. März 2018, 21:22h

Gewalt gegen alte Menschen und das Phänomen der fehlenden Lobby

behrens

Vor ein paar Tagen wurde in einer Hamburger Seniorenwohnanlage eine 93jährige Bewohnerin von einer ehemaligen Mitarbeiterin der Anlage ausgeraubt, mit dem Messer angegriffen und schwerverletzt liegengelassen. Vor drei Jahren wurde eine 84jährige in Hamburg Wilhelmsburg überfallen, brutal misshandelt und erstickt. Persönlich betroffen war ich, als ich erfuhr, dass einer meiner Grundschullehrer und dessen Frau bei einem Raubüberfall Opfer eines Gewaltverbrechens wurden. Beide waren berentet und schon weit über achtzig Jahre, als der aus dem dörflichen Umfeld stammende 38jährige deutsche Täter in ihr Haus eindrang und sie brutal ermordete. Gibt man im Internet die Begriffe „Raubüberfall/Raubmord an Rentner“ ein, dann gibt es unzählige ähnliche Fälle. Selbst für mich, für die das Thema kein Neuland ist, ist die große Anzahl derartiger Fälle überraschend.

Eine absolute Ausnahme bei Gewalttaten gegen alte Menschen sind diejenigen Fälle, in denen es zu Gegengewalt kommt und sich die Opfer wehren. Als im Jahr 2010 in einem niedersächsischen Dorf ein Rentner von einer Gruppe von fünf albanischen Jugendlichen überfallen wurde, erschoss er einen der Täter. Bei dem Täter handelte es sich um einen 16jährigen Intensivtäter. Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Jahr 2015 in Hamburg bei einem 63jährigen Hausbesitzer, der mit seinem bettlägerigen, pflegebedürftigen Vater zusammenlebte. Als zwei Männer gewaltsam in seine Wohnung eindrangen, erschoss er einen der Täter, bei dem es sich um einen 25jährigen nigerianischen Intensivtäter handelte.

Selbstjustiz wurde auch schon mal das Thema einer Rockoper. Im Jahr 1987 inszenierte Peter Zadek das Rock-Musical „Andi“, in dem es um den Mord an dem 16jährigen Andreas Z. geht, der 1979 von einem Kioskbesitzer erschossen wurde, als dieser sich durch seine Gewaltausbrüche bedroht fühlte. Auch wenn besagter Kioskbesitzer noch nicht im Rentenalter war, sondern soweit ich es erinnere, etwa Ende fünfzig, so ging es dennoch gerade darum, dass sich älterer Mensch gewaltsam gegen die Bedrohung von Jüngeren zur Wehr setzt.

Was bei der Thematik der Selbstjustiz der hier zitierten ersten beiden Fälle so verwundert, ist die Reaktion der Angehörigen der Täter. Familie und Bekanntenkreis reagierten extrem aggressiv, im Fall des Nigerianers kam es dabei zu so massiven Bedrohungen, dass Polizeischutz angeordnet werden musste. Auch wenn Selbstjustiz auf jeden Fall abzulehnen ist, so ist es doch erstaunlich, dass die Angst und die Panik des Opfers genauso vollständig ausgeblendet werden wie die erbarmungslose Brutalität und die erschreckende Skrupellosigkeit des Täters. Alte Menschen, die sich in ihrer Panik nicht wehrlos und schicksalsergeben ausrauben, misshandeln oder ermorden lassen wollen, werden plötzlich nicht mehr als Opfer, sondern als skrupellose Killer angesehen.

Gewalt gegen alte Menschen ist zwar einerseits ein öffentlichkeitswirksames Thema, das auch immer wieder gern entsprechend von der Presse aufgegriffen wird, aber andererseits scheint dieser Thematik eine politische Dimension abgesprochen zu werden. Während die Gesellschaft beispielsweise im Fall von Gewalt gegen Frauen oder gegen Ausländer die politische Dimension klar erkannt hat und dies folglich auch entsprechend im politischen Kontext diskutiert wird, wird dies erstaunlicherweise bei alten Menschen ausgeblendet und es fehlt jegliche Auseinandersetzung, die über bloße Entrüstung hinausgeht. Im Klartext: es gibt keinerlei Lobby!

Woran mag dies liegen? Warum gibt es zwar jede Menge äußerst engagierte Menschen, die aktiv auf Gewalt und Verfolgung aufmerksam machen, aber keine, die sich dabei der Thematik der Gewalt gegen alte Menschen annehmen?

Mir fallen hierbei immer wieder einige meiner früheren Kommilitonen oder Kollegen aus der Sozialarbeit ein, die bei Diskussionen, in denen es um alte Menschen ging, gern mal den Kommentar abgaben: „Alte Menschen sind voll fascho!“. Auch wenn diejenigen, die solche Platituden äußern, glücklicherweise eine Ausnahme darstellen, so sollte es doch zu denken geben, dass ausgerechnet in einer Szene, in der das Engagement für gesellschaftlich benachteiligte Menschen im Zentrum steht, eben solche undifferenzierten Platituden geäußert werden. Und irgendwie kann man sich der Frage nicht erwehren, warum es zwar die Begriffe „frauenfeindlich“ sowie „ausländerfeindlich“ gibt, aber nicht den Begriff „altenfeindlich“.

