Samstag, 29. Dezember 2012, 13:28h

Die Welt auf Pump – Kaufsucht

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Gestern las ich in meiner Tageszeitung eine kleine Notiz über Kaufsucht. Eine Untersuchung an der Uni ergab, dass die Zahl derer, die an Kaufsucht leiden, von 7 Prozent im Jahr 2010 mittlerweile auf 11 Prozent gestiegen ist. Die Befragungen ergaben außerdem, dass sich rund ein Viertel der Bevölkerung nicht aus einem tatsächlichen Bedarf etwas kauft, sondern um einen emotionellen Ausgleich zu schaffen.

Ich frage mich, ob es so etwas wie Kaufsucht nicht schon so lange gibt, wie es auch das Kaufen gibt, was man sicherlich mit Ja beantworten kann. Viel zu besitzen war schon immer attraktiver als wenig zu besitzen. Besitz schafft Sicherheit und Annehmlichkeiten. Dagegen ist – bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. Menschen, die im Rahmen eines spirituellen Lebens bewusst auf Besitz verzichten – niemand gefeit.

Was aber den gravierenden Unterschied zu heute und früher ausmacht, ist zum einen die Leichtigkeit, mit der gekauft werden kann und zum anderen das Ausmaß und die Allgegenwärtigkeit des Angebots. Früher musste man wohl oder übel erstmal hart arbeiten und mühsam sparen, um sich dann etwas zu gönnen. Heute ist dies nicht mehr der Fall, erst recht nicht nach dem Einzug des Internets. Durch einen Mausklick hat man zwei Tage später das ersehnte Produkt im Paket vor der Haustür. Bis das Ganze dann auffliegt und die Prozedur der Mahnschreiben, Vollstreckungsankündigungen und der Besuche des Gerichtsvollziehers durchlaufen ist, hat man schon längst die Wohnung vollgestellt mit vielen schönen, bunten Dingen. Und selbst danach kann man munter weitermachen, weil es immer noch Unmengen von Warenanbietern gibt, die nichts von den Eidesstattlichen Versicherungen und Insolvenzverfahren wissen.

Manchmal kommen dann irgendwann wir Betreuer ins Spiel. Ein Spiel, das wenig Spaß macht und mit Unmengen von Gläubigerschreiben und der ständigen Drohung von Kontopfändungen verbunden ist. Berge von Korrespondenz und mühseliges Anfertigen einer tabellarischen Schuldenübersicht, die immer dem tatsächlichen Stand hinterherhinkt. Akribisches Ausrechnen des zur Verfügung stehenden Lebensunterhalts und der eventuell möglichen Raten oder Vergleichszahlungen. Hat man dann tatsächlich damit begonnen, wird manchmal wieder alles über den Haufen geworfen, weil wieder eine neue Forderung auftaucht. So wie es bei mir jetzt kurz vor Weihnachten der Fall war, als ich einen Rentenbescheid für einen Betreuten erhielt, der eine Pfändung auswies. Nachdem ich etwa zwei Stunden lang telefonierte und dabei großes Glück hatte, dass ich sogar die meisten tatsächlich erreichte (Rentenstelle, Pfändungsabteilung, Gläubiger) und nachdem ich dann etliche Faxe geschrieben hatte, konnte ich die Angelegenheit so halbwegs regeln. Meine anderen ebenso dringenden Arbeiten blieben allerdings dabei liegen.

Dem relativ modernen Begriff der Kaufsucht liegt die Fähigkeit des Menschen zugrunde, unbefriedigte Bedürfnisse zu verlagern. Vielen Menschen bleibt die Erfüllung ihrer grundlegenden Bedürfnisse verwehrt. Bedürfnisse nach sozialer Anerkennung, nach tragfähigen menschlichen Kontakten, nach einem menschenwürdigen Umfeld und nach einer sinnerfüllten Tätigkeit. Daran mangelt es vielen. Und in diese Lücke schlägt die schöne bunte Warenwelt wie eine Bombe ein. Wenn es nicht so leicht wäre, auf diese schöne bunte Warenwelt auszuweichen, müsste man mühsam und zäh an der Veränderung seiner Lebensumwelt arbeiten. Aber das ist schon lange nicht mehr der Fall, weil eben nichts leichter ist als das Leben nach der Devise: Heute kaufen – Morgen bezahlen. Und mittlerweile kann man den zweiten Teil dieser Lebensdivise getrost ausblenden und lässt das Bezahlen einfach ganz weg.

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Dienstag, 16. Oktober 2012, 02:06h

Existentielle Bedrohungen und Hilflosigkeit

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Es gibt momentan nicht nur bei einer meiner Betreuten massive Probleme mit dem Jobcenter. Jetzt hat auch meine bei mir auf Minijobbasis angestellte Mitarbeiterin Frau S. große Schwierigkeiten mit dem Jobcenter, das ohne stichhaltige Begründung die Leistungen gesperrt hat. Als Grund dafür wird die Verweigerung der Mitwirkungspflicht genannt. Angeblich hätte Frau S. die vom Jobcenter angeforderte Betriebskostenauflistung nicht zugesandt. Dies entspricht jedoch überhaupt nicht den Tatsachen, denn Frau S. hat die Abrechnung bereits zweimal zugeschickt.

Viel schlimmer als das nicht überwiesene Geld ist bei der ganzen Sache die nicht überwiesene Miete. Da es in der Vergangenheit bereits zu Mietschulden kam, weil Frau S. irrtümlich davon ausging, dass Miete vom Jobcenter überwiesen wurde, kam es zur Kündigungsandrohung. Durch einen weitern Fehler, der eindeutig beim Jobcenter lag (verspätete Überweisung durch Zahlendreher), kam es dann erneut zu einer verspäteten Mietzahlung. Und durch die jetzt erfolgte wiederholte Nichtzahlung der Miete hat sich die Situation jetzt dramatisch zugespitzt und der Vermieter nutzt jetzt seine Chance um gegen Frau S. die Kündigung durchzusetzen.

Frau S. hat drei kleine Kinder und ihr Mann ist gerade ins Krankenhaus gekommen und es geht ihm nicht gut. Heute brach sie weinend zusammen, weil sie nicht weiß, wie es weitergehen soll. Ich weiß nicht, was ich für sie tun kann, da ich ja leider nicht als Anwältin agieren kann. Ich habe einen Brief an den „Standortleiter“ geschrieben und darauf hingewiesen, dass durch das Verhalten der betreffenden Mitarbeiterin jetzt eine ganze Familie von Wohnungslosigkeit bedroht ist.

