Montag, 4. Januar 2010, 02:09h

Ich bin O.K. – Du bist O.K. – Toleranz oder einfach nur Gleichgültigkeit?

behrens

05.01.2010
Vor einiger Zeit habe ich an einer Supervision teilgenommen und wurde dabei mit der Theorie Thomas A. Harris’ „Ich bin O.K. – Du bist O.K. konfrontiert. Harris ist Begründer der sogenannten Transaktionsanalyse, in der versucht wird, sich in der Kommunikation mit anderen von den in der Kindheit erlernten Mustern zu lösen und mit seinem Gegenüber frei von Projektionen umzugehen.

Hört sich gut an und ist im Großen und Ganzen auch das, worum es im Erwachsenensein geht. Denn erwachsen werden heißt – zumindest wenn man den Anspruch hat, sich weiterzuentwickeln – sich von den Traumen der Kindheit zu lösen um nicht in eine Wiederholungsfalle zu geraten.

Aber in der tagtäglichen Kommunikation mit einem zum Dogma stilisierten „Ich bin O.K. – Du bist O.K. zu leben ist dennoch eine andere Sache. Dies hieße in der Konsequenz nichts anderes, als sich mit allem und jedem zu arrangieren. Selbst wenn man anheim stellt, ob dies tatsächlich erstrebenswert ist, kann nur derjenige so leben, der frei von eigenen Zielen ist. Der immer alles und jeden so nimmt, wie es oder er nun mal eben ist.

Ich kann mich damit nur schwer anfreunden. Obwohl sicherlich ein jenseits von allen Wertmaßstäben geführtes Denken weniger Leiden verursacht als ein Leben mit strengen und einengenden Wertvorstellungen. Toleranz ist die einzige Möglichkeit des friedlichen Miteinanders. Aber Toleranz kann auch gefährlich in die Nähe der Gleichgültigkeit geraten.

Was letztendlich das Ausschlaggebende am Umgang mit der Maxime „Ich bin O.K. – Du bist O.K. ist, ist der Umstand, ob man eigentlich etwas verändern möchte oder aber lieber alles so lassen möchte, wie es ist. Und ich für meinen Teil möchte Dinge verändern. Ich bin bis zu einem gewissen Grad in der Lage, mir das „Warum“ und „Weshalb“ negativer Verhaltensweisen durch Berücksichtigung der Gründe und Umstände zu erklären. Ist beispielsweise jemand ausländerfeindlich, so kann ich mir erklären, warum und wieso dies wahrscheinlich so ist. Und wenn mir das gelingt, gehe ich mit weniger Abneigung und Frust auf den Betreffenden zu, was auf jeden Fall besser ist, als ein haßerfüllter Umgang.

Das heißt für mich aber eben noch lange nicht, daß dies auch tatsächlich O.K. ist. Weil ich nun mal Wertmaßstäbe habe – und auch haben will – in denen Ausländerfeindlichkeit etwas Abzulehnendes darstellt, bzw. als etwas angesehen wird, das Unfrieden und Schaden anrichtet. Ich möchte Ausländerfeindlichkeit nicht hinnehmen und auf Veränderung hinwirken, wo ich dieser begegne.

Der Prototyp des „Ich bin O.K. – Du bist O.K.“-Menschen ist der beliebige Mensch. Der Mensch, der tatenlos zusieht, wenn Unrecht geschieht, wenn Gewalt ausgeübt wird und wenn Menschen Leid zugefügt wird. Der Mensch, der an jedem belieben Ort mit jeden beliebigen Menschen jede beliebige Sache ausführen kann. Der nie leidenschaftlich für oder gegen etwas kämpft. Leidenschaftlicher Kampf ist ja auch nicht notwendig denn: „Ich bin O.K. – Du bist O.K.“

"Ich bin O.K. - Du bist O.K." mag ein wichtiger Schritt zur zwischenmenschlichen Toleranz sein. Aber diese Haltung kann auch als bequeme Entschuldigung mißbraucht werden, um sich jedem Konflikt zu entziehen und anderen die unangenehme Aufgabe zu überlassen, heikle Probleme anzugehen.

Aber in Bezug auf Arbeit bekommt die Maxime des „Ich bin O.K. – Du bist O.K.“ noch eine andere Bedeutung – je nachdem, was Arbeit für einen Stellenwert hat. Geht es in der Arbeit einfach nur darum, etwas gut und oft zu verkaufen, stellt Toleranz gegenüber anderen Einstellungen keine große Schwierigkeit dar. Ob jemand nun lieber das Produkt A oder aber lieber das Produkt B verkauft, ob jemand lieber einen rund-um-Service oder aber einen partiellen Service anbieten möchte – dies alles hat keine weltbewegenden Auswirkungen und sollte tatsächlich jedem selbst überlassen sein.

Anders ist es jedoch, wenn man mit Menschen arbeitet, so wie dies unter anderem bei Betreuungen der Fall ist. Dann geht es nicht nur um Produktabsatz sondern darum, ob die uns anvertrauten Menschen gut versorgt werden.

Kann man es in der Arbeit mit Menschen wirklich tolerieren, wenn jemand seine Betreuungen im Massenabfertigungsverfahren führt? Wenn jemand Vetternwirtschaft betreibt und vorzugsweise Bekannten Aufträge oder Mandate verschafft? Wenn jemand seine Vergütungsabrechnungen in schwindelnde Höhen treibt und dies der Staat oder aber der Betreute selbst zahlen muß? Oder wenn man seinen Betreuten gegenüber einen Umgangston wie in der Bundeswehr pflegt?

Gemäß Thomas A. Harris ist auch dies alles O.K. Und das ist genau das, was mich bedenklich stimmt.

... comment

 
Sehe das ein bißchen anders
Du vertrittst hier eine These, von der ich kaum glaube, daß sie zutrifft. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Harris das Verhalten eines Rechtsradikalen oder Frauenhassers gutgeheißen hätte. Bist Du Dir wirklich sicher, daß Beliebigkeit bzw. Gleichgültigkeit ein Ziel der TA ist?

Ich habe mich bisher nicht um die TA gekümmert, habe auch nicht Harris Bücher gelesen. Als sein Buch "Ich bin ok - Du bist ok" Mode wurde, hat mich der Titel abgestoßen. Gefühlsmäßig argumentierte ich genauso, wie Du: Der Typ, der seine Kinder schlägt, soll ok sein? Niemals! Erst kürzlich, also Jahrzehnte später, las ich eine Interpretation des "Ich bin ok - Du bist ok" und war geplättet: ich hatte das Gefühl, diesen Satz von vornherein falsch interpretiert zu haben. Ich habe jetzt eine ganze Weile gesucht, die entsprechende Textstelle aber noch nicht gefunden. Mir wurde klar, daß ich mich nicht ok fand, also konnte ich auch das Du nicht ok finden.

Wahrscheinlich müssen hier unterschiedliche Aspekte betrachtet werden. In Deinem Werte-System, das sicherlich von Respekt, Menschenwürde und Liebe geprägt ist, wird ein ganz anderer zwischenmenschlicher Umgang zu sehen sein, als etwa in dem Werte-System eines Rechtsradikalen. Wie aber kommt dieses rechtsradikale Werte-System zustande? Sicherlich auch, weil jenem Menschen niemand liebend und bestärkend gesagt hat: Du bist ok! Wäre doch denkbar. Oder? Eine erzieherische und moralische Fehlentwicklung, die so auch benannt werden muß und für die es viele Verantwortliche gibt, nicht nur Eltern.

Die Frage ist natürlich, wenn man sich selbst nicht ok findet, sich selbst nicht liebt, ist man dann überhaupt in der Lage, andere Menschen zu lieben? Ich denke mal, daß in der TA hier auch ein Ansatz liegt: sich selbst besser verstehen, lieben, respektieren lernen, um andere Menschen besser verstehen, lieben, respektieren zu können. Das heißt nicht, ihr Verhalten, z.B. als Rechtsradikale, gutzuheißen. Aber Du siehst auch den Menschen in ihnen, geschunden, verletzt, irregeleitet. Die meisten Rechtsradikalen wird man nicht mehr ändern können. Aber Menschen ihren Wert wieder zurückgeben, das ist eine Daueraufgabe. Und das wird wahrscheinlich am ehesten denjenigen gelingen, die sich selbst ok finden, die gelernt haben, sich selbst verständnisvoll zu begegnen und die geduldig an ihrer Entwicklung arbeiten (die ja immer eine Entwicklung gegen die eigene Erzogenheit ist).

Soweit die Theorie ;-)

Einen lieben Gruß
Robert
(Jahrgang 59, Sozpäd., Camus- und Fromm-Liebhaber, auch Bonhoeffer gelesen - und natürlich Buber ;-)

... link  

 
Unterschied zwischen Toleranz und Feigheit
Ich habe die „Ich bin O.K. – Du bist O.K.“ Maxime sicher etwas überspitzt dargestellt. Dabei war aber gar nicht so sehr die Maxime an sich ausschlaggebend, sondern der in der Supervision behandelte Konflikt. Obwohl ich die Supervision als grundsätzlich sehr hilfreich empfand, war die Grundaussage ganz klar, daß man andere Menschen auf jeden Fall so akzeptieren muß, wie sie sind – selbst wenn es um mieseste Beleidigungen oder um Alphamännchengehabe geht. Aber eigentlich ist das auch noch gar nicht das Problem, um das es mir geht. Es besteht für mich ein Riesenunterschied zwischen der Akzeptanz des Anderen und der Angewohnheit, bei allem und jedem stillschweigend zuzusehen. Ersteres ist Toleranz – letzteres ist reine Feigheit.

Wenn sich jemand in einer Gruppe zum Alphamännchen erklärt, so ist das für sich genommen noch kein Weltuntergang. Wenn derjenige dann aber regelrechte Kritikverbote erläßt, hört der Spaß auf. Und die vielen Betrügereien, die ich mitbekommen habe, mag man als schwerwiegend oder nicht beurteilen – einfach breit grinsend den Mund zu halten, geht mir entschieden zu weit.

Theodor Fontane hat mal gesagt „Ignorieren ist noch keine Toleranz“ und das spricht mir aus dem Herzen. Toleranz ist immer eine Gratwanderung zwischen Gleichgültigkeit und ideologischem Übereifer.

Wenn man versucht, andere so zu nehmen wie sie sind – mit all ihren Schwächen und Unzulänglichkeiten, dann ist dies sicherlich Toleranz und ein Weg zum friedlichen Miteinander. Aber dieser Weg muß meiner Ansicht nach nicht feige und geduckt begangen werden sondern in aufrichtiger Auseinandersetzung mit den Anderen.

Vielen Dank für Deinen langen Kommentar. Du bist mit Sicherheit kein Berufsbetreuer (die kennen Fromm gar nicht), in welchem Bereich bist Du denn tätig?

... link  

 
Gebe Dir recht
Ja, jetzt habe ich aber auch an meinem gesunden Menschenverstand gezweifelt ;-) Und gesucht. Und Folgendes gefunden:

Zitat:

"O.k. sein" heißt nicht auch "gut heißen"

Ein wichtiger Hinweis zur Grundeinstellung "Ich bin o.k. – du bist o.k.": Sie ist ein versöhnlicher und liebevoller Ansatz, der von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Viele Menschen haben allerdings das Gefühl, mit dieser Einstellung gleichzeitig auch alles gut zu heißen, was jemand anderes tut. Genau darum geht es hier aber nicht. Gemeint ist vielmehr die Grundannahme, dass jeder Mensch sein Bestes gibt.

Sie können jeden Streit, jede Meinungsverschiedenheit und jeden Konflikt sowohl mit der Einstellung führen, selbst "besser zu sein" (also recht zu haben, es besser zu wissen, reifer zu sein usw.) oder mit einem grundlegenden Respekt dem anderen gegenüber ("Ich weiß, dass du dein Bestes gibst, aber mit dieser Situation komme ich nicht klar und ich möchte dich bitten, dass.."

Zitat Ende (http://www.zeitzuleben.de/artikel/kommunikation/transaktionsanalyse-3.html).

Ich denke, das wird Dich beruhigen. Entweder hat die Person, die die Supervision durchgeführt hat, ein krankhaftes Harmoniebedürfnis oder sie unterlag dem Charme / der Dominanz des Alphamännchens ;-) Auf jedenfall scheint sie Unsinn erzählt zu haben. Heute kann man sich aber auf keinen mehr verlassen ;-)

Das Ganze unter Vorbehalt. Wie erwähnt, ich habe Harris nicht gelesen.

Auf jedenfall gebe ich Dir in Deiner Argumentation recht! Da wo Grenzen sichtbar werden, müssen sie benannt werden. Was daraus wird, steh auf einem anderen Blatt. In dem oben beschriebenen Fall gehe ich nicht davon aus, daß Du die Person von Deiner Ansicht überzeugen wirst können. Was bleibt dann? Klappe halten oder Anschwärzen? Mitstreiter suchen und versuchen das Obertier vom Thron zu schubsen oder selber gehen?

Nein, Betreuer bin ich nicht. Angestellt bei diversen Trägern habe ich bisher vorwiegend Teilnehmer in Arbeitsamts- und ARGE-Maßnahmen (Umschulungen, Fortbildungen usw.) sozialpädagogisch betreut. Auch nicht das Gelbe vom Ei. Nein, überhaupt nicht das Gelbe vom Ei! Deshalb bin ich auch auf Deine - überaus interessante - Seite gestoßen: ich surfe jetzt so ein bißchen durch die Blogger-Welt, weil ich überlege, selber einen Blog zu eröffnen, in dem es um Menschenwürde im Umgang mit Menschen geht (Titel vielleicht "Verletzte Seelen"), weil ich sowohl unter unseren Bürokraten (auch Politikern), wie auch unter KollegInnen soviele kaputte Menschen erlebt habe - die können andere Menschen nur noch kaputter machen, ihnen aber nie helfen.

LG, Robert

... link  

 
Würde die Idee eines Blogs total gut finden. Ich habe übrigens in meiner ersten Stelle (vor 20 Jahren) auch so etwas wie Du gemacht: Betreuung von Lanzeitarbeitslosen und Schwervermittelbaren. Damals gab's noch jede Menge Geld für solche Projekte, weil die Mittel noch vor dem Mauerfall bewilligt worden waren. Die Arbeit hat mir zeitweilig sehr viel Spaß gemacht.

Bei meiner jetzigen Arbeit fehlt mir ganz klar der Austausch. Und ich kann auch dieses ständige Gerede über unsere Vergütung nicht mehr hören. Ich will auch Geld verdienen - aber ich möchte auch mal über etwas anderes reden, als über unsere Vergütung. Und ich habe allergrößte Schwierigkeiten damit, mich plötzlich unter Kaufleuten wiederzufinden. Diese entsetzliche Ignoranz gegenüber allem Politischen und dieses ständige sich nach außen gut verkaufen wollen liegt mir einfach nicht.

Ich habe vor meiner Arbeit als Sozialpädagogin mal gekellnert. Eine anstrengende und unterbezahlte Arbeit, aber irgenwie sehne ich mich manchmal danach zurück.

