Sonntag, 21. Oktober 2012, 12:54h

Interessenwahrnehmung gegen Betreuer – Zum Jubeln oder zum Weinen?

behrens

Vor kurzem stieß ich beim Lesen einer Anwaltshomepage auf die folgende Auflistung von Rechtsgebieten

Betreuungsrecht
Führung von Betreuungen
Interessenwahrnehmung gegen Betreuer

Interessenwahrnehmung gegen Betreuer – bisher hatte ich von so einem Rechtsgebiet noch nichts gehört. Klingt nach einem Juristen, der das Betreuungsrecht durchaus kritisch sieht und der die Ansicht vertritt, dass ein Betreuer mit seinem Amt auch Missbrauch treiben kann. Also eigentlich doch etwas durchaus Positives, schließlich kümmert sich endlich mal jemand um die Belange der Betreuten. Eigentlich schon – wenn es sich bei dem Betreffenden nicht ausgerechnet um den früheren Geschäftsführer des Betreuungsvereins handeln würde, in dem ich zwei Jahre gearbeitet habe. Ja – richtig gelesen, genau der Betreuungsverein, über dessen Arbeitspraxis ich hier schon einige Male geschrieben habe und der nach siebenjährigem Bestehen endlich geschlossen wurde.

Es hört sich an wie ein schlechter Witz, dass sich ausgerechnet jemand zur Vertretung der Interessen von Betreuten berufen fühlt, dessen Geschäftsführung von Anfang an den Ruf des Unseriösen hatte und alles andere als rühmlich endete. Vielleicht steckt aber auch genau darin die Ironie des Ganzen, denn so gesehen ist der Betreffende ja bestens damit vertraut, was es für Betreuer so alles an Möglichkeiten gibt, um Eigeninteressen zu verwirklichen.

Aber es wird sich wohl kaum um die Wandlung vom Saulus zum Paulus handeln, sondern vielmehr um den Umstand, dass jemand einfach munter so weitermacht wie bisher – nur eben auf der anderen Seite. Was das ebenfalls aufgeführte Fachgebiet der Führung von Betreuungen betrifft, macht es nachdenklich, dass jemand mit so einer Vita überhaupt noch vom Gericht als gesetzlicher Betreuer bestellt wird…

Wie sagte jemand so treffend: Wenn eine Kassiererin nach 20 Jahren tadelloser Arbeit einen Kassenbon von 90 Cents unterschlägt, fliegt sie raus. Wenn Geschäftsführer an den Betreuten mit unsinnigen Mandaten Geld verdienen oder nebenbei Betreuungen für’s eigene Portemonnaie führen, hat dies nicht die geringsten Konsequenzen.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 26. September 2012, 13:58h

Erfahrungen Angehöriger von Betreuten – „Sie haben immer noch nicht verstanden, dass ich der Chef hier bin!“

behrens

Gestern nahm ich zum zweiten Mal an einer Veranstaltung des Landesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker teil zum Thema „Die gesetzliche Betreuung in der Alltagspraxis – Anspruch und Wirklichkeit“. Obwohl zumindest in unserem Bezirk alle durch die Betreuungsstelle verschickte Einladung erhalten haben, glänzten bis auf meinen Kollegen und mich alle durch Abwesenheit.

Es war nicht immer angenehm, was da von Angehörigen berichtet wurde. Eine ehrenamtlich Engagierte berichtete anhand von Beispielen, dass Betreuer ihre Betreuten grundsätzlich nicht in Entscheidungen mit einbeziehen und grundsätzlich versuchen, ihre Aufgaben auf andere abzuwälzen. Die Mutter eines psychisch kranken Sohnes, die in einem Punkt etwas anders sah als der Betreuer, erhielt die denkwürdige Antwort „Sie haben immer noch nicht verstanden, dass ich der Chef hier bin“ und sie betonte, dass dies der originale Wortlaut war.

Ich konnte nicht umhin, mich in der anschließenden Diskussion zu Wort zu melden. Es war mir wichtig, auch die Seite der Betreuer darzustellen, insbesondere, was den immer wieder erhobenen Vorwurf betraf, wir Betreuer würden Geld veruntreuen. Ich schilderte, dass ich mindestens fünf Betreute habe, die in vollster Überzeugung behaupten, ich stecke Geld in die eigene Tasche, obwohl ich jede noch so kleine Kontobewegung detailliert nachweisen und belegen kann. Psychische Erkrankungen und insbesondere Demenz äußern sich nicht selten darin, dass der Überblick über die finanziellen Verhältnisse nicht mehr vorhanden ist.

Die Äußerung „Ich-bin-hier-der-Chef“, rief zwangsläufig auch meine (inzwischen schon ein wenig beiseite geschobenen) eigenen Erfahrungen mit einer bestimmten Art von Betreuern ins Gedächtnis. Wobei ich mich glücklicherweise nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis befinde, wie es bei den Betreuten und deren Angehörigen der Fall ist. Aber auch ich empfinde es natürlich nicht als angenehm, wenn ich nur aufgrund einer Kritik an einer definitiv gemachten Äußerung eines Betreuers aus einer Gemeinschaftshomepage ohne jede vorherige Diskussion ausgeschlossen werde. Und natürlich stehen mir die Haare zu Berge, wenn Kollegen das Verhalten des betreffenden Betreuers damit entschuldigen, dass „er nun mal offene Auseinandersetzung ablehnt“. Wie die Schilderung der Angehörigen zeigte, stellt dieses Verhalten anscheinend keinen Einzellfall dar. Vielleicht ziehen die Rahmenbedingungen - die nicht vorhandene Kontrolle durch Vorgesetzte/Kollegenteam - einen bestimmten Typus an?

Was das eigentlich Tragische ist an solch einem haarsträubenden und anmaßenden Verhalten, ist die Tatsache, dass dadurch zwangsläufig leider alle Betreuer diskreditiert werden. Dies habe ich auch in meiner Wortmeldung deutlich zu machen versucht. Es ist nicht zu leugnen, dass es diese Art von Betreuer gibt, deren diktatorisches Verhalten sich nicht nur gegen Betreuer und Angehörige richtet, sondern eben auch gegen Kollegen und überhaupt alle, die in irgendeiner Form mit Betreuten zu tun haben. Aber es sind eben längst nicht alle Betreuer, die Gefallen daran haben, sich wie Diktatoren aufzuführen.

Bleibt anschließend anzumerken, dass eine im Berufsverband aktive Kollegin in der Veranstaltung anhand einer Falldarstellung eine exzellente Darstellung unserer Arbeit abgegeben hat. Eine Darstellung ohne jene inflationär benutzte Floskel vom „Menschen, der im Mittelpunkt steht“ und ohne jede ebenfalls überstrapazierte Phrase der „hohen Qualifikation“ und des „hohen Engagements“.

