Dienstag, 24. Juni 2014, 20:29h
Späte Einsichten
„Die vollständige Privatisierung öffentlicher Dienste war eine Verwirrung, von der wir uns stückweise verabschieden.“
Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen beim SPD-Parteitag
Energieversorgungsunternehmen, Heime, Krankenhäuser – aus unerklärlichen Gründen hat man sich von der Privatisierung mehr Effektivität versprochen. Das mag im Einzelfall ja durchaus mal funktionieren, aber die Regel ist es nicht und die große Verbesserung blieb aus. AGs, GmbHs, Agenturen – alles keine Garantie für bessere Resultate.
Auch im Bereich der rechtlichen Betreuungen wird schon seit längerem der Ruf nach behördlicher Einbindung laut. Wobei die Frage, ob dies letztendlich weniger Kosten verursachen würde, entscheidend von der zu Grunde liegenden Fallzahl abhängt. Warten wir’s ab.
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Donnerstag, 19. Juni 2014, 01:03h
Geruchsbelästigung als Grund für Heimeinweisung gegen den Willen eines alten Menschen?
Wenn alte Menschen durch Demenz oder Gebrechlichkeit auffallen, kommt es im Umfeld immer wieder zu der Frage, ob das Verbleiben in der eigenen Wohnung noch vertretbar ist. Wie ich es hier schon früher einmal geschildert habe, ist es erschreckend, wie schnell Angehörige, Nachbarn, Pflegedienstmitarbeiter und selbst Behördenmitarbeiter das Urteil fällen, jemand müsse so schnell wie möglich ins Heim eingewiesen werden.
Ich erinnere mich an den Fall einer Betreuten eines früheren Kollegen, deren Vermieter hochempört darüber war, dass sich der Kollege sträubte, die alte Dame gegen ihren Willen in einem Heim unterzubringen. Was waren es für Vorfälle, die solche große Empörung hervorriefen? Im Wesentlichen ging es um zwei Dinge: zum einen spazierte die Betreute manchmal barfuß durchs Dorf und zum anderen war sie nicht mehr in der Lage, die Wasserspülung ihres WCs zu bedienen. Was das Barfußlaufen betraf, so muss man sagen, dass es sich nicht im tiefsten Winter abspielte, sondern bei annehmbaren Temperaturen. Und die Probleme mit der Toilettenspülung rührten daher, dass der Spülkasten ausgetauscht worden war und jetzt nicht mehr mit einer Spülkette sondern mit einer Spültaste betätigt wurde. Selbst bei jüngeren Menschen dauert es einige Zeit, ehe sich daran gewöhnt wird – bei einem älteren Menschen mit beginnender Demenz kann es manchmal unmöglich sein, sich an so eine Veränderung zu gewöhnen. So war es auch bei der Betreuten, was zur Folge hatte, dass sie nicht mehr spülte und es dadurch zu einer Geruchsbelästigung kam. Hätte sich die Toilette in der Wohnung befunden, wäre es wahrscheinlich niemandem aufgefallen, aber da sie sich im Hausflur ihrer Einliegerwohnung befand, bekam es der Vermieter mit.
Die Betreute wurde von einer sehr engagierten Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes versorgt, die neben ihren regulären Einsätzen nochmals zusätzlich bei der Betreuten vorbeischaute, nur um die Spülung zu betätigen. Die Mitarbeiterin war genauso wie mein Kollege der Meinung, dass weder das Barfußlaufen noch das Nichtbetätigen der WC-Spülung einen Grund darstellte, die alte Damen gegen ihren Willen aus der ihr vertrauten Umgebung herauszureißen und in einem Heim unterzubringen. Aber wie in so vielen anderen ähnlichen Fällen wurde dies nicht als Respekt vor der Selbstbestimmung eines alten Menschen angesehen, sondern als Verantwortungslosigkeit gedeutet. Es kam von Seiten des Vermieter zu sehr heftigen Anschuldigungen und zu unschönen Aktionen wie dem Fotografieren eines verschmutzen Bettes. Obwohl der Pflegedienst regelmäßig vorbeikam, kam es einmal dennoch dazu, dass durch die Inkontinenz der alten Dame das Bett völlig verschmutzt war. Natürlich wurde das Bett gesäubert, als der Pflegedienst in die Wohnung kam, aber der Vermieter war schneller und nutzte die Gelegenheit, um schnell Fotos zu machen, die dann als Beweis für die Anschuldigung der angeblichen Vernachlässigung der Betreuten herhalten mussten.
