Sonntag, 19. Juni 2011, 17:42h

„Betreut und Betrogen“ ein Film über die Bandbreite der Betreuungspraxis

behrens

Vorgestern wurde in 3SAT eine Sendung aus der Folge „45 Min“ zum Thema rechtliche Betreuung gezeigt. Es wurde zum einen die Arbeit einer Hamburger Betreuerin vorgestellt und zum anderen kamen Menschen zu Wort, die mit den Betreuern ihrer Angehörigen sehr schlechte Erfahrung gemacht haben.


Fall 1
Der Sohn einer inzwischen verstorbenen Betreuten schildert seine Erfahrung mit der Betreuerin seiner Mutter und seines Stiefvaters:

Die Betreute, die auf eigenen Wunsch von ihrem Sohn betreut wird erleidet infolge von Osteoporose einen Beinbruch. Ein Pfleger des Pflegedienstes erstattet daraufhin Anzeige und es wird eine Berufsbetreuerin bestellt, die veranlasst, dass die Mutter in ein Heim eingewiesen wird, was unter Polizeieinsatz durchgesetzt wird. Auch der körperbehinderte Stiefvater wird betreut und sollte ebenfalls zuerst ins Heim. Allerdings hat er eine Betreuungsvollmacht, in der der Stiefsohn als Betreuer gewünscht wird. Die Betreuerin hatte einen Pflegegutachter beauftragt, der den Zustand der Mutter untersuchte. Der Pflegegutachter kam zu dem Schluss, dass die Mutter fachgerecht gepflegt wird. Die Heimeinweisung erfolgte aber trotzdem und wenige Monate nach der Einweisung starb die Mutter.

Fall 2:
Die beiden Söhne ihres inzwischen verstorbenen Vaters schildern die Erfahrung mit dessen Betreuerin:

Ein 78jähriger vermögender ehemaliger Geschäftsmann kollabiert auf der Straße und reagiert anschließend in ärztlicher Behandlung verwirrt. Es erfolgt eine Psychiatrieeinweisung. Von den drei Söhnen kommt der erste für eine Betreuung nicht in Frage, die beiden anderen werden nicht gefragt, ob sie den Vater betreuen wollen und es wird eine Betreuerin bestellt. Die Brüder wollen die Betreuung übernehmen und auch der Vater wünscht dies. Es gibt eine von ihm unterzeichnete schriftliche Erklärung, für die jedoch im Betreuungsverfahren kaum Interesse gezeigt wird. Die Betreuerin ist der Meinung, dass die Söhne lediglich am Geld des Vaters interessiert sind.

Nach dem Tode des Vaters nehmen die Söhne Einsicht in die Unterlagen und es stellt sich heraus, dass der Lebensgefährte der Betreuerin, der als Rechtsanwalt tätig ist, eine Sekretärin für 2.500,00 € auf Kosten des Vaters angestellt hat. Die Betreuerin erteilte ihrem Lebensgefährten Aufträge und der Rechtsanwalt veranlasste, dass vom Konto des Vaters 137.000,00 € an ihn überwiesen wurde. Letztendlich wurde der Anwalt zu 18 Monaten Haft verurteil, das Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen.

Die Stellungnahme des Direktors des Amtsgerichts Remscheid fällt sehr entschuldigend aus. Der Direktor weißt darauf hin, dass man ja nie weiß, unter welchen Bedingungen Betreuungsverfügungen aufgesetzt wurden. Sehr vorsichtig sagt er vor der laufenden Kamera, der Umstand, dass eine Betreuerin ihren Lebensgefährten als Anwalt für ihren Betreuten beauftragt, sei keine „besonders gute Konstellation“.

Fall 3
Hier kommt eine Hamburger Betreuerin zu Wort, die die Hintergründe schildert, die bei einem ihrer Betreuten zur Einrichtung einer Betreuung geführt haben:

Ihr Betreuter hatte trotz einfacher Wohnverhältnisse sehr viel Geld gespart. Die Bank wird misstrauisch, als die Nichte des Mannes 860.000,00 € vom Konto ihres Onkels abheben will und daraufhin kommt es zur Einrichtung der Betreuung. Die Betreuerin bemerkt bei Sichtung der Wohnung und der Unterlagen, dass außerdem rund 60.000,00 € verschwunden sind. Möglicherweise wurde das Geld von einem Mitarbeiter des Pflegedienstes gestohlen. Obwohl soviel Geld vorhanden war, wurde die Pflege nicht besonders gut ausgeführt.

Inzwischen ist der Betreute mit seinem Einverständnis in ein Heim gezogen. Die Betreuerin war bei der Durchführung des Umzugs selbst dabei und hat persönliche Dinge herausgesucht, wie z.B. Fotos, die sie ihrem Betreuten ins Heim bringt. Als sie ihren Betreuten nach seinem Befinden fragt, antwortet er ihr, dass es ihm im Heim gut gehe.

Die Betreuerin ist der Meinung, dass die Gefahr einer Betreuungsvollmacht darin besteht, dass niemand den Bevollmächtigten kontrolliert und er im Grunde machen kann, was er will. Sinnvoll wäre es, zumindest zwei Bevollmächtigte zu benennen, damit die Möglichkeit des Missbrauchs eingedämmt wird.

Die Hamburger Betreuerin führt 40 Betreuungen und ihrer Aussage nach sind 95 % ihrer Betreuten arm.

Der Film vermittelt eine Ahnung davon, wie groß die Bandweite der Betreuungspraxis ist. Von großem Engagement bis hin zur persönlichen Bereicherung ist alles vorhanden. Mit der Betreuungszahl von 40 liegt die Betreuerin meines Erachtens im Mittelfeld. Es gibt Betreuer, die weniger Betreuungen führen* und Betreuer, die erheblich mehr Betreuungen führen und manchmal zusätzlich auch noch anderen Tätigkeiten nachgehen.

Am besten selbst mal reinsehen, es lohnt sich:
Betreut und betrogen? Sendung 45 Min vom 17.06.2011 auf 3SAT (Erstsendung am 14.09.2010 auf NDR)


Edit 11.08.14:
* Mittlerweile sind mir nur noch wenige Betreuer bekannt, die weniger als 40 Betreuungen führen. Auf der anderen Seite gibt es inzwischen viele Betreuer, die mindestens 60 Betreuungen führen und die die Vorstöße des Gerichts in Bezug auf eine Obergrenze ablehnen. So kann es denn auch schon mal zu Extremfällen kommen, in denen jemand 160 Betreuungen führt.

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