Es geht also auch anders. Und im Gegensatz zu den Selbstdarstellungen wie sie auf den Homepages mancher KollegInnen zu finden sind, war das Referat besagter Kollegin ein Schritt hin zur Lösung des im Bereich der Betreuung vorhandenen hohen Konfliktpotentials. Und ein Schritt hin in die Richtung eines demokratischen Miteinanders.

Wie gesagt – es geht also auch anders!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 18. August 2012, 13:55h

Wie erhalten Betreuer ihre Betreuungen?

behrens

Im Gegensatz zu Beratungsstellen, die von den Ratsuchenden frei frequentiert werden können, muss eine gesetzliche Betreuung von einem Amtsgericht eingerichtet werden. Wird von Angehörigen, Bekannten, einer Einrichtung oder unter Umständen sogar von den Betroffenen selbst eine Betreuung angeregt, so ist hierfür das zuständige Amtsgericht die erste Anlaufstelle. Von dort aus wird das Anliegen an die zuständige Betreuungsstelle weitergeleitet. So eine Stelle gibt es in der Regel in jedem Bezirk oder in jeder größeren Gemeinde. Die Aufgabe der Mitarbeiter einer Betreuungsstelle ist die Ermittlung der Notwendigkeit einer rechtlichen Betreuung. Dies geschieht durch Hausbesuche bei den Betroffenen und durch Gespräche mit Angehörigen, Freunden e.t.c.

Steht es fest, dass jemand eine rechtliche Betreuung benötigt, dann ist es die Aufgabe des ermittelnden Mitarbeiters der Betreuungsstelle, einen geeigneten Betreuer zu finden. Die meisten Betreuer sind der Betreuungsstelle bekannt, da es in größeren Abständen Treffen gibt, an denen die meisten Betreuer teilnehmen. In der Regel stellt sich jemand, der als Betreuer arbeiten will, der Betreuungsstelle vor. Es gibt allerdings auch Betreuungsrichter, die sich direkt an die Betreuer wenden, ohne vorher die Betreuungsstelle einzuschalten.

Die Kriterien für die Bestellung eines Betreuers für einen konkreten Fall sind nicht so leicht fassbar. Fallen bei einer Betreuung zum Beispiel sehr viel kaufmännische Arbeiten an, wie dies bei Geschäftsauflösungen oder bei einem Besitzer von Mietshäusern der Fall ist, dann ist es sinnvoll einen Betreuer mit kaufmännischen Kenntnissen oder einen Anwalt zu bestellen. Geht es bei einer Betreuung um jemanden, der an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, so bietet sich die Bestellung eines Sozialpädagogen oder Psychologen an. Arbeitet jemand schon sehr lange als Betreuer, gibt es auch mehr oder weniger Rückmeldungen, an denen sichtbar wird, wie jemand seine Aufgabe als Betreuer wahrnimmt. Diese Rückmeldungen können beispielsweise von den involvierten Pflegediensten, von den Mitarbeitern der Seniorenberatung oder von den Pflegeheimen kommen.

Ein weiteres Kriterium ist für viele Betreuungsstellen auch die Zahl der bereits vorhandenen Betreuungen des jeweiligen Betreuers. Wenn ein Betreuer bereits siebzig Betreuungen führt, dann wird sich die Betreuungsstelle wahrscheinlich in vielen Fällen erstmal an diejenigen Betreuer wenden, die weniger Betreuungen führt. Wer gerade mit seiner Arbeit als Betreuer begonnen hat, wird vielleicht erstmal vorrangig mit Betreuungen bedacht, damit der Aufbau eines Betreuungsbüros überhaupt möglich ist.

Bei alldem muss betont werden, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Zuweisung von Betreuungen gibt. Und man darf auch nicht verhehlen, dass – anders als bei Laufkundschaft – die Betreuungsstelle eine Art Monopol darstellt. Theoretisch ist es nicht möglich, als Betreuer tätig zu sein, wenn es – aus welchen Gründen auch immer – zu einem Bruch mit der Betreuungsstelle gekommen sein sollte.

Für den Betreuten – also derjenige, dessen Wohl im Mittelpunkt stehen sollte – ist es von zentraler Wichtigkeit, dass sowohl die beruflichen Kenntnisse seines Betreuers als auch dessen Art, mit Menschen umzugehen, zu ihm passen und seiner individuellen Situation angemessen sind. Genauso wichtig ist es, dass der Betreuer weder zuwenig noch zuviel Betreuungen führt. Bei zuviel Betreuungen steht nicht mehr genug Zeit für den Einzelnen zur Verfügung. Zuwenig Betreuungen bedrohen die berufliche Existenz des Betreuers, was unter Umständen zur Aufgabe des Berufs und somit zwangsläufig auch zur Beendigung der Betreuung führt.

... link (6 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 13. Mai 2012, 20:15h

Landesverband der Angehörigen psychisch Kranker

behrens

Im Februar habe ich an einem Treffen des Landesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker teilgenommen. Es waren unter anderem eine Psychiatrieärztin, ein Betreuungsrichter und ein Psychiater eines Gesundheitsamtes geladen. Thema der Veranstaltung war rechtliche Betreuung.

Bei dem größten Teil der Angehörigen handelt es sich um die Eltern von psychisch Kranken. Was durch die Wortbeiträge auf dem Treffen deutlich wurde, ist die oftmals tiefe Verzweiflung der Eltern, die den Problemen ihrer erwachsenen Kinder meist hilflos gegenüber stehen, wie zum Beispiel in der Situation, in der es aufgrund psychischer Erkrankung zum Wohnraumverlust kommt und die Eltern damit konfrontiert sind, dass ihre Kinder auf der Straße leben. Oder aber die Situation eines psychotischen Schubs, bei dem sämtliches Geld verschenkt wird und die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, sich um die Sicherstellung ihrer Einkünfte zu kümmern.

Rechtliche Betreuung könnte eine Entlastung für die Angehörigen darstellen, da die Befugnisse eines Betreuers größer sind als die der Angehörigen. Um ein Beispiel zu nennen: der Situation, in der jemand in der Phase eines psychotischen Schubs durch Aussetzungen der Mietzahlungen seine Wohnung zu verlieren droht, kann durch einen Betreuer vorgebeugt werden, indem von vorneherein ein spezielles Betreuungskonto eingerichtet wird, von dem die laufenden Kosten automatisch abgebucht werden. Auch bei Situationen, in denen es zu massiven Selbstschädigungen kommt, kann ein Betreuer schneller reagieren als Angehörige.

Ein Problem, das kaum zu lösen ist, sind die Grenzfälle, in denen zwar eindeutig eine psychische Erkrankung vorliegt und diese auch zu massiven Selbstschädigungen führt, aber dennoch die Gründe für die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung noch nicht ausreichen. Zwangsläufig hat dies Auswirkungen auf alle Personen, die dem Betroffenen nahestehen. Dies trifft nicht nur auf die Eltern psychisch Kranker zu, sondern auch auf erwachsene Kinder, Geschwister oder Lebenspartner.

