Montag, 6. Januar 2014, 02:11h
Der Stoff, aus dem Gewalt ist
Die Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt als politische Aktion besteht in dem Umstand, dass Gewalt per se schon die Ablehnung von Auseinander- setzungen beinhaltet. Gewalt bezieht ihre Existenz aus dem Schwarzweißdenken und Differenzierung jeglicher Art ist ihr verhasst oder zumindest fremd. Dies hat die fatale Folge, dass Ablehnung von Gewalt gleichgesetzt wird mit der Leugnung der Missstände, gegen die sich die Gewalt wendet. Dieser Logik zufolge werden unterschiedslos all jene, die Gewalt als Mittel zur Behebung gegen gesellschaftliche Missständen ablehnen, sofort denjenigen zugeordnet, die die Missstände bestreiten.
Ich spreche von den Auseinandersetzungen um die Rote Flora, ein autonomes Zentrum in einem Hamburger Stadtteil, das verkauft werden soll. Die Gewalttätigkeit der Aktionen gegen den Verkauf hat erheblich zugenommen. Es gibt sehr gute Gründe für die Ablehnung des geplanten Verkaufs, der nicht auf die Situation der in dem Stadtteil lebenden Menschen ausgerichtet ist, sondern in erster Linie auf kommerzielle Interessen. Zu oft hat man es erlebt, wie Städteplanung Menschen regelrecht aus ihren Stadtteilen vertreibt und es gibt diverse Beispiele dafür, wie man an den Interessen von Menschen vorbeiplant und dadurch die soziale Kluft weiter vergrößert.
Die Diskussion um Gewalt zur Durchsetzung politischer Forderungen ist vom Grundsatz her nicht auf die Rote Flora begrenzt – es könnte sich genauso gut auch um Hausbesetzungen, Atomkraftwerke oder Aufrüstung handeln. Worum es im Wesentlichen geht, ist die Frage, mit welchen Mitteln für oder gegen etwas gekämpft werden soll. Und dabei kommt es dann zu dem genannten Dilemma, dass es kaum möglich ist, Gewalt abzulehnen ohne dabei sofort als Befürworter der Gegenseite eingestuft zu werden und dadurch grundsätzlich als diskussionsunwürdig zu gelten. Ein bisschen scheint dies übrigens auch ein typisch deutsches Problem zu sein, unter den Ausländern meines Bekanntenkreises geht es bei dieser Thematik meist weniger polarisierend zu.
Ich habe gerade einen Artikel über die Kriegseuphorie unter den deutschen Intellektuellen zu Beginn des ersten Weltkriegs gelesen und manches ist der Thematik der Gewaltaktionen durchaus ähnlich. Es ist die Überzeugung des "Wir sind die Guten“, die den Soldaten mit dem Revolutionär oder dem Straßenkämpfer eint. Eine Überzeugung, die von Schuld- oder Reuegefühlen befreit, denn schließlich setzt man sich für etwas ein, das für alle gut ist und bekämpft somit das Böse. Menschen, die auf Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung setzen sind grundsätzlich davon überzeugt, im Recht zu sein und fühlen sich berufen, der Gerechtigkeit mit Gewalt Nachdruck zu verleihen. Das Tragische daran ist, dass durch die Legitimierung jeglicher Form von Gewalt dem Gegner das Menschsein abgesprochen wird.
„Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Friede ist der Weg“ formulierte Mahatma Gandhi. Dieser Ansicht folgend kann man nur zu dem Schluss kommen, dass der konkrete Weg das Entscheidende ist und nicht das in ferner Zukunft liegende Ziel. Gewalt als Mittel zur Auseinandersetzung ist Selbstzweck. Vielleicht erinnert sich mancher an das Foto von Joschka Fischer, das vor einigen Jahren durch die Presse wanderte und ihn bei einer Straßenschlacht auf einen Polizisten einprügelnd zeigt. Nun, inzwischen hat sich vieles geändert und Herr Fischer schlägt nicht mehr auf Polizisten ein, sondern arbeitet unter anderem als Unternehmensberater für Firmen, deren Ziele nicht gerade auf das Allgemeinwohl ausgerichtet sind und weit entfernt liegen von dem, was Herr Fischer früher einmal anstrebte. Oder sehen wir uns Horst Mahler an, der früher aus voller Überzeugung die RAF vertrat und mittlerweile ganz rechtsaußen steht. Oder erinnern wir uns an die Entebbe-Entführung, die sich nur gegen jüdische Passagiere richtete. Die Entführer kamen nicht aus dem rechten Umfeld, sondern aus den revolutionären Zellen. Eben jene Organisation die für sich in Anspruch nahm, die Verantwortlichen für die Greueltaten des zweiten Weltkriegs zur Rechenschaft zu ziehen.
