Dienstag, 7. Dezember 2010, 01:16h

Betreuungsgerichtstag

behrens

Ich bin gerade Mitglied im Betreuungsgerichtstag – vormals Vormundschaftsgerichtstag – geworden. Zwar bin ich mir noch nicht völlig im Klaren darüber, was diese Mitgliedschaft bedeutet, aber die Zielsetzung gefällt mir:

Der Verein dient als Forum des Dialogs aller am betreuungsgerichtlichen Verfahren beteiligten Personen und Stellen…Er wirkt mit an der Weiterentwicklung des Rechts, der Standards sozialer Arbeit und der gesellschaftlichen Integration der betroffenen Menschen…Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke“.

Neben der Satzung wurde mir ein dickes Buch zugesandt, das ein breites Spektrum von Beiträgen zum Thema Betreuung enthält. Es geht um Strukturen im Betreuungswesen, um Umgang mit den Betreuten, um Maßnahmen gegen den Willen des Betreuten, um Lebensbedingungen von Betreuten und um Perspektiven. Der Titel des Buchs „Der Mensch im Mittelpunkt“ gefällt mir zwar überhaupt nicht, da es wohl keine Aussage gibt, die mehr missbraucht wurde. Aber den Autoren scheint es ausnahmsweise Ernst zu sein mit der Zielsetzung, denn wohltuend bleibt man vor dem Thema Vergütung verschont.

Ich habe das Buch längst noch nicht durchgelesen und nicht jedes einzelne Thema interessiert mich. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mir das erste Mal seit sehr langer Zeit wieder an das annähere, worum es in meiner Ausbildung eigentlich ging: Strategien und Möglichkeiten zu entwickeln, um sozialer Benachteiligung entgegenzuwirken. Eine Lobby zu bilden für diejenigen, die in dieser Gesellschaft auf Hilfe angewiesen sind.

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Donnerstag, 2. Dezember 2010, 01:21h

Thema Einsparungen - der Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichem und volkswirtschaftlichem Denken

behrens

Einmal im Monat treffen sich Vertreter von verschiedenen sozialen Einrichtungen und behördlichen Stellen unseres Bezirks zum Austausch in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft – kurz PSAG. Es geht um einen Informationsaustausch über die den sozialen Bereich betreffenden Neuigkeiten. Neue Einrichtungen, neue Rechtssprechungen, Veränderungen in Verfahrensabläufen, politische Hintergründe und vieles mehr. Heute fand unser jährliches Weihnachtsfest statt, das traditionsgemäß von den Elbewerkstätten, einer Werkstatt für Menschen mit psychischen Erkrankungen, veranstaltet wird.

Diesmal ging es unter anderem um das Problem, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen die erforderliche Hilfeleistung verweigert wird, indem die Kriterien für die Hilfegewährung als nicht erfüllt angesehen werden. Im Klartext: jemand möchte Hilfe, wird aber als zu gesund eingestuft. Dies kann sowohl bei psychosozialen Hilfeleistungen wie PPM (personenbezogene Hilfe für psychisch kranke Menschen) als auch bei rechtlicher Betreuung passieren. Staatliche Hilfen – egal aus welchem Topf – kosten Geld und nach Meinung der Politiker eben viel zuviel. Also werden die Maßstäbe enger angelegt.

Man dreht sich bei diesen Diskussionen im Kreis. Denn wenn eine beantragte erforderliche Hilfeform abgelehnt wird, bleibt der Hilfebedarf natürlich nach wie vor bestehen, so dass sich die Situation meist irgendwann verschlimmert und andere Hilfen erforderlich werden. Hinzu kommt die merkwürdige politische Tendenz, soziale Einrichtungen immer mehr in private Unternehmen zu wandeln. Aus Beratungsstellen werden dann plötzlich GmbHs, Holdings oder KGs.

Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn dies auch zum gewünschten Erfolg führen würde. Aber leider ist das nicht so. Und einer der Kollegen hat dies auf den Punkt gebracht: die sozialen Einrichtungen werden immer mehr betriebswirtschaftlich geführt anstatt volkswirtschaftlich. Es werden Heime oder Krankenhäuser privatisiert, weil man sich davon wirtschaftlicheres Arbeiten verspricht, was sich jedoch meist nicht erfüllt. Konsequenz dieser Umwandlung ist aber außerdem, dass sich durch strukturelle Veränderungen Defizite in anderen Bereichen ergeben können. Auf betriebswirtschaftlicher Ebene ist das dann schnurz-piepe-egal, auf der volkswirtschaftlichen aber eben nicht. Wenn man z.B. die Aufnahmekriterien für eine Arbeitsstelle in einer Werkstatt für Behinderte erhöht, mag es sein, dass die Werkstatt dann wirtschaftlicher arbeitet. Es fallen dann aber Menschen aus dieser Einrichtung heraus, für die dann irgendwann eine andere Hilfe erforderlich wird.

Eine wahre Hiobbotschaft ist die Absicht der Stadt, die bezirkliche Seniorenberatung einzusparen. Die Seniorenberatung ist eine eng an das Sozialamt angeschlossene Stelle, die für die älteren Menschen zuständig ist, wenn diese Hilfe bei der Organisation ihrer Versorgung benötigen. Ältere Menschen haben oftmals noch nie etwas mit dem Sozialamt zu tun gehabt und wissen daher überhaupt nicht, wo und wie man einen Antrag stellt. Meist ist die bezirkliche Seniorenberatung nur mit einer, manchmal auch mit zwei Personen besetzt, die die älteren Menschen in ihrer Wohnung aufsuchen. Oftmals geht es um die Beauftragung eines ambulanten Pflegedienstes und die damit verbundenen finanziellen Hilfen, oder es geht um die Beantragung eines Platzes in einer Tagespflegestätte oder in einem Heim. Auf jeden Fall geht es meist um sehr existentielle Probleme.