Ein Argument, das auch von Betreuern bei dieser Thematik oft angeführt wird, zumindest, wenn es um die Eltern psychisch Kranker geht, ist, dass diese „doch wohl auch nicht ganz unbeteiligt“ an der Erkrankung sind. Ohne diese Ansicht hier als richtig oder falsch zu bewerten, muss aber dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine psychische Erkrankung in ihren Folgen oftmals die ganze Familie betrifft und es Bereiche gibt, wie Wohnraumsicherung, Sicherung des Lebensunterhalts, die geregelt werden müssen und die dann meist an den Angehörigen hängen bleiben, die daran manchmal zu zerbrechen drohen.

Das, was über die Erwartungen der Angehörigen an rechtliche Betreuer deutlich wurde, ist der Wunsch, durch den Umstand einer rechtlichen Betreuung nicht automatisch ausgegrenzt zu werden. Viele Familienangehörige übernehmen trotz eines rechtlichen Betreuers diverse Aufgaben für den Betroffenen, wodurch sich immer wieder Schnittstellen ergeben, für die Kooperation wünschenswert ist. Um es auf einen Punkt zu bringen – es geht um Miteinbeziehung.

Bleibt noch anzumerken, dass ich die Behauptung eines früheren Kollegen, „alle Angehörigen sind Psychopathen“ als nicht bestätigt empfand. Und dass ich es schade fand, dass außer mir trotz des Themas rechtliche Betreuung kein weiterer Betreuer anwesend war.

... link (6 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 12. April 2012, 01:43h

Womit man so sein Geld verdienen kann

behrens

Gestern rief mich eine Betreute aufgeregt an, weil sie einen Brief einer Rechtsanwaltskanzlei erhalten hat. Ihr wurde in dem besagten Schreiben unterstellt, aus dem Internet einen Porno der Firma Erotica heruntergeladen zu haben. Der Betreuten sollte dafür der stolze Preis von 1.598,00 € in Rechnung gestellt werden. Meine Betreute ließ mir das Schreiben zukommen und so konnte ich auf rund vier Seiten Kleingedrucktem lesen, warum wieso und weshalb sich meine Betreute damit nach Meinung der Anwälte ganz eindeutig strafbar gemacht hätte.

Mir selbst ist es auch schon einmal passiert, dass mir jemand einen Download (allerdings keinen Porno) unterstellt hat, den ich aber nie getätigt hatte. Damals reagierte die betreffende Firma zwar nicht auf meine Antwortschreiben, aber als dann ein Anwalt für mich tätig wurde, hörten die Anmahnungen sofort auf. Derlei Vorgänge werden immer wieder in der Presse besprochen und es wird geraten, auf keinen Fall zu zahlen. Allerdings geht es dabei den meisten wie mir, und es kehrt erst wieder Ruhe ein, wenn ein Anwalt tätig wird.

Als ich und meine Mitarbeiterin dann ein wenig googelten, stießen wir merkwürdigerweise auf diverse Einträge zu der besagen Anwaltskanzlei, die meist auch wiederum von Anwälten stammten. Es wurde dann immer wieder geraten, auf keinen Fall zu zahlen. Allerdings wurde dann auch sofort darauf hingewiesen, dass man auf jeden Fall einen Anwalt beauftragen sollte und – wie sollte es anders sein – auf die eigene Kompetenz in der Materie hingewiesen.

Was geht hier eigentlich vor? Ich bin zwar jemand, der sich nur sehr schwer von Verschwörungstheorien überzeugen lässt, aber irgendwie scheint es sich ja hier um eine Art juristisches Perpetuum Mobile zu handeln. Da gibt es irgendein Internetportal, das Filme anscheinend so präsentiert, dass der Hinweis auf die Kostenpflicht so geschickt angebracht wird, dass ihn jeder übersieht. Dann gibt es eine Anwaltskanzlei, die sofort auf die vermeintlichen Downloads reagiert, indem eine drastische Geldstrafe gefordert wird - selbst von denjenigen, die überhaupt keinen Download gemacht haben.Und dann gibt es wiederum Anwälte, die sich auf genau diesen Vorgang bei genau der betreffenden Anwaltskanzlei spezialisiert haben.

All dies könnte man ja eigentlich schon fast eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nennen. Oder vielleicht auch Job-sharing. Es verdienen sozusagen drei verschiedene Parteien: eine Firma, die Schmuddelfilme produziert, Anwälte, die damit beauftragt werden, Menschen zu unterstellen, dass sie sich die Schmuddelfilme angeblich runtergeladen haben und Anwälte, die damit beauftragt werden, diesen Vorwurf zu entkräften. Die Anwälte verdienen durch ihre Honorare, die Schmuddelfilmfirma wahrscheinlich durch Vergleichszahlungen oder aber vielleicht auch durch diejenigen, die tatsächlich anstandslos zahlen.

Ich habe der betreffenden Anwaltskanzlei umgehend geantwortet, dass ich auf keinen Fall bereit bin, meine Betreute diese horrende Summe zahlen zu lassen für einen Film, den sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar nicht gesehen hat. Ich habe es mir dabei nicht nehmen lassen, mein Erstaunen darüber zu äußern, dass man eine Summe fordert, die derart hoch ist, dass sie ja schon fast die Produktionskosten deckt.

Ich würde gern den Namen der Anwälte nennen, aber da ich ja schon einmal in den Genuss der Androhung einer Unterlassungsklage gekommen bin, lasse ich dies lieber.

Bleibt noch anzumerken, dass meine Betreute und ihr Lebensgehilfe von Grundsicherungsleistung (=Sozialhilfe) leben. Es würde daher Prozesskostenhilfe geben. Allerdings gibt es die nur für einen Rechtsstreit, der auch vor Gericht kommt und nicht für anwaltliche Schreiben, die gerade im Vorfeld verhindern sollen, dass die Angelegenheit vor Gericht geht. Für eine geringe Gebühr kann man in Hamburg auch die öffentliche Rechtsauskunft in Anspruch nehmen. Mir kommt aber die Galle hoch, wenn ich mir vorstelle, dass ein derart hoher Aufwand betrieben werden soll für ein durch und durch unseriöses Vorgehen und eine absurd hohe Geldstrafe.

Bleibt also abzuwarten, wie die Herren Anwälte reagieren. Ich würde mir ja gern mal die besagte Seite von „Erotica“ ansehen und mir genauer ansehen, ob deutliche Hinweise für Kostenpflichtigkeit bei Downloads vorhanden sind. Aber da ich mich mit vielen Sachen, die das Internet betreffen, oftmals ausgesprochen ungeschickt anstelle, habe ich Angst, dass ich dann vielleicht auch in den Genuss eines Forderungsschreibens der Herren Rechtsanwälte komme. Also lieber nicht.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 28. März 2012, 14:53h

Denunziation und Solidarität

behrens

Es kommt in der Betreuungsarbeit immer wieder vor, dass sich die Betreuten oder deren Angehörige über Betreuer beschweren, wobei berechtigte und unberechtigte Beschwerden sich dabei die Waage halten. Betreuungsarbeit ist ein sehr konfliktträchtiges Arbeitsfeld, denn wenn Entscheidungen gegen den Willen des Betreuten getroffen werden müssen, löst dies verständlicherweise zwangsläufig Auseinandersetzungen aus.