Aber man muss gar nicht prominente Beispiele zitieren, oftmals finden sich auch schon im eigenen Bekanntenkreis Menschen, deren vorgeblich auf Gerechtigkeitssinn basierende Gewaltbejahung sich später als reiner Selbstzweck entpuppt. Ein früherer Bekannter von mir hat Gewalt gegen die Staatsmacht vehement damit gerechtfertigt, dass der Staat sich nur für die Wohlhabenden einsetzt und seine Verpflichtung gegenüber den sozial Schwachen gänzlich vernachlässigt. Mit den eigenen Verpflichtungen nahm es der Betreffende allerdings nicht so genau; er hatte noch nie einen Cent Unterhalt für sein Kind gezahlt, geschweige denn die Mutter seines Kindes in der Erziehung unterstützt. Auch der Kollegenkreis ist nicht frei von jenem Typus. „Ich war kurz davor, mir eine Waffe zu nehmen und zur RAF zu gehen“, sagte mir ein Kollege, der dies dann allerdings doch nicht tat, sondern stattdessen lieber Betreuer wurde. Das eigentlich Interessante an dieser Wandlung ist, dass aus jemanden, der einst den Staat mit Gewalt bekämpfen wollte, jemand geworden ist, der mittlerweile bei Konflikten eben jene einst so verhasste Staatsmacht zur Hilfe ruft, indem er selbst bei Lappalien die Polizei einschaltet und bei dem leisesten Anflug von Kritik rechtliche Schritte androht. Dies Verhalten wird durch ein autoritäres Auftreten abgerundet, mit dem derjenige jeden Feldwebel in den Schatten stellt.
Resümee meiner Erfahrungen mit gewaltbereiten Menschen ist, dass Gewalt keinen anderen Grund hat als Lust an Gewalt und Macht. Alle anderen Auslegungen sind Augenwischerei. Auch wenn das Argument der Wirkungslosigkeit friedlichen Widerstands oftmals schmerzhafte Realität ist und mancher Amoklauf als Reaktion auf soziale Missstände allzu nachvollziehbar scheint – es ist durch nichts zu rechtfertigen, einem Menschen das Gesicht mit einem Stein zu zertrümmern. Derartige Aktionen sind Ausdruck einer tiefen Menschenverachtung und werden nichts anderes bewirken als eine Eskalation der Gewalt, die letztendlich auch völlig Unbeteiligte ausbaden müssen.
... link (2 Kommentare) ... comment
Samstag, 28. Dezember 2013, 13:13h
Erben als Rechtsstreit – die eigentlichen Gewinner sind meistens nicht die Erben…
“Beim Erben können sich Besitzer ganzer Häuserzeilen um eine Tasse streiten.“
Professor Dr. Josef Vital Kopp (1905-1966), Schweitzer Theologe
Diesen in meiner Tageszeitung gefundenen Ausspruch musste ich einfach zitieren. Er stellt eine Ergänzung dar zu der Thematik des Erbens, die ich hier schon einmal beschrieben habe. Wobei nochmals betont sei, dass der Streit eben nicht erst bei Eintritt des Erbfalls beginnen muss, sondern schon in Erwartung desselben.
Ich habe an anderer Stelle schon auf eine sehr informative Dokumention verwiesen, die unter anderem auch ein eindrucksvolles Beispiel für Erbstreitigkeiten zeigt. Gleich am Anfang wird ein Fall beschrieben, in dem es um das Erbe eines Ferienhauses geht. Die Mutter von drei Töchtern hat das Ferienhaus verkauft und den Erlös zu gleichen Teilen an die Töchter weitergegeben. Hierdurch fühlte sich die jüngste Tochter benachteiligt, da es eine vor 20 Jahren getroffene Erbvereinbarung gab, in der ihr bei einem Verkauf die Hälfte des Ferienhauses zusprach. Anstatt aber daraufhin mit ihren älteren Schwestern zu reden, wandte sich die jüngste Tochter sofort an das Betreuungsgericht und veranlasste die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung. Hierzu sagen die Töchter:
“Wir hätten uns zusammen setzen können und hätten sagen können, wie wollen wir das? Und dann hätten wir uns ja vielleicht gezankt, das kann ja möglich sein, aber wir hätten das untereinander regeln müssen. Das wäre im Null-Komma-Nix geregelt ohne meine Mutter da hineinziehen zu müssen oder gar meine Mutter zu entmündigen… Das bricht natürlich auch in eine Familie ein und bricht sie gegebenfalls auch auseinander.”
Und die Betreute selbst bringt es sehr gut auf den Punkt:
“Erbschaft ist, wenn ich tot bin, aber doch nicht, während ich noch lebe!”