... link  

 
Leben wird härter
Ich glaube, heute würde Dir die Arbeit für die Agentur auch nicht mehr unbedingt Spaß machen. Das Geschäft ist härter geworden, teilweise auch unsinnig, zumindest aus pädagogischer Sicht. Maßnahmen müssen voll bekommen werden, egal, ob die Leute zusammen passen oder nicht, ob sie geeignet sind oder nicht. Oft genug sind die Teilnehmer noch nicht mal freiweillig dabei. Es gibt mittlerweile einen enormen Dokumentationsaufwand, zudem steht immer eine mögliche Maßnahme-Prüfung im Raum. Die Träger verkaufen sich natürlich nach außen nur positiv. Nicht selten eine ziemliche Lügengeschichte, weil man ja weitere Aufträge bekommen will. Kunde ist König: was die Agentur will, bekommt sie auch. Da fragt keiner, ob es sinnvoll ist, ob die Mitarbeiter dem gewachsen sind, ob die Maßnahme von der Agentur überhaupt realistisch konzipiert wurde (gut, auch die Träger verkaufen mehr, als sie in Wirklichkeit liefern können). Ich mag dieses unehrliche Geschäft nicht mehr.

Schade, daß Du da keine Leute zum Austauschen hast. Bringt das die Selbständigkeit nicht zwangsläufig mit, daß man sich plötzlich auch als Kaufmann verstehen, sich anbieten (anbiedern?) muß? Und wieso ist das bei Dir anders? Ich kenne einen Betreuer, der fährt einen BMW Z3. Der muß natürlich schauen, daß er den finanziert bekommt ;-) Oder einen Rechtsanwalt, der auch im Betreuungsgeschäft tätig ist: dicke Autos vor der Tür, dickes Haus. Ganz schön protzig in einer protzigen Wohngegend. Mit solchen Leuten, die eher ihre eigenen selbstgefälligen Interessen verfolgen, kann man natürlich nicht so gut diskutieren ;-)

Die Kellnerin-Geschichte kann ich gut nachvollziehen. Manchmal wünsche ich mir auch eine schlichte, einfache Arbeit, die sich fast wie von selbst erledigt, bei der man sein Hirn nicht überstrapazieren muß, die nicht ständig konfliktgeladen ist usw.

Und zu dem Blog: ich schwanke noch und schwanke und schwanke ;-)

LG, Robert

... link  

 
Manchmal ist Hopfen und Malz verloren
Das mit dem Härterwerden traf schon zu meiner Zeit zu. Ich war vier Jahre dabei und gegen Ende wurden uns zunehmend Arbeitslose geschickt, bei denen gar nichts mehr zu machen war - "Bodensatz" wurde das abwertend genannt.

Da - wie Du ja auch schreibst - viele Maßnahmen unbedingt Leute brauchten, war die Zusammenarbeit auch meistens toll.

Ich bin aber auch ein wenig ins Philosophieren gekommen in Sachen Arbeitslosigkeit.Es gab z.B. damals den Träger „Lohn und Brot“ (so würde sich heute niemand mehr nennen...), der darauf reagieren wollte, daß die Leute immer schwieriger und immer weniger leistungsfähig wurden. Es wurde ein sogenanntes „Tagelöhner-Modell“ entwickelt, in dem auch diejenigen Leute Arbeit bekamen, die nicht mehr in der Lage sind, kontinuierlich und verläßlich morgens bei der Arbeit zu erscheinen. Ich war erstmal begeistert, da auch zu meinem Klientel Menschen gehörten, die durchaus mal gut anpacken können, denen aber die Kontinuität fehlt.

Was dann aber herauskam, war mehr als ernüchternd. Ich hatte ja irgendwann „die Seite gewechselt“ und war nun nicht mehr diejenige, die Leute zu dem Träger schickte, sondern ich nahm als Betreuerin den Träger als Dienstleister in Anspruch, z.B. für Umzüge oder Räumungen. Und als ich bei einem Umzug persönlich vorbeischaute traf mich der Schlag, als ich sah, wie die Leute arbeiteten. Möbel wurden einfach in den Dreck geschmissen, jede Vereinbarung wurde ignoriert, beim Einzug wurde nichts aufgebaut und ich bekam einen Heidenärger mit dem Heim, in das mein Betreuter gezogen war.

Da wurde mir klar, daß es Menschen gibt, bei denen Hopfen und Malz verloren ist. Die einfach nur Unheil anrichten, wenn sie arbeiten. Vielleicht gibt es ja irgendeine völlig grobe Arbeit, bei der man nichts verkehrt und nichts kaputt machen kann. Aber jede Arbeit, die noch an gewisse Ansprüche geknüpft ist, geht mit solchen Menschen den Bach runter.

Man kann höchstens verhindern, daß es soweit kommt, daß jemand völlig arbeitsentwöhnt ist. Aber wenn da schon passiert ist, muß man sich eingestehen, daß nichts mehr geht. Ich habe zwar immer noch ein winzig kleines „Aber“ im Hinterkopf, jedoch wirklich nur ein winzig kleines.....

P.S: ich habe keinen BMW sondern fahre mit dem Bus. Und ein Eigenheim habe ich auch nicht, sondern nur eine Dachgeschoßwohnung!

Viele Grüße
Gitta

... link  

 
Einkommensgefälle
Ich frage mich immer, ob jemand mit einem protzigen Haus und einem protzigen Auto eigentlich in der Lage ist, sich in das Leben eines Hartz-IV-Empfängers oder eines Heimbewohners mit 95,00 € Taschengeld hineinzuversetzen. Im klassischen sozialpädagogischen Arbeitsbereich gibt es natürlich auch ein Gehaltsgefälle, aber dies ist ja längst nicht so unnatürlich groß.

Ich werde später mal eine Minirente haben und ich würde es als eine Zumutung empfinden, einen Betreuer zu haben, der überhaupt nicht weiß, wie es ist, kein Geld zu haben....

... link  

 
Arbeitsentwöhnung?
Ich glaube nicht an Arbeitsentwöhnung. Dahinter steckt eher Frust, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit. Wenn man solche Leute in Maßnahmen steckt, z.B. diese Tagelöhner-Geschichte, dann darf man sie nicht alleine arbeiten lassen, weil dann wirklich alles mögliche schief geht. Ist ja auch logisch: Wem die Begeisterung, die Freude, der Tatendrang fehlt, der wird jede Aufgabe nur als lästig empfinden und zusehen, sie schnellstmöglich hinter sich zu bringen, wenn er sie denn schon erledigen muß. Frag mich aber nicht, wie man Menschen Begeisterung vermittelt ;-) Man müßte schon das ganze Gesellschaftssystem umkrempeln, die Einstellung der Leute hier, die Erziehung, das Schulsystem, und, und, und... Nicht nur die Brownie-Methode fördern, sondern auch die Freude an der Armut. Oh, das ist aber jetzt ganz was Gewagtes ;-)

Keinen BMW? Kein Eigenheim? Mini-Rente? Da hast Du aber was falsch gemacht ;-) Naja, geht mir genauso. Auto habe ich allerdings. Muß auch, wenn man nicht in der Stadt wohnt.

Tja, und wer sich das doch vorstellen kann, mit wenig Geld auskommen zu müssen, der wird nur sagen: "Gut, daß es mir nicht so geht!", und sich bestimmt nicht für höhere Regelsätze oder höheres Taschengeld einsetzen.

Wie lange willst Du eigentlich noch in der Betreuung arbeiten? Gibt es für Dich Alternativen?

LG, Robert

... link  

 
Mythos Arbeit
Ich glaube schon an Arbeitentwöhnung (genauso wie es Arbeitsgewöhnung gibt). Ich zitiere mal einen in Deutschland lebenden Italiener, mit dem ich vor vielen Jahren befreundet war: "Der große Unterschied zwischen den Deutschen und den Italienern ist, daß du in Italien keinen einzigen Italiener finden wirst, der dir sagt, daß er gern arbeitet!".

Ich glaube, daß unsere deutsche Mentalität Arbeit als etwas hochstilisiert, was sie nicht ist. Man kann auch gut ohne Arbeit leben - zumindest gibt es Menschen, die dazu fähig sind. Ansonsten würde ja ausnahmslos jeder am Boden zerstört sein, der in Rente geht und es gäbe auch nicht die vielen Beispiele reicher Menschen, die sich offensichtlich pudelwohl ohne Arbeit fühlen.

Luthers "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen" und Marx'"Arbeit ist die Vergegenständlichung des menschlichen Selbst" bringen das "typisch Deutsche" auf den Punkt. Die meisten können sicherlich nicht leben, ohne sich zu beschäftigen - aber das ist nicht von Arbeit abhängig. Arbeit heißt immer auch Trott, Unterordnung,Hintenanstellen eigener Interessen und Kollegen, die man sich nicht ausgesucht hat.

Dein Einwand, daß man arbeitsentwöhnte Menschen in einer Maßnahme nicht einfach allein lassen kann, ist mit Sicherheit richtig. Aber wieviel Anleitungspersonal kann man sich denn leisten?

Ich habe aber auch Beispiele, die Deine These untermauern. Im Arbeitsamt hatte ich anfangs als Sozialpädagogin keine leichte Stellung, die mußte ich mir erst erarbeiten. Und am Anfang gab es regelrecht Wetten unter den Vermittlern, ob meine Arbeitsvorschläge Erfolg haben oder nicht. Sie hatten fast immer Erfolg, denn ich konnte mir den Luxus leisten, nur mit Leuten zu arbeiten, die auch wirklich eine Arbeit wollten. Und dann habe ich nach dem Prinzip der Stecknadel im Heuhaufen gearbeitet und so lange gesucht, bis ich das gefunden hatte, was zu dem betreffenden Arbeitslosen paßte.

Aber dennoch gab es auch nicht wenige Arbeitslose, die gar nicht erst in unsere Beratungsstelle kamen, weil sie sich in ihrer Arbeitslosigkeit eingerichtet haben. Ich erinnere den Ausspruch eines Arbeitslosen: "Zehn Jahre hatte ich meine Ruhe und jetzt kommen Sie und machen mir das kaputt!"

Viele Grüße
Gitta

P.S: ich muß fairerweise zu meinem Statement, daß ich weder Auto noch Eigenheim habe, hinzufügen, daß ich mir jedes Jahr den Luxus einer Reise leiste. Ich bin ausgesprochener Asien-Fan und genieße es, jedes Jahr etwas völlig Neues kennenzulernen und neue Erfahrungen zu machen. Ich habe vor 16 Jahren habe ich eine halbjährige Südostasienreise gemacht - das war mit Abstand die glücklichste Zeit meines Lebens.

... link  

 
Fehlender Mut
Zu Deiner Frage, wie lange ich noch in der Betreuung bleiben will, muß ich sagen, daß mir leider der Mut fehlt, endlich mal die Konsequenzen zu ziehen und die Sache an den Nagel zu hängen. Alternative wäre z.B. PPM und ich habe auch schon Angebote erhalten. Aber wenn ich mir dann vorstelle, daß ich auch mit gesetzlichen Betreuern zu tun hätte, die mir dann Gewehr-bei-Fuß-Ordern geben und ihre Arbeit auf mich abwälzen würden.....dann lieber doch nicht.

... link  

 
Dauerthema Arbeit
Arbeit ist ein heißes Thema. Ich habe noch nie gern gearbeitet. Als pflichtbewußtes Gesellschaftsmitglied (oder weil ich ein Feigling bin) bin ich immer brav zur Arbeit gegangen. Menschlich halte ich das für eine Katastrophe, u.a. auch weil wie Du es beschreibst: Trott, Unterordnung usw. Deshalb könnte ich auch nicht als Vermittler bei der BA oder in einer ARGE arbeiten: Ich kann und will niemanden zur Arbeit zwingen (staatliches Neudeutsch: fördern).

Mit den Begrifflichkeiten "Arbeitsent-" bzw. "Arbeitsgewöhnung" tue ich mich mehr als schwer. Mir fallen dazu einfach nur staatliche / gesellschaftliche Zwangsmaßnahmen ein. Als wenn man Freude an der Arbeit erzwingen könnte. Und ich denke, sie entstammen genau der Hochstilisierung, die Du beschreibst. Ich befürchte, daß heute viele insgeheim aus Verbitterung, aus Neid andere zur Arbeit zwingen wollen: Warum soll es denen gut gehen, wenn es mir nicht gut geht. Diesen heimlichen, wehrlosen Groll sollte man nicht unterschätzen.

Anleiter: Natürlich! Leidiges Thema: Für die soziale Arbeit ist nie genug Geld da. Deshalb sinken ja auch schon die Gehälter. Die Anforderungen steigen, die (betriebswirtschaftliche) Verantwortung genauso, gleichzeitig soll man mit weniger Geld zufrieden sein? Ein Unding!

Fandest Du die Wetten makaber? Waren sie es? Äußerte sich darin der Frust der Kollegen?

Zu dem Ausspruch des Arbeitslosen würde mich jetzt mal interessieren, was Du im kaputt gemacht hast. Hat er sich dazu geäußert?

Asien-Fan? Aber Auswandern kommt nicht in Frage, oder? Die glücklichste Zeit? Ist das nicht irgendwie auch bitter, dann hier zu leben, zu arbeiten und nicht so glücklich zu sein?

Was das PPM angeht: Da dürftest Du recht haben ;-) Ich habe letztes Jahr hier im Rheinland mal versuchsweise ein paar Monate im Betreuten Wohnen gearbeitet. Psychisch Kranke, Drogenabhängige in selbständigen Wohngemeinschaften, die dann stundenweise sozialpädagogisch betreut wurden. Das ganze wurde über den Landschaftsverband Rheinland finanziert (nebenbei bemerkt: ein fürchterliches Konzept). Die meisten dieser Betreuten hatten eine gesetzliche Betreuung. Da gab es schon manche kollegialen Konflikte und Verständnislosigkeiten ;-) Und nicht selten kam es vor, daß die gesetzlichen Betreuer, die von ihren Klienten was wollten, diese eben nicht anriefen, sondern uns. Da kann man natürlich auch keinen Kontakt aufbauen. War vielleicht auch gar nicht gewünscht.

Schönen Abend
Robert

... link  

 
Die Wetten haben mich zuerst geärgert, aber dann habe ich auch triumphiert, als meine Arbeitsvorschläge tatsächlich klappten. Ich glaube, bei meiner Arbeit kam mir nicht so sehr mein Studium zugute, sondern die diversen Arbeiten in allen möglichen Bereichen, die ich zuvor gemacht hatte. Mein Studium wurde mir eher als "Laberstudium" ausgelegt, aber meine Arbeitserfahrungen wurden schon auch ernst genommen.

Der Ausspruch des Arbeitslosen, daß ich nach 10 Jahren Ruhe alles kaputt machen würde, hat sich auf eben diese Ruhe bezogen. Ein Teil der Arbeitslosen hat Kontakte zu anderen Arbeitslosen und ist alles andere als isoliert. In Hamburg-Heimfeld z.B. gibt es ganze Straßenteile, in denen sich alle Arbeitslosen kennen. Wenn man dann jemand in Arbeit vermittelt, fallen die bisherigen sozialen Kontakte ins Wasser und der bisherige Tagesablauf ist tatsächlich "kaputt" bzw. ist in Unruhe geraten.