Und diese Stellen will die Stadt nun einsparen. Wer kümmert sich dann um hilfebedürftige alte Menschen? Wahrscheinlich erstmal niemand, bis die Situation so eskaliert, dass jemand eine rechtliche Betreuung benötigt, die alles weitere veranlasst. Oder aber jemand muss dann ins Heim, wodurch die Versorgung gewährleistet ist. Aber das sind ja andere Finanzierungstöpfe und deswegen interessiert es schlichtweg niemanden.

Wir haben alle diese unerfreulichen Neuigkeiten mit Galgenhumor aufgenommen – schließlich war es ja unser Weihnachtsfest und wir wollten ein wenig feiern. So negativ der Anlass zur Diskussion auch war – immerhin gab es wenigstens eine Diskussion. Es wäre unvorstellbar, die besprochenen Themen beim Treffen der Berufsbetreuer zu diskutieren. Niemand ist daran auch nur ansatzweise interessiert, da diese Themen nicht unmittelbar mit unserer Vergütung zusammenhängen. Und dies ist genau das, worum es in im Grunde bei der Diskussion ging – der Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Denken.

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Sonntag, 21. November 2010, 20:29h

Stichwort Konkurrenz unter Betreuern

behrens

Stehen Betreuer untereinander eigentlich in einem Konkurrenzverhältnis oder nicht?

Das steht und fällt mit dem Arbeitsansatz und dem Selbstverständnis des einzelnen Betreuers.

Es gibt zwei Arbeitsansätze, die sich diametral entgegenstehen. Betrachtet man das Führen von Betreuungen als eine soziale Aufgabe, dann sind andere Betreuer keine Konkurrenten, sondern Kollegen. So wie es z.B. auch in sozialen Einrichtungen der Fall ist, für die Vernetzung, Austausch und gemeinsame Zielformulierungen – insbesondere auch im Hinblick auf Mitgestaltung in sozialpolitischer Planung – unverzichtbar sind.

Der andere Arbeitsansatz ist der, in dem das Führen von Betreuungen mehr oder weniger als eine Dienstleistung eingestuft wird, die jeder Betreuer unabhängig vom anderen ausführen kann, wie er möchte. Ziel ist maximaler Gewinn – was gleichbedeutend mit hohen Betreuungszahlen und geringem Betreuungsaufwand ist. Die anderen Betreuer sind keine Kollegen, mit denen man sich vernetzen will, sondern Konkurrenz.

Berufsbetreuer sind – bis auf die Ausnahme der für Vereine tätigen – freiberuflich tätig und stehen somit in keinem Angestelltenverhältnis und gehören auch keiner sozialen Einrichtung an. Aus kaufmännischer Sicht sind wir also Konkurrenten, die um die Zuteilung neuer Betreuungen buhlen. Der Betreute wird zum „Kunden“, um dessen „Kaufleistung“ Betreuer untereinander konkurrieren. Es kann also gar nicht im Interesse eines Betreuers sein, wenn andere Betreuer gut arbeiten, da dies eine noch stärkere Konkurrenz darstellt. Je besser die anderen arbeiten, desto schlechter sieht es für einen selbst aus.

Soll dies für die Betreuten – um die es ja wie immer bei alledem geht – tatsächlich von Vorteil sein? Stimmt die These des „Konkurrenz schafft Qualität“ hier wirklich noch?

Wenn man die Leistung von uns Beteuern mit einem Supermarktangebot vergleichen würde, mag dies gerade noch zutreffen. Nur wer die beste Ware anbietet, verkauft erfolgreich und hat die meisten Käufer. Aber unsere Betreuten sind keine Konsumenten und es geht bei ihnen auch nicht um den Einkauf von Kartoffeln oder Würstchen. Wir Betreuer arbeiten in einem komplexen gesellschaftlichen System sozialer und rechtlicher Strukturen. Und die individuelle psychosoziale Problematik des einzelnen Betreuten ist ebenfalls sehr vielschichtig. Unter diesen Voraussetzungen ist es sehr fraglich, ob es für die Betreuten selbst von Vorteil ist, wenn jeder Betreuter vor sich hinarbeitet und dabei andere Berufsbetreuer lediglich als Konkurrenz betrachtet.

Und es gibt übrigens einen entscheidenden Unterschied zum Supermarkt. Dort ist das Angebot transparent und die Qualität von Produkten wie Kartoffeln und Würstchen ist überprüfbar. Bei Betreuungen, deren Führung für Außenstehende gar nicht einsehbar ist – und denen im Übrigen der Einblick oftmals sogar vehement verweigert wird – gilt dies nicht.

Das Prinzip der „Guten Qualität durch Konkurrenz“ scheitert schon in der ganz normalen Warenwelt. Im Bereich der Berufsbetreuungen ist es verheerend. Und eins darf man nicht vergessen – ein Käufer kann problemlos den Supermarkt wechseln, aus einer gesetzlichen Betreuung herauszukommen ist dagegen nicht ganz so einfach…

Ein wenig ausführlicher habe ich es hier dargestellt.

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