Ich habe Frau S. als einen sehr verantwortungsbewussten und sehr sozialen Menschen kennengelernt, der ohne eigene Schuld in die Hartz-IV-Falle geraten ist. Sie hat erst vor kurzem geheiratet und ihr Mann fand aufgrund seines Status als Ausländer bisher noch keinen festen Arbeitsplatz, sondern nur einen Minijob, den er jetzt allerdings höchstwahrscheinlich durch den Krankenhausaufenthalt verlieren wird. Noch vor einigen Jahren hatte Frau S. überhaupt nichts mit Hartz-IV zu tun. Die Hartz-IV-Falle schnappte erst zu, als sich ihr erster Ehemann von ihr trennte. Da die Kinder noch klein waren, konnte sie nicht arbeiten. Und wie es so oft der Fall ist, war das Gehalt des Ehemannes zwar ausreichend für einen Haushalt, aber längst nicht für zwei Haushalte. Im Klartext heißt dies dann Hartz-IV.

Ich habe noch immer die Idee, mich an die Presse zu wenden. Vor einigen Jahren hatte ich das getan und dabei sofort eine Reaktion des Jobcenters erhalten. Allerdings muss man sorgfältig abwägen, wie sich die Öffentlichmachung in Hinsicht auf die Kinder auswirken könnte. Durch einen Artikel in der Presse wird bekannt, dass eine Familie im Hartz-IV-Bezug steht und es ist nicht auszuschließen, dass dies auch zu Diskriminierung führen kann.

Aber was bleibt sonst noch für eine Möglichkeit? Der betreffenden Sachbearbeiterin ist es schnurz-piepe-egal, in welche Not sie eine Familie bringt. Da wird auch kein Appell an die Menschlichkeit helfen, denn die besitzt sie nun mal nicht.

Ich kann es nur sehr schwer aushalten, wenn ich miterlebe, wie Menschen völlig verzweifelt sind ohne dass es eine Möglichkeit der Hilfe gibt. Sind dann noch Kinder mit im Spiel, wird es für mich noch schwieriger.

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Montag, 3. September 2012, 23:32h

„Da kann ja jeder kommen“ – von der Unmöglichkeit im Bezug von Hartz-IV eine Wohnung zu finden – Fortsetzung

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Fortsetzung

Inzwischen ist die Wohnung so gut wie vermietet, wie mir der Makler heute mitteilte. Die ganze Arbeit war also umsonst.

Am Samstag erlitt meine Betreute eine schwere Krise und ich wurde von der Polizei angerufen, weil die Befürchtung bestand, sie könne sich etwas antun.

Und ich denke darüber nach warum es erst soweit kommen muss. Ein Gerangel um die Zuständigkeitsfrage, die so schwierig ist, dass sich selbst die Behördenmitarbeiter uneins sind. Der merkwürdige Umstand, dass die Möglichkeit einer kurzen telefonischen Auskunft verweigert wird, welche höchstwahrscheinlich dazu geführt hätte, dass ich meine Betreute umgehend nochmals in die richtige Abteilung hätte schicken können und damit eine Chance auf Anmietung der Wohnung bestanden hätte.

Und eine Vorgesetzte, die zwar ein übers Handy geführtes Gespräch für unzumutbar hält, nicht aber ein übers Festnetz oder persönlich geführtes Gespräch. Die außerdem hartnäckig ignoriert, dass die Chance, einen ihrer Mitarbeiter telefonisch zu erreichen fast gleich Null ist. Eine Vorgesetzte, die der – eindeutig unrichtigen – Ansicht ist, rechtliche Betreuung umfasst persönliche Begleitung bei Behördengängen.

Ich werde wahrscheinlich auch bei den nächsten Versuchen der Anmietung einer Wohnung gegen Wände laufen – ganz zu schweigen davon, dass die Chance, demnächst nochmals eine geeignete Wohnung zu finden, verschwindend gering ist. Und in Kürze wird das sich gegen jede Zusammenarbeit sperrende Jobcenter die ohnehin knappe Arbeitslosenhilfe noch weiter reduzieren, weil meine Betreute der Verpflichtung der Suche nach einer billigeren Wohnung nicht nachkommt.

Und gegen diesen unwürdigen Teufelskreis werde ich nichts tun können. Es sei denn ich werde mich an die Presse wenden.

Und das werde ich nach meinem Urlaub tun.

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Sonntag, 2. September 2012, 12:12h

„Da kann ja jeder kommen“ – von der Unmöglichkeit im Bezug von Hartz-IV eine Wohnung zu finden

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Es gibt manchmal Dinge, die sind nicht miteinander vereinbar, wie zum Beispiel die Suche nach eine dringend erforderlichen Wohnung und der Bezug von Hartz-IV. Meine Betreute Frau J. steckt in diesem Dilemma, denn sie wohnt mit ihren beiden Kindern in einer viel zu teueren und viel zu großen Wohnung und sucht schon seit langem nach etwas Günstigerem. Frau J. ist Frührentnerin und ihr volljähriger Sohn steht im Bezug von Hartz-IV. Obwohl es in Hamburg enorm schwierig ist, eine Wohnung mit bezahlbarer Miete zu finden, hatten wir jetzt endlich Glück und haben ein Wohnungsangebot mit günstiger Miete gefunden. Allerdings muss sowohl Kaution als auch Courtage gezahlt werden, weswegen ich mich sofort nicht nur an das Jobcenter als auch an das Sozialamt gewandt habe. Leider reagierte trotz der Eiligkeit der Angelegenheit niemand auf meine Faxe und so schickte ich Frau J. persönlich ins Amt, ausgestattet mit allen erforderlichen Unterlagen und einem Schreiben mit der genau dargelegten finanziellen Situation.

Die Mitarbeiterin des Grundsicherungsamtes behandelte Frau J. auch sehr freundlich, schickte sie allerdings sofort ins Jobcenter, denn da der älteste Sohn im Bezug von Hartz-IV steht, wäre dieses zuständig. Damit fängt allerdings das Dilemma an, denn eben dieser Sohn soll nicht mit in die neue Wohnung einziehen. Dies ist nicht nur ein Wunsch meiner Betreuten, sondern auch die dringende Empfehlung des Jugendamtes, da es massive Erziehungsschwierigkeiten gibt und sich schon seit langem abzeichnet, dass diese sich auf die Entwicklung der jüngeren Tochter sehr negativ auswirken. Ich habe mir für diesen Sachverhalt ein ausführliches Schreiben des Jugendamt geben lassen, das ich den Unterlagen von Frau J. beigefügt habe.