Das mit dem Auswandern kommt für mich deswegen nicht in Frage, weil ich ein Heimweh-Typ bin. Ich reise unheimlich gern, aber komme auch gern wieder nach Hause. Es ist total schade, daß ich in meiner Selbständigkeit eigentlich nur mit enorm viel Stress (Vor- und Nacharbeit) 3 Wochen Urlaub machen kann - und drei Wochen braucht man mindestens, wenn man richtig weit weg fährt.

Was macht Deine Idee mit dem Blog? Ich würde es toll finden, wenn man mal mit mehreren Leuten aus dem sozialen Bereich Austausch hat. Leg doch einfach los. Man müßte dann allerdings irgendwie auf den Blog aufmerksam machen. Das geht nur, wenn man auch viel auf anderen Blogs schreibt.

... link  

 
Ehrlichkeit, Offenheit
Jo, Studium vermittelt nicht alles. Wenn man zusätzlich noch einen lebenspraktischen Hintergrund hat, kann das im Umgang mit Menschen viel bewirken. Man wird ernster genommen - von allen Seiten. Hast Du noch eine andere Ausbildung?

War dieser Arbeitslose Dir irgendwann doch "dankbar"? Vielleicht weil er gemerkt hat, daß Du ihm ganz neue Lebensperspektiven eröffnet hast? Erstmal ist natürlich Unruhe, Unsicherheit.

3 Wochen sind dann aber wirklich mindestens. Besonders wenn es in den asiatischen Raum geht. Und ich gehe ja nicht davon aus, daß Du 3 Wochen in einer Ferienanlage verweilst ;-)

Tja, der Streß vorher, nachher, viel organisieren, viel nacharbeiten. Mit Kollegen, die Vertretung machen ist es wohl nicht so weit? Oder geht das gar nicht erst?

Mein Blog? Was soll ich dazu jetzt sagen? ;-) Ich habe mir noch einige Blogs angeschaut, war sehr erstaunt über die hohe Qualität (meinem Empfinden nach). Das ist teilweise schon eine tolle Welt für sich, eine menschelnde. Mit viel Gefühl. Und daran haperts bei mir noch. Ich denke schon nach über Inhalte, Struktur des Blogs, aber ohne das passende Gefühl wird das nichts. Es soll eben nichts Verkopftes werden. Aber der Blog kommt.

Bei meiner Suche bin ich auf folgenden Eintrag gestoßen, den ich beeindruckend fand, weil ehrlich:

http://sturmfrau.blogger.de/stories/1560532

Diese Offenheit würde ich noch nicht hinkriegen, die braucht's aber für einen Blog.

Schönen Abend
Robert

... link  

 
Der betreffende Arbeitslose war erst dann dankbar, als ich ihn wieder in Ruhe ließ. Da es sich um eine freiwillige Stelle handelte, war dies auch möglich. Wenn ich mich richtig erinnere, dann litt er an Diabetis und war auch voll und ganz mit seiner Erkrankung beschäftigt.

Zum Thema Vertretung - seit ich allein arbeite, ist das noch schwieriger als zuvor. Man muß sich ja erst in die Akten reinarbeiten und das ist eine ziemliche zusätzliche Arbeit.

Ich finde den genannten Blog auch toll. Zum Thema Offenheit habe ich nur negative Assoziationen. Ich hatte auf einer Betreuerhomepage (mit 6 anderen Betreuern) einen Hinweis auf diesen Blog. Auf Wunsch eines Kollegen mußte ich den wieder rausnehmen, weil ich seiner Meinung nach "Die Leute ankacken" würde. Dies bezog sich auf einen weiteren privaten Blog, auf dem es zu ziemlichen Auseinandersetzungen mit einen allseits bekannten Blogger gekommen war, der unter 20 verschiedenen Identitäten auf anderen Blogs rumholzte. Als ich mich dann revanchierte und auch unter einem anderen Namen einen Beitrag schrieb, nahm der mir das sehr übel, was sich dann in unvorstellbar miesen Obszönitäten äußerte.

Nach Meinung zweier Kollegen "Mußte ich mit so einer Reaktion rechnen". Ein sehr merkwürdiger Rückschluß - man nimmt etwas nicht stillschweigend hin und reagiert und schon haben üble Obszönitäten auch ihre Berechtigung. Wäre natürlich toll gewesen, wenn sich die Kollegen hinter mich gestellt hätten (was ich in so einer Situation natürlich getan hatte). Aber wie gesagt, leider mußte ich dann den Hinweis auf diesen Blog rausnehmen. Das Ganze wurde nach Alphamännchenmanier in einigen Minuten abgewickelt. Hat irgendwie ein wenig mit Zensur zu tun, wenn man jemanden einen Eintrag in seiner Homepagseite verbietet.

Was außerdem noch auf Unverständnis stößt, ist eben genau das Thema Offenheit. Ein Blog kann ja auch viel Persönliches offenbaren. Und im kaufmännischen Bereich - und dazu rechne ich Betreuung mittlerweile - kommt es sehr auf eine aalglatte Außendarstellung an. Meistens stimmt die hinten und vorne nicht, was aber niemanden stört. Dinge direkt und offen anzusprechen gilt als Kapitalverbrechen.

... link  

 
Wie mit Menschen umgehen?
Ich glaube, das mit der "Berechtigung" von üblen Obszönitäten ist anders gemeint. Man muß im Internet immer mit irgendwelchen Knallköppen und ihrem krankhaften Wahn, zu provozieren, zu vernichten, zu erniedrigen, rechnen. Auf solche Leute maßregelnd einwirken zu wollen, beflügelt die nur. Du kennst ja den Spruch: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus ;-) Da helfen letztlich leider nur Administratoren oder Filter, um solchen Leuten eine Grenze zu setzen. In Foren oder Blogs bietet man einfach Angriffsfläche für ganz, ganz unheile Menschen, die zwanghaft und anonym hier ein Ventil öffnen können, um ihren Qualen zu entkommen. Sie können nicht anders. Die gehören eigentlich in Therapie. Deshalb zögere ich auch noch mit meinem Blog. Ich bin zur Zeit nicht der Gefestigste ;-)

Die aalglatte Außendarstellung. Damit bekomme ich auch zunehmend Probleme. Und weiß mir keinen Rat. Denn, wo ist sie nicht? Da macht Arbeiten keinen Spaß mehr, wenn nach außen hin die tollsten Konzepte und Mitarbeiter präsentiert werden, innen aber noch tiefstes, unaufgeklärtes Mittelalter herrscht. Weit nach meinem Studium habe ich bitter festgestellt, daß ein wesentlicher Aspekt im Studium fehlte: Die Selbstentwicklung. Also sowas, wie Therapie für zukünftige Sozialpädagogen, die Entwicklung menschlicher Qualitäten, an denen es ja immer irgendwo hapert. Dann würde wahrscheinlich der Widerspruch zwischen Außen und Innen gar nicht mehr so groß sein.

Gut, es gibt sicherlich auch genügend Leute, denen dieser Widerspruch gar nicht bewußt ist bzw. die ihn gar nicht sehen wollen. Das ist dann unser Problem: Wie damit umgehen? Den Leuten mehr oder weniger intensiv auf die Füße treten, wird im Regelfall zu mehr oder weniger unfreundlichen Reaktionen führen, garantiert aber nicht zu Freudenschreien. Ich selbst befinde ich mich da derzeit eher in der Frust-Variante: Bloß weg von allem! Laß die ihren Müll alleine machen.

LG, Robert

... link  

 
Zeiten ändern sich...
Du hast Recht mit den „Foren/Blogs als Angriffsfläche für unheile Menschen“. Inzwischen habe ich damit auch mehr Erfahrung, aber zu dem betreffenden Zeitpunkt war mein Blog gerade neu und ich wußte überhaupt nicht, was und wie das so läuft.

Das, was Du über Deine Erfahrung mit der aalglatten Außendarstellung schreibst, deckt sich ja mit meinen Erfahrungen. Allerdings habe ich in meiner Arbeit vor der Tätigkeit als Betreuerin (Frauenhaus, Kindergarten, Beratungsstelle, Drogenarbeit) völlig andere Erfahrungen gemacht – es kam immer auf Inhalte an und nie auf die Form. Die Form hat sich durch die Inhalte ergeben und war somit zwangsläufig auch authentisch. Es gab nicht ein einziges Mal Ärger wegen Kritikäußerung - im Gegenteil, das gehörte für jeden dazu.

Aber mir hat ein Mitarbeiter eines Pflegedienstes, der als Dozent an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (also ehemalige FHS Sozialpädagogik) gesagt, daß die jetzigen Studenten völlig anders sind als die zu unserer Zeit – weniger politisch, weniger kritisch. Zeiten ändern sich ja auch laufend. Aber die Resultate lassen nun mal zu wünschen übrig.

Dein Resümee „Bloß weg von allem“ spricht mir aus der Seele. Aber mit der Rente ist es ja noch nicht so weit. Vielleicht einfach nicht so viel Herzblut in die Arbeit stecken. Vielleicht tatsächlich ein bißchen von den kaufmännischen Kollegen lernen und alles einfach nur als eine Dienstleistung ansehen. Aber das ist sehr, sehr gewöhnungsbedürftig....

Liebe Grüße
Gitta

... link  

 
Perspektiven?
Wieso arbeitest Du eigentlich nicht wieder etwa in einem Frauenhaus? Beratungsstelle oder Drogenarbeit wäre wohl eher weniger möglich, wenn Du keine (therapeutische) Zusatzausbildung hast. Die ist ja mittlerweile in der Regel erforderlich.

Siehst Du, da hast Du ganz andere Erfahrungen machen können, als ich. Ich habe eine zeitlang in einem Jugendzentrum gearbeitet, bin da aber ausgestiegen aufgrund "patriarchalischer" Strukturen (oder Alphamännchen-Struktur: da gab es zuerst das Alphamännchen, nebst Gattin, dann kam noch das dem Alphamännchen nachgeordnete Betamännchen - und gegen beide hatte man kaum eine Chance; halt eine e.V.-Struktur). Anschließend bin ich direkt in das Arbeitsamtsgeschäft eingestiegen. Kritik am Arbeitsamt? Geschäftsschädigend. Hat man gefälligst zu lassen. Mein Anerkennungsjahr hatte ich übrigens in einer Drogenberatungsstelle absolviert: Da saßen zwei alte Herren, die alles andere als motiviert waren, eine Kollegin, die zur Hysterie neigte - alles in allem nicht gerade aufbauend ;-) Und immer diese bösen, widerspenstigen Drogenabhängigen! Das ist mir seit dem immer wieder begegnet: wie verächtlich, haßerfüllt (frustrierte?) Drogenberater mit Menschen umgehen. Wie siehst Du das?

Zu den heutigen Studenten kann ich gar nichts sagen. Kenne nur vereinzelt welche und dann auch nur oberflächlich. Aber denkbar ist dieser Wandel. Warum politisch, warum kritisch sein? Allen geht es gut, und denen es nicht gut geht, denen will der Staat ja helfen, da machen alle natürlich gerne mit und strömen aus und überziehen das Land mit Hilfe. Und klappt das nicht mit der Hilfe, dann ist das niemalsnimmernicht Schuld der Helfer, sondern immer die der Hilfebedürftigen. Das sind nämlich auch so böse, widerspenstige Menschen... Ziemlich einfach gestricktes Denkmuster. Da wirst Du recht haben: früher hätte man sich tatsächlich eher mit den Hilfebedürftigen solidarisiert und Sinn oder Unsinn der Hilfe hinterfragt.

Nicht so viel Herzblut in die Arbeit stecken? Könntest Du Dich da begrenzen? Ich glaube nicht ;-) Hat Martin Luther nicht sowas gesagt: Hier steh ich nun und kann nicht anders? ;-)

Was ich aber noch nicht so richtig verstehe, vielleicht habe ich es auch überlesen: Bist Du denn gezwungen, diesen kaufmännischen Anstrich zu übernehmen? Du hast doch kaum was mit anderen Betreuern zu tun. Du hast Deine Klienten, kannst Dich auf sie konzentrieren und gibst ab und an eine Spitze in Richtung Kollegen ab. Ist das nicht "ausreichend"? Oder wirkt in Dir ein Mitleid mit den Klienten Deiner Kollegen, die immer schlechter betreut werden, und für die Du etwas tun willst?

Lieben Gruß
Robert

... link  

 
In der Drogenarbeit habe ich bereits gearbeitet und festgestellt, daß dies nichts für mich ist. Ich wurde so, wie Du Deine früheren Kollegen beschreibst: frustriert und haßerfüllt. Drogenabhängige behandeln ihre Mitmenschen alles andere als gut und man muß sich wirklich gut abgrenzen können und sehr idealistisch sein, ansonsten ist man irgendwann nicht mehr fähig, das erforderliche Engagement aufzubringen. Für die Arbeit im Frauenhaus käme ich wahrscheinlich nicht mehr in Frage, da ich in einigen Punkten nicht den ideologischen Ansprüchen entsprechen würde. Beratungsstelle oder auch Heim/Wohngruppe käme schon eher in Betracht, nicht alle Beratungsstellen sind ja therapieorientiert.

Zu Deiner Frage nach dem kaufmännischen Anstrich: natürlich muß ich den nicht übernehmen. Aber mit dem allein vor sich hinarbeiten ist das so eine Sache. Für mich war eigentlich nach meiner Arbeit im Betreuungsverein klar, daß ich nicht mehr in dem Bereich arbeiten möchte. Die Betrügereien, die miese Behandlung der Mitarbeiter (ich - und nicht ich allein - wurde auch um einen Teil meines Lohns betrogen, mußte monatelang hinter meinem Zeugnis herrennen) – all das hatte mir erstmal gereicht. Als ich dann aber so schnell nichts anderes fand und mich ein ehemaliger Kollege darauf ansprach, ob ich nicht mit ihm zusammen arbeiten würde, änderte ich meine Meinung und bis vor 3 Jahren arbeitete ich in einer Bürogemeinschaft. Ich hatte nie die Idee gehabt, diese Arbeit im Alleingang auszuführen. Dann trennte sich jedoch die Bürogemeinschaft und dadurch ergab sich dann zwangsläufig, daß ich nun allein arbeite. Die Art, wie die Bürogemeinschaft auseinanderging, fand auf einem kläglichen Niveau statt und war alles andere als angenehm.

Die Betreuungsarbeit kann zeitweilig sehr belastend und nervenzehrend sein. In einem Kollegenkreis kann man das besser abfangen und sich auch gegenseitig stützen. Aber natürlich sollte dann zumindest im Kollegenkreis normal miteinander umgegangen werden. Kollegen, deren Beleidigungen unter die Gürtellinie zielen, Alpha-Kollegen, die Kritikverbote erteilen Kollegen, die einem regelmäßig mit Karacho in den Rücken fallen und Kollegen, die ständig ihre eigenen Motive in andere hineinprojizieren – das ist nicht gerade das, was man sich unter Kollegialität vorstellt. „Die Spitzen, die ich ab und zu verteile“ – wie Du richtig beschreibst – sind eine Folge der ganzen unangenehmen Vorfälle.

