Donnerstag, 8. Dezember 2011, 01:16h

Jobcenter – anderer Name, gleiche Misere

behrens

Vor kurzem hat mir die Geschichte einer Bekannten vor Augen geführt, wie schlimm es sein kann, in die Mühlen des Jobcenters zu geraten. Die ARGE hat sich vor einem Jahr in Jobcenter umbenannt. Der neue Name hat allerdings leider nichts daran geändert, dass Arbeitslose nach wie vor wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

Meine jetzigen Erfahrungen mit dem Jobcenter beruhen nicht auf eigenen Erfahrungen, sondern auf den Erfahrungen, die ich bei der Vertretung meiner Betreuten mache. Während sich der direkte Kontakt zwischen Jobcenter und Arbeitslosem unter Umständen sehr konfliktreich gestalten kann, gestaltet sich der Kontakt zwischen Jobcenter und rechtlichem Betreuer meist weitgehend neutral. Betreuer sind vom Amtsgericht mit der Vertretung eines Menschen beauftragt und kennen erfahrungsgemäß die Rechte eines Arbeitslosen genau. Außerdem sind sie nicht mit dem Makel der Arbeitslosigkeit belegt, sondern gehören zur arbeitenden Bevölkerung.

Vor kurzem habe ich allerdings über eine Bekannte einen Einblick in die Methoden des Jobcenters erhalten, der mir vor Augen geführt hat, wie ausgeliefert ein Arbeitsloser gegenüber dem Jobcenter ist. Die Bekannte, von der ich spreche, ist noch nicht lange arbeitslos. Die alleinerziehende Mutter ist erst durch ihre Scheidung in die Abhängigkeit vom Jobcenter geraten. Wenn ein Familienvater nur ein durchschnittliches Gehalt hat, reicht dies im Falle einer Scheidung normalerweise nicht mehr aus, um die geschiedene Frau und Kinder davon zu unterhalten. Es bleibt also in so einem Fall kein anderer Ausweg, als Arbeitslosengeld II zu beantragen. Während noch vor einigen Jahren von Müttern nur dann die Aufnahme einer Arbeit verlangt wurde, wenn die Kinder älter als zwölf waren, wird jetzt auch von denjenigen Frauen, die kleine Kinder haben, die Aufnahme einer Tätigkeit verlangt.

Ich will an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, ob diese gesetzliche Regelung im Sinne der Kinder ist, sondern mir geht es um die Beschreibung der Situation, in die jemand geraten kann, der vorher noch nie mit dem Jobcenter zu tun hatte. Beispielsweise hat meine Bekannte – wie viele andere Mütter auch – ein wenig Geld für ihre Kinder angespart. Hierfür wird vom Jobcenter auch ein kleiner Freibetrag anerkannt – vorausgesetzt, man hat das Sparguthaben auf einem Sparbuch mit dem Namen des Kindes angelegt. Hat man dies nicht getan, fällt der Vermögensfreibetrag erbarmungslos weg und das angesparte Geld wird ohne Wenn und Aber angerechnet. Das Jobcenter rechnet stereotyp Unterhalt an, selbst dann wenn der gar nicht oder nur unregelmäßig gezahlt wird. Es hält leider auch niemand von den Mitarbeitern des Jobcenters für erforderlich, einer alleinerziehenden Mutter darüber zu informieren, dass in so einem Fall die Unterhaltsvorschusskasse in Anspruch genommen werden kann.

Noch schlimmere Folgen hatte allerdings für meine Bekannte, dass ihr nicht klar war, dass man noch vor Ablaufsfrist einen Folgeantrag stellen muss. Da sie trotz Ablaufs eine weitere Zahlung erhalten hatte, versäumte sie die Anschlussantragstellung. Bei der Zahlung handelte es sich jedoch lediglich um eine durch eine Nachberechnung entstandene Leistung und es wurde weder die reguläre Leistung gezahlt, noch – und das ist das Dramatische an der Situation – die Miete. Es gab zwar einen Bescheid, aber der war in typisch unverständlichem Behördendeutsch aufgefasst, sprich: für Laien nicht verständlich. Als meine Bekannte den Fehler bemerkte, war es nicht mehr möglich, für den Vormonat die Ansprüche geltend zu machen. Zu allem Übel überwies der Jobcenter durch einen Zahlendreher im Folgemonat die Miete viel zu spät, was zur Konsequenz hatte, dass der Vermieter die Kündigung aussprach. Alle Bemühungen meiner Bekannten, die rückständige Miete auf Darlehensbasis zu erhalten, wurden vom Jobcenter abgewiesen. Ich habe versucht, meiner Bekannten bei den Antragstellungen zu helfen, leider ohne Erfolg.

Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter des Jobcenters, die sich selbst in krisensicherer Anstellung befinden, nicht das geringste Problem damit haben, durch ihre Verweigerung eines Darlehens eine alleinerziehende Mutter von drei kleinen Kindern der Gefahr der Obdachlosigkeit auszusetzen. Der Vermieter besteht nach wie vor auf seiner fristlosen Kündigung. Ich habe Gott-sei-Dank einen Kollegen, der auch als Anwalt tätig ist und der sich dieser Sache angenommen hat und jetzt die rechtliche Vertretung meiner Bekannten gegenüber dem Jobcenter übernommen hat.

Ich drücke meiner Bekannten mit ihrer kleinen Familie mit aller Kraft die Daumen, dass der Jobcenter zu einer Darlehensgewährung verpflichtet wird und sie nicht mehr unter dem Damoklesschwert einer Räumungsklage leben muss.

Ach ja, eine kleine Notiz möchte noch anfügen. Meine Bekannte hatte, als sie eine Rechtsberatung benötigte, einen Beratungsschein für einen Anwalt erhalten. Mit diesem Schein kann dann ein Anwalt freier Wahl aufgesucht werden, der durch Einreichung des Beratungsscheins sein Honorar erhält. Sie hatte sich eine Anwältin ausgesucht, die nach zweimaliger Terminverschiebung (Hartz-IV-Empfänger haben ja genug Zeit…) noch vor der Beratung und trotz der Vorlage des Beratungsscheins einen Betrag von 100,00 € (!!) verlangte. Meine Bekannte machte daraufhin auf dem Absatz kehrt. Besagte Anwältin ist auch als Betreuerin tätig...

P.S. Ein dickes Dankeschön an meinen Kollegen, der meiner Bekannten (ohne Vorschuss!) mit Rat und Tat zu Seite stand und dessen Seite auf der ehemaligen Gemeinschaftshomepage im Gegensatz zu der besagter Kollegin so angenehm bescheiden ausfällt.

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