Durch den Umstand, dass der Sohn gar nicht mit einziehen soll, ist es wiederum auch nicht selbstverständlich, dass das Jobcenter eine Kaution zahlen muss. Allerdings gibt es da noch die Tochter, die aufgrund der Tatsache, gerade fünfzehn geworden zu sein, wahrscheinlich einen eigenen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen hat. Ich benutze die Formulierung „wahrscheinlich“, weil eben diese Frage im Amt sehr unterschiedlich gesehen wird. Denn als Frau J. bei der zuständigen Mitarbeiterin des Jobcenters vorsprach, wurde ihr gesagt, dass sie wieder ins Grundsicherungsamt gehen müsse, da dieses zuständig sei. Meine Betreute verstand dies alles nicht mehr. Zufällig rief ich sie aber gerade an, als sie bei der betreffenden Mitarbeiterin war und bat sie, doch einfach das Handy an die Mitarbeiterin weiterzureichen, damit die mir erklären kann, wie es weitergehen soll. Aber genau dies war nicht möglich, denn die betreffende Mitarbeiterin weigerte sich! Ich war verblüfft, denn eine Klärung der sehr komplizierten Angelegenheit wäre ja im Interesse aller gewesen.

Als meine Betreute wieder zuhause war, rief sie mich weinend an. Bei dem ganzen Streit um die Zuständigkeit sank die Chance auf die Bewerbung für die Wohnung auf Null, denn der Vermieter möchte verständlicherweise die Frage der Kautionsübernahme sofort geklärt haben. Ich versuchte sie zu beruhigen, da mich inzwischen die sehr hilfsbereite Mitarbeiterin des Grundsicherungsamtes angerufen und mitgeteilt hat, dass das im gleichen Gebäude befindliche Jobcenter wahrscheinlich tatsächlich nicht die richtige Anlaufstelle gewesen sei, denn zuständig wäre die Abteilung für minderjährige Hartz-IV-Empfänger, die sich wiederum in einem völlig anderen Bezirk befindet. Die Mitarbeiterin des Grundsicherungsamtes hatte übrigens auch versucht, die Jobcentermitarbeiterin telefonisch zu erreichen, um die schwierige Angelegenheit zu klären. Dies war allerdings nicht möglich, da diese nicht ans Telefon ging! Die Grundsicherungsmitarbeiterin musste sich erst persönlich in die im gleichen Gebäude liegende Abteilung begeben.

Ich empfand es als höchst ärgerlich, dass die ohnehin sehr schwierige Frage der Zuständigkeit noch weiter kompliziert wurde durch die Tatsache der Weigerung der Jobcentermitarbeiterin, mit mir zu telefonieren und ich wandte mich deswegen an die Vorgesetzte. Die verteidigte das Verhalten ihrer Mitarbeiterin allerdings vehement. Ihrer Ansicht nach sei es völlig normal, dass diese nicht mit mir über das Handy der Betreuten sprechen wollte: „Da könne ja schließlich jeder kommen und ich hätte ja auch später über das Festnetz anrufen können!“ Abgesehen davon, dass sich mir nicht erschließt, worin der Unterschied zwischen einem übers Handy und einem über das Festnetz geführten Telefonat liegen soll, konterte ich, dass die Mitarbeiterin ja telefonisch gar nicht erreichbar sei, da selbst die Grundsicherungsmitarbeiterin erst persönlich vorsprechen musste. Den Umstand, dass mich meine Betreute später weinend anrief, weil sie sich sehr unfreundlich behandelt fühlte, kommentierte die Vorgesetzte damit, ich hätte dann eben meine Betreute begleiten müssen. Das Argument, dass persönliche Begleitung nicht zu den Aufgaben einer Betreuerin gehört, ignorierte sie. Außerdem verwies sie mich auf die Möglichkeit, die Anträge schriftlich zu stellen, obwohl ich ja genau dies getan hatte, indem ich sofort ein Fax an die Sachbearbeiterin des ältesten Sohnes geschickt hatte – ohne jedoch eine Antwort erhalten zu haben.

Obwohl immer noch offen war, wo denn nun eigentlich die Kaution zu beantragen sei (Grundsicherungsamt oder Jobcenter?), vereinbarte ich mit meiner Betreuten, dass sie am kommenden Tag das Jobcenter für Hartz-IV-Empfänger unter 25 aufsuchen solle. Dort war man längst nicht so unfreundlich wie die Mitarbeiterin am Vortag, allerdings wurde auch dort meiner Betreuten gesagt, dass ich als gesetzliche Vertreterin doch hätte mitkommen müssen. Aber immerhin wurde meine Betreute nicht sofort wieder weggeschickt – das war ja schon ein kleiner Fortschritt.

Das eigentlich Traurige an der äußerst ärgerlichen Angelegenheit ist nicht nur der Umstand, dass die Wohnung jetzt höchstwahrscheinlich weg ist, sondern dass meine Betreute, die schon seit einiger Zeit trocken war, jetzt wieder angefangen hat zu trinken. Die Belastung der Ungewissheit der Wohnsituation und die unfreundliche Behandlung ist einfach zuviel für sie. Und ich habe jetzt tatsächlich ein schlechtes Gewissen, weil ich meine Betreute nicht begleitet habe. Wie bereits gesagt, gehört die Begleitung zur Behörde definitiv nicht zu den Aufgaben einer Betreuerin. Es ist überhaupt nicht möglich, diese zeitintensive Aufgabe zu leisten, beispielsweise war ich am betreffenden Tag bis fast 22.00 Uhr in meinem Büro um für meine Urlaubsabwesenheit vorzuarbeiten. Trotzdem mache ich mir Vorwürfe, weil ich meiner Betreuten das ganze Procedere nicht erspart habe.

Bleibt noch anzumerken, dass immer noch nicht geklärt ist, von welcher Behörde die Kaution übernommen werden soll. Eventuell sind tatsächlich drei (!) Abteilungen zuständig, denn für die beiden Kinder werden jeweils unterschiedliche Akten geführt werden und die Mutter fällt aufgrund der Tatsache des Rentenbezugs in Grundsicherungsamt.

Ach ja – das eigentlich Wichtige habe ich ganz vergessen: das Jobcenter selbst hat mich vor kurzem zur Suche einer billigeren Wohnung aufgefordert und schon vorab die Reduzierung der Leistungshöhe angekündigt, wenn der Forderung nicht Folge geleistet wird!!!