Ich gehe übrigens nicht davon aus, daß alle meine Betreuten besser dran sind als die der Kollegen. Allerdings gehöre ich zu denjenigen, die gerne etwas verbessern oder zumindest verändern würden, was man sich aber im Bereich der Berufsbetreuungen abschminken kann, da es meist nur um Rationalisierung der Arbeit und werbewirksame Außendarstellung geht und offene Auseinandersetzungen als Todsünde gelten.

Dein Hinweis auf Luther – den ich übrigens in der Tat sehr bewundere – schmeichelt zwar, aber das ist doch ein anderes Kaliber (ich will ja keine neue Religion gründen). Aber mein früherer Mitarbeiter (kein Kaufmann!) hat mir auch gesagt, daß ich versuchen sollte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und mich nicht um Kollegen kümmern sollte. Etwas anderes wird mir wahrscheinlich auch nicht übrig bleiben.

Viele Grüße
Gitta

... link  

 
Arbeit
"Da wurde mir klar, daß es Menschen gibt, bei denen Hopfen und Malz verloren ist. Die einfach nur Unheil anrichten, wenn sie arbeiten. Vielleicht gibt es ja irgendeine völlig grobe Arbeit, bei der man nichts verkehrt und nichts kaputt machen kann. Aber jede Arbeit, die noch an gewisse Ansprüche geknüpft ist, geht mit solchen Menschen den Bach runter."

Hallo allerseits!
Interessante Gedanken zum Thema Arbeit. Wer richtet eigentlich das Unheil an? Diejenigen, die im Großen Stil gute Präsentation für schlechte Arbeit verkaufen und dabei dicke Autos fahren, oder diejenigen die ehrlicherweise die Kiste auf den Boden knallen? Schade daß es hier keine Smilies gibt, aber vielleicht ist es auch nicht wirklich zum lachen

... link  

 
Unheil wird mit Sicherheit mindestens genauso von denen angerichtet, die ein paar Etagen weiter oben sitzen und die ihre Inkompetenz durch professionelle Präsentation kaschieren. Keine Etage ist davon ausgenommen, der Bankencrash hat dies schonungslos offenbart.

Nichts-desto-trotz muß sich in der Sozialarbeit Gedanken darüber gemacht werden, was man für Menschen tun kann, die schon jahrelang – manchmal jahrzehntelang – aus dem Arbeitsprozeß ausgeschlossen wurden. Und da ziehe ich nach wie vor das traurige Resümee, daß irgendwann kaum noch Eingliederung möglich ist, ohne daß dabei erheblicher Schaden angerichtet wird.

Aber Sie haben Recht – Schaden ist Schaden. Und gemessen an dem Ausmaß der Folgen des Bankencrashs handelt es sich bei den möglicherweise von Arbeitslosenprojekten angerichteten Schäden im Grunde um Peanuts (war das nicht ein durch Banker geprägter Begriff?). Mit dem Unterschied, daß ein Spekulant am Ende dabei gut situiert dasteht und ein Langzeitarbeitsloser eben nicht.

... link  

 
Grundsätzliches
Jetzt bin ich lang genug um Deinen Beitrag vom 20.01.10 rumgeschlichen ;-) Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, letztlich bleibt es dabei: es geht um menschliche Qualität in der sozialen Arbeit. Und unsere Erfahrung scheint dahin zu gehen, daß diese menschliche Qualität sehr oft zu wünschen übrig läßt. Provokativ: Arbeiten so viele schlechte Menschen in der sozialen Arbeit? Darauf läuft es hinaus. Das ist jetzt natürlich auch eine philosophische Frage, denn was ist ein guter Mensch? Ich will niemandem das soziale Motiv bei der Berufswahl absprechen. Aber es reicht nicht aus, helfen zu wollen, Mißstände beseitigen zu wollen usw. Man muß sich auch einem selbstkritischen Entwicklungsprozeß stellen. Man muß sich in seiner Persönlichkeit korrigieren. Menschliche Erziehung bringt es zwangsläufig mit sich, daß man eine Menge Müll / Unfähigkeit mit sich herumträgt, der unbemerkt in die soziale Arbeit (und natürlich nicht nur da) hineinpfuscht, der einen begrenzt und Menschen, denen man zu helfen vorgibt, die Pistole auf die Brust setzt. "Friß oder stirb" ist die billigste Pädagogik und beweist letztlich nur pädagogische bzw. menschliche Unfähigkeit. Menschenliebe ist das nicht. Jeder Mensch ein kostbares, individuelles, schützenswertes Lebewesen? Hier in dieser Gesellschaft nicht!

Ich will mal als Kontrast ein Zitat von Martin Buber anbringen, daß mir persönliches Ziel ist. Und ich hätte wahrlich nichts dagegen, wenn alle Pädagogik ihre Inhalte auf dieses Ziel ausrichtet (den Nazarener kann man weglassen, das Prinzip bleibt das gleiche):

"Gefühle werden 'gehabt'; die Liebe geschieht. Gefühle wohnen im Menschen; aber der Mensch wohnt in seiner Liebe. Das ist keine Metapher, sondern die Wirklichkeit: die Liebe haftet dem Ich nicht an, so daß sie das Du nur zum 'Inhalt', zum Gegenstand hätte, sie ist zwischen Ich und Du. Wer dies nicht weiß, mit dem Wesen weiß, kennt die Liebe nicht, ob er auch die Gefühle, die er erlebt, genießt und äußert, ihr zurechnen mag. Liebe ist ein welthaftes Wirken. Wer in ihr steht, in ihr schaut, dem lösen sich Menschen aus ihrer Verflochtenheit ins Getriebe; Gute und Böse, Kluge und Törichte, Schöne und Häßliche, einer um den andern wird ihm wirklich und zum Du, das ist, losgemacht, herausgetreten, einzig und gegenüber wesend; Ausschließlichkeit ersteht wunderbar Mal um Mal - und so kann er wirken, kann helfen, heilen, erziehen, erheben, erlösen.
Liebe ist Verantwortung eines Ich für ein Du: hierin besteht, die in keinerlei Gefühl bestehen kann, die Gleichheit aller Liebenden, vom kleinsten bis zum größten und von dem selig Geborgnen, dem sein Leben in dem eines geliebten Menschen beschlossen ist, zu dem lebelang ans Kreuz der Welt Geschlagenen, der das Ungeheure vermag und wagt: die Menschen zu lieben." (Martin Buber: Ich und Du, in: Das Dialogische Prinzip)

Menschenliebe und Selbstentwicklung (Reifung) als Ziel und Inhalt pädagogischer Ausbildung? Ich glaube, das wird es nie geben.

Lieben Gruß
Camabu

... link  

 
Wahrheiten
Habe schon auf Deine Antwort gewartet. Das Zitat von Martin Buber ist wunderschön. Und der Ausgangssatz „Gefühle werden ’gehabt’; die Liebe geschieht“ erinnert mich an den Klassiker Erich Fromms „Haben oder Sein“. Der war übrigens Gegenstand eines ganzen Seminars Erziehungswissenschaft während meines Studiums.

Aber weder Buber noch Fromm haben im Moment Hochkonjunktur. Es geht in dieser Gesellschaft eindeutig um andere Werte (vielleicht war das auch schon immer so). Und der von Dir zitierte Ausspruch über die Liebe als dialogisches Prinzip findet allenfalls noch auf die Kernfamilie Anwendung. Bei den übrigen gesellschaftlichen Beziehungen verdrängt der Homo oeconomicus das dialogische Prinzip und das „Du“ wird nicht mehr als Gegenüber geschätzt und respektiert, sondern hat nur noch eine Bedeutung in Bezug auf seinen Nutzwert.

Man muß sich auch einem selbstkritischen Entwicklungsprozeß stellen. Man muß sich in seiner Persönlichkeit korrigieren. Menschliche Erziehung bringt es zwangsläufig mit sich, daß man eine Menge Müll / Unfähigkeit mit sich herumträgt. Das ist wohl wahr. Aber dies findet leider nicht als ein von anderen losgelöster Prozeß statt, sondern in der Interaktion mit anderen. In sozialpädagogischen Teams ist dies schon schwierig genug. Mit kaufmännischen Kollegen ist es nahezu unmöglich. Das eiserne Kritikverbot, das Ausgerichtetsein auf den größtmöglichen Verdienst, das unbedingte Gebot der positiven Außendarstellung – wo soll da eine Korrektur der Persönlichkeit stattfinden? Das ist es ja, was mir meine berufliche Situation so schwer macht. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, muß man rigoros innerlich Abstand nehmen. Das mag nicht unbedingt angenehm sein und ist mit Isolierung verbunden, aber es ist der einzige Weg zu mehr Gelassenheit. Und es ist – wider Erwarten – möglich. Eine Hilfe ist mir dabei die östliche Philosophie mit ihrem Versuch des Loslassens. Nicht mehr festhalten an Idealen und Wünschen, sondern die Welt so nehmen wie sie ist. Und nur das ändern wollen, was sich auch ändern läßt.

Vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße

Gitta

... link  

 
Werte
Entschuldige bitte, wenn ich erst so spät geantwortet habe. Ich befinde mich derzeit in einer Phase selbstzweiflerischer Sprachlosigkeit. Das Leben stellt mich mal wieder auf eine Probe.

Das ist wahr: weder Buber, noch Fromm haben Hochkonjunktur. Bedauerlich. Auch wahr: daß es in dieser Gesellschaft um andere Werte geht. Ich würde diese Werte aber nicht als Werte bezeichnen. Mir ist Wert etwas, das der menschlichen Selbstentfaltung dient, hin zu einem liebevollen, verständigen, allem Leben gegenüber respektvollen Wesen. Und da hapert es schon in der Kernfamilie. Was wird mit den Kindern einer eitlen oder hysterischen oder hilflosen Mutter, was mit denen eines desinteressierten oder chauvinistischen oder gefühlsbeschränkten Vaters?

Ich denke, es war immer schon so. Das Interesse an dem Menschen in seiner schönsten Gestalt blieb auf einige Dichter, Denker, Träumer begrenzt. Der Mainstream hatte und hat nichts anderes als Wohlstand und Macht im Sinn, also durchaus knallharten Egoismus. Wobei vielen dieses Prinzip sicherlich nicht bewußt ist. Das Leben, die geschichtliche Entwicklung brachte es einfach so mit sich. Und vielleicht stellt Dein Homo oeconomicus im Laufe der menschlichen Entwicklungsgeschichte zugleich einen negativen Höhe- und einen Umkehrpunkt dar: wenn nämlich verletzte, unterdrückte, ausgebeutete, mißachtete Menschenseelen in ihrem Leid nicht mehr anders können, als aufzubegehren. Naja, ich weiß nicht...

Ach, Deine berufliche Situation... Ich kann nachvollziehen, wie schwer, wie quälend das für Dich ist. Ähnliches habe ich ja auch erlebt, mit der Folge, daß ich die Notbremse zog (Kündigung und derzeit arbeitslos). Gut, wenn Dir die östliche Philosophie wirklich eine Hilfe ist. Ich tue mich schwer mit ihr. Meditierst Du regelmäßig? Und Ideale sind nicht gewünscht in dieser Philosophie? Ich denke jetzt z.B. an das Ideal der Liebe. Kann ich mir gar nicht vorstellen, daß dies nicht erlaubt ist. Nachvollziehbar ist dagegen für mich das Loslassen, auch von Wünschen. Man ist ja wirklich oft von Gedanken dermaßen "besetzt", daß einem jegliches freie Atmen unmöglich ist. Welche östliche Philosophie meinst Du eigentlich konkret?

Was den inneren Abstand und die Isolierung angeht: Es ist unangenehm, auch weil wir soziale Wesen sind, also angewiesen auf Zwiesprache, auf Ich und Du. Wir wollen uns aufgehoben und geborgen wissen. Sollte dies nicht gegeben sein, hoffe ich doch, daß sich in einem Menschen so viel Kraft finden oder freisetzen läßt, um diese Isolation unbeschadet zu überstehen. Wenn Du diesbezüglich mit Hilfe der östlichen Philosophie voran kommst, um so besser. Ich suche noch diesen Punkt in mir. Als sinnvoll oder erstrebenswert empfinde ich das Einzelkämpfertum allerdings nicht. Wie findet man die Alternativen?

Lieben Gruß
Robert

... link  

 
Erst ein Weilchen mitgelesen...
...habe ich Euren sich jetzt ja schon recht komplex entwickelnden Kommentar-Thread, und immer wieder mit großem Interesse.

In der Welt der Betreuung kenne ich mich nicht wirklich aus, aber es zeigt sich im Grunde genommen auch hier, was überall in der Arbeitswelt zu beobachten ist, nämlich die vollkommene Verwertung des Menschen. Der besagte Homo Oeconomicus sieht ja nicht nur das "Du" als Objekt mit Gebrauchswert, sondern auch sich selbst. Das heißt, es kann gar keine Infragestellung dieser Maßstäbe stattfinden, befindet sich doch der Bewerter selbst im selben System und sieht dessen Fehlerhaftigkeit gar nicht erst. Die heilige Kuh der Verwirtschaftung steht über allem, und sie wird nicht angezweifelt, sondern in ihrem gottgleichen Zustand belassen.

Dass man in einem solchen Kontext gerade an sozialer Arbeit verzweifeln kann, kann ich mir lebendig vorstellen. Denn im Umgang mit Menschen, die irgendwie in diese Maschinerie nicht hineinpassen können oder wollen zeigt sich ja ganz besonders, wie wenig sich all das noch um den Menschen dreht. Es ist unmöglich, der menschlichen Seele mit all ihren Facetten gerecht zu werden, wenn nur zählt, was unter dem Strich herauskommt - weder der eigenen, noch der von Klienten/Klientinnen oder der werten Kundschaft. Du bist nur noch, was sich an Dir bezahlt macht. Dass unter diesen Umständen auch zahlreiche Menschen mit entsprechender Veranlagung zu Alphatierchen mutieren ist nur konsequent, auch wenn sie das nicht von ihrer eigenen moralischen Verantwortung entbindet. Wer spurenweise die Erfahrung gemacht hat, dass er trotz anders wirkender Fassade in diesem Schmierentheater schließlich doch nur Spielball ist, neigt halt auch manchmal dazu, die mangelnde eigene Macht durch Chauvinismus oder andere unfeine Charakterzüge ausgleichen zu wollen...

@Robert: Trotz täglicher Meditation bin ich irgendwie auch nicht dagegen gefeit, mich diesen Gegebenheiten gegenüber gelassener zu zeigen und eigene Wünsche abzustreifen, aber ich denke, darum geht es wahrscheinlich auch gar nicht. Ich habe feststellen können, dass im Gegenteil die Achtung für andere Menschen steigt, wenn man generell lernt, achtsam und bewusst zu sein - und nichts anderes ist ja eigentlich die Meditation. Das heißt, dass einem auch all die Dinge vermehrt ins Auge fallen, die so große Unwürdigkeit produzieren.