Manchmal gibt es aber nicht nur Beschwerden, sondern es kommt zur Denunziation. Und dies ist mir vor einigen Wochen passiert. Ich hatte für eine schwer krebskranke Betreute den Kontakt zu einem ambulanten Hospizdienst hergestellt, da sie meiner Einschätzung nach nicht nur jemanden für die rein pflegerische Versorgung, sondern auch jemanden für Gespräche benötigte. Das erste Gespräch verlief dann auch sehr positiv und die betreffende Mitarbeiterin sagte mir, dass meine Betreute sehr viel über ihre Ängste und Sorgen gesprochen hätte. Dies wurde mir von meiner Betreuten bestätigt, die mir sagte, dass sie weitere Gespräche wünsche. Eigentlich hätte alles harmonisch und zur Zufriedenheit meiner Betreuten verlaufen können. Eigentlich. Aber dies war nicht der Fall.

Aus Gründen, über die ich nur spekulieren kann, behauptete ein (vermeintlicher) Freund meiner Betreuten, dass ich ihr einen christlichen Hospizdienst geschickt hätte, der sie „mit der Bibel in der Hand“ aufgesucht hätte, obwohl sie doch Muslimin sei. Nichts an dieser Aussage stimmte, denn weder handelte es sich um einen christlichen Hospizdienst, noch kam irgendjemand mit einer Bibel zu meiner Betreuten, noch war meine Betreute muslimisch. Man hätte diesen Unsinn also komplett ignorieren können, wenn der Freund meiner Betreuten es dabei belassen hätte und sich nicht nur an das Gericht, sondern auch noch an zwei muslimische Zentren (eines davon als fundamentalistisch bekannt) gewandt hätte, wo er unter Nennung meines Namens darum bat, sofort etwas gegen meinen Frevel zu tun und einen muslimischen Hospizdienst zu beauftragen.

Es wird viel über religiöse Toleranz gesprochen, wobei allerdings die Realität nicht immer mit den Behauptungen übereinstimmt. Es gibt Religionen, in denen Konversion eine Todsünde ist, wobei diese Todsünde sowohl von denjenigen, die konvertieren, als auch von denjenigen, die im Ruf stehen, dazu aufzufordern, begangen wird. Mit anderen Worten – in fundamentalistischen Kreisen kann es für jemanden sehr schlimme Folgen haben, wenn unterstellt wird, dass er einen vermeintlich christlichen Hospizdienst mit einer vermeintlichen Bibel zu einem vermeintlich nichtchristlichen Menschen schickt. Und genau dies war auch die Absicht des vermeintlichen Freundes - mich in Schwierigkeiten zu bringen.

Ich setzte mich sofort daran, den Sachverhalt schriftlich möglichst klar und deutlich zu formulieren und den betreffenden Zentren zu schicken. Wobei ich mir darüber im Klaren war, dass man zwar sowohl meiner Schilderung Glauben schenken könnte, als auch der des Freundes meiner Betreuten. Allerdings bekam ich nach einiger Zeit sowohl schriftlich als auch telefonisch Rückmeldung, die ersichtlich machte, dass meine Schilderung nicht angezweifelt wurde. Mir wurde außerdem auch gesagt, dass es überhaupt keine muslimischen Hospizmitarbeiter geben würde und es daher auch nicht von vorneherein als Problem angesehen wird, wenn betreuende Mitarbeiter einen anderen Glauben haben.

Was diesen durch und durch unerfreulichen Vorfall so tragisch macht, ist die Tatsache, dass ich meine Zeit viel lieber für die Organisation der Versorgung meiner Betreuten aufgewendet hätte und nicht in der Auseinandersetzung mit völlig falschen Anschuldigungen eines Menschen, den man nur als widerwärtig bezeichnen kann. Insbesondere der Aspekt, dass die Erkrankung meiner Betreuten schon so weit fortgeschritten war, dass sie nur kurze Zeit später verstarb, macht die Vergeudung von wertvoller Zeit so bitter.

Trotz der Tragik des ganzen Geschehens gibt es aber noch etwas, was unbedingt erwähnen möchte. Ich stand in der äußerst belastenden Situation, in der ich völlig falschen Anschuldigungen ausgesetzt war, nicht gänzlich allein dar. Sowohl die Hospizmitarbeiterin als auch die pädagogische Mitarbeiterin meiner Betreuten hatten mir sofort Unterstützung zugesagt und mir spontan angeboten, gegebenenfalls Aussagen zur Richtigstellung der falschen Anschuldigungen zu machen. Das mag jetzt so manchem als etwas Normales erscheinen. Ist es vielleicht auch im Bereich manch anderer Tätigkeitsfelder. Im Bereich der Betreuung ist dies allerdings durch und durch ungewöhnlich. Egal wie ungerechtfertigt und haltlos Anschuldigungen gegen Betreuer auch sein mögen – es gilt die ungeschriebene Regel, dass dies einzig und allein die Privatangelegenheit der betreffenden Kollegen darstellt und es nicht die geringste moralische Verpflichtung gibt, sich solidarisch zu zeigen.

Und gerade deswegen möchte ich mich bei den beiden Mitarbeiterinnen hiermit von ganzem Herzen für ihre Solidarität bedanken!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 4. Februar 2012, 12:58h

Flüchtende Betreute, anstehenden Operationen, Versäumnisse und ein Berg Unerledigtes

behrens

Bei der Arbeit als Betreuerin kann man noch so gut planen und organisieren – man kann nicht verhindern, dass alles wieder von den Betreuten oder vom Schicksal über den Haufen geschmissen wird.

Eine meiner Betreuten ist an Krebs erkrankt. Der Krebs ist schon so weit fortgeschritten, dass sich in mehreren Organen Metastasen gebildet haben und der Tumor nicht mehr operabel ist. Festgestellt wurde die Erkrankung während eines Psychiatrieaufenthaltes. Natürlich sollte die weitergehende Behandlung sorgfältig geplant werden. Aber das fluchtartige Verlassen der Klink machte alles zunichte. Und da meine Betreute zu Bekannten in ein anderes Bundesland zog, war es auch nicht möglich, schnell irgendwelche Hilfen zu beantragen.

Ein Mensch der Geld hat, kann hingehen, wo er will. Ein Mensch, der im Hartz-IV-Bezug steckt, darf das nicht. Die Genehmigung des Umzugs muss in einem langwierigen Verfahren bewilligt werden, die Kostenübernahme für die bei Erkrankung notwendige hauswirtschaftliche Versorgung muss beantragt und bewilligt werden und auch pflegerische Hilfe muss erst beantragt werden. Um am neuen Wohnort eine Kostenbewilligung für Hilfen zu erreichen, muss man erst nachweislich dort gemeldet sein. Für die Meldung benötigt man aber erstmal eine Wohnung. Geeignete Wohnungen kann man oft nur gegen Zahlung einer Courtage finden, aber die wird vom Jobcenter nicht übernommen. Egal wie schwerkrank jemand ist – die Prozedere ist unumgehbar. Eine Betreute, die nicht kooperativ ist und jede Vereinbarung über den Haufen schmeißt, macht es dann vollends unmöglich, dass die so dringend erforderlichen Hilfen organisiert werden können.

