Mittwoch, 16. November 2011, 01:29h

Der gute Eindruck

behrens

Obwohl es ja nun mittlerweile schon über ein Jahr zurückliegt, dass ich aus einer Gemeinschaftshomepage ausgeschlossen wurde, rief mich gestern ein Betreuungsrichter eines anderen Bundeslandes an, weil er nach einer Hamburger Adresse suchte. Die suchte ich ihm dann auch heraus und fragte, wie er gerade auf mich gekommen sei, was der Richter damit beantwortete, dass er einfach mal gegoogelt hätte, und dabei auf meine immer noch abrufbare Seite gestoßen ist. Daraufhin ergab sich ein kurzes Gespräch, in dem ich auch erwähnte, dass meine Seite nach Ansicht der Kollegen „keinen guten Eindruck“ machen würde. Gut zu hören, dass der Richter diese Meinung ganz und gar nicht teilte.

Auch wenn ich das Thema Homepage für mich abgehakt habe, ist das Thema des „Guten und des schlechten Eindrucks“ für mich immer noch ein erstaunliches Phänomen, das mich durch aktuelle Anlässe immer wieder beschäftigt. Gerade heute Morgen hatte ich ein Gespräch mit einer PPM-Mitarbeiterin, die von einer Betreuerin berichtete, deren Umgang mit ihr nicht gerade das ist, was man als respektvoll bezeichnen kann. Es scheint bei der betreffenden Betreuerin die Vorstellung zu bestehen, dass PPM-Mitarbeiter Befehlsempfänger sind, deren alleinige Aufgabe es ist, rechtlichen Betreuern Arbeit abzunehmen. Neugierig geworden googelte ich daraufhin den Namen der besagten Betreuerin. Und stieß dann auf eine Homepage, die größtenteils aus einer Aneinanderreihung von positiven Eigenschaften bestand. Von hoher Kompetenz, Einfühlungsvermögen und Engagement war da die Rede. Was hat dies mit ihrem tatsächlichen Umgang mit anderen noch gemeinsam? Nicht viel.

Mir fiel daraufhin wieder mein schon länger zurückliegendes Klassentreffen ein, bei dem mich eine frühere Mitschülerin von mir stirnrunzelnd fragte, ob ich „zu denen“ (damit war die Homepage gemeint) dazugehören würde. Die inzwischen verstorbenen Eltern der Mitschülerin waren von einer der Kolleginnen rechtlich betreut worden und nach Meinung der Betreuerin war der Kontakt zur Tochter für die Eltern nachteilig. Diese Haltung steigerte sich zu einem sehr unguten Konflikt, in dem meiner Bekannten kaum noch Möglichkeiten eingeräumt wurden, ihre Meinung zu vertreten und die Beziehung zu den Eltern belastete. Sie legte zwar Beschwerde ein, aber hatte nicht das Gefühl, dass sie überhaupt eine reelle Chance gegen besagte Betreuerin hatte.

Ich maße mir nicht an, die Arbeitsweise der Kollegin zu beurteilen, da es auch immer die andere Sichtweise anzuhören gilt und Familienkonstellationen in der Tat sehr viel Konfliktpotential enthalten. Was ich allerdings beurteilen kann, ist der Umgang mit Kritik, den ich ja aus eigener Erfahrung kennengelernt habe. Und da gilt leider auch bei besagter Kollegin der Betreuergrundsatz, demzufolge Auseinandersetzung mit Kritik grundsätzlich – da zu zeitaufwendig – nicht erforderlich ist. Wie sagte mein früherer Kollege so eindrucksvoll: „Angehörige von Betreuten sind alle Psychopathen!“ Und da Psychopathen ja von vorneherein Unrecht haben, gibt es demzufolge auch keinen Grund, sich mit deren lästiger Kritik auseinanderzusetzen.

Wie passt dies alles noch mit dem Anspruch zusammen, einen guten Eindruck machen zu wollen? Kritik zu verbieten und sich auf Homepages als die Inkarnation der menschlichen Perfektion zu präsentieren mag ja eine Weile seine Wirkung haben. Aber die sollte man nicht dahingehend überschätzen, dass das eigentliche konkrete Handeln und der tatsächliche Umgang mit anderen völlig unbemerkt bleiben. Dies wird am meisten deutlich bei demjenigen Kollegen, der befürchtete, durch mich seinen guten Ruf zu verlieren und der nichts davon zu wissen scheint, dass es überhaupt keinen guten Ruf gibt, den er verlieren könnte. Wo auch immer über Betreuung geredet wird und wer auch immer sich zu diesem Thema äußert – betrifft es besagten Betreuer, ist die Meinung durch und durch negativ. Und dies liegt mitnichten daran, was irgendwo geschrieben wurde oder wird, sondern allein daran, wie der Betreffende mit anderen Menschen umgeht.

Ich schließe dieses Thema mit einer Aussage, die ein befreundeter Mitarbeiter eines Pflegedienstes formuliert hat: „Einen guten Ruf kann man sich nur erarbeiten. Wenn man sich in seiner Arbeit mit wirklichem Interesse für das Klientel einsetzt, wird dies auch irgendwann bei anderen zu Annerkennung führen“.

Und das ist es, worum es geht: legt jemand einen allzu großen Schwerpunkt auf einen guten Eindruck, geht es nicht mehr vorrangig darum, gut zu arbeiten.

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