Du hast Recht, es ist schwer, Handlungsalternativen zu finden, vor allem dann, wenn man darauf angewiesen ist, die Butter aufs Brot zu kriegen. Aber vielleicht gerade weil es schwer ist, sollte man glaube ich das Darüber-Diskutieren, das Bewusstwerden und Nachdenken auf keinen Fall aufgeben. Nur, weil es noch nicht gedacht worden ist, heißt das nicht, dass es nicht anders gehen kann.

Liebe Grüße,

sturmfrau

... link  

 
Überstrapaziertes Verständnis
@Robert Roland:
Meine Bemerkung, daß ich schon auf Deine Antwort gewartet habe, sollte keine Drängelei darstellen – ich freue mich einfach, daß es jemanden gibt, mit dem man endlich einmal diskutieren kann.

Du schreibst, daß Du „Die Notbremse“ gezogen hast. Ich habe das früher auch so gehandhabt und finde es konsequenter, als sich irgendwann so zu verhalten, wie man sich eigentlich nie verhalten wollte. Das eigentlich Schlimme an der Arbeitslosigkeit ist in meinen Augen nicht die Untätigkeit oder das wenige Geld, sondern die Tatsache, daß man um Arbeit betteln und ständig von potentiellen Arbeitgebern bewerten lassen muß. Das zerstört irgendwann jegliche Selbstachtung. Man kann sich immer nur wieder sagen, daß diejenigen, die im Besitz einer Arbeitstelle sind, oftmals eben nicht besser sind, sondern meist einfach nur mehr Ellbogen oder aber weniger Rückgrat haben.

Deine Frage, ob in der östlichen Philosophie Ideale nicht erwünscht sind, könnte man sicher endlos lange beantworten. Aber ich mache es mal kurz: es gibt sicher auch dort Ideale, aber das Ziel ist, trotz der mangelnden Möglichkeit der Verwirklichung dieser Ideale nicht zu verzweifeln. Und das ist ja auch durchaus erstrebenswert – die Kraft für das Mögliche zu sparen und sich nicht aufzureiben für Dinge, die sich (momentan) nicht ändern lassen. Und sich unabhängig von anderen zu machen. Diese Richtung gibt es nicht nur im Buddhismus, sondern auch in der Stoa: die Akzeptanz des Gegebenen.

@Sturmfrau:
Ich kann mir natürlich auch beim Alphamännchen erklären, warum es sich so und nicht anders verhält. Aber das ist mehr eine theoretische Sache. Wenn man in der alltäglichen Auseinandersetzung mit ständigen Machtgehabe konfrontiert wird, dann muß man enorm viel Geduld haben, um auch den anderen letztendlich immer nur als Opfer eines umfassenderen Systems zu sehen.

Ich habe in der Vergangenheit jahrelang – für meine Verhältnisse – viel Verständnis gezeigt. Nicht in Bezug auf Alphagetue, sondern in Bezug auf Umgangsformen, die mir eigentlich zutiefst zuwider sind, wie z.B. verächtliche Sprüche über Minderheiten oder aber das dumpfe, unterwürfige Mitansehen von miesem Machenschaften, verbunden mit dem Fehlen jeglicher Solidarität. Ich habe mir immer wieder gesagt, daß nun mal jeder seine Schwächen hat und man Menschen so akzeptieren muß, wie sie eben sind. Als dann aber eben genau diese Menschen mir irgendwann ziemlich heftige und üble Dinge an den Kopf warfen, war es für mich mit dem Verständnis vorbei. Die Fähigkeit des Verstehens kann auch gnadenlos überstrapaziert werden. Ständig Menschen verstehen zu müssen, die selbst nicht einmal einen Hauch Verständnis für andere aufbringen, läßt die ganze Scheinharmonie platzen.

Die Art, wie Du das Thema angehst, ist die systemische Weise, mit der bei einem Problem nicht irgendein Schuldiger als Alleinverantwortlicher gesucht wird, sondern das zugrunde liegende System mit dem Anteil jeder beteiligten Person aufgedeckt werden soll. Dahin möchte ich auch wieder zurückkommen. Aber mit den Kollegen des Typs Homo oeconomicus ist dies schwerlich möglich. Bei denen soll nichts aufgedeckt oder analysiert werden. Es soll lediglich nach außen ein heiles Bild erhalten werden. Die von allen Ecken und Enden kommende Kritik an Betreuern wird daher auch nicht zum Anlaß für Selbstreflexion genommen, sondern einfach ignoriert. Und so dreht man sich dann im Kreis. Es sei denn, man zieht sich zurück, wie ich es momentan mache.

Viele Grüße und Euch beiden eine gute Nacht

Gitta

... link  

 
Das Alphatier
Oh je, ich hoffe sehr, Du hast mich nicht missverstanden. Ich finde dieses Alphatier-Gehabe genau so absurd und unmenschlich wie Du und wollte ganz sicher nicht um Verständnis werben. Dieses Verhalten ist zwar wie erwähnt für mich eine logische Konsequenz der Verhältnisse, aber das entschuldigt es noch lange nicht. Wie sich der Mensch verhält, ist schließlich von seinen Entscheidungen abhängig. Das betrifft auch und besonders die Menschen in sogenannten übergeordneten bzw. "Führungs"-Positionen. Und ich kann mir lebendig vorstellen, dass Du davon die Nase voll hast.

Derartiges Verhalten zeigt sich ja nicht nur in der Arbeitswelt, wenn auch hier besonders. Beispielsweise die Familie kann eine ebensolche Spielwiese für Machtmissbraucher sein, und wer es dann auf der Arbeit "nicht packt", lässt doch schon ganz gern auch mal seine Aggressionen an schwächeren Familienmitgliedern aus. Später schließt sich dann der Kreis, wenn letztere ihre eigene, subjektiv erfahrene Nichtswürdigkeit wieder an anderen Menschen kompensieren oder aber daran zugrunde gehen.

Schlimm finde ich aber eben auch, dass dieser Zustand des Überlegenseins mit all seiner Arroganz und seiner Ellenbogenmentalität als erstrebenswert propagiert wird. Wer es anders macht, ist eben ein "Weichei", kann sich nicht durchsetzen, ist nicht flexibel genug oder wird als naiv und unrealistisch tituliert, so nach dem Motto "Willkommen in der wahren Welt!" Dazu kommt an so manchem Arbeitsplatz dann auch noch eine gehörige Portion Sexismus, wie ich selbst in der Vergangenheit auch manches Mal erfahren durfte.

Es wäre schön, wären diese Verhältnisse in den Köpfen der einzelnen bewusster und präsenter, aber dann wären sie eben nicht so, wie sie sind. Das ganze funktioniert nur aufgrund der ihm innewohnenden Bewusstlosigkeit, sei diese nun gewollt oder auch nicht. Klar, dass dann diejenigen, die sich am längeren Hebel wähnen, den Status Quo aufrecht erhalten wollen. Veränderung ist hier ja nicht erwünscht, warum auch? Man schwimmt ja oben (was auch immer man darunter verstehen mag...).

Herzliche Grüße,

sturmfrau

... link  

 
@Sturmfrau: Da hast Du recht, die vollkommene Verwertung des Menschen breitet sich aus. Treffendes Wort, bitteres Wort: Verwertung! Und es ist auch richtig, daß man als Rädchen des Systems eher nicht in der Lage ist, einen kritischen Blick auf die Gesamtlage zu werfen. Und nun? Diese heilige Kuh in ihrem gottgleichen Zustand, die macht mich verrückt. Wie diese Kuh vom Sockel stoßen? Ich für mich persönlich mag da sicherlich noch irgendeinen passablen Weg finden, mich dieser Sekte zu entziehen. Was aber ist mit all denen, die unter diesem System leiden, denen also schon bewußt ist, daß das System sie verwertet, die aber nicht den Mut finden, ihren eigenen Weg zu gehen oder die ohnmächtig den Stellvertretern der heiligen Kuh ausgeliefert sind? Nein, das frage ich nicht wirklich Dich. Es ist eher in der Art, wie Du es am Schluß erwähntest: nicht aufgeben, nachzudenken. Eben auch Fragen stellen, um Klarheit zu gewinnen. Übrigens: Danke für diesen Hinweis! Der kommt mir gerade zupaß ;-)

Meine Gedanken drehen sich immer wieder um die Worte "Vision" und "Utopie". Da müßte man einen gesellschaftlichen, einen menschlichen Gegenentwurf zum Heute auf den Weg bringen und hoffen, daß dieser Traum ins Herz trifft und Bewegung auslöst. Ok, Mr. President zeigt uns natürlich - ungewollt - deutlich, wie es sich so mit Träumen und Sehnsüchten und Volkes Geduld und politischer Machbarkeit verhält. Ich bin sicher, die Sehnsucht derjenigen, die Obama gewählt haben, war echt. Aber wahrscheinlich nicht Antriebskraft genug. Hat man den bequemeren Weg gesucht, alles Wohl und Wehe in die Hände des Heilsbringers gelegt und selbst die Verantwortung abgelehnt? Ist das nicht klassische menschliche Verhaltensweise? Kann man im System, in dieser Masse an Menschen überhaupt Veränderung bewirken? Muß man nicht "aussteigen"? Ich denke oft auch an den Film "Fahrenheit 451". Zwei Parallelwelten nebeneinander: hier die kontrollierte Einheitswelt, die Verwertung, dort die Welt der Büchermenschen in den Wäldern, die Freiheit. Müssen Menschen, die Mensch bleiben wollen, heute in die Wälder fliehen? Kann ja nicht sein. Naja, sie fliehen dann halt eben in die Blogs ;-) Ist aber auch nicht Sinn der Sache.

Danke für die Erläuterung zur Meditation. Das ist mir neu, daß Achtsamkeit und Bewußtheit dazu führen, andere Menschen zu achten. Hast Du das zufällig mal irgendwo in Deinem Blog erläutert? So zum Nachlesen ;-)

@Gitta

Du, als Drängelei habe ich es auch nicht gesehen. Da brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen. Es ist natürlich schon merkwürdig, wenn ich bisher recht zügig geantwortet habe und plötzlich kommt tagelang kein Kommentar. Ich kenne es von mir so, daß ich in solchen Fällen ungeduldig werde. Es kommen Zweifel auf, die Sorge, möglicherweise Falsches geschrieben oder den anderen verletzt zu haben. Insgesamt eine beunruhigende Situation, weil ich ja nicht will, daß der Kontakt abbricht.

Um Arbeit betteln? Sprichst Du da aus eigener Erfahrung? Ich selbst kenne es so eigentlich nicht. Ich hatte noch nie den Eindruck, betteln zu müssen. Wenn ich mal arbeitslos war, dann nie lange (außer einmal, da war ich ca. 10 Monate arbeitslos, aber das habe ich mir auch gegönnt; hatte ja eine Abfindung, die ich zuerst auf den Kopf hauen konnte ;-) Gut, mag sicherlich auch darin begründet sein, daß ich in den letzten 11 Jahren vorwiegend im Arbeitsamtsgeschäft tätig war. Da setzt man gerne auf Alter und Erfahrung.

Hier muß ich aber nochmal zur Sicherheit nachfragen: Wie meinst Du das mit den Ellbogen oder dem fehlenden Rückgrat? Daß Arbeitslose sich besser darstellen, als sie sind, oder gar kriechen, um die Stelle zu bekommen?

Nicht verzweifeln, Kraft für das Mögliche finden, das Gegebene akzeptieren usw. - damit kann ich was anfangen ;-) Und trotzdem ist mir das Ganze ein Buch mit sieben Siegeln ;-) Vielleicht bin ich doch zu sehr westlich geprägt. Du hast ja z.B. Deine Reisen, die sicherlich auch vor dem Hintergrund der Vorliebe für Buddhismus usw. zu sehen sind, und davon zeugen, daß Du quasi mit Leib und Seele bereit bist, eine andere lebendige Erfahrung zu machen.

Lieben Gruß an euch beide
Robert

... link  

 
Gitta, ich hoffe, es ist okay für Dich, wenn sich hier so tiefenphilosophische Betrachtungen ergeben, die vom eigentlichen Beitragsthema etwas abweichen?

@Robert:
Ich hatte mal einen Prof, der sich (und uns) gerade mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt hat, und wir haben uns um eben diese Verwertung auf konstruktive Art und Weise Stunde um Stunde die Köpfe heiß geredet. Diese Diskussionskultur starb dann leider auch irgendwann zugunsten des Schnellstudiums...

Das Problem bei der Sache ist, dass es auch Bewusstsein nicht frei Haus gibt. Denken muss man wollen. Es gibt so viele Dinge, die vom Denken ablenken. Nicht aufgeben zu denken, genau das ist es. Und zwar gerade dann, wenn einem mal wieder eine einfache Erklärung für schwierige Sachverhalte serviert wird. Ich glaube nur, dass Aussteigen und Flucht nicht wirklich hilft. Man braucht das sicherlich zeitweise, um sich aufzutanken, aber wenn man an sich den Anspruch hegt, Dinge verändern zu wollen, dann geht das sicher nicht im Elfenbeinturm. Oder man muss eben diesen Anspruch aufgeben und sich arrangieren - aber wenn uns das so leicht fiele, dann gäbe es wohl diese Diskussion hier nicht. Ich bin froh, dass dieses Arrangieren immer noch manchen Menschen schwerfällt.

Was die Meditation betrifft, kann ich natürlich immer nur von mir selbst sprechen. Ich habe einiges dazu gelesen, und es gibt dazu Anschauungen und Methoden noch und nöcher, und natürlich auch massenweise religiöse und nicht-religiöse Herleitungen. Ich bin in dieser Hinsicht eine große Freundin von Schlichtheit. Die Angelegenheit mit der Bewusstheit und Achtsamkeit habe ich an mir selbst beobachtet, aber dann auch in der Literatur bestätigt gefunden. Gebloggt habe ich darüber bisher nicht, aber das wäre mal eine Idee. Da wäre dann auch der angemessene Platz, um das Thema eingehender zu betrachten.

... link  

 
Stichwort Denken
@Sturmfrau
Nein, es stört mich nicht, daß hier tiefenphilosophisch diskutiert wird – schließlich arbeite ich die überwiegende Zeit allein in meinem Büro und ich freue mich, daß ich auf diese Weise endlich mal die Möglichkeit eines Austauschs habe.

Denken muss man wollen...Nicht aufgeben zu denken, genau das ist es. Und zwar gerade dann, wenn einem mal wieder eine einfache Erklärung für schwierige Sachverhalte serviert wird.

Das trifft den Nagel auf den Kopf. Ich habe seit langem leider hauptsächlich mit Menschen zu tun, die eine regelrechte Abneigung gegen das Denken haben. Die auf alles nur mit Platituden reagieren. Und dabei zu allem Übel noch ständig ihre eigenen Wertmaßstäbe und Motive in andere hineinprojizieren. Das macht Kommunikation entsetzlich anstrengend. Denn man muß sich andauernd mit Dingen auseinandersetzen, die real gar nicht vorhanden sind, sondern nur Projektionen darstellen.

