Mittwoch, 26. August 2020, 17:02h
Woran ist ein kompetentes Krisenmanagement erkennbar?
- Die Einhaltung von Vorschriften und Gesetzen wird nicht nur von anderen verlangt, sondern selbstverständlich auch selbst befolgt.
- Das Gegenüber wird trotz möglicher Fehler respektvoll behandelt und nicht auf das Fehlverhalten reduziert.
- Die Situation wird in ihrer Komplexität und vor allem auch in ihrem Kontext gesehen, um jedem Aspekt gerecht zu werden.
- Eine einvernehmliche Lösung wird angestrebt und nicht nur die ausschließliche Durchsetzung der eigenen Position.
- Der Eigenanteil am Verlauf des Krisenmanagements wird kritisch hinterfragt.
- Es wird offen kommuniziert und auf keinen Fall auf der Ebene von Halbwahrheiten, da diese die Realität verzerren und den Konflikt weiter verschärfen.
- Wenn eine Trennung unvermeidlich ist, wird sie so gestaltet, dass dem Betreffenden ein würdevoller Weggang ermöglicht wird.
Resultat:
- Schadensbegrenzung, der Konflikt bleibt auf der Sachebene, anstatt sich auf die Beziehungsebene zu verlagern.
- Deeskalation: die Krise ebbt ab, anstatt noch folgenreicher zu werden.
- Eine konstruktive Lösung wird ermöglicht, da nicht die bloße Durchsetzung der eigenen Position fokussiert wird.
- Das Wohl involvierter Dritter, wie das des Klientels, wird nicht gefährdet.
Eine Leitungskraft, die dies beherrscht, kann gemeinsam mit dem Team auch den heftigsten Konflikt bewältigen.
Eine Leitungskraft, die sich hierin als unfähig erweist, führt zwangsläufig jeden Konflikt in die Katastrophe.
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Sonntag, 19. Juli 2020, 18:19h
Denunziation – eine Begebenheit, die mich auch nach Jahren noch nachdenklich macht
Vor einigen Jahren gab es ein Ereignis, das mich auch jetzt noch beschäftigt, wenn es um das Thema Arbeitsbedingungen und Solidarität geht. Ich möchte dies hier bewusst neutral schildern, da es mir nicht darum geht, konkret einen bestimmten Arbeitsplatz zu beschreiben, sondern vielmehr darum, eine Haltung zu thematisieren, auf die man in der Arbeitswelt immer wieder trifft und bei der ich mich zunehmend frage, ob es sich dabei nicht um ein typisch deutsches Problem handelt.
Bei dem besagten Ereignis geht es um eine Mitteilung, die eines Tages alle Mitarbeiter meines früheren Arbeitsplatzes erhielten. Es wurde darüber informiert, dass sich der Gesellschafter aufgrund jahrelanger anhaltender Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit der Firmenleitung dazu entschloss, den Mitarbeitern die Möglichkeit der Beschwerde zu geben. Für mich ungewöhnlich war daran, dass hierfür extra über zwei Wochen eine durch externe Mitarbeiter geführte Beschwerdestelle vor Ort eingerichtet wurde. Es wurde schriftlich sowohl Anonymität zugesichert als auch die unbedingte Garantie, dass niemand durch Aussagen einen Nachteil erleiden würde.
Das Angebot der Beschwerde wurde überaus rege in Anspruch genommen, immer wenn man an der Beschwerdestelle vorbeikam, sah man Kollegen auf den Wartebänken sitzen. Da ich noch nicht lange in der Firma beschäftigt war und keine negativen Erfahrungen hatte, sah ich allerdings keinen Grund, an der Befragung teilzunehmen. Aber als ich dies im Kollegenkreis erzählte, wurde appelliert, es unbedingt zu tun. Ich erinnere auch noch die Argumentation: „Es ist wichtig, dass jeder von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, weil wir jetzt endlich mal gefragt werden“. Ich ließ mich dann überreden und nahm an der Befragung teil, wobei ich allerdings nur neutrale Angaben machte. Die Firmenleitung wurde zeitgleich freigestellt und setzte nie wieder einen Fuß in die Firma.
Im nachherein frage ich mich, was eigentlich davon zu halten ist, wenn einerseits ein jahrelanger Zustand sehr großer und anscheinend berechtigter Unzufriedenheit unter Mitarbeitern besteht, aber es andererseits erst eines offiziellen Aufrufs zur Beschwerde bedarf, damit die Mitarbeiter aktiv werden. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich mich nicht sehr wohl dabei fühlte, einem Aufruf zur Beschwerde Folge geleistet zu haben. Damals wie heute kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, bei einer Denunziation mitgemacht zu haben.
