Freitag, 26. März 2010, 07:03h
Krisensituation in der Jugendwohngruppe
Vor ein paar Tagen kam es in der Jugendgruppe, in der mein Freund als Erzieher arbeitet, zu einer Schlägerei zwischen zwei Jugendlichen. Einer der beiden Jugendlichen ist dunkelhäutig und wurde bei einem Streit von dem anderen mit dem Ausdruck "Nigger" beschimpft. Dieser Jugendliche geriet dann so in Rage, dass er ein Messer holte und auf den anderen losging. Mit viel Mühe gelang es meinem Freund, die beiden zu trennen.
Am nächsten Morgen nahm sich mein Freund jeden der beiden Jugendlichen einzeln vor. Dem dunkelhäutigen Jugendlichen erklärte er, dass er zu Recht über die Beleidigung aufgebracht war, aber dies noch kein Grund sei, mit einem Messer auf den anderen loszugehen. Zu dem anderen Jugendlichen sagte er, dass der Grund für dessen Wut – die Tatsache, dass der andere sich überhaupt nicht an den Gemeinschaftsarbeiten beteiligte – zwar berechtigt sei, aber dennoch Ausdrücke wie Nigger oder Bimbo im Haus absolut verboten seien. Wenn andere Schimpfwörter in einem Streit genannt werden, würde sich keiner darüber aufregen, aber rassistische Beschimpfungen sind in der Jugendwohngruppe absolut tabu.
Zwei Dinge fallen mir auf, wenn ich mir diese Situation näher ansehe. Den beiden Jugendlichen hatte es anscheinend sehr imponiert, dass mein Freund sich allein der Auseinandersetzung gestellt und weder Vorgesetzte noch die Polizei geholt hatte. Ich möchte unbedingt betonen, dass ich es für absolut legitim halte, in einer bedrohlichen Situation Hilfe von Dritten zu holen. Aber wenn man in der Lage ist, es auch allein durchzustehen und auf fremde Hilfe verzichten kann, ist die Auseinandersetzung eine andere. Man stellt sich dem anderen Kraft seiner Person entgegen und nicht im Schlepptau von Autoritäten. Dadurch verläuft die Konfrontation Auge in Auge und nimmt den anderen als Gegenüber ernst. Und eben das macht eine wirkliche Auseinandersetzung erst möglich.
Ich habe in der letzten Zeit oftmals Auseinandersetzungen erlebt, in denen es nur darum geht, einen Konflikt möglichst schnell und ohne viel Aufwand zu beenden. Erklärtes Ziel: Zeit sparen, die eigenen Positionen durchdrücken und sich zum Herrn über die Situation machen. Die meisten meiner Berufskollegen würden es sicherlich höchstens zwei Tage in einer Jugendwohngruppe aushalten. Jugendliche lassen sich nicht durch eine berufliche Position beeindrucken. Und mit autoritärem Gebaren zieht man meist den Kürzeren. Für die Auseinandersetzungen mit Jugendlichen muss man sich Zeit nehmen und es geht dabei um einen Lernprozess und nicht um Machtanspruch. Und mit dem Zeitsparprinzip kann man bei Jugendlichen sehr schnell auf den Bauch fallen.
Das zweite, was mir auffällt, ist die Tatsache, dass von Jugendlichen erwartet wird, rassistische Äußerungen zu unterlassen und es kann für die Jugendlichen heftige Konsequenzen haben, wenn dies nicht befolgt wird. Rassistische Äußerungen gibt es auch unter Betreuern. Allerdings gibt es eine Art ungeschriebens Gesetz, dies höflich zu überhören und auf keinen Fall anzusprechen. Hält man sich nicht daran, muss man sich Unkollegialität und Schädigung des Ansehens unseres Berufsstands vorwerfen lassen. Es macht nachdenklich, dass man von Jugendlichen die Auseinandersetzung mit dieser Thematik erwartet während man bei Betreuern nicht die geringste Veranlassung für eine Thematisierung sieht.
Alles in allem zwei Arbeitsbereiche, die verschiedener nicht sein könnten. Die sehr verschiedene Menschen anziehen. Und auch sehr verschiedene Menschen hervorbringen.
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Im kaufmännischen Handeln ist kein Platz für konstruktive Auseinandersetzung, da alles als überflüssig betrachtet wird, was nicht dem Durchboxen des eigenen Vorteils dient.
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