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Mittwoch, 23. Mai 2012, 15:12h

Ein nachdenklicher Ausflug in die Vergangenheit – Paradigmenwechsel

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Am vergangenen Sonntag nahm ich an einer Jubiläumsfeier in meinem Heimatdorf teil. Gefeiert wurde das fünfzigjährige Jubiläum der dortigen Jugendarbeit. Eine Jugendarbeit, die zum großen Teil auf dem großen Engagement des inzwischen berenteten Jugendwarts und seiner Frau beruht. Ein wesentlicher Bestandteil der Jugendarbeit war und sind die unzähligen Ferienfahrten, von denen auch ich als kleines Mädchen einige mitgemacht habe. Die meisten Kinder aus meinem Dorf hätten wohl kaum die Möglichkeit gehabt, in den Ferien zu verreisen, da es damals längst noch nicht selbstverständlich war, dass die Eltern in Urlaub fuhren. Außerdem sind viele der Dorfbewohner Landwirte, für die es selbst in der heutigen Zeit nur sehr schwer möglich ist, sich ein paar Wochen freizunehmen.

Dem Engagement des Ehepaares war es auch zu verdanken, dass es irgendwann sogar zu einem eigenen Ferienhof kam, so dass zu nahezu jeder Schulferienzeit Reisen angeboten werden können. Obwohl Jugendarbeit der Schwerpunkt war und ist, gab es auch schon immer Angebote für ältere Mitbürger.

Was war für mich an diesem Jubiläum so besonders? Abgesehen davon, dass das Aufsuchen von Orten der Kindheit oftmals sehr aufwühlend sein kann, befand ich mich plötzlich wieder in einer Welt, in der nach völlig anderen Werten gelebt wird. Ich bin ja seit langem selbst Sozialarbeiterin und eigentlich sollte Sozialarbeit – und Jugendarbeit ist ja nichts anderes als Sozialarbeit – für mich nichts Ungewöhnliches sein. Aber so ist es nicht. Denn dieses enorme Engagement, das der Jugendwart und seine Frau über Jahrzehnte geleistet haben, sucht man heute meist vergeblich.

Da gab es ein junges Ehepaar, das in den 60ern in ein kleines Dorf zieht und den Traum hat, dort etwas für Kinder und Jugendliche zu tun. Ein Dorf, in dem diese Idee völlig neu ist und erstmal viel dafür getan werden muss, damit es zu dem erforderlichen Rückhalt in der Dorfgemeinschaft kommt. Der entsteht allerdings bald und nach einiger Zeit gibt es eine Schar von jugendlichen freiwilligen Helfern. Irgendwann ist das Ganze ein fester Bestandteil, der sogar in benachbarten Dörfern Resonanz findet.

All das aber fällt nicht einfach vom Himmel. Für eine derartige Arbeit reicht eine normale 40-Stundenwoche bei weitem nicht aus. Etwas aus dem Nichts aufzubauen gelingt nicht bei Dienst nach Vorschrift. Da meine Familie mit dem Jugendwart befreundet war und deren Tochter meine Freundin war, habe ich auch oftmals miterlebt, wie eng verwoben Arbeit und Privatleben bei einer so umfassenden Aufgabe sein kann. Dies ist manchmal für die Familie auch mit Zugeständnissen verbunden. Ich habe miterlebt, was bewegt werden kann, wenn Menschen sich mit Herzblut einer Aufgabe widmen.

Es tat mir sehr leid, dass der Jugendwart in der Nacht vor dem Jubiläum erkrankte und ins Krankenhaus gebracht werden musste, so dass allein die Ehefrau anwesend war. Diese erhielt allerdings einen minutenlangen Applaus – Standing Ovations würde man in Neudeutsch sagen – der sehr berührend war.

Ich frage mich, wie sich die beiden selbst charakterisieren würden, wenn dies von jemandem erfragt werden würde. Und ich bin mir sehr sicher, dass keiner der beiden sich als „engagiert“ oder „hochqualifiziert“ beschreiben würde. Nicht, weil es unzutreffend wäre, denn ohne Zweifel treffen beide Attribute voll und ganz zu, sondern weil es sich um Menschen handelt, denen es fremd ist, die eigene Leistung so in den Vordergrund zu rücken. Beide würden mit Sicherheit betonen, wie wichtig Jugendarbeit ist.

Sind die beiden durch ihr enormes Engagement eigentlich reich geworden? Das glaube ich kaum, weder gibt es ein eigenes Haus, noch einen Mercedes noch Reitpferde. Bevor jetzt jemand den Schluss aus meinem Beitrag zieht, ich würde den allgemeingültigen Anspruch erheben, jeder sollte sich mit seiner ganzen Kraft ohne Entgelt ehrenamtlich einer Aufgabe widmen – genau darum geht es mir eben nicht. Mir geht es um etwas völlig anderes, nämlich um die Definition des Begriffs des Engagements. Ein Begriff, der mittlerweile inflationär benutzt wird und der damit sowohl seine Bedeutung als auch seine Aussagekraft verloren hat. Ein Begriff, der regelrecht missbraucht wird um damit Menschen vorzugaukeln, dass etwas nicht aus monetären Gründen, sondern aus purer Nächstenliebe getan wird und der verschleiern soll, dass jeder Aspekt des Handelns einzig und allein auf dessen finanziellen Nutzen ausgerichtet wird. Letztendlich ist der Missbrauch des Begriffs des Engagements nichts anderes als ein Symptom für die Vereinnahmung sozialer Arbeit durch Menschen, die einzig und allein kaufmännische Interessen haben.

Was mich so nachdenklich an meinem Ausflug in die Vergangenheit gemacht hat, ist das Bewusstwerden darüber, wie viel vertrauter mir die Vergangenheit in Bezug auf meine Gegenwart ist. Ich will auf keinen Fall die Welt der Kindheit idealisieren, denn die war alles andere als heil und auch in konkretem Bezug auf die Jugendarbeit gab es vielleicht Dinge, die man heute anders gemacht hätte. Aber dennoch ging es dabei nie um etwas anderes als um ein soziales Ziel. Ein Ziel, dass durch und durch authentisch war und eben genau deswegen so erfolgreich umgesetzt werden konnte. Ich werde mich nie anfreunden können mit dem gesellschaftlichen Wandel, in dem sich soziale Arbeit nicht mehr an authentischen Zielen orientiert, sondern am Streben nach Gewinnmaximierung, die wiederum zwangsläufig mit erbärmlichen PR-Lügen einhergeht und desinteressiert ist an Einbindung in übergeordnete sozialpolitische Zusammenhänge.