Denken hat aber auch etwas mit Authentizität und Ehrlichkeit zu tun. Der Ausspruch „Manche lügen schon beim Denken“ trifft auf viele zu. Weil Wahrheit anstrengend und mühsam ist und mit Selbstkritik zu tun hat.


@Robert (natürlich nicht Roland, Entschuldigung!)
Das mit den Ellbogen und dem fehlenden Rückgrat habe ich nicht in Bezug auf die Arbeitslosen gemeint, sondern auf diejenigen, die eine Arbeit haben. Die sich ihre Arbeit mit Hilfe ihrer Ellbogen erhalten oder aber aufgrund ihres fehlenden Rückgrads. Wer zu weich ist oder aber aufmuckt riskiert viel eher den Verlust des Arbeitsplatzes.

Das mit dem Betteln um Arbeit habe ich früher vor meinem Studium so empfunden. Und ich empfinde es auch immer, wenn ich die heutzutage üblichen Lebensläufe lese. Wobei ich dies vielleicht besser mit anbiedern bezeichnen würde: „Guckt mal, was ich alles kann!“. Ich habe noch nie soviel peinliche Aufschneiderei gesehen. Aus einem simplem Erholungsurlaub wird Auslandsarbeit gemacht, aus einem Volkshochschulkurs ein hochqualifiziertes Arbeitsseminar. Was mich tröstet, ist die Tatsache, daß doch so machen dies auch durchschauen und eher amüsiert als beeindruckt reagieren.

Suchst Du denn zur Zeit aktiv eine Arbeit?

Und Euch beiden wieder eine gute Nacht!

... link  

 
Aussteigen, Denken
Zu Aussteigen, Flucht, Elfenbeinturm: Aussteigen muß ja nicht bedeuten, daß man nicht mehr aktiv ist. Man spielt nur nach seinen eigenen Regeln, weil man erkannt hat, daß man damit gesünder, menschlicher lebt. Man macht es einfach nur ganz anders. Mir fällt nur gerade ein Beispiel ein: Neill und seine Schule Summerhill. Provokativ: Ich denke, Buddha ist auch ausgestiegen ;-) Ausstieg beschäftigt mich derzeit, weil ich nicht weiter weiß. Und selbst den Begriff "Ausstieg" könnte ich zur Zeit nicht definieren. Er schwebt halt so im geistigen Raum herum und ich muß schauen, ob und was ich mit ihm anfangen kann. Das Wort ist u.a. eine Reaktion auf meine Erfahrungen in den vergangenen Jahren in einem bestimmten beruflichen Arbeitsfeld (nämlich Arbeitsamtsmaßnahmen), aber auch auf Erfahrungen im zwischenmenschlichen und zwischenkollegialen Umfeld. Ich habe das Gefühl, SO anders zu sein, daß es einfach nur lästig wird, mich dauernd zurückzunehmen, mich dauernd zurückzuhalten. Offensiv zu werden würde aber auch nichts bringen, weil die Leute es nicht begreifen. Wie nennt man so eine Situation? Mir fällt gerade kein passender Begriff ein. Und wenn man das eigentlich sein Leben lang so gehandhabt hat, kommt der Begriff "Ausstieg" wohl zwangsläufig: nicht mehr nach den Regeln anderer spielen, weg von dieser Eingebundenheit ins System, in dem man immmer nur widerspruchslos zu funktionieren hat. Übrigens sind meine beruflichen Möglichkeiten stark eingeschränkt, da ich aus der Kirche ausgetreten bin.

Zu Arbeitslose, Bewerber: Ok, dann habe ich es doch richtig verstanden ;-) Stimmt, das hat heute viel mit Anbiedern zu tun. Naja, die Konkurrenz ist groß, jeder versucht sich entsprechend hervorzuheben. Ich find es auch nicht richtig. Spätestens im Vorstellungsgespräch fällt die Maske und die Blamage ist da. Aber soweit denken die meisten wohl gar nicht.

Zur Arbeitssuche: Nein, zur Zeit suche ich keine Stelle, zur Zeit suche ich mich. Hört sich komisch an, nicht wahr? Ich bin ziemlich durcheinandergeraten und muß mich da erstmal ein wenig stabilisieren. Und dann steht ja auch noch der Ausstieg im Raum ;-) Ich will da jetzt gar nicht näher eingehen, weil das eine Story ohne Ende würde, und dafür ist hier jetzt gar nicht der richtige Platz. Nur soviel: Da gibt es eine Angsterkrankung, eine Abservierung durch einen Arbeitgeber, die mich in eine ambulante Psycho-Therapie getrieben hat (das große schwarze Loch, in das man schon mal fallen kann), zwischenzeitlich zwei Stellen, die ich wieder geschmissen habe, weil die Arbeitsbedingungen unmöglich waren, und jetzt die Suche nach dem Selbstbewußtsein bzw. Selbstwertgefühl. Ein Mensch in der Krise, wie er im Buche steht ;-)

Zum Denken: Aus dem eben Gesagten kann man leicht erschließen, wie richtig ich Denken, Authentizität, Wahrheit erachte, aber auch weiß, wie schwierig es ist, wie gerne man sich um bestimmte Themen herumdrückt, weil man sonst das Gefühl hätte, einem würde der Boden unter den Füssen weggezogen oder man würde vor anderen schlecht dastehen. Wahrheit, Authentizität löst ja auch Angst aus. Und man braucht ja auch ein tragendes Umfeld, Menschen, die verständig sind, nachsichtig, hilfreich, um sich wirklich an Themen heranzutrauen. Da wird es aber dann schwierig, weil anscheinend nur sehr wenige Menschen qualifiziert sind, einem anderen Menschen vertrauenserweckend entgegenzukommen.

Sag mal, Sturmfrau, was hast Du eigentlich studiert?

Das mit dem Roland, das vergessen wir mal ganz schnell ;-) Passiert mir aber öfter. Irgendwie scheint Roland geläufiger zu sein, als Robert. Gut, ich mag beide Namen nicht.

Gitta, ich sehe gerade, Du hast das Foto ausgetauscht. Wieso?

Lieben Gruß und schönen Tag für euch zwei
Robert

... link  

 
@Gitta:

Authentizität, um die geht es immer wieder. Das ist ein Thema, dem ich wiederholt begegne, bei anderen und bei mir selbst. Es gilt, sich nicht zu jemandem zu machen, der man nicht ist. Was natürlich voraussetzt, dass man eine vage Ahnung davon hat, wer man ist. Und schon das fällt vielen schwer. Ich selbst stolpere andauernd darüber. Ich denke aber, in dem Zusammenhang kann es auch schon hilfreich sein, mal zu definieren, wer oder was man nicht ist. Wenn man sagen kann, kein Verwertungsmühlen-Mensch zu sein, ist das doch schon mal ein Anfang. Viele Menschen kommen aber gar nicht erst genügend mit sich in Kontakt, um das feststellen zu können. Sie meinen zu müssen oder gar zu wollen, was ihnen vorgekaut wird. Sie haben keine Ahnung, woher ihre ständige Erschöpfung, ihr leises Widerstreben und Unbehagen kommt, geschweige denn, dass sie das ernst nehmen. Gegen diese Symptome einer größeren Krankheit helfen rein vordergründig Ignoranz und Schubladendenken, Macht- und Rechthaberei, denn sie vermitteln erst einmal Sicherheit. Man kann sich darin sehr gut einrichten. Leider. Es ist so viel komplizierter, sich auf den Weg zu machen.

@Robert:

Ich hatte mich beim Thema "Aussteigen" wohl zu sehr an dem Bild der "Flucht in die Wälder" orientiert (ich gebe zu, ich habe weder den Film gesehen noch das Buch gelesen...). Gedanklich aus den gewohnten Strukturen auszusteigen ist natürlich etwas anderes. Du merkst, dass Du die alten Wege nicht weiter gehen kannst, also schlägst Du neue ein. Allein schon, sich darüber mit anderen auszutauschen, wie es an dieser Stelle geschieht, ist ein Schritt auf einem anderen Weg. Ich persönlich fand die Erfahrung immer interessant und zugleich auch beängstigend, wenn plötzlich Wände zur Seite traten und sich neue Denk- und Gefühlsmöglichkeiten ergaben, und das nur, weil man die alten als nicht absolut erkannt hat. Es ist nur so, dass man mit dieser neuen Mehrdimensionalität auch lernen muss, umzugehen.

In Sachen Studium habe ich mich schon als wenig verwertbar erwiesen. Ich habe zunächst sechs Semester Sprachwissenschaft und Kulturwissenschaft studiert, stand dann mit hängenden Armen vor der Erkenntnis, dass Geisteswissenschaften sich schwerlich verwerten lassen ("Was willst'n damit mal machen später?"). Dann wechselte ich noch einmal, spürte aber wohl offenbar, dass das ökonomisch Brauchbare mir wenig liegt, und blieb mit Geschichte und Politikwissenschaft grundsätzlich im Metier. Alles weitere berufliche Bestreben war dann auf "irgendwie Durchkommen" angelegt. Nach schönen, aber finanziell und anerkennungsmäßig wenig fruchtbaren Jahren als freie Radioredakteurin bin ich jetzt - völlig abwegig - im IT-Bereich tätig.

Falls Du übrigens mal per Mail in Austausch treten willst, in meinem Blog findet sich unter Impressum die Kontaktmöglichkeit... Was mich freuen würde.

Herzliche Grüße,

sturmfrau

... link  

 
Fluchtpunkte und Fluchthelfer
@Robert
@Sturmfrau

Zum Thema Authentizität kann ich nur sagen, daß wohl kaum etwas so krankmachend sein kann, wie eine Umgebung, in der man sich verstellen muß. Es gibt Menschen, denen das im Blut liegt, aber wir gehören anscheinend nicht dazu.

Ich bin nicht der Meinung, daß man ständig das Innere nach außen kehren muß; es gibt Dinge, die man für sich behalten sollte. Aber es ist abstoßend, wenn Menschen mehr unechte Verhaltensweisen an den Tag legen als echte. Und die Kommunikation mit solchen Menschen kann zur Qual werden.

Unter meinen Kollegen gibt es nicht wenige, die sich in Gegenwart von Obrigkeiten völlig anders als sonst geben. Kollegen, die eine gänzlich andere Ausdrucksweise benutzen, wenn sie nicht unter sich sind. Eine völlig andere Meinung vertreten, je nachdem wer gerade anwesend ist. Spricht man jemanden auf etwas Gesagtes an, wird vehement abgestritten. Und über allen schwebt ein ungeschriebenes Gesetz, immer so zu tun, als wäre alles in Ordnung und man hätte alles im Griff. Obwohl eigentlich kaum jemand so dämlich ist, dies tatsächlich auch zu glauben. Es gibt jede Menge Kritik – aber eben immer nur hinter dem Rücken des Kritisierten. KollegInnen, die gerade eben noch heftigst über jemanden hergezogen sind, ändern in einem Bruchteil einer Sekunde ihr Verhalten, wenn der Betreffenden hinzukommt. Chamäleons in Reinkultur.

Aber bevor ich wieder anfange, mich darüber aufzuregen – man muß einfach auf Distanz gehen. Oder es zumindest versuchen. Mir hilft dabei schon Lesen ein wenig weiter. Am liebsten biographische Beschreibungen. In denen es nur darum geht, was jemand fühlt, denkt oder vertritt. Das ist für mich Erholung von der alltäglichen Phrasendrescherei. Erholung von Themen wie Altersvorsorge, Einbauküche und absurden Spekulationen darüber, warum wer was warum gemacht hat. Aber auch Lyrik kann helfen, denn wahre Lyrik kann immer nur das tatsächlich Empfundene oder Gedachte ausdrücken.

Ich habe mal irgendwo gelesen, man muß Menschen meiden, bei denen man nicht man selbst sein kann. Nun, das ist leider nicht immer möglich. Aber man kann auf innere Distanz gehen. Und sich bei guten Freunden immer wieder rückversichern, daß es völlig normal ist, wenn man keine Lust auf albernes Theater hat. J.D. Salinger hat mal geschrieben, daß Erwachsensein Verrat am Selbst ist. Das trifft wohl auf viele zu. Und will man sich nicht völlig verraten, dann muß man sich von Menschen fernhalten, die sich anders geben, als sie tatsächlich sind. Diese Spezies verlangt nämlich von anderen das gleiche Schmierentheater. Ich weiß nicht, ob man gleich völlig aussteigen muß. Manchmal helfen schon Fluchtpunkte. Gute Freunde. Ein gutes Buch. Oder der Austausch mit Gleichgesinnten. Unter andern manchmal auch im Blog.

Roland, nimm Dir die Zeit, die Du momentan brauchst. Therapie ist nicht das Schlechteste, denn zumindest im therapeutischen Rahmen kann man authentisch sein.

Welches Foto meinst Du übrigens? Ich habe nirgends eins rausgenommen.

Gute Nacht!

... link  

 
Fahrenheit 451
Ich antworte auf eure letzten Beiträge später, weil Du, Sturmfrau, mir eine Steilvorlage geliefert hast, die ich unbedingt verarbeiten muß ;-) Das ist gut, daß Du weder Buch noch Film "Fahrenheit 451" kennst. Wie ist das bei Dir, Gitta?

Seit gestern abend geht mir der Film nicht mehr aus dem Kopf und langsam kommt die Erinnerung wieder. Ich versuche ihn mal kurz nachzuerzählen. Fahrenheit 451 ist, wenn ich mich recht erinnere, die Temperatur, bei der Papier anfängt zu brennen. Und darum geht es auch. In dem Film wird eine Gesellschaft skizziert, in der es verboten ist, Bücher und dergleichen zu lesen und zu besitzen. Es ist eine funktionale Gesellschaft, in der der einzelne Mensch nichts gilt. Er hat zu arbeiten, darf sich vergnügen, aber nur obrigkeitsgesteuertes Vergnügen ist erlaubt. Die Menschen werden klein, dumm, naiv, unwissend gehalten. Gegen Langeweile oder ungute Gefühle hilft das Fernsehen (Mitmachshows), Zeitung in Comic-Form, Pillen. Wer Bücher besitzt, macht sich strafbar und wird früher oder später bei der Feuerwehr denunziert. Und Aufgabe der Feuerwehr ist es nicht, Brände zu löschen, sondern Brände zu legen: sie verbrennt Bücher!

Hauptperson in diesem Film ist der Feuerwehrmann Montag. Er gilt als strebsam, ergeben und ist für höhere Aufgaben vorgesehen. Äußerlich. Innerlich scheint doch etwas anders bei ihm zu sein. Bei einer dieser Bücherverbrennungen steckt er sich heimlich ein paar Bücher ein, nimmt sie mit nach Hause und versteckt sie. Nachts, wenn seine Frau schläft, liest er heimlich diese Bücher und wird in deren Bann gezogen. Eines Tages geht es wieder zu einem Brenneinsatz. Und dieser Einsatz führt ihn zu seinem eigenen Haus. Ich glaube, seine Frau hat ihn denunziert. Montag flieht. Er hat vorher eine Frau kennengelernt, die ebenfalls Bücher besitzt, und von ihr erfahren, daß es in den Wäldern die Kolonie der Büchermenschen gibt. Gemeinsam fliehen sie in die Kolonie. Das Bemerkenswerte an diesen Menschen: Jeder ist ein wandelndes Buch. Damit dieses menschliche Erbe, Wissen, Können nicht verloren geht, hat jeder dieser Menschen ein Buch auswendig gelernt. Und so sieht man sie durch den Wald spazieren und Bücher auswendig lernen oder rezitieren.