Wichtig zu betonen, dass ein heftiger Streit um das zu erwartende Erbe grundsätzlich auch völlig unabhängig von der Existenz eines Betreuers bestehen kann. Und zwar überall und zu allen Zeiten. Auch wenn mir nicht jeder zustimmen wird, so halte ich die Einrichtung einer Betreuung in manchen Fällen von Erbstreitigkeiten für sinnvoll. Allerdings auf keinen Fall im Hinblick auf eine als Rechtsstreit geführte Auseinandersetzung, sondern im Sinne des Versuchs einer gütlichen Einigung. Ich selbst habe zweimal eine Betreuung geführt, in der es auch um das zu erwartende Erbe ging. Es ist keine sehr dankbare Aufgabe, aber es ist dennoch in manchen Fällen möglich, für alle Beteiligten eine zumindest halbwegs akzeptable Lösung zu finden. Allerdings nicht nach dem Motto: ”Ich bin hier der Chef”, sondern als Vermittler zwischen den Parteien, der eine einvernehmliche Lösung anstrebt. Nur dann ist die Einrichtung einer Betreuung vertretbar, ansonsten schließe ich mich dem in der Dokumentation durch einen Richter vertretenen Standpunkt an, dass für Streitigkeiten um das Vermögens ausschließlich die Familiengerichte geeignet sind und nicht das Betreuungsverfahren.
Schade, dass der Betreuer der alten Dame nicht den geringsten Versuch gemacht hat, eine einvernehmliche Lösung anzustreben und die durchaus vorhandene Kompromissbereitschaft der älteren Schwestern zu nutzen. Damit hätte er nicht nur die Interessen seiner Betreuten besser vertreten, sondern er hätte auch nicht das Zerbrechen der Familie herbeigeführt. Bleibt noch anzumerken, dass ein Betreuer, der Anwalt ist, seine Betreuten im Falle von gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht in der Funktion des Betreuers vertreten muss, sondern in der Funktion eines Anwalts auftreten kann. Mit anderen Worten – zusätzlicher Verdienst.
Wie der Zufall so will, so passt auch der heutige Ausspruch meiner Tageszeitung zu der Thematik:
"Im Streit geht die Wahrheit stets verloren." (Publius Syrus 90-40 v.Chr.)
... link (0 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 25. Dezember 2013, 16:11h
Gratulation zum Erfolg eines absurden Rechtsstreits. Ein Ort zum Sterben - jetzt auch in der eigenen Nachbarschaft
Vor zwei Jahren hatte ich über den Protest gegen die Planung eines Hospizes in unserem Stadtteil geschrieben. Argumente waren damals die durch den Bau zu angeblich zu befürchtenden sinkenden Grundstückspreise und die psychische Belastung der in der Nachbarschaft lebenden Kindern durch den Anblick der Leichenwagen.
Allen Widrigkeiten zum Trotz ist das Hospiz jetzt aber doch gebaut und vor einer Woche feierlich eingeweiht worden. Die Befürworter des Hospiz mussten aber bis zuletzt zittern, denn nachdem die erste Klage gegen den Bau abgewiesen wurde, wurde mit anderen, ebenso merkwürdigen Argumenten weiter prozessiert. Wie lauteten die Argumente? Das Gebäude würde dem geltenden Bebauungsplan widersprechen, da es zweigeschossig ist und dadurch nicht im „Einklang mit dem Gebietscharakter“ stehen würde. Ich kenne den Stadtteil und bin daher sehr verwundert über dieses Argument, da sich dort jede Menge zweigeschossige Gebäude befinden. Ein weiteres Argument lautete, dass die geplante Kapazität von 12 Betten für unseren Bezirk „zu hoch“ sei. Dies Argument ist noch merkwürdiger als das erste, da der betreffende Bezirk mehr als 150.000 Einwohner hat und ein Hospiz außerdem natürlich auch von anderen Bezirken in Anspruch genommen werden kann. In meiner vergangenen Tätigkeit als Betreuerin hätte schon ich allein mehrere Schwerkranke für einen Platz vermitteln können.
Ob jetzt endlich Ruhe ist mit den absurden Klagen, kann man noch nicht sagen, da die Einlegung von Berufung beim Hamburger Oberverwaltungsgericht möglich ist. Was an dem ganzen Vorgang so schockierend ist, ist nicht nur die Tatsache, dass das Klagen gegen die Entstehung eines Hospiz an sich schon ein Unding ist, sondern der Umstand, dass das geplante Vorhaben natürlich nicht mittendrin unterbrochen werden konnte und das Hospiz mittlerweile kurz vor der Eröffnung steht. Somit wären bei einer erfolgreichen Klage sowohl das ganze Engagement der ehrenamtlichen Unterstützer sowie auch die investierten Gelder einschließlich der vielen Spenden völlig vergebens gewesen. Bezeichnenderweise schien selbst dies bei den klagenden Anwohnern in keiner Weise moralische Bedenken auszulösen.
Aber ich will ja nicht nur den negativen Teil der Hospizgründung sehen, sondern in erster Linie freue ich mich natürlich über das Gerichtsurteil. Und finde es toll, wie viele Menschen sich ehrenamtlich engagiert haben für diese dringend erforderliche Einrichtung. Wenn man den Presseberichten trauen kann, sind rund zwei Millionen Euro gespendet worden. Das wiegt die Existenz prozessierender Anwohner wieder auf.
... link (2 Kommentare) ... comment