Schade und traurig, dass die authentische Form der Sozialarbeit mittlerweile zum Auslaufmodell geworden ist. Diese Entwicklung ist wohl jene, die man als Paradigmenwechsel bezeichnet.

Aber ich möchte hier nochmals meine Hochachtung für die Jugendarbeit meines Heimatdorfs aussprechen. A. und K.: Euch beiden ein großes Chapeau!!

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Mittwoch, 8. Februar 2012, 01:27h

Chantal

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Heute habe ich gemeinsam mit einem Vermieter einen Hausbesuch gemacht. Mein Betreuter wohnt direkt neben der Wohnung, in der die elfjährige Chantal gelebt hat. Schon von weitem sah man die vielen Grabkerzen und Kuscheltiere, die vor die Hauswand gestellt worden waren. Chantal starb an einer hohen Dosis Methadon. Wie es dazu kam, dass sie sich mit dem Methadon vergiftete, ist noch nicht geklärt. Fest steht aber, dass es aus dem Haushalt der Pflegeeltern stammte, die beiden früher drogenabhängig waren und davon große Mengen gehortet hatten.

Jetzt stellt die Öffentlichkeit die Frage danach, warum drogenabhängige Menschen ein Pflegekind annehmen können. Und warum es niemandem auffiel, dass die Vierzimmerwohnung, in der noch ein weiteres Pflegekind, zwei eigene Kinder und zwei Hunde lebten, keine ideale Bedingung für die Aufnahme von Pflegekindern ist.

Und wie erwartet, wird jetzt der Ruf laut, dass Köpfe rollen sollen. Gestern las ich einen Leserbrief, der sich ausnahmsweise einmal nicht über die Inkompetenz der Jugendamtsmitarbeiter ereiferte. „In der gesamten Pädagogik und Sozialarbeit hat sich ein Wahnsinn um Datensammlung, sogenannte Qualitätsentwicklung und Evaluation etabliert“. Dies ist eine Quintessenz des kurz zuvor anonym veröffentlichten Berichts einer Jugendamtsmitarbeiterin, die ihren Tagesablauf beschreibt: „Vor mir liegen neue Konzepte zum Fallmanagement, Eingangsmanagement, Netwerkmanagement und zu sozialpädagogischen Diagnostik“.

Diese Erkenntnis der Leserbriefschreibers spricht mir aus der Seele! Der Begriff Management geistert schon seit vielen Jahren durch Sozialarbeit und durch Verwaltung. Hätte man diesen Begriff doch dort gelassen, wo er hingehört – in Wirtschaftsbetriebe! Es ist ein Irrglaube, dass man schwerwiegende soziale Probleme durch immer mehr Formen des Managements bewältigen kann. Menschen, die in irgendeiner Form soziale Probleme haben, kann man nicht unter den ebenfalls inflationär benutzten Begriff des „Kunden“ erfassen.

Sozialarbeit war schon immer ein Bereich, in dem versucht wurde, die in der Gesellschaft bestehenden Defizite auszugleichen. Und auch schon früher, als noch niemand die Begriffe Kunde oder Management verwendete, waren die vielen unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen und Diagnostikverfahren niemals ein Allheilmittel. Aber sie waren kein Selbstzweck, sondern Arbeitswerkzeug. Und dieses Arbeitswerkzeug hat man sich während des Studiums in theoretischer Form und durch Praktika angeeignet. Stand man dann fest im Berufsleben, wurde nicht mehr ständig theoretisiert, sondern praktisch gearbeitet. Und man machte zwangsläufig die Erkenntnis, dass vieles, was sich theoretisch sehr gut anhört, für die Praxis untauglich ist.

Zurück zu Chantal. Genau wie bei dem Tod der kleinen Lara fällt mir auch hier auf, dass mit aller Kraft auf das Jugendamt eingedroschen wird. Die Pflegeeltern sind völlig aus der Verantwortung genommen. Und genau das ist es, worüber ich stolpere. Mich erschreckt es zutiefst, dass zwei Menschen mit massiven Drogenproblemen sich für fähig halten, sich um Pflegekinder zu kümmern. Ohne Frage hätte das Jugendamt seiner Aufsichtspflicht nachkommen und es von vorneherein verhindern müssen, dass überhaupt eine Pflegeerlaubnis erteilt wird. Dass dies nicht passiert ist, ist aber mit großer Sicherheit kein Problem des nicht ausreichenden Qualitätsmanagements, sondern der völlig unzureichenden personellen Ausstattung. Und eine genauso große Rolle spielt die Tatsache, dass ein großer Mangel an Pflegeeltern besteht. Und jetzt kommen wir zu dem eigentlichen Problem, an dem unsere Gesellschaft krankt: es gibt eine erschreckende Zunahme an Eltern, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder ohne professionelle Hilfe zu erziehen.

Jugendamtsmitarbeiter können nicht mehr alles auffangen, was in unserer Gesellschaft falsch läuft. Und der Irrglaube, dass man die ohnehin überforderten Jugendamtsmitarbeiter mit der Anleitung zu den vielen Formen des Managements zu besserer Arbeit befähigt, sollte endlich als Irrglaube entlarvt werden. Auf der Ebene der Sozialarbeit können nur geringere Fallzahlen eine Lösung darstellen. Auf der politischen Ebene wird eine Lösung nicht so schnell zu finden sein. Aber man sollte endlich einmal die Augen aufmachen und anfangen zu fragen, was die Ursache darstellt für die große Zunahme des Bedarfs an professioneller Hilfe bei der Erziehung von Kindern.

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Mittwoch, 25. Januar 2012, 11:09h

Pro und Kontra ehrenamtliche Arbeit

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Gerade habe ich unter der Rubrik „Ersatzhomepage“ eine Notiz über das vor kurzem in unserem Stadtteil eröffnete Freiwilligennetzwerk eingetragen. Um es gleich vorweg ganz deutlich zu sagen: ich habe Hochachtung vor Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und ich halte Freiwilligenarbeit für einen wichtigen Teil der Gesellschaft.