Es ist ein bedrückender Film. Und ich kann nicht umhin, in der Gegenwart Parallelen zu finden. Die Masse will keine störenden Gefühle, kein Leid, keine Entwicklung. Dagegen hilft Fernsehen und Glückspillen. Nur nicht aus dem Raster fallen. Wer aus dem Raster fällt, wer stört, wird denunziert, und der Staat ist aufgerufen, für Ruhe zu sorgen. In dem Film gab es dann auch eine Hubschrauber-Live-Übertragung (wie in den USA ja üblich) der Verfolgung und Erschießung des flüchtigen Montags. Und das Volk hatte seine Ruhe. Daß das gar nicht Montag war, wußte der Zuschauer nicht. Aber durch diese Aktion hatte die Obrigkeit die Menschen beruhigt: Es stört euch keiner, wir haben alles im Griff, ihr könnt uns vertrauen. Währenddessen stand Montag auf seiner Flucht irgendwo vor einem Fernseher und sah "seiner" Hinrichtung zu.

Montag wurde übrigens dargestellt von Oskar Werner. Er hat mich sehr beeindruckt. Ich habe ihn später noch in "In den Schuhen des Fischers" gesehen, habe hier auch eine CD mit seinen Rilke-Rezitationen. Ich glaube, das Aufbegehren, das Querschlagen, der Widerstand waren seine Natur. Da war er authentisch.

Lieben Gruß
Robert

... link  

 
Filmwelten - Buchwelten
Hallo Robert,

bisher kannte ich diesen Film nur vom Namen her. Es klingt sehr bedrohlich und die Thematik erinnert mich an Orwells 1984. Aber mir geht spontan durch den Kopf, daß Bücher als etwas Bedrohendes ausgedient haben dürften. Mittlerweile gibt es immer mehr Menschen, denen es viel zu mühsam ist, sich ein Buch vorzunehmen. Nicht nur durch das Internet als Konkurrenz und neues Medium, sondern auch durch das Internet als etwas, was inzwischen immer mehr Zeit verschlingt. Der lesende Mensch wird immer mehr zum Anachronismus.

Der von Dir geschilderte Film Fahrenheit 451 hat auch etwas Endzeitliches. Er zeichnet nicht nur ein Bild vom Totalitarismus, sondern auch von einer Entwicklungsstufe, in der genau das verboten wird, was menschliche Kultur ausmacht. Und irgendwie paßt das zum Internet. Denn dies hat den Menschen als Gegenüber ersetzt. Ein Bücherleser dringt in eine gedachte imaginäre Welt ein – allein mit sich und der Phantasie des Autors. Ein Internet-User dringt nicht in gedachte Welten ein, sondern in erster Linie kommuniziert er – und zwar erstmalig ohne menschlichen Kontakt.

Mir geht komischerweise Arthur C. Clarkes „2001 Odyssee im Weltraum“ nicht mehr aus dem Kopf. Mal davon abgesehen, daß ich ihn nie ganz begriffen habe und den Film später nur Dank den Erklärungen eines Schulfreunds zumindest ansatzweise verstanden habe, scheint es mir jetzt zu dämmern, worum es sich bei dem Ende handelt. Der Sprung in die Technik – angefangen bei dem ersten Gebrauch eines Knochens als Werkzeug – kommt in die Phase, wo elektronisches Bewußtsein entsteht. Im Film durch den Computer Hal 9000 symbolisiert, hat sich das elektronische Bewußtsein schließlich selbständig gemacht und braucht den Menschen nicht mehr. Und das dann folgende Ende habe ich eben nie so richtig verstanden. Kommt dann der prophezeite kosmische Mensch? Oder verschwindet der Mensch wieder und wird wieder Einzeller? Auf jeden Fall ist für mich eine Entwicklung absehbar, die weiter geht und dem Menschen einen anderen Platz zuweist.

Werde mich jetzt aber wieder meinem Buch über Bhutan zuwenden, damit meine Gedanken nicht zu düster werden. Es ist ungeheuer spannend zu lesen, daß man auch noch ganz, ganz anders leben kann.

Bis bald
Gitta

... link  

 
Zufriedenheit
Ehrlich gesagt, komme ich langsam durcheinander mit dem Thema Authentizität ;-) Ich gebe mal eine subjektive Übersicht:

1. Es gibt Menschen, denen man nicht über den Weg trauen kann. Das sind Kollegen, Vorgesetzte, aber auch Menschen im privaten Umfeld. Und deren sind viele. Man ist über ihre Haltung verärgert.

2. Diese Menschen zu kritisieren, führt in der Regel zu nichts. Sie verteidigen sich und ihre Positionen vehement, schießen zurück.

3. Das führt zu eigener Enttäuschung und Hilflosigkeit. Man möchte etwas ändern, muß aber feststellen, daß das nicht so, wie gewünscht, möglich ist. Was macht man dieser Erkenntnis? Was macht diese Erkenntnis mit einem selbst?

4. Dann gibt es noch Sachzwänge, denen man ausgeliefert ist, die die eigentliche Arbeit behindern oder gar verfremden, verzerren (Stichwort: kaufmännisches Denken, Verwaltung).

5. Das Problem der Authentizität: Was ist Authentizität? Wann ist man authentisch? Mit welchen Folgen muß man leben, wenn man authentisch ist (z.B. Isolation, Jobverlust)?

6. Die Diskussion der Authentizität führt dazu, daß auch die Mechanismen der Gegenseite nachvollziehbar werden, wenngleich sie nicht gutgeheißen werden können. Jeder Mensch ist ein Produkt seiner Umwelt, im Guten, wie im Schlechten.

7. Wie damit umgehen? Man kann seinem Ärger Luft machen (z.B. Blog). Man kann aussteigen, wobei nicht klar ist, was damit gemeint ist. Man kann sich arrangieren (so bleiben, wie man ist, und die Spannungen aushalten). Man kann sich Fluchtpunkte suchen (Freunde, Literatur). Man kann sich austauschen. Man kann bestimmte Menschen / Umgebungen meiden.

8. Gibt es eine Lösung, die wirklich zufrieden stellt?

Mich wird das noch ein Weilchen beschäftigen. Im Moment ist meine Verfassung derart: Horror! Bloß nicht wieder in diese doofe Welt raus. Ist natürlich nicht die dauerhafte Lösung.


@Gitta: Stimmt, Du hast kein Foto rausgenommen ;-) Da habe ich mich vertan. Ich hatte nur in der History gesehen, daß Du da irgendwas anscheinend geändert hast, habe auf den Link geklickt und sah nun Dein Mädchenfoto als erstes, statt des aktuellen Bildes. Dabei habe ich übersehen, daß der Link auf den zweiten Beitrag, nicht auf den ersten führte. Ich bin noch nicht ganz firm in der Anwendung von Blogs ;-)

Der Film hat wirklich was Bedrohliches. Und die Erinnerung gestern hat mich für den Rest des Tages schachmatt gesetzt. Ich weiß nicht, was da passiert ist. Mir ging es nur noch schlecht.

Zum Internet: Ich würde da jetzt fragen, in welcher seelisch-geistigen Verfassung befindet sich der Mensch und was hofft er im Internet zu finden? Ich denke, es ist eine Unmenge an unbefriedigendem Leben mit im Spiel. Und bestimmt auch, daß es vielen so geht, wie uns in der obigen Diskussion: keine wirklichen Menschen, auf die wirklich Verlaß ist.

"2001 Odyssee im Weltraum" kenne ich nur vom Titel her. Spontan würde mir jetzt nur dazu einfallen, daß es Angelegenheit des Menschen ist, inwieweit er es einem elektronischen Bewußtsein erlaubt, sich zu verselbständigen. Ohne gleichzeitige Degeneration des Menschen dürfte es so nicht möglich sein. Denke ich allerdings ans Internet und daran, daß die Befriedigung unerfüllter Lebenswünsche schon an dieses Medium abgegeben wurde, also menschliche Autarkie hier und da schon ins Wanken gerät... Gruselig, das weiterzudenken! Und wir hier? Es gibt doch da den schönen Experten-Hinweis in Tech-Hilfe-Foren: Nicht der Computer ist das Problem, sondern der Anwender, der davor sitzt ;-)

In Bhutan sollen übrigens die glücklichsten Menschen der Welt leben ;-) Hab da mal einen kurzen Filmbericht gesehen.


@Sturmfrau: Das interessiert mich: Die ängstliche Erfahrung, wenn Wände zurücktreten ;-) Hast Du da vielleicht ein Beispiel? In Fragen der Authentizität müßte sowas ja öfters vorkommen. Ich kenne da etwas, das ich so beschreiben würde: Angst, sich anders zu geben, als bisher, Angst, nicht zu wissen, was da so aus einem selbst herauskommt, hier und da auch bockig sein, obwohl man weiß, daß es falsch ist (Nein! Ich will nicht anders sein!). Ich weiß nicht, ob Du sowas meinst.

Bezüglich Deiner beruflichen Lebensgeschichte: "irgendwie durchkommen" hört sich nicht gerade beglückend an. Mir ergeht es aber auch nicht besser. Habe letztes Jahr die große Erkenntnis gehabt, nie nach meinen Wünschen beruflich gelebt zu haben, sondern immer nur danach, finanziell abgesichert zu sein. Was machst Du im IT-Bereich konkret? Web-Design? EDV-Kurse?

Liebe Grüße und schönen Tag für euch
Robert

... link  

 
2001, das Netz und die Arbeit
@Gitta:

Du machst mich ganz verrückt mit Bhutan! ;-) Ich denke, ich werde mir das Buch, von dem Du da schreibst, auch noch mal besorgen. Die örtliche Bibliothek hielt nur fragmentarische Informationen zu diesem bemerkenswerten Land vor. Vor ein paar Tagen sagte ich zu meinem Mann (das war, bevor ich Deine Ausführungen über Bhutan las): "Du, wenn wir unerwartet noch mal zu ein bisschen Geld kommen, dann möchte ich gern mit Dir nach Bhutan reisen!" Alldieweil werde ich mit literarischer Unterstützung ein bisschen sehnsüchteln...

"2001" habe ich auch schon ein paar Mal gesehen. Mir blieb der Film über weite Strecken zu abstrakt, ich konnte nie wirklich viel Begeisterung für Clarke aufbringen, auch wenn er in mancherlei Hinsicht regelrecht prophetisch ist. Ein an die Handlung von "Fahrenheit" grob angelehnter Film ist "Equilibrium", der steht bei uns im Regal und ich werde ihn mir in Kürze sicher noch mal ansehen.

Internet, hmmm, ja...
Das ist in meinen Augen eine zwiegespaltene Sache. Zum einen ermöglicht es uns, uns mit Menschen auseinanderzusetzen, die man anderweitig schon allein aufgrund von Wahrscheinlichkeiten und räumlicher Distanz nie getroffen hätte. Die konkrete Suche nach Themenbereichen, die einen interessieren, führt dazu, dass man auf Gleichgesinnte trifft. Insofern betrachte ich das Internet als ein Mittel zum Zweck der Kommunikation, wie Du ja auch schreibst, Gitta. Zwiegespalten: Die Frage nach Wahrhaftigkeit und Authentizität stellt sich im Internet mehr denn je. Die Macht der Bilder und Worte ist nicht zu unterschätzen. Es kann menschlich wie auch rein faktenorientiert wahnsinnig gefährlich sein, alles, was man erfährt, ungefragt für bare Münze zu nehmen. Woher weiß ich nun, dass Ihr beide seid, die Ihr seid? Ich weiß es nicht. Ich lasse mich drauf ein und versuche, die Menschen hinter den Worten irgendwie zu erspüren. Denn ich glaube, man kann das. Ein Stück weit. Irrtümer gehören zum schmerzlichen Lehrgeld. Und wieder mal kann es nicht schaden, zu denken, während man sich "im" Netz bewegt. Was ich damit mache, ist meine Sache, und wer nicht fragt, bleibt dumm...

@Robert:
Das Zurücktreten von Wänden hat sich für mich immer dann ergeben, wenn ich lernte, die Perspektive zu wechseln, also von gewohnten Denkstrukturen ("Ich muss erfolgreich sein!", "Ich muss eine gute Tochter sein!", "Ich muss bis zum Alter von ... dies und jenes erreicht haben!") abzuweichen und zu erkennen, dass es andere Möglichkeiten gibt. Wenn das geschieht, dann geht auch ein Teil der gewohnten Sicherheit verloren. Es ist, wie wenn man ganz oben auf einem sehr hohen Gebäude steht, die Umgebung aber nie gesehen hat, weil einen zuvor eine Mauer umgab. Ohne diese Mauer kann einem beim Anblick der Weite schon mal schwindlig und schlecht werden. Bockig sein, das gehört dazu, das stimmt. Oder wütend werden. Sich Freiheiten nehmen.

Das "irgendwie durchkommen" war gar nicht so negativ gemeint, wie es vielleicht rüberkam. Die Tatsache, dass ich bislang immer irgendwie durchgekommen bin, verrät mir ja auch etwas über die eigenen Fähigkeiten, die vorhanden sind, selbst wenn nicht alles "normgerecht" oder "nach Plan" verläuft.

Meine Arbeit hat viel mit der Umsetzung von Inhalten für das Web zu tun. Ich bearbeite Texte und Grafiken fürs Internet und mache dabei recht viel mit HTML, Grafikbearbeitung usw. Büroarbeit, die mich gedanklich zwar nicht übermäßig fordert, die aber zum Glück in einem anständigen Kollegium stattfindet.

Herzliche Grüße,

sturmfrau

... link  

 
Equilibrium
@Sturmfrau

Nur kurz: "Equilibrium" kannte ich nicht und habe infolgedessen bei Wikipedia nachgeschaut. Zur Sicherheit auch noch zusätzlich unter "Fahrenheit 451". Ist natürlich subjektiv, aber ich finde, "Equilibrium" hat nicht viel mit "Fahrenheit 451" zu tun. Der eine scheint ein auf Action angelegter modischer Krams zu sein, der andere ist einfach nur eine intensive Erzählung (aus 1966, das waren noch ganz andere Filmzeiten), sogar noch ohne Happy End, wenn ich mich recht erinnere. Ich befürchte, wenn Du "Equilibrium" siehst, wirst Du kein Interesse haben, "Fahrenheit 451" zu sehen ;-)

Lieben Gruß
Robert

... link  

 
@Robert
Du hast das Thema Authentizität gut zusammengefaßt. Mehr kann man vielleicht auf der theoretischen Ebene auch nicht dazu sagen. Nur immer wieder in einer konkreten Situation, in der man mal wieder damit konfrontiert wird, daß etwas nicht echt ist.