Was immer es für Gründe haben mag, dass alles mit dem Alter Zusammenhängende ignoriert, verdrängt oder lächerlich gemacht wird – irgendwann trifft es jeden und dann wird man am eigenen Leib erfahren, wie sich Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit anfühlt.


https://www.mopo.de/hamburg/polizei/84-jaehrige-getoetet-lebenslang-fuer-brutalen-mord---richter-hatte--gaensehaut---24790826

https://www.welt.de/print-welt/article211157/Verdaechtiger-nach-Doppelmord-gefasst.html

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522034.html

ttps://www.mopo.de/hamburg/wollen-die-angehoerige-nun-rache--moustapha-a----25---das-ist-der-erschossene-raeuber-von-jenfeld-1190876

http://www.zeit.de/1987/12/theatralische-null-loesung/komplettansicht

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Dienstag, 7. November 2017, 13:42h

Auf der anderen Seite – Zusammenarbeit rechtlicher Betreuer mit sozialen Einrichtungen

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Obwohl ich nun seit mittlerweile vier Jahren keine rechtlichen Betreuungen mehr führe, habe ich dennoch immer wieder mit rechtlichen Betreuern zu tun, denn einige meiner Klienten und auch die meiner Kollegen stehen unter rechtlicher Betreuung.

Um es gleich vorab zu sagen – es gibt nicht nur negative Erfahrungen. Da wäre zum Beispiel Betreuerin Frau S., die von sich aus den Wunsch geäußert hat, mehrmals jährlich Gespräche gemeinsam mit ihrem Betreuten und mir zu führen. Frau S. geht auf die Wünsche unseres gemeinsamen Klienten ein, obwohl dies für sie oftmals mit Mehrarbeit verbunden ist. Frau S. ist Rechtsanwältin und in Anbetracht der Diskussion darüber, ob Rechtsanwälte als rechtliche Betreuer geeignet sind, macht Frau S. deutlich, dass dies durchaus möglich ist.

Oder da wäre Betreuerin Frau B. die sich ebenfalls dadurch auszeichnet, dass sie auf die individuellen Wünsche unserer gemeinsamen Klientin akzeptiert, wenngleich dies nicht immer einfach ist. Auch Frau B. zeichnet sich durch den Wunsch nach Austausch aus.

Auf der anderen Seite gibt es nicht wenige Betreuer, die sich durch ausgesprochene Nichttätigkeit auszeichnen. So kam es beispielsweise bei einem Klienten zu erheblichen Mietschulden mit der Konsequenz des drohenden Wohnungsverlusts, weil eine rechtliche Betreuerin die Kontrolle der regelmäßigen Abbuchung der Miete versäumte und dadurch nicht bemerkte, dass der Betreute schon mehrere Monate eigenmächtig die Mietzahlung gekürzt hatte. Hierbei sei erwähnt, dass die betreffende Betreuerin nicht nur die Vermögenssorge, sondern auch einen Einwilligungsvorbehalt(!) hatte, also somit unbedingt zur Kontrolle des Zahlungsverkehrs verpflichtet war. Als es dann zum drohenden Wohnungsverlust kam, argumentierte die Betreuerin allen Ernstes damit, wie schwierig es sei, sich ausreichend zu kümmern, da ihr Büro von der Wohnung des Betreuten zu weit entfernt sei. Eine merkwürdigere Begründung ist kaum möglich, denn der Zahlungsverkehr wird in der Regel übers Online Banking getätigt oder aber durch Zusendung der Kontoauszüge. Davon abgesehen, betrug die besagte Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln weniger als zwanzig Minuten, ich selbst habe eine Zeitlang diese Strecke als täglichen Arbeitsweg zurückgelegt.

Auch Herr Ö. gehört zu den Betreuern, die grundsätzlich nicht auf Anrufe oder Schreiben reagieren. Mir war Herr Ö. schon während meiner Zeit als rechtliche Betreuerin bekannt, da Mitarbeiter sozialpsychiatrischer Einrichtungen sich auch darüber beklagten, dass Herr Ö. den Kontakt zu ambulanten Betreuern grundsätzlich als überflüssig erachtet. In meinem Fall ließ sich Herr Ö. erst dann zu einem Rückruf herab, als ich ihn über die dringend erforderliche zahnärztliche Notbehandlung seiner Betreuten informierte, die der Zahnarzt ohne Rückmeldung des Betreuers nicht durchführen wollte.