Da besagter Kollege und ich zum damaligen Zeitpunkt zusammen in einer Bürogemeinschaft arbeiteten und er gern eine zweite Meinung zu der Situation einholen wollte, suchten wir die Betreute gemeinsam auf. Ich traf eine quietschfidele alte Dame an, die offensichtlich mit sich und ihrem Leben zufrieden war. Ein gezieltes Gespräch war zwar nicht mehr möglich, aber die Betreute brachte durchaus zum Ausdruck, dass sie sich in ihrer Umgebung wohl fühlte. Diesen Eindruck hatte auch die Pflegedienstmitarbeiterin, die damit konfrontiert war, dass der Vermieter auch dem Pflegedienst feindlich gegenüberstand und massiven Druck ausübte.
Wie ist die Geschichte ausgegangen? Irgendwann kam ein Zeitpunkt, an dem mein damaliger Kollege ein passendes Heim suchte und den Versuch wagte, die Betreute dort vorzustellen. Wider Erwarten gefiel es der Betreuten dort und sie fand Zugang zu den anderen Bewohnern, so dass ein dauerhafter Wechsel ins Heim veranlasst wurde. Es ist aber außerordentlich wichtig zu betonen, dass diese Reaktion eine Ausnahme darstellt und viele Betreute an dem Verlust ihrer vertrauten Umgebung zerbrechen. Aus diesem Grund kann gar nicht oft genug betont werden, wie wichtig eine sorgfältige und gewissenhafte Abwägung dieser Entscheidung ist. Manchmal kommt die Bereitschaft, die vertraute Umgebung gegen eine bessere Versorgung einzutauschen nach einiger Zeit von alleine, denn auch ein dementer Mensch kann unter Umständen den Wunsch nach mehr Sicherheit entwickeln. Soweit es möglich ist, sollte man diesen Prozess abwarten.
Worauf es mir bei diesem Beitrag ankommt, ist der Appell an mehr Verständnis für die Eigenheiten und Einschränkungen alter Menschen. Es ist sicherlich nicht angenehm, wenn es zu Geruchsbelästigungen kommt. Und es ist auch zuerst einmal auch ungewöhnlich und befremdlich, dass ein alter Mensch barfuß spazieren geht. Aber beides sind keine ausreichenden Gründe um lauthals nach Heimeinweisung zu rufen und einem Menschen seine Wohnung zu nehmen. Und genauso unfair ist es auch, Betreuern generell Verantwortungslosigkeit und Ignoranz vorzuwerfen, nur weil nicht gleich bei den ersten Problemen eine Heimeinweisung veranlasst wird.
Es wäre schön, wenn diese Problematik mehr Interesse in der Öffentlichkeit erhalten und endlich ein Dialog beginnen würde.
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Montag, 16. Juni 2014, 11:53h
Eine schwere Entscheidung II – und der Versuch, nicht voreingenommen zu sein
Drei Monate liegt es nun zurück, dass ich für meinen Stiefvater eine Betreuung beantragt habe. Wie ich hier bereits beschrieben habe, fiel es mir alles andere als leicht, mich zu dieser Entscheidung durchzuringen, da ich ja während meiner Tätigkeit als rechtliche Betreuerin leider im Kollegenkreis auch einige sehr unschöne Dinge miterlebt habe. In meinem Antrag an das Amtsgericht erwähnte ich diesen Umstand und schloss das Schreiben mit den Sätzen: „....da es mir aber aus den genannten Gründen jetzt nicht mehr möglich ist, mich selbst um die Belange meines Stiefvaters zu kümmern, würde ich mir wünschen, dass ein Betreuer vorgeschlagen wird, der für seriöses und engagiertes Führen von Betreuungen bekannt ist. Ich möchte darum bitten, keinen Betreuer auszuwählen, der seine Arbeit ausschließlich an kaufmännischen Leitlinien orientiert oder der bei Gericht im Ruf eines respektlosen Umgangs mit den Betreuten steht.