Aber auch hier versuche ich eisern, mich daran zu gewöhnen, daß etwas nun mal so ist, wie es ist. Und mich darüber freue, wenn ich doch noch mal auf Menschen treffe, für die Echtheit wichtig ist.


@Sturmfrau
Begeistert war ich irgendwie vom Buch und vom Film „2001 Odysse im Weltraum“ auch nicht – im Gegenteil, durch beides habe ich mich ein bißchen durchgequält. Aber aus irgendeinem Grund muß ich seit einiger Zeit an das Ende denken, in dem die technische Entwicklung an einen Schritt kommt (nicht in Hinsicht auf Kriegswaffen) an dem eine radikale Wende eintreten wird und sich dadurch das gesamte menschliche Dasein verändert.

Und da sind wir auch schon beim Thema Internet. Gestern gab es ja auf 3 SAT einen Themenabend hierzu und es ging darum, daß es mittlerweile eine Generation gibt, die das Leben ohne virtuelle Welt und ohne elektronische Kommunikation gar nicht mehr kennengelernt hat. Und wenn ich da höre, daß jemand sagt, in Facebook hätte er 150 „Freunde“, dann spricht das Bände. Und dabei kommt mir dann der Vergleich zum Fernsehen, denn selbst ich gehöre schon zu der Generation, die das Leben ohne Fernsehen nicht mehr kennt. Und genauso, wie dies für mich normal ist, so ist es für die jetzige Generation normal, virtuell zu kommunizieren. Allerdings habe ich auch immer mal wieder Anwandlungen, wo ich das Fernsehen (nicht qualitativ) als etwas völlig Abwegiges ansehe – in seinem Zimmer zu sitzen und anderen beim Leben zuschauen.

Ich habe irgendwo noch einen sehr guten Artikel aus „Reise & Preise“ über Bhutan. Falls ich den wiederfinde und Du eine Faxnummer hast, schick ich ihn Dir.

Gitta

... link  

 
Das wusste ich doch...
@Robert:

Dass "Equilibrium" völlig anders geartet ist als der schon aus einer ganz anderen Zeit stammende "Fahrenheit 451", das weiß ich ja. Ich habe den Film schon mal gesehen, und er rangiert durchaus unter Popcornkino bei mir, was ja auch manchmal sein darf. Ich kannte nur bislang die Verbindung zwischen den beiden Filmen noch nicht und werde ihn mir deshalb noch einmal mit neuen Augen ansehen. Dass die Verbindung zwischen den beiden Filmen nur loser Natur ist, habe ich mir gedacht, und deswegen werde ich ganz bestimmt nicht darauf verzichten, mir "Fahrenheit" mal anzuschauen.

@Gitta:

Es stimmt schon, die Technik, die uns lebenslang begleitet, die hinterfragen wir im Allgemeinen wenig. Ich schätze, die Frage ist auch hier, wie kritiklos man als Individuum etwas akzeptiert.

Nach dem Tod meiner Großmutter fand ich alte Briefe, die irgendwann in den 1930er-Jahren jemand an sie geschrieben hatte, und mich faszinierte wirklich sehr, auf welche Art sich da ausgetauscht wurde. Das war sehr persönlich und interessiert, und die Fragen nach dem Befinden hatten anderen Charakter als heute, weil es eben nicht anders ging als brieflich. Das hieß auch, dass man teilweise wochenlang auf Antworten warten musste und sich deswegen um so mehr über Lebenszeichen freute. Das lässt sich aus diesen alten Briefen gut herauslesen. Stärker noch war dieser Eindruck bei den Feldpostbriefen meines Großonkels - da dauerte die Überbringung noch länger und die Zeiten waren noch ungewisser. Eine solche Qualität der Kommunikation scheint natürlich in Zeiten, in denen per SMS "schlussgemacht" wird, nicht mehr unbedingt vorhanden zu sein. Aber ich bin da nicht ganz hoffnungslos.

Klar sind es vor allem die ganz jungen Menschen, die erst einmal mitnehmen, was so kommt in Sachen Internet. Ich konnte mit diesem ganzen Facebook-, Studi-VZ- und anderweitigem Gewirbel nie viel anfangen und bin heute noch verwirrt, wenn ich mal irgendwo in den zwei "Communitys", in denen ich mich betätige, einen "friend request" kriege. Kommt mir immer noch so vor wie die Zettelchen, die man früher in der Schule austauschte: "Willst Du mit mir gehen? Kreuze an: Ja, Nein, Vielleicht." Es wäre wahrscheinlich ein wenig zu leichtfertig, das als Teenager-Phänomen zu werten, denn das ganze spielt sich ja auch in anderen Netzwerken auf wichtigtuerischer Arbeitswelt-Ebene ab: "Ich kenne da wen, der kennt wen, der wen kennt...!" Und plötzlich "hat" man ganz wichtige Verbindungen zu den wirklich wichtigen Leuten der Welt... ähem. Wer's braucht. Ich glaube kaum, dass sich das für diejenigen verselbständigt, die sich bewusst mit den Phänomenen auseinandersetzen (so wie Du gerade).

Mit dem Fernsehen ist es für mich dasselbe: Ich konsumiere nur noch äußerst ausgewählt. Es gibt einige Sender, die mich noch interessieren (unter anderem der von Dir genannte), und den ganzen anderen Müll tue ich mir nicht mehr an. Und damit auch nicht das Gedröhne der Werbung, denn eigentlich ist alles andere, insbesondere im privaten Fernsehen, sowieso nur der Rahmen für nicht mal sonderlich subtile Produktplatzierung. Womit wir wieder mitten drin wären in der Verwertungsmaschinerie.

Ich glaube, man muss sehr aufpassen, dass man nicht zu sehr verkümmert mit den neuen Möglichkeiten, sprich, dass man sie nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu realen Beziehungen und realen Erlebnissen versteht - und unter Umständen eben auch als Mittel zur Herstellung von realen Kontakten, wie weit die dann auch immer gehen mögen. Das Wort Freunde hast Du meiner Meinung nach sehr zu Recht in Gänsefüßchen gesteckt, denn wer diese oberflächlichen Kontakte zwischen Außendarstellern als Freundschaften bezeichnet, dem ist im wahren Leben offenbar etwas entgangen...

Ein eigenes Fax habe ich leider nicht... Unser Fax in der Firma steht so zentral, dass ich mir da ungern etwas hinschicken lassen möchte, weil jeder Zugriff drauf hat. Aber das besagte Buch werde ich mir sicher bald zulegen, denn Deine Beiträge auf "Nachgedacht" haben meine Neugier geweckt.

Herzliche Grüße,

sturmfrau

... link  

 
Das mit den Briefen Deiner Großmutter ist ein schönes Beispiel. Ich stelle mir die Briefe als wirkliche Unikate vor. Der Unterschied zwischen einer mail und einem Brief ist ja eigentlich kein grundsätzlicher. Vielmehr ist es die ungeheure Masse und die Schnelligkeit. Wie Du schon sagst, es dauerte damals seine Zeit.

Das gleiche gilt übrigens auch für Fotos. Ich habe ein paar Fotos meiner Großeltern, die ich in Ehren halte. Heute wird geknipst wie verrückt und alles ist unübersehbare Dutzendware.

Vielleicht ist das das Entscheidende: die Überschwemmung von allem. Alles ist in einer viel zu großen Auswahl vorhanden und überrollt einen wie ein Tsunami. Fernsehen gab es ja auch schon zu meiner Zeit, aber eben nur 3 (2 1/2) Programme und außerdem einen Sendeschluß vor 2.00 Uhr und dazu am Vormittag ein Testbild.

Briefe/mails, Fotos, Fernsehprogramme - alles gibt es schon lange, aber eben nicht in einem solchen Übermaß.

Liebe Grüße
Gitta

... link  

 
Bhutan
Kurzer Tip:

http://www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?tab=2&source=/dokumentationen/136183/index.html

Da gibt es auch einen Film (29 Minuten).

LG, Robert

Aktuelle Ergänzung: Den Film gibt es zu verschiedenen Sendeterminen in Originallänge (45 Minuten) bei PHOENIX:

http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/286206

... link  

 
Hallo Robert,

vielen Dank für den Tipp, habe ich gerade auf Phoenix gesehen! Hat mir sehr gut gefallen! Es ist allerdings schon etwas teuer, die 200,00 € pro Tag. Ich habe gerade die Idee, mal bei Youtube zu gucken, vielleicht gibt es ja da auch etwas Nettes über Bhutan.

Viele Grüße
Gitta

... link  

 
Höhlengleichnis
Internet, Fernsehen, Mauern / Wände, Authentizität - mir fällt dazu nur Platons Höhlengleichnis ein: Wir leben in Kunst-, Scheinwelten. Eigentlich ein Drama - und ein Trauern um jeden von uns, der in dieser Welt gefangen ist und nichts von der möglichen schönen Welt weiß. Aber viele treibt auch die ungerechte, bittere Menschenwelt in diese Scheinwelt.

Da fand ich in dem Film über Bhutan interessant, wie skeptisch man noch dem neuen Trend TV gegenübersteht. Und das sicherlich zurecht. Man kann schnell seine harte Wirklichkeit, seine Entbehrungen ersetzen wollen mit Rundum-Service Bollywood. Dann wäre es vorbei mit dem Traum vom Menschenglück. Wäre vielleicht besser gewesen, man hätte das Fernsehen gar nicht erst eingeführt ;-) Verlockend ist ja die Armut / Bescheidenheit. Wer nicht dauernd dem Neuesten nachjagt, wird vielleicht ganz andere Lebensinhalte kennen und schätzen lernen.

Übrigens, Gitta, schau mal hier, da gibt es eine Übersicht der Tagestarife (falls Du es nicht auch schon entdeckt hast):

http://www.tourism.gov.bt/travelers-information/travel-requirements

Oups! Mehr habe ich gar nicht zu sagen - ihr habt ja schon alles gesagt ;-)

Lieben Gruß an euch und einen schönen Tag
Robert

... link  

 
Gerade im Wartezimmer...
...beim Ohrenarzt las ich einen interessanten Artikel zum Thema Authentizität.

Die Schreiberin setzte sich damit auseinander, inwiefern heute Authentizität gleichgesetzt wird mit Selbstdarstellung. Sie hat beobachtet, dass viele Menschen dazu neigen, sich unter dem Deckmantel der Authentizität auf ihren Schwächen auszuruhen, sich selbst zu feiern und nur ein lackiertes Image von sich nach außen darzustellen. Ich fand den Gedanken nicht uninteressant, muss aber deshalb den Begriff der Authentizität noch nicht per se anzweifeln, wie sie es zum Schluss ihres Artikels tat. Sie konstatierte, eigentlich gehe es um Identität, die zu finden wichtig sei, inklusive Scheitern. Mein persönlicher Authentizitätsbegriff beinhaltet aber auch das Scheitern, das stelle ich eigentlich für mich selbst nicht mehr in Zweifel.

Mit besagten Image-Menschen kann ich allerdings auch nicht viel anfangen. Solchen begegnet man ja immer wieder, aber mir sind Menschen auf der Suche nach sich selbst (und somit menschlich) erheblich sympathischer. Ich registriere in Begegnung mit Masken-Menschen meistens ein noch nicht genau zu benennendes Unbehagen, das sich dann manifestiert in der Erkenntnis, dass man es tatsächlich mit Theaterspielern zu tun hat.

Menschen, die - wie es Jamie Zeppa in dem von Dir, Gitta, zitierten Ausschnitt beschreibt - nur die Berge gesehen haben - haben vielleicht gar nicht erst den Wunsch nach Theaterspielen und sehen auch nicht die Notwendigkeit dazu. Schließlich leben sie nicht mit all den künstlich geweckten Bedürfnissen, sie sehen sich nicht als permanent defizitär und haben deshalb auch nicht den Wunsch, etwas auszugleichen und sich "besser" zu machen, als sie sind...

Nur so'n Gedanke.

sturmfrau

... link  

 
Mißbrauch der Authentizität
Sie hat beobachtet, dass viele Menschen dazu neigen, sich unter dem Deckmantel der Authentizität auf ihren Schwächen auszuruhen, sich selbst zu feiern und nur ein lackiertes Image von sich nach außen darzustellen.

Das ist vieldeutig. Damit könnte zum Beispiel jemand von den vielen Menschen gemeint sein, der sich in Vormittagstalkshows oder Realityshows nach außen darstellen. Das ist ganz klar etwas, was über Authentizität hinausgeht, denn da wird das Selbst als Selbstzweck inklusive aller Schwächen vermarktet. Das Beispiel könnte sich aber auch auf einen Geschäftsmann beziehen, der sich nach außen als perfekt verkauft und dabei grundsätzlich alle Schwächen wegläßt und alle – vermeintlichen – Stärken hervorhebt. Das dient nicht dem Selbstzweck, sondern einfach nur der Täuschung zwecks guten Verkauf und ist weder nach innen noch nach außen authentisch.

Mag sein, daß die Autorin das erste Beispiel zum Anlaß nimmt, den Begriff der Authentizität anzuzweifeln. Das ist aber meines Erachtens noch nicht gerechtfertigt – vielmehr würde ich es als einen Mißbrauch der Authentizität bezeichnen. Der zweifellos aber mittlerweile auch schon ein Massenphänomen darstellt, das es verdient, näher beleuchtet zu werden.

Das von Dir als nicht genau zu benennende Unbehagen in Gegenwart von Theaterspielern kann ich bei mir allerdings ganz genau benennen. Dies habe ich in Bezug auf meinen Berufsstand, wenn sich Kollegen so darstellen, als wäre alles an ihrer Arbeit perfekt und sie hätten alles im Griff. Oder aber wenn jemand autoritäre und anmaßende Züge an sich hat und diese einfach wegleugnet, wenn er darauf angesprochen wird (Alphamännchen) Oder wenn ich von jemandem genau weiß, daß er bestimmte Verhaltensweisen ablehnt, er aber trotzdem abnickt um nach außen Harmonie darzustellen und sich somit Zustimmung zu sichern, die gar nicht existieren würde, wenn er denn ehrlich sagen würde, was er denkt. Kommunikation ist unter solchen Umständen ein Greul.

Viele Grüße
Gitta

P.S.: ich habe eine kurze Zeit als Sozialarbeiterin in der Drogenarbeit gearbeitet und will demnächst darüber ein wenig schreiben. Über das Phänomen, daß wohlsituierte, erfolgreiche Geschäftsmänner aus irgendeinem Grund mit Vorliebe zu Drogenprostituierten gehen, die das reine Elend verkörpern. Ich glaube, das sich dies ganz stark um das Thema Authentizität dreht, denn wenn man es mit seinem Saubermann-Perfektions-Image übertreibt, dann suchen sich die Gefühle irgendwann ganz dunkle Kanäle.

... link  

 
Bhutan-Sonderangebot
Hallo Robert,

nein, hatte ich noch nicht entdeckt, ich bin nämlich im googeln eine Niete. Es gibt ja tatsächlich auch drei Monate, wo es etwas billiger ist. Da wird es wahrscheinlich Gießkannen regnen, aber das tut es ja in Hamburg auch.

Liebe Grüße
Gitta

... link  


... comment