Heute kam dann die die überraschende Wende, und meine Betreute kehrte genauso Hals-über-Kopf wieder in ihre Wohnung zurück, wie sie sie vor zwei Monaten verlassen hat. Gott-sei-Dank hat sie auf meinen Rat gehört und die Wohnung doch nicht gekündigt. Jetzt kann ich zwar Anträge stellen, da Meldeadresse und tatsächlicher Aufenthalt übereinstimmt, aber die Situation ist dennoch sehr schwierig, da meine Betreute allein lebt und die Krankheit inzwischen noch weiter fortgeschritten ist. Ich finde zwar schnell einen Pflegedienst für die Verabreichung der unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Medikamente, aber die befinden sich noch in der Wohnung des Bekannten, der die Medikamente trotz Zusage nicht vorbeibringt. Die erforderliche Verordnung für den Pflegedienst muss ich auch erst noch beantragen. Ich verbringe dann meine Zeit damit, ein Fax als Eilantrag aufzusetzen, in dem ich die Schwierigkeit der Situation genau schildere. Außerdem informiere ich schon mal vorab das für die Stellungnahme zuständige Gesundheitsamt. Vielleicht gelingt es mir dadurch, morgen zumindest schon eine mündliche Zusage zu erreichen. Meine Betreute geht nicht ans Handy und ist aufgrund eines Nachsendantrags auch nicht postalisch erreichbar, was die Kommunikation natürlich weiter kompliziert.

Auch wenn eine Betreuung akuten und umfangreichen Handlungsbedarf mit sich bringt, dürfen die anderen Betreuten natürlich nicht vernachlässigt werden. Bei einer Heimbewohnerin beraten die Ärzte, wie der schwere Dekubitus (Wundgeschwür) am Steißbein behandeln werden soll. Eine komplizierte Hautverpflanzung und die Verlegung des Darmausgangs zu Verhinderung bakterieller Infektionen werden ärztlicherseits diskutiert. Da ich die Betreute in die Entscheidung mit einbeziehen will, habe ich sie vor ein paar Tagen aufgesucht und mich eingehend mit ihr und den behandelnden Ärzten unterhalten. Ich spreche auch mit dem Heimpersonal und der behandelnden Hausärztin. Da ich irrtümlich davon ausging, dass beide OPs zusammenhängen, entscheide ich zuerst für ein Nein, weil die Gefahr groß ist, dass die Stelle mit der verpflanzten Haus sich wieder entzündet. Dann sagt mir der Arzt jedoch, dass auch nur eine OP, nämlich die Verlegung des Darmausgangs vorgenommen werden könnte. Ich erreiche den Arzt danach nicht und melde mich am nächsten Tag mit einer positiven Entscheidung. Da hat man aber schon die Entlassung geplant, weil man meine erste Entscheidung als endgültig ansah. Nach vielen Hin- und Hers und Entschuldigungen meinerseits wird dann aber die Entlassung rückgängig gemacht und die OP für die kommende Woche geplant. Und dann ändert die Betreute doch noch ihre Entscheidung und die Operation wird wieder rückgängig gemacht.

Dann ein aufgeregter Anruf einer pädagogischen Betreuerin. Das Sozialamt droht, das schon gezahlte Geld für die über Monate geleistete Eingliederungshilfe zurückzufordern, weil nicht bekannt gegeben wurde, dass die betreffende Betreute umgezogen war und inzwischen mit Freund und Kind zusammen wohnt. Ich hatte der pädagogischen Betreuerin zugesagt, dass ich mich um die Meldung an die Behörde kümmere, es dann aber vergessen. Ich war einige Monate damit beschäftigt, vom Jobcenter ausreichende Leistung zu erwirken, die nicht gewährt wurden, weil bestimmte Urkunde, die erst aus dem Heimatland angefordert werden mussten, fehlten. Erschwert wurde alles noch durch das ausgesprochene unkooperative Verhalten des Freundes. Bei all den Schwierigkeiten habe ich völlig die von mir zugesagte Meldung ans Sozialamt vergessen.

Fehler sind menschlich, aber bei uns Betreuern unentschuldbar. Ich habe sofort alle erforderlichen Unterlagen herausgesucht und ein langes Entschuldigungsschreiben aufgesetzt und alles zusammen persönlich zur Leiterin des Sozialamts bringen lassen. Da die sehr engagierte pädagogische Betreuerin von ihrem Vorgesetzten einen Rüffel erhalten hat, habe ich auch noch deren Chef ein Entschuldigungsschreiben geschickt. Bleibt zu hoffen, dass meine Entschuldigungen angenommen werden. Falls nicht, und dem Träger tatsächlich rückwirkend Gelder gestrichen werden, werde ich mich das erste Mal an meine Berufshaftpflicht wenden.

Aber auch das war heute noch längst nicht alles. Der Sohn einer meiner Betreuten muss als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II beantragen, was bedeutet, einen rund zwanzig Seiten umfassenden Antrag auszufüllen und diverse Unterlagen beizufügen. Damit ist der Sohn meiner Betreuten aber überfordert, wie viele andere Antragsteller auch, denn die Anträge sind in striktem Amtsdeutsch verfasst, dass nur von Behördenmitarbeitern verstanden wird. Vor ein paar Tagen habe ich ihm also für anderthalb Stunden beim Ausfüllen der Formulare geholfen, denn wenn er keine Leistungen erhält, betrifft dies nicht nur ihn, sondern auch meine Betreute, die ohnehin mit ihrer kleinen Rente kaum auskommt. Obwohl ich geholfen habe, bekomme ich heute einen Anruf des Sohns, dass noch weitere spezielle Formblätter, die er wieder nicht versteht, ausgefüllt werden müssen. Ich muss also wieder tätig werden, wenn genug Geld für die Bedarfsgemeinschaft vorhanden sein muss.

Einer meiner Betreuten, der schon eine lange Zeit trocken war, hatte einen Rückfall und wartet dringend auf einen Rückruf von mir. Er wurde nach eigenen Aussagen schon nach drei Tagen Entgiftung entlassen. Er wird am Montag wieder seine Arbeit aufnehmen und ich drücke ihm natürlich dabei die Daumen.

