Mittwoch, 8. Juni 2011, 12:07h

Das Kreuz mit den Telefonanbietern

behrens

Ich glaube, dass es im Betreuungswesen keinen Bereich gibt, der sich in den letzen 12 bis 15 Jahren so von Grund auf gewandelt hat, wie der Bereich der Telekommunikation. Man erinnere sich an früher: Man hatte ein einziges Gerät, das man nie gewechselt hat und es gab einen einzigen Nahtarif, nämlich 23 Pfennig für 8 Minuten, Ferngespräche waren teuer.

Natürlich gab es auch damals Menschen, die so viel telefoniert haben, dass die Rechnungen nicht mehr bezahlt wurden. Dann wurde der Anschluss gesperrt. Schluss. Punkt. Aus. Keine andere Ausweichmöglichkeit außer Briefe schreiben oder in die Telefonzelle gehen.

Das hat mit der heutigen Telefonwirklichkeit nichts mehr gemeinsam. Der unendliche Tarifdschungel wird offensichtlich noch nicht einmal von den betreffenden Mitarbeitern verstanden. Wer Schulden hat, geht zum nächsten Anbieter oder telefoniert irgendwann nur noch mit dem Handy. Wer dann auch bei den Handyanbietern auch überall Schulden hat und infolgedessen rausgeflogen ist, kauft sich letztendlich ein Kartenhandy. Der Betreuer hat dann manchmal einen ganzen Order voll mit Schreiben von Anbietern, Rechtsanwälten und Inkassobüros und nicht selten kommt es zu einer Kontopfändung. Der Bereich der Telekommunikation hat sich somit für uns Betreuer von einem zeitlich fast gar nicht ins Gewicht fallenden Bereich in einen äußerst zeitintensiven und nervenaufreibenden Bereich gewandelt.

Aber nicht nur die Betreuten geraten mit den Telefonanbietern aneinander. Auch ich habe vor kurzem eine Mahnung erhalten, weil ich einen Betrag von rund 128,00 € nicht bezahlen will. Es handelt sich dabei um eine Vorwahlnummer, die über Jahre eine der billigsten Vorwahlmöglichkeiten für Auslandsgespräche war. Da ich Verwandtschaft in Frankreich habe, habe ich die betreffende Vorwahlnummer gleich zusammen mit der eigentlichen Telefonnummer einprogrammiert. Alles lief gut, bis ich plötzlich zusätzlich zu meiner Flatrate einen Betrag von 128,00 € in Rechnung gestellt bekam. Was war passiert?

Der Anbieter war von einer anderen Firma aufgekauft worden und die hatte den eigentlichen Tarif von ca. 4 Cents pro Minute auf den Betrag von 1,53 € pro erhöht. Also eine Preiserhöhung von mehr als 3.800,00 %!!!

Ich habe jetzt die Wahl, die Rechnung zu bezahlen, oder aber es auf einen Prozess ankommen zu lassen, dessen Ausgang ungewiss ist. Aber da ich Betreuerin bin, und mich schon seit Jahren herumärgere mit dieser Sorte von Anbietern, werde ich wahrscheinlich den Kampf aufnehmen. Ich sehe dabei nicht nur mich, denn ich wäre in der Lage, die 128,00 € zu bezahlen. Ich sehe auch die vielen Menschen, denen nur Hartz IV zur Verfügung steht oder die im Gegensatz zu mir geringverdienend sind (anders als die Kollegen sehe ich uns Betreuer ja nicht als geringverdienend an…). Was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, dass zu allem Übel das zuständige Amtsgericht in Euskirchen liegt und ich in Hamburg wohne…

Schon lange bin ich der Meinung, dass in Bezug auf die neuen Medien mehr Verbraucherschutz erforderlich ist. Immer mehr Menschen geraten in Verschuldung, weil es die Fülle der Anbieter und die Menge an völlig unübersichtlichen Tarifen und Vertragsbedingungen es unmöglich machen, den Überblick zu behalten. Besonders betroffen sind ältere Menschen, die zu einer Klärung von Problemen mit dem Telefonanbieter überhaupt nicht mehr in der Lage sind. Man kann ja schon seit langem nicht mehr einfach bei der Telekom – alte Menschen sagen noch „Deutsche Post“ – anrufen, sondern man hängt Ewigkeiten in Warteschleifen, in denen man dann irgendwelche Ziffern eingeben muss. Bei Neuabschlüssen durch Umzug wird dann plötzlich ein Tarif aufgeschwatzt, der nicht nur überflüssig ist, sondern zu allem Übel einen frei kündbaren Vertrag in eine Zweijahresbindung wandelt. „Steht doch alles in den Vertragsbedingungen“ wird dann bei Nachfragen geantwortet. Die sind allerdings so klein geschrieben, dass man zum Lesen eine Lupe benötigt.

Meine Vorstellung ist, dass die Anbieter verpflichtet werden müssen, die Verbraucher – an denen sie ja schließlich verdienen – ausreichend zu informieren. Und es muss möglich sein, aus Verträgen kurzfristig auch wieder aussteigen zu können. Zweijährige Vertragsbindungen, aus denen man ums Verrecken nicht herauskommt, sind unzumutbar. Und solche Angebote wie z.B. das „SCHUFA-Handy“ – gibt es tatsächlich! – sollten auf Risiko des Anbieters laufen. Wenn sich Bedingungen grundlegend verändern, was ja im Bereich der Telekommunikation unübersehbar ist, müssen sich auch rechtliche Grundlagen ändern.

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