Freitag, 1. August 2014, 14:11h

Meine Betreuten VIII: zu spät

behrens

Vor einigen Tagen hatte Frau R., eine meiner früheren Betreuten, Geburtstag und ich wollte sie anrufen um zu gratulieren. Allerdings gab es keine Festnetznummer mehr, da die vielen Telefonsexaktivitäten des ebenfalls von mir betreuten Sohnes mehrere Tausend Euro Kosten verursacht hatten, so dass der Anschluss gesperrt wurde. Über eine Handynummer des Sohnes erreichte ich niemanden und so rief ich gestern schließlich die Haushaltshilfe an um meine Grüße zu übermitteln. Die sagte mir jedoch, dass Frau R. kurz vor ihrem Geburtstag verstarb und gestern beerdigt worden war. Die Haushaltshilfe war bestürzt darüber, dass nur sie und ihre Kollegin auf der Beerdigung war und sonst niemand.

Auch ich empfand es als bestürzend. Gleichzeitig berührt es mich sehr, dass die beiden Haushaltshilfen es sich nicht nehmen lassen haben, auf die Beerdigung der alten Dame zu gehen, die sie jahrelang betreut haben. Frau R. soll es am Ende sehr schlecht gegangen sein und die früher sehr rundliche Frau wog zuletzt nur noch knapp 40 Kilo.

Was mich betrifft, so wird mir einmal mehr bewusst, dass man Dinge nicht verschieben sollte. Ich hätte Frau R. gern noch einmal gesprochen.

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Donnerstag, 31. Juli 2014, 02:43h

Einer der es wissen muss

behrens

„Je größer die Scheiße, desto größer sind die Summen für corporate sociability“
Rainer Voss in „Master of the universe“

Der Begriff der corporate sociability steht im weitesten Sinn für Beitrag zum Gemeinwohl. Der Ex-Banker Rainer Voss verwendet diesen Anglizismus im Zusammenhang mit dem Phänomen, dass viele Banken Stiftungen gründen. Als Insider hat Voss genug Einblick, um sich nicht darüber hinwegtäuschen zu lassen, dass dies nichts anderes als ein kläglicher und peinlicher Versuch ist, von den ausschließlich an Profitmaximierung orientierten Leitlinien abzulenken. Und je knallharter und rücksichtsloser diese umgesetzt werden desto größer fallen seiner Erfahrung nach die Stiftungen aus. Wie ich ja hier auch schon beschrieben habe, macht es auch mich stutzig, wenn Stiftungen von Leuten gegründet werden, die grundsätzlich nur über Geld reden und deren Ruf in Bezug auf den Umgang mit anderen Menschen denkbar schlecht ist

Wer sich für die Mechanismen und Hintergründe der Welt der Geldmanager interessiert, dem sei diese Doku wärmstens empfohlen.

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Mittwoch, 23. Juli 2014, 02:53h

Kranke Kinder und Hartz IV

behrens

Die Umstellung von Sozialhilfe auf Hartz IV war mit vielen Streichungen verbunden, von denen die Öffentlichkeit weitgehend gar nichts mitbekommen hat. So war es vor der Reform beispielsweise möglich, dass vom Sozialamt die Kosten für verordnete Brillen, rezeptfreie Medikamente, erforderliche Taxifahrten zum Arzt/zur Klinik oder für manche orthopädische Hilfsmittel übernommen wurden. Außerdem waren Verordnungen noch nicht generell mit einem Eigenanteil verbunden. Ich will nicht abstreiten, dass es in manchen Fällen auch zu Missbrauch kam, aber für viele war die Kostenübernahme unentbehrlich, wie z.B. für Heimbewohner, die ja gar keinen Regelsatz mehr erhalten, sondern nur ein Heimtaschengeld, von dem nur schwer die Kosten für eine Brille gezahlt werden können.

Wahrscheinlich machen sich diejenigen, denen ein normales Gehalt zur Verfügung steht keine Vorstellung davon, wie schwer es ist, die durch die Erkrankung eines Kindes entstehenden Mehrkosten zu bewältigen. Ich habe gerade aus nächster Nähe mitbekommen, was dies für Eltern bedeutet, deren frisch operierter Säugling noch zur Nachbehandlung ins Krankenhaus gefahren werden muss. Da Hartz IV-Empfänger in der Regel kein Auto haben und öffentliche Verkehrsmittel von den behandelnden Ärzten als zu gefährlich und belastend eingestuft werden, bleibt nur das Taxi für den Transport. Liegt das Krankenhaus am anderen Ende der Stadt, kann dies mal eben 100,00 € für Hin- und Rückweg kosten. Aber auch schon die durch die Besuche im Krankenhaus anfallenden Fahrtkosten sind nicht unerheblich, wenn man bedenkt, dass beispielsweise eine Tageskarte für einen Erwachsenen schon fast 6,00 € kostet.

Aber es gibt auch noch andere Schwierigkeiten. Die Wohnungen, in denen Hartz IV Empfänger leben, sind oftmals sehr beengt und so kann die dringende Empfehlung des Arztes, das Kinderbett im Schlafzimmer unterzubringen nicht immer erfüllt werden. Bei all dem muss man sich vor Augen halten, welcher psychischen Belastung Eltern ausgesetzt sind, deren neugeborenes Kind gerade eine lebensbedrohende Erkrankung nur knapp überlebt hat. Sich dann noch den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, wie man die finanziellen Mehrkosten irgendwie in den Griff bekommt, kann die ohnehin hohe Anspannung noch weiter erhöhen.

Manchmal berührt es mich eigentümlich, wenn ich in irgendeinem Fernsehfilm ein geräumiges nett ausgestattetes Kinderzimmer sehe, in dem eine entzückende Wiege vor einem großen hellen Fenster mit Blick auf den eigenen Garten steht. Mir fallen dann die vielen winzigen Kinderzimmer ein, die ich im Rahmen meiner Arbeit kennengelernt habe, die allenfalls halb so groß sind und die sich von mehreren Geschwistern geteilt werden müssen. Zimmer mit zur Straße gelegenen Fenstern, die oft geschlossen gehalten werden, weil der Straßenlärm kaum auszuhalten ist. Einen Garten, in den man die Kinder auch spielen lassen kann, ohne jede Minute dabei sein zu müssen, gibt es so gut wie nie.

Sicher, eine glückliche Kindheit ist nicht von der Größe des Kinderzimmers abhängig. Aber eine belastende Situation – und dazu zähle ich eine schwere Erkrankung eines Kindes – wird noch schwieriger, wenn sich alle auf die Füße treten und das Haushaltsbudget so gering ist, dass selbst geringe Mehrkosten schon bedenkliche Einschränkungen verursachen.

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