Mein Anrufbeantworter leuchtete heute wieder wegen Überfüllung. Ich rufe einen Betreuten zurück, besser gesagt seine Lebensgefährtin und weiß schon vorher, dass ich mir wieder anhören muss, dass ich das Geld nicht richtig einteile. Zum x-ten Mal erkläre ich, dass ich nicht mehr Geld auszahlen kann, als zur Verfügung steht, stoße dabei aber wie immer auf taube Ohren. Ich habe eigentlich keine Lust, immer wieder und wieder die gleichen Erklärungen herunter zu leiern, aber wenn ich das nicht tue, endet dies in einer Beschwerde beim Amtsgericht, auf die ich mit einer Stellungnahme antworten muss. Und da entscheide ich mich dann doch lieber fürs x-te Erklären. Trotzdem droht die Lebensgefährtin – die anscheinend mehr über das Geld meines Betreuten zu sagen hat, als er selbst – mit einer Beschwerde bei der nächsten turnusmäßigen Anhörung.

Ach ja, vor kurzem hat auch wieder der Vater einer meiner Betreuten verbal zugeschlagen, indem er mir zu nächtlicher Zeit Beschimpfungen auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hat. Er droht wieder einmal damit, gegen mich vorzugehen und will dazu jetzt auch über das Internet gehen. Da dieser Mann in der gleichen üblen Weise mit meiner Betreuten umgeht und sich ihr psychischer Zustand mittlerweile immer weiter verschlechtert hat, erwäge ich eine Unterbringung. Meine Betreute ist nicht in der Lage, sich dem Vater zu entziehen und ich habe Angst, dass sich ihr Zustand noch gravierender verschlechtert.

Neben all diesen Vorkommnissen gibt es noch diverse Korrespondenz zu erledigen. Außerdem ist Monatsanfang und die gesamten Konten müssen gebucht werden und es sind auch wieder einige Vermögensabrechnungen und Berichte für das Amtsgericht fällig. Ein Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme eines Rollstuhls muss aufgesetzt werden. Es steht noch ein gemeinsamer Hausbesuch mit einem Vermieter bei einem Betreuten an, dessen Wohnung so muffelt, dass dies schon auf den Hausflur zu riechen ist. Außerdem muss bei einem anderen Betreuten dringend ein gemeinsames Gespräch mit dem Werkstattleiter stattfinden, denn es droht ein Rausschmiss, weil der Betreute fast nur noch Fehlzeiten hat.

Es ist längst noch nicht alles, was passiert ist und noch erledigt werden muss. Aber jetzt geh ich erstmal ins Wochenende...

... link (1 Kommentar)   ... comment


Dienstag, 31. Januar 2012, 02:02h

Unerwartete Rückendeckung

behrens

In der Arbeit als Betreuer kann es mitunter zu großen Anfeindungen kommen. Insbesondere im Bereich der Geldeinteilung kommt es in steter Regelmäßigkeit vor, dass nicht die knappe Bemessung des Hartz-IV-Bedarfssatzes als Ursache für den Geldmangel angesehen wird, sondern der Betreuer. Entweder es wird uns vorgeworfen, dass wir Geld veruntreuen oder es wird unterstellt, dass wir nicht alle Möglichkeiten der Beantragung von Zuschüssen ausschöpfen würden. Oftmals wird auch kritisiert, dass wir Geld ansparen für die notwendigen größeren Anschaffungen, anstatt das Geld sofort auf der Stelle auf einen Schlag auszuzahlen.

Vor einigen Wochen fand ein sogenanntes Hilfeplangespräch statt. Das ein Gespräch, zu dem alle, die an der Betreuung/Versorgung eines Menschen beteiligt sind, geladen werden. In diesem Fall waren es sehr viele Beteiligte, da es sich um eine Betreute mit einem kleinen Kind handelte. Anwesend waren die Hebamme, der Familienhelfer, die PPM-Betreuerin, die Mitarbeiterin des Jugendamtes, meine Betreute, ihr Mann, ihr kleines Kind, eine Übersetzerin und ich.

Obwohl der Mann meiner Betreuten kaum etwas von der deutschen Sozialgesetzgebung wusste, da er noch nicht allzu lange in Deutschland lebt, machte er mir massive Vorwürfe, weil ich seiner Meinung nach widerrechtlich das Kindergeld nicht auszahlen würde. Ich hatte ihm etliche Male geduldig erklärt, dass Hartz-IV eine nachrangige Hilfe ist und jede andere Leistung, wie z.B. Unterhalt, Rente oder Kindergeld auf jeden Fall angerechnet wird. Obwohl dieser Grundsatz eigentlich sehr einleuchtend ist, wollte der Mann ihn nicht verstehen und seiner Meinung nach war einzig und allein durch meine Unfähigkeit viel zu wenig Geld vorhanden. In der Tat gab es einen sehr krassen finanziellen Engpass, weil entscheidende Urkunden für die Anmeldung des Kindes fehlten, wodurch für das Kind auch kein Geld gezahlt wurde. Aber das war nicht meine Schuld, weil bestimmte Unterlagen erst angefordert werden mussten. Darüber hinaus wurde das Kindergeld natürlich voll und ganz als Einkommen angerechnet.

Ich wurde also vor der recht großen Versammlung als unfähige Betreuerin dargestellt, die nicht in der Lage ist, der Betreuten und ihrem Kind zu ihrem Recht zu verhelfen. Keine besonders angenehme Situation, zumal der Mann meiner Betreuten jede Menge Zahlen anführte, welche ich, da ich natürlich nicht alle Buchungsunterlagen dabei hatte, nicht so einfach widerlegen konnte.

Und dann passierte etwas, was für mich in meiner Tätigkeit als Betreuerin völlig neu war. Die PPM-Betreuerin erhob plötzlich das Wort und erklärte, dass ich als Betreuerin alles Mögliche unternommen hätte, um die schwierige Situation in den Griff zu bekommen. Sie betonte ausdrücklich, dass nicht ich an dem finanziellen Engpass Schuld war, sondern eine Verkettung von unglücklichen Umständen, angefangen von fehlenden Urkunden, die erst aus dem Heimatland angefordert werden mussten bis hin zu bürokratischen Vorschriften des Jobcenters, das ein Kind erst dann als ein Kind anerkennt, wenn die entsprechende Urkunde vorliegt.

Für mich war die unerwartete Rückendeckung etwas, was mich zutiefst überraschte. Nicht, dass mir eine derartige Situation völlig unbekannt wäre – in meinen früheren Stellen war es durchaus üblich, Kollegen bei ungerechtfertigten Angriffen nicht im Regen stehen zu lassen. Unter Betreuern ist dies allerdings etwas nahezu Unbekanntes. Ich selbst habe vor Jahren einmal einen Leserbrief geschrieben, als ein Betreuer von der Presse heftig auseinandergenommen wurde und hatte dabei auch um Mitunterzeichnung einiger Kollegen gebeten, was die dann auch – allerdings nicht sehr begeistert – getan hatten. Und wenn ich mir den Satz eines Kollegen „Andere Betreuer sind deine Konkurrenz“ vergegenwärtige, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass das Unterzeichnen eines Leserbriefs als Maßnahme der Unterstützung für einen Betreuer als überflüssig und lästig empfunden wird.