Vor etwa drei Wochen rief mich dann mein Stiefvater an und sagte mir, dass ihm der Name des Betreuers mitgeteilt wurde. Weil keine Telefonnummer aufgeführt war, suchte ich diese im Internet, aber ich fand unter dem genannten Namen nur ein Maklerbüro. Als ich keinen anderen Eintrag vorfand, rief ich trotzdem an und mir wurde mitgeteilt, dass die Telefonnummer richtig sei, da der besagte Betreuer auch Makler ist.
Ich muss gestehen, dass ich bei dieser Information erstmal enttäuscht schlucken musste, denn ich habe ja gerade mit Betreuern, die ihre Betreuertätigkeit mit Maklergeschäften koppeln, extrem ungute Erfahrungen gemacht. In meinem Schreiben an das Amtsgericht hatte ich daher auch erwähnt, dass ich bestimmte berufliche Konstellationen wie eben beispielsweise das Führen von Betreuungen in Verbindung mit der Tätigkeit als Makler für bedenklich halte. Was sollte ich jetzt davon halten, dass nun trotzdem ausgerechnet ein Makler zum Betreuer meines Stiefvaters bestellt wurde?
Ehemalige Kollegen, mit denen ich über die Entscheidung des Gerichts sprach, konnten mein Erstaunen und meine Skepsis verstehen und empfanden die Entscheidung als ignorant. Was mir dann allerdings half, war die Reaktion einer Bekannten, der die Arbeitspraktiken einiger Betreuer meines Bezirks nicht unbekannt sind. Sie empfahl mir, einfach erstmal abzuwarten. Auch wenn der Beruf bzw. die ursprüngliche Ausbildung sicherlich Einfluss hat auf die Art, wie jemand seine Betreuungen führt, so sagt diese letztendlich dennoch nichts über die tatsächliche Ausführung der Arbeit aus.
Immerhin hat der Betreuer meines Stiefvaters meine Bitte erfüllt, meinen Stiefvater vor der eigentlichen richterlichen Anhörung aufzusuchen, damit dieser nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Dies würde mit Sicherheit von vielen meiner früheren Kollegen empört als nicht erforderlich abgelehnt werden. Außerdem hat der Betreuer meinen Stiefvater mittlerweile schon dreimal besucht und ich habe auch einen Rückruf erhalten – beides ist ebenfalls längst nicht selbstverständlich. Bei dem Telefonat erfuhr ich dann, dass der Betreuer meines Stiefvaters nur 30 Betreuungen führt. Das ist eine Zahl, die mich überrascht, da es Betreuer gibt, die trotz ihrer Maklertätigkeit zeitweilig bis zu 70 Betreuungen führen. Auch wenn eine geringe Betreuungszahl noch kein Garant für hohe Qualität ist, so sagt sie dennoch aus, dass es dem Betreffenden ganz offensichtlich nicht in erster Linie um Gewinnmaximierung geht. Ein weiterer Pluspunkt ist der Umstand, dass es keine Homepage gibt, die für peinliche Eigenwerbung genutzt wird.
Alles in allem versuche ich, die Entscheidung des Gerichts gelassen zu nehmen und nicht voreingenommen zu sein. Zugegebenermaßen fällt mir dies nicht leicht, denn wie bereits erwähnt, fiel es mir nach allem, was ich während meiner Tätigkeit als Betreuerin mitbekommen habe äußerst schwer, eine Betreuung für meinen Stiefvater zu beantragen, zumal es eben nicht nur um fragwürdigen Umgang mit den Betreuten geht, sondern auch darum, dass ein nicht unerheblicher Teil des Berufsstandes eine offene Auseinandersetzung mit Kritik vehement und rigoros ablehnt. Aber dennoch ist der Hinweis meiner Bekannten richtig – nicht jeder Makler geht zwangsläufig autoritär und respektlos mit anderen Menschen um. Und auch ein Makler kann einen humanistischen demokratischen Arbeitsansatz haben und Qualität und nicht Zeitersparnis als Ziel anstreben.
Warten wir es also ab.
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