Herr Ö. ist ein Beispiel dafür, dass Tätigkeiten, die eindeutig in den Aufgabenbereich des rechtlichen Betreuers fallen, gern auf andere abgewälzt werden. Zum rechtlichen Aufgabenbereich gehören im Falle der Vertretung gegenüber Behörden selbstverständlich auch Antragstellungen beim Sozialamt. Zwar hat der Betreute selbst durchaus auch die Möglichkeit der Antragstellung, aber nicht jeder Behördenmitarbeiter will den rechtlichen Betreuer übergehen und so kann sich die Bearbeitung sehr stockend gestalten, da der weitere Schriftverkehr grundsätzlich über den Betreuer läuft, so dass der Betreute selbst gar nicht über die Bewilligung oder die Erfordernis weiterer Unterlagen informiert wird. Gibt der Betreuer diese Information weiter, wäre das nicht hinderlich, aber Herr Ö. sah hierfür keine Veranlassung, so dass es wochenlang unklar war, ob Geld für eine Renovierung bewilligt wurde oder nicht.

Manchmal treffe ich in meiner jetzigen Arbeit auch auf „alte Bekannte“ aus meinem früheren Kollegenkreis. Gemeinsam mit einer Kollegin biete ich regelmäßig Sozialberatung an und im Rahmen der Beratung suchte uns eine unter Betreuung stehende Klientin auf, bei der es aufgrund fehlender Mitteilungen an das Sozialamt zu nicht gerechtfertigten Leistungskürzungen kam. Beim Telefonat mit der zuständigen Mitarbeiterin stellte sich dann heraus, dass die rechtliche Betreuerin Frau K. es mehrmals versäumt hatte, die Abrechnungen der Versorgungsunternehmen einzureichen, wodurch es zum einen zu Mahnungen und zum anderen zu einem zu geringen Leistungssatz kam. Da die Betreuerin außerdem nicht auf die Schreiben des Sozialamtes reagierte, war die Klärung der Angelegenheit äußerst schwierig. Frau K. ist für ihre ausgesprochen hohe Fallzahl bekannt und hierbei wird deutlich, dass hohe Fallzahlen nicht nur Auswirkungen auf die Qualität der Betreuung haben, sondern oftmals auch nur deswegen möglich sind, weil Aufgaben, die definitiv in den Tätigkeitsbereich der rechtlichen Betreuer fallen, auf soziale Einrichtungen oder andere Dritte abgewälzt werden. Selbstverständlich ist eine soziale Beratungsstelle dafür zuständig, bei Problemen mit dem Sozialamt zu helfen. Fragwürdig ist dabei jedoch, ob eine Soziale Beratungsstelle für die Regelung der Versäumnisse eines rechtlichen Betreuers zuständig ist.

Diese Thematik erinnert mich an eine Veranstaltung de Landesverbandes der Angehörigen von psychisch Kranken, in der es um die Zusammenarbeit mit rechtlichen Betreuern ging. Hierbei kam unter anderem eine Mitarbeiterin zu Wort, die ehrenamtlich im Besuchsdienst arbeitete und die von einem rechtlichen Betreuer erzählte, der gern die Möglichkeit nutzte, sich von ihr im Auto zur Wohnung des Betreuten chauffieren zu lassen, aber ansonsten jede Reaktion auf ihre Anliegen verweigerte. Dass dies bei weitem kein Einzelfall ist, wird an den Schilderungen einer ehemaligen Mitarbeiterin der Betreuungsstelle deutlich, die nach der Berentung für einige Zeit Besuchsdienste für den rechtlichen Betreuer Herrn M.* machte. Sie beschrieb, dass sie zunehmend für Tätigkeiten eingespannt wurde, die nichts mehr mit dem eigentlichen Besuchsdienst zu tun haben, sondern eindeutig zum Aufgabenfeld der rechtlichen Betreuung gehören. Die Betreffende weiß mit Sicherheit wovon sie spricht, denn nach ihre Tätigkeit als Amtsvormund war sie jahrelang selbst als rechtliche Betreuerin in der Behörde tätig!

Zieht man ein Resümee aus den Erfahrungen ehrenamtlich Tätiger, bzw. Mitarbeitern aus Sozialen Einrichtungen aus der Zusammenarbeit mit rechtlichen Betreuern, dann ergibt sich kein einheitliches Bild, sondern es gibt sowohl positive als auch negative Erfahrungen. Für Menschen, die sich darüber Gedanken machen, wie man sich eine rechtliche Betreuung für sich selbst oder für die eigenen Angehörigen wünscht (dazu gehöre ich), wäre es wünschenswert, wenn man sich vorab Informationen über Betreuer beschaffen könnte. Aber bis jetzt gibt es keine andere Möglichkeit, als sich eine eventuell vorhandene Website anzusehen. Und hier kann ich aus Erfahrung eine ziemlich sicheres Kriterium nennen: je einfacher eine Website gestaltet ist, je weniger Hinweise auf vermeintliche Qualifikationen und vor allem je weniger jemand sich selbst positive Attribute verleiht, desto größer die Chance an einen Betreuer zu geraten, der weiß, dass kollegiale Zusammenarbeit und Selbstkritik für die Qualität der Betreuungsarbeit unverzichtbar ist.

*übrigens auch ein “alter Bekannter“

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