Die mir Rückendeckung gebende Kollegin war keine rechtliche Betreuerin, sondern eine pädagogische Betreuerin. Das schmälert aber nicht meine Freude darüber, dass es Menschen gibt, für die es selbstverständlich ist, bei ungerechtfertigten Anschuldigungen auf den Tisch zu hauen. Gäbe es mehr davon, würde man sich eine Menge Zeit für unsinnige und unerfreuliche Auseinandersetzungen sparen, die man wesentlich sinnvoller in die Verbesserung der Arbeitsqualität investieren könnte. Darüber hinaus halte ich es für unverzichtbar, dass jemand, der andere beleidigt und diskreditiert, umgehend und konsequent in die Schranken gewiesen wird. Passiert dies nicht, ist menschliche Kommunikation kaum erträglich.

Und deswegen stellt das Verhalten der pädagogischen Betreuerin für mich weitaus mehr als nur eine Solidaritätsgeste dar. Es erinnert daran, dass die Welt nicht nur vom Homo Oeconomicus bevölkert ist.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 16. November 2011, 01:29h

Der gute Eindruck

behrens

Obwohl es ja nun mittlerweile schon über ein Jahr zurückliegt, dass ich aus einer Gemeinschaftshomepage ausgeschlossen wurde, rief mich gestern ein Betreuungsrichter eines anderen Bundeslandes an, weil er nach einer Hamburger Adresse suchte. Die suchte ich ihm dann auch heraus und fragte, wie er gerade auf mich gekommen sei, was der Richter damit beantwortete, dass er einfach mal gegoogelt hätte, und dabei auf meine immer noch abrufbare Seite gestoßen ist. Daraufhin ergab sich ein kurzes Gespräch, in dem ich auch erwähnte, dass meine Seite nach Ansicht der Kollegen „keinen guten Eindruck“ machen würde. Gut zu hören, dass der Richter diese Meinung ganz und gar nicht teilte.

Auch wenn ich das Thema Homepage für mich abgehakt habe, ist das Thema des „Guten und des schlechten Eindrucks“ für mich immer noch ein erstaunliches Phänomen, das mich durch aktuelle Anlässe immer wieder beschäftigt. Gerade heute Morgen hatte ich ein Gespräch mit einer PPM-Mitarbeiterin, die von einer Betreuerin berichtete, deren Umgang mit ihr nicht gerade das ist, was man als respektvoll bezeichnen kann. Es scheint bei der betreffenden Betreuerin die Vorstellung zu bestehen, dass PPM-Mitarbeiter Befehlsempfänger sind, deren alleinige Aufgabe es ist, rechtlichen Betreuern Arbeit abzunehmen. Neugierig geworden googelte ich daraufhin den Namen der besagten Betreuerin. Und stieß dann auf eine Homepage, die größtenteils aus einer Aneinanderreihung von positiven Eigenschaften bestand. Von hoher Kompetenz, Einfühlungsvermögen und Engagement war da die Rede. Was hat dies mit ihrem tatsächlichen Umgang mit anderen noch gemeinsam? Nicht viel.

Mir fiel daraufhin wieder mein schon länger zurückliegendes Klassentreffen ein, bei dem mich eine frühere Mitschülerin von mir stirnrunzelnd fragte, ob ich „zu denen“ (damit war die Homepage gemeint) dazugehören würde. Die inzwischen verstorbenen Eltern der Mitschülerin waren von einer der Kolleginnen rechtlich betreut worden und nach Meinung der Betreuerin war der Kontakt zur Tochter für die Eltern nachteilig. Diese Haltung steigerte sich zu einem sehr unguten Konflikt, in dem meiner Bekannten kaum noch Möglichkeiten eingeräumt wurden, ihre Meinung zu vertreten und die Beziehung zu den Eltern belastete. Sie legte zwar Beschwerde ein, aber hatte nicht das Gefühl, dass sie überhaupt eine reelle Chance gegen besagte Betreuerin hatte.

Ich maße mir nicht an, die Arbeitsweise der Kollegin zu beurteilen, da es auch immer die andere Sichtweise anzuhören gilt und Familienkonstellationen in der Tat sehr viel Konfliktpotential enthalten. Was ich allerdings beurteilen kann, ist der Umgang mit Kritik, den ich ja aus eigener Erfahrung kennengelernt habe. Und da gilt leider auch bei besagter Kollegin der Betreuergrundsatz, demzufolge Auseinandersetzung mit Kritik grundsätzlich – da zu zeitaufwendig – nicht erforderlich ist. Wie sagte mein früherer Kollege so eindrucksvoll: „Angehörige von Betreuten sind alle Psychopathen!“ Und da Psychopathen ja von vorneherein Unrecht haben, gibt es demzufolge auch keinen Grund, sich mit deren lästiger Kritik auseinanderzusetzen.

Wie passt dies alles noch mit dem Anspruch zusammen, einen guten Eindruck machen zu wollen? Kritik zu verbieten und sich auf Homepages als die Inkarnation der menschlichen Perfektion zu präsentieren mag ja eine Weile seine Wirkung haben. Aber die sollte man nicht dahingehend überschätzen, dass das eigentliche konkrete Handeln und der tatsächliche Umgang mit anderen völlig unbemerkt bleiben. Dies wird am meisten deutlich bei demjenigen Kollegen, der befürchtete, durch mich seinen guten Ruf zu verlieren und der nichts davon zu wissen scheint, dass es überhaupt keinen guten Ruf gibt, den er verlieren könnte. Wo auch immer über Betreuung geredet wird und wer auch immer sich zu diesem Thema äußert – betrifft es besagten Betreuer, ist die Meinung durch und durch negativ. Und dies liegt mitnichten daran, was irgendwo geschrieben wurde oder wird, sondern allein daran, wie der Betreffende mit anderen Menschen umgeht.

Ich schließe dieses Thema mit einer Aussage, die ein befreundeter Mitarbeiter eines Pflegedienstes formuliert hat: „Einen guten Ruf kann man sich nur erarbeiten. Wenn man sich in seiner Arbeit mit wirklichem Interesse für das Klientel einsetzt, wird dies auch irgendwann bei anderen zu Annerkennung führen“.

Und das ist es, worum es geht: legt jemand einen allzu großen Schwerpunkt auf einen guten Eindruck, geht es nicht mehr vorrangig darum, gut zu arbeiten.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 8. November 2011, 02:02h

"Bis auf den Grund des Ozeans" von Julia Tavalaro

behrens

Mich hat das Thema des Locked-In-Syndrom nicht losgelassen und so habe ich mir ein weiteres Buch geholt, in dem die Erfahrungen dieses Zustands beschrieben werden. Es handelt sich um ein Buch der Amerikanerin Julia Tavalaro, die im Alter von 31 Jahren einen schweren Schlaganfall erlitt. Nachdem sie sieben Monat im Koma lag, erwacht Julia Tavalaro in einem Zustand völliger Lähmung, in dem sie weder sprechen noch sich sonst irgendwie mitteilen kann. In diesem albtraumhaften Zustand verbringt sie sechs lange Jahre, bis endlich jemand den Versuch macht, sich mit ihr zu verständigen. Nachdem sie durch Augenbewegungen und mit Hilfe einer Alphabettafel endlich die Möglichkeit erhält, sich mitzuteilen, lernt sie, ihren Kopf minimal zu bewegen, und auf diese Weise ein Schreibgerät und später einen Elektrorollstuhl zu steuern. Julia Tavalaro begann Gedichte zu schreiben und durch eine Schreibwerkstatt wurde sie ermutigt, ihre Erfahrungen in Form eines Buches niederzuschreiben.