Ich habe einmal in irgendeinem Buch gelesen, dass alle Sätze, die mit dem Wort „aber“ beginnen, die davor gemachte Aussage wieder zurücknehmen. Nun, ich denke, dass dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss, wenn auch ein Fünkchen Wahrheit in diesem Ausspruch steckt. Mein „Aber“ in Bezug auf Freiwilligenarbeit bezieht sich im Grundsatz auf das, was auch für die Problematik der Ein-Euro-Jobs zutrifft – es werden reguläre Arbeitsplätze verhindert. Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit und viele Menschen würden gern arbeiten, wenn sie denn eine Arbeit finden würden. Gleichzeitig bin ich nicht so naiv, anzunehmen, dass der riesige und sich ständig vergrößernde Bereich der sozialen Arbeit in seiner Finanzierung kein Problem darstellen würde.

Ich kann mich noch an die ideologischen Streitereien während meines Studiums erinnern, wo die Lösung genauso platt wie lautstark präsentiert wurde: „Dann müssen wir eben die Kosten für die Rüstung einsparen und die Bundeswehr verkleinern“. Tja, zumindest letzteres ist inzwischen passiert und trotzdem ist die Frage der Finanzierung der wachsenden Sozialausgaben nicht gelöst.

Während meiner Arbeit in einer Einrichtung für drogenabhängige minderjährige Prostituierte geriet ich einmal in eine heftige Diskussion, als es um eine Gruppe des Kirchenkreises ging, die ehrenamtlich einmal wöchentlich für die Mädchen kochen wollten. Dies stieß bei einigen Kolleginnen auf heftige Kritik, weil nach deren Empfinden der Grundsatz: „Frauenarbeit muss bezahlt werden“ verletzt wurde. Allerdings war zum damaligen Zeitpunkt das Budget für Honorararbeiten schon ausgeschöpft. Aber damals war es noch nicht so selbstverständlich wie heute, dass man sich auch über den finanziellen Hintergrund des Trägers Gedanken machte und so musste ich mir dann sagen lassen, dass ich es anscheinend nicht verstanden hätte, was die Grundsätze des Verständnisses von Frauenarbeit wären.

Aber auch abgesehen von den Diskussionen über die nicht zu leugnenden Auswirkungen der Freiwilligenarbeit auf den Arbeitsmarkt, gib es Aspekte, die mich an einer uneingeschränkten Befürwortung hindern. Soziale Arbeit ist einem Wandel unterzogen, der von einer zunehmend betriebswirtschaftlichen Orientierung gezeichnet ist. Freie Träger und Vereine werden zu GmbHs und ehemals staatliche Trägerschaften gehen an private über, so wie es beispielsweise bei Heimeinrichtungen geschieht. Hier bekommt Freiwilligenarbeit einen anderen Hintergrund. Der Einsatz von engagierten Bürgern, die gern etwas für andere Menschen tun möchten, kommt dann nicht mehr dem Staatshaushalt – und somit der Gesellschaft – zugute, sondern privaten Institutionen.

Ein Beispiel, das mich nachhaltig sensibilisiert hat für die Thematik der Freiwilligenarbeit, war meine Beschäftigung im Betreuungsverein. Betreuungsvereine haben primär die Funktion, die ehrenamtlichen Betreuer in ihrer Arbeit zu unterstützen und außerdem für die Übernahme ehrenamtlicher Betreuungen zu werben. In den meisten Fällen handelt es sich bei den ehrenamtlichen Betreuern um Familienangehörige oder Freunde. Aber es gibt darüber hinaus auch Menschen, die sich aus reinem sozialem Engagement für das Amt eines Betreuers bewerben. Wenn nun aber ein Betreuungsverein, dessen satzungsmäßig formuliertes Hauptziel das der Förderung und Unterstützung des ehrenamtlich geführten Betreueramtes ist, eine Geschäftsführung hat, der es einzig und allein um den eigenen Verdienst und nicht um die Aufgabe an sich geht, dann bekommt die Arbeit des ehrenamtlich Tätigen einen unguten Beigeschmack. Ich kann mich noch gut an den Ausspruch des damaligen Geschäftsführers erinnern: „Mir würde es im Traum nicht einfallen, etwas zu tun, was nicht bezahlt wird“. Wie passt diese Einstellung noch zusammen mit den Statuten des Vereins, denen zufolge die Förderung des Ehrenamts als Ziel formuliert wird?

Fazit: wenn ehrenamtliches Engagement dazu eingesetzt wird, dass Träger oder Einzelpersonen einen höheren Gewinn erzielen, dann stellt dies eine Zweckentfremdung des sozialen Engagements dar. Die zusätzlich von ehrenamtlichen Helfern geleistete Arbeit dient dann nicht mehr der Verbesserung des qualitativen Standards, sondern ermöglicht personelle Einsparungen oder höhere Fallzahlen – beides gleichbedeutend mit höherem Gewinn. Und somit ist nicht das Klientel der Nutznießer des ehrenamtlichen Engagements, sondern allein diejenigen, denen der Gewinn zufließt.

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Donnerstag, 12. Januar 2012, 00:50h

Ein Ort zum Sterben – Hospiz

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Vor einigen Tagen habe ich mir ein Hospiz im südlichen Landkreis von Hamburg angesehen. Ich hatte schon früher im Rahmen meiner Arbeit Hospize kennengelernt. Diesmal besuchte ich mit einer Freundin deren Mutter, die seit kurzem aufgrund ihrer Krebserkrankung im Hospiz wohnt. Die Schwere der Erkrankung und zwei Knochenbrüche machten eine Pflege in der eigenen Wohnung so schwierig, dass sich die Mutter für den Wechsel in das Hospiz entschied.

Obwohl der Anlass sehr traurig ist und die Konfrontation mit dem Tod äußerst schmerzhaft, hat man in dem Hospiz das Gefühl einer liebevollen und aufmerksamen Umsorgung. Es wird als selbstverständlich angesehen, dass die Angehörigen oder Freunde bei Bedarf beim Patienten übernachten können. Das Hospizzimmer macht mehr den Eindruck eines gemütlichen Wohnzimmers, als eines Krankenzimmers. Meine Freundin sagte mir, dass die dortigen Mitarbeiter sich sehr gut um die Patienten kümmern und für individuelle Wünsche offen sind. Für Menschen, die gläubig sind, gibt es spezielle Begleitung.