Ich habe das Buch in drei Tagen gelesen. Während der ersten Hälfte des Buches, in der Julia Tavalaro die ersten sechs Jahre nach dem Schlaganfall beschreibt, in denen sie als hirntot galt, hatte ich nachts Albträume. Beim Lesen des zweiten Teils, in dem sie die Wende in ihrem Leben beschreibt, die dadurch eintritt, dass eine Logopädin endlich auf die Idee kommt, mit ihr durch Augenbewegungen zu kommunizieren, stellte sich eine Erleichterung ein. Es ist kaum zu ertragen, mit der Gefühlswelt eines Menschen konfrontiert zu sein, der völlig ausgeliefert und jeglicher Möglichkeit der Kommunikation beraubt ist.

Man kann die Gefühle schwer in Worte fassen, die das Buch auslöst. In dem Buch wird etwas von dem Mysterium deutlich, das das menschliche Sein ausmacht. Denn in dem Moment, in dem endlich wieder die Möglichkeit der Kommunikation besteht, erfasst Julia Tavalaro trotz ihrer schweren Erkrankung ein tiefer Lebenswille. Obwohl sie in einer Zeit, in der die heute als selbstverständlich geltenden technischen Hilfsmittel, noch längst keine Selbstverständlichkeit sind, auf Schreibgerät und Rollstuhl Monate oder sogar Jahre warten muss, verliert sie nie den Mut.

In dem Buch geht es auch immer wieder um Wut. Wut auf die Eltern und die Schwester, die nur äußerst selten vorbeikommen und Wut auf den Ehemann, der in der ganzen Zeit nur zweimal (!) zu Besuch kommt. Wut auf das Pflegepersonal, von dem Julia Tavalaro als „Gemüse“ bezeichnet wird. Pflegepersonal, das, wenn sie sich verkrampft oder stöhnt, mit Schlägen und Machtspielen reagiert. Als Leser kann man diese Wut sofort nachempfinden und es hat mich beruhigt, dass es nicht nur mir so geht, sondern andere Leser, die rezensiert haben, genau die gleichen Empfindungen hatten.

Ich habe dieses Buch aus zweierlei Gründen gelesen. Zum einen, weil ich als Betreuerin vielleicht auch einmal jemanden betreuen werde, der am Locked-In-Syndrom leidet. Zum anderen, weil ich mehr darüber wissen möchte, wie Menschen in Extremsituationen fühlen und ob es für Außenstehende überhaupt möglich ist, zu wissen, wann für Menschen ein Leben noch lebenswert ist und wann nicht. An eine Antwort darauf wird man sich nur dann annähern, wenn man den Versuch macht, sich ohne Projektionen in den anderen hineinzufühlen.

Die meisten Menschen (mich eingeschlossen) neigen dazu, eine Situation wie die des Locked-In-Syndroms sofort dahingehend zu beantworten, dass man nicht mehr leben möchte und es hoffentlich jemanden geben wird, der sich für die Abschaltung der Geräte einsetzt. Die Realität scheint jedoch nicht immer mit dieser Einschätzung überein zu stimmen. Julia Tavalaro hat während der Zeit, in der sie für hirntot gehalten wurde, auch einige Male an Selbstmord gedacht und auch einmal versucht, sich ein Kissen über den Mund zu ziehen um zu ersticken. Als ihr die Logopädin dann die Möglichkeit der Kommunikation eröffnete, war sie allerdings weit entfernt von Selbstmordgedanken, sondern entwickelte sich zur Kämpferin.

Neben den ganz existentiellen Erfahrungen einer schweren Erkrankung, die in diesem Buch für andere nachfühlbar werden, gibt es noch einen anderen, ebenso wichtigen Bereich, in den das Buch Einblick gibt. Dies ist der Bereich des Verhaltens gegenüber schwerkranken Menschen. Da gibt es zum einen diejenigen Menschen, die einen vermeindlich Hirntoten als „Gemüse“ bezeichnen und die immer wieder – und zwar in Gegenwart der Betroffenen – betonen, wieviel besser es doch wäre, wenn diejenige endlich sterben würde. Und da gibt es zum anderen all diejenigen, die sich kämpferisch und eisern auf die Seite des Lebens stellen. Menschen, die alles nur Erdenkliche versuchen, um das Leben des Patienten wieder lebenswert zu machen. Eine Logopädin, die intuitiv gespürt hat, dass Kommunikation möglich ist. Eine Beschäftigungstherapeutin, die alles versucht, um das technisch Machbare auch umzusetzen. Ein Schriftsteller, der Julia Tavalaro dazu ermutigt, ihre Erlebnisse in ein Buch zu fassen. Ein ehrenamtlicher Besuchsdienst, der die vielen Schwierigkeiten und Mühseligkeiten auf sich nimmt, und mit einem gemeinsamen Ausflug überrascht. Und nach vielen Jahren auch endlich eine Pflegerin, von der Julia Tavalaro respektvoll und freundschaftlich behandelt wird.

Das Spektrum des menschlichen Verhaltens hat eine immense Spannbreite, was Anteilnahme und Empathie anbetrifft. Dieses Spektrum kann einem sowohl den puren Angstschweiß auf die Stirn treiben als auch das Gefühl der tiefen Ehrfurcht verursachen.

Obwohl die Auflage des Buches von Julia Tavalaro aus dem Jahr 2011 stammt, wurde nicht erwähnt, dass sie im Jahr 2005 achtundsechzigjährig starb. Dies habe ich eben erst aus dem Internet erfahren. Ich hatte vorgehabt, ihr einen Brief in das Goldwater Memorial Hospital zu schreiben. In dem Brief wollte ich sie danach fragen, was sie über Sterbehilfe für Locked-In-Patienten denkt.

Schade, dass dies nicht mehr möglich ist, denn mich interessiert es brennend, was Betroffene darüber denken, wenn Locked-In-Patienten im Gegensatz zu anderen Erkrankten sofort der Wunsch nach Sterbehilfe erfüllt wird. Und noch brennender hätte es mich interessiert, ob Julia Tavalaro dies als Respekt vor dem Willen des Kranken empfunden hätte oder aber vielleicht auch als eine Haltung im Sinne von „So ein Leben kann nicht lebenswert sein.“

... link (0 Kommentare)   ... comment