Aus meiner Arbeit mit meinen Betreuten weiß ich, dass es oftmals sehr schwierig ist, einen Hospizplatz zu erhalten. Da die Pflegekosten eines Hospizes teuer als reguläre Heimkosten sind, wird ein Kostenübernahmeantrag nicht so einfach bewilligt und ist oftmals mit langen Wartezeiten verbunden. Es kann die unsägliche Situation entstehen, dass entweder bei rechtzeitiger Anmeldung die Krankenkasse die Kostenübernahme ablehnt, weil der Gesundheitszustand noch nicht schlimm genug ist oder aber bei sehr später Anmeldung die Bearbeitung so lange dauert, dass die Bewilligung erst eintrifft, wenn der Erkrankte schon verstorben ist.

Es ist schwer zu beschreiben, welche Gefühle man hat, wenn man als Besucher ein Hospiz betritt. Wenn ich nach einem treffenden Ausdruck suche, dann fällt mir als erstes das Wort „Menschlichkeit“ ein. Eine Menschlichkeit, die an der Art der Gestaltung des Gebäudes, an den hellen und freundlichen Farben und an den sorgsam ausgesuchten Bildern deutlich wird. Ich habe mir auch die Infobroschüre des Hospizes aufmerksam angesehen. Das Hospiz wird durch Kranken- und Pflegekasse finanziert, muss aber zehn Prozent der Kosten selbst tragen, was nur durch Spenden und durch ehrenamtliche Mitarbeit möglich ist. So wie überhaupt das ganze Hospiz seine Entstehung einer Initiative von engagierten Bürgern verdankt. Vielleicht ist es das, was den Eindruck des Hospizes für mich ausmacht – es wird getragen von Menschen, die sich aus reinem Engagement voll und ganz für andere Menschen einsetzen. Und das ist auch der Grund, warum man sich an diesem Ort aufgehoben fühlen kann.

Sterben wird für einen Menschen immer mit Leid verbunden sein und auch liebevolle Umsorgung wird dieses Leid nicht völlig aufheben können. Aber die Gewissheit, an einem Ort zu sterben, an dem man sich auf die echte Anteilnahme der dortigen Menschen verlassen kann, kann dem Tod ein wenig von seinem Schrecken nehmen.

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Mittwoch, 4. Januar 2012, 00:59h

Jammern auf hohem Niveau und die Sache mit dem Einfühlungsvermögen

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Manche Leserbriefe in meiner Tageszeitung treffen den Nagel auf den Kopf. Es ging heute um die wachsende Altersarmut und das damit verbundene Risiko des Zusammenbruchs des sozialen Zusammenhalts. Und eine Ursache dafür liegt nach Ansicht eines Leserbriefschreibers darin, „dass Politiker selbst hohe Pensionen beziehen und sich dementsprechend schlecht in die Situation der normalen Bevölkerung hineinversetzen können“. Auf eine Kurzformel gebracht geht es in der Aussage um den Verlust des Einfühlungsvermögens.

Ich kann mir mittlerweile – das war nicht immer so – nicht mehr vorstellen, dass jemand, der gut verdient, noch in der Lage ist, sich in jemanden hineinzuversetzen, dem nur das Existenzminimum zur Verfügung steht. Dafür mag es mannigfache Gründe geben. Einer ist, dass sich erfahrungsgemäß Menschen, die gut verdienen, für schlecht verdienend halten. Entsprechend sind solche Menschen dann mit bestem Gewissen voll und ganz mit sich selbst beschäftigt, da sie ja ihrer eigenen Wahrnehmung gemäß zu den Armen gehören. Somit ist das ausschließliche Kümmern um sich selbst nicht egoistisch, sondern quasi eine Form der Armenfürsorge. Ein weiterer Grund ist, dass manche Menschen ihre Arbeit, die nach objektiven Gesichtspunkten völlig durchschnittlich ist, für das absolute Nonplusultra halten und infolgedessen ihren Lohn als eine himmelschreiende Unterbezahlung ansehen.

Es gibt mit Sicherheit auch Ausnahmen. Vor kurzem kam ich mit einer Bankangestellten ein wenig ins Gespräch über das Thema Armut, als ich ein Pfändungskonto für einen Betreuten einrichten ließ. „Ich kann nicht klagen, ich gehöre zu denen, denen es gut geht“, meinte die Bankangestellte. Ich gab meiner Verwunderung Ausdruck, da ich diesen Satz schon sehr, sehr lange nicht mehr gehört habe. Daraufhin antworte meine Gesprächspartnerin, dass man zwar schon mal ins Jammern verfallen würde, aber dies wäre dann „Jammern auf hohem Niveau“, weil man sich alles, was man braucht, leisten kann. Dies wäre also ein Beispiel dafür, dass jemand durchaus in der Lage ist, zu sehen, dass es sehr viele Menschen gibt, die erheblich weniger verdienen.

Gutverdienende Politiker können sich kaum noch in Geringverdienende hineinversetzen. Wie ist es um uns Betreuer bestellt? Auch wir verdienen ein Vielfaches von dem geltenden Hartz-IV-Satz. Sind wir trotzdem noch in der Lage, uns in unsere Betreuten hineinzuversetzen, die niemals in Urlaub fahren können, kein Auto haben und deren Kinder auf Dinge wie Musikunterricht und Auslandsschulbesuche verzichten müssen? Wenn ich mir die Anwaltskollegin vor Augen halte, die einer im Hartz-IV-Bezug stehenden alleinerziehenden Mutter trotz staatlichen Beratungsscheins eine Summe von 100,00 € abfordert, dann kann man die Frage mit einem sicheren „Nein“ beantworten. Dasselbe „Nein“ gilt genauso sicher für jene Kollegen, die Menschen, die mit ihren lausigen 96,00 € Heimtaschengeld nicht auskommen, Anspruchsdenken vorwerfen.

Natürlich gibt es auf der anderen Seite wiederum auch Kollegen, denen die Armut unserer Betreuten sehr wohl bewusst ist und die sogar bei finanziellen Engpässen aus eigenen Mitteln Geld vorstrecken. Nur ehe man jetzt ins nebulöse „es gibt solche und solche“ verfällt, muss ehrlicherweise sagen, dass Betreuer – obwohl direkt in die Hartz-IV-Problematik involviert – nie und nirgends in Erscheinung treten, wenn es darum geht, sich öffentlich zu äußern. Man setzt sich innerhalb des klar umrissenen Aufgabenkreises für die Betreuten ein – aber mehr auch nicht. Das Einfühlungsvermögen mag auf der individuellen Ebene vorhanden sein, auf der gesellschaftlichen Ebene im Sinne von Parteilichkeit sucht man es leider vergeblich.

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Donnerstag, 8. Dezember 2011, 01:16h

Jobcenter – anderer Name, gleiche Misere

behrens

Vor kurzem hat mir die Geschichte einer Bekannten vor Augen geführt, wie schlimm es sein kann, in die Mühlen des Jobcenters zu geraten. Die ARGE hat sich vor einem Jahr in Jobcenter umbenannt. Der neue Name hat allerdings leider nichts daran geändert, dass Arbeitslose nach wie vor wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

Meine jetzigen Erfahrungen mit dem Jobcenter beruhen nicht auf eigenen Erfahrungen, sondern auf den Erfahrungen, die ich bei der Vertretung meiner Betreuten mache. Während sich der direkte Kontakt zwischen Jobcenter und Arbeitslosem unter Umständen sehr konfliktreich gestalten kann, gestaltet sich der Kontakt zwischen Jobcenter und rechtlichem Betreuer meist weitgehend neutral. Betreuer sind vom Amtsgericht mit der Vertretung eines Menschen beauftragt und kennen erfahrungsgemäß die Rechte eines Arbeitslosen genau. Außerdem sind sie nicht mit dem Makel der Arbeitslosigkeit belegt, sondern gehören zur arbeitenden Bevölkerung.

Vor kurzem habe ich allerdings über eine Bekannte einen Einblick in die Methoden des Jobcenters erhalten, der mir vor Augen geführt hat, wie ausgeliefert ein Arbeitsloser gegenüber dem Jobcenter ist. Die Bekannte, von der ich spreche, ist noch nicht lange arbeitslos. Die alleinerziehende Mutter ist erst durch ihre Scheidung in die Abhängigkeit vom Jobcenter geraten. Wenn ein Familienvater nur ein durchschnittliches Gehalt hat, reicht dies im Falle einer Scheidung normalerweise nicht mehr aus, um die geschiedene Frau und Kinder davon zu unterhalten. Es bleibt also in so einem Fall kein anderer Ausweg, als Arbeitslosengeld II zu beantragen. Während noch vor einigen Jahren von Müttern nur dann die Aufnahme einer Arbeit verlangt wurde, wenn die Kinder älter als zwölf waren, wird jetzt auch von denjenigen Frauen, die kleine Kinder haben, die Aufnahme einer Tätigkeit verlangt.

Ich will an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, ob diese gesetzliche Regelung im Sinne der Kinder ist, sondern mir geht es um die Beschreibung der Situation, in die jemand geraten kann, der vorher noch nie mit dem Jobcenter zu tun hatte. Beispielsweise hat meine Bekannte – wie viele andere Mütter auch – ein wenig Geld für ihre Kinder angespart. Hierfür wird vom Jobcenter auch ein kleiner Freibetrag anerkannt – vorausgesetzt, man hat das Sparguthaben auf einem Sparbuch mit dem Namen des Kindes angelegt. Hat man dies nicht getan, fällt der Vermögensfreibetrag erbarmungslos weg und das angesparte Geld wird ohne Wenn und Aber angerechnet. Das Jobcenter rechnet stereotyp Unterhalt an, selbst dann wenn der gar nicht oder nur unregelmäßig gezahlt wird. Es hält leider auch niemand von den Mitarbeitern des Jobcenters für erforderlich, einer alleinerziehenden Mutter darüber zu informieren, dass in so einem Fall die Unterhaltsvorschusskasse in Anspruch genommen werden kann.

Noch schlimmere Folgen hatte allerdings für meine Bekannte, dass ihr nicht klar war, dass man noch vor Ablaufsfrist einen Folgeantrag stellen muss. Da sie trotz Ablaufs eine weitere Zahlung erhalten hatte, versäumte sie die Anschlussantragstellung. Bei der Zahlung handelte es sich jedoch lediglich um eine durch eine Nachberechnung entstandene Leistung und es wurde weder die reguläre Leistung gezahlt, noch – und das ist das Dramatische an der Situation – die Miete. Es gab zwar einen Bescheid, aber der war in typisch unverständlichem Behördendeutsch aufgefasst, sprich: für Laien nicht verständlich. Als meine Bekannte den Fehler bemerkte, war es nicht mehr möglich, für den Vormonat die Ansprüche geltend zu machen. Zu allem Übel überwies der Jobcenter durch einen Zahlendreher im Folgemonat die Miete viel zu spät, was zur Konsequenz hatte, dass der Vermieter die Kündigung aussprach. Alle Bemühungen meiner Bekannten, die rückständige Miete auf Darlehensbasis zu erhalten, wurden vom Jobcenter abgewiesen. Ich habe versucht, meiner Bekannten bei den Antragstellungen zu helfen, leider ohne Erfolg.

Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter des Jobcenters, die sich selbst in krisensicherer Anstellung befinden, nicht das geringste Problem damit haben, durch ihre Verweigerung eines Darlehens eine alleinerziehende Mutter von drei kleinen Kindern der Gefahr der Obdachlosigkeit auszusetzen. Der Vermieter besteht nach wie vor auf seiner fristlosen Kündigung. Ich habe Gott-sei-Dank einen Kollegen, der auch als Anwalt tätig ist und der sich dieser Sache angenommen hat und jetzt die rechtliche Vertretung meiner Bekannten gegenüber dem Jobcenter übernommen hat.

Ich drücke meiner Bekannten mit ihrer kleinen Familie mit aller Kraft die Daumen, dass der Jobcenter zu einer Darlehensgewährung verpflichtet wird und sie nicht mehr unter dem Damoklesschwert einer Räumungsklage leben muss.

Ach ja, eine kleine Notiz möchte noch anfügen. Meine Bekannte hatte, als sie eine Rechtsberatung benötigte, einen Beratungsschein für einen Anwalt erhalten. Mit diesem Schein kann dann ein Anwalt freier Wahl aufgesucht werden, der durch Einreichung des Beratungsscheins sein Honorar erhält. Sie hatte sich eine Anwältin ausgesucht, die nach zweimaliger Terminverschiebung (Hartz-IV-Empfänger haben ja genug Zeit…) noch vor der Beratung und trotz der Vorlage des Beratungsscheins einen Betrag von 100,00 € (!!) verlangte. Meine Bekannte machte daraufhin auf dem Absatz kehrt. Besagte Anwältin ist auch als Betreuerin tätig...

P.S. Ein dickes Dankeschön an meinen Kollegen, der meiner Bekannten (ohne Vorschuss!) mit Rat und Tat zu Seite stand und dessen Seite auf der ehemaligen Gemeinschaftshomepage im Gegensatz zu der besagter Kollegin so angenehm bescheiden ausfällt.

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