Wenn das Handeln einer Firmenleitung tatsächlich nicht den arbeitsrechtlichen Vorschriften entspricht, sondern durch Willkür bestimmt ist, dann hätte es auch mit Sicherheit diverse Möglichkeiten gegeben, sich dagegen zu wehren. Natürlich kann ein Einzelner gegen eine rechtlich unbegründbare Kündigung nur wenig tun, aber in dem Moment, in dem sich zumindest ein paar Kollegen solidarisieren, wird sich jede Firmenleitung überlegen, ob sie ihr Vorhaben durchzieht, weil dies unweigerlich große Unruhe und Imageverlust zur Folge hätte. Zumal es sich bei dem besagten Arbeitsplatz nicht um eine amerikanische Fastfood-Kette handelt (bei der wäre so ein Vorgehen natürlich schwierig) sondern um eine Einrichtung mit gemeinnützigem Hintergrund. In diesem Fall ist auch die Möglichkeit des Einschaltens der Presse nicht unmöglich, da es der Öffentlichkeit nicht völlig gleichgültig ist, wie mit Steuergeldern unterstützte Betriebe arbeiten.
Meine Einstellung wird sicher von einigen als naiv und blauäugig abgetan werden. Und so ganz ist das auch nicht von der Hand zu weisen, da Solidarität in Deutschland nicht unbedingt als Kardinalstugend gilt. Aber wer sich ein wenig mit Sozialgeschichte beschäftigt, weiß, dass unsere Arbeitsschutzgesetze nicht vom Himmel fielen, sondern durch Solidarität erstritten wurden (und nicht durch offizielle Erlaubnis zur Beschwerdeeinlegung).
Wenn man einen Blick nach Frankreich wirft (was ich oft tue), dann sieht man, dass Ducken und Kuschen keine Naturgesetze sind, sondern es durchaus Alternativen gibt. Ein deutliches und erstaunliches Beispiel: In Frankreich gibt es seit 1950 (!) einen Mindestlohn, in Deutschland seit 2015!
Und wie bereits gesagt, ich fühle nach wie vor einen bitteren Beigeschmack, wenn ich an meine Teilnahme an einer von oben veranlassten Beschwerdeaktion denke. Es hat etwas Klägliches, wenn Menschen erst auf die Erlaubnis warten, um sich beschweren zu dürfen.
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Samstag, 16. Mai 2020, 02:40h
Ich bin dann mal weg
"Ihr müßt euch nämlich darüber im klaren sein, dass es zweierlei Arten der Auseinandersetzungen gibt: die mit Hilfe des Rechts und die mit Gewalt. Da die erste oft nicht zum Ziele führt, ist es nötig, zur zweiten zu greifen."
Niccolò Machiavelli (1469 – 1527)
Manchmal ist es schier unfassbar, mit welcher rasanten Geschwindigkeit sich Dinge binnen kürzester Zeit so verändern können, dass sie kaum noch wiedererkennbar sind. Noch vor einem guten Vierteljahr war meine Arbeitswelt in Ordnung, um nicht zu sagen sogar ideal. Mein Team bestand aus großartigen Kollegen und besaß einen fachlich und menschlich hochkompetenten Leiter. Unsere Einrichtung wurde gut besucht und erfreulicherweise war auch die Zahl der neuen Interessenten gestiegen. Aber leider verließ uns dann unerwartet unser Leiter.
Während der ersten beiden Monate glänzte die neue Leiterin weitgehend durch Abwesenheit, was sich jedoch urplötzlich änderte, als sich zwei unserer Klienten über eine Kollegin beschwerten. Dies weckte Feuereifer in ihr und es folgten sofort Abmahnungen, die in haarsträubender Weise Arbeitnehmerrechte ignorierten. Ignoriert wurde ebenfalls der Umstand, dass sich die Kollegin in einer äußerst schwierigen belastenden Situation befand, denn sowohl der Lebensgefährte als auch ein Familienangehöriger waren schwerkrank. Auch das in der Sozialarbeit übliche und bewährte Prinzip der Teamtransparenz, demzufolge Probleme in der Arbeit mit Klienten gemeinsam besprochen werden, galt plötzlich nicht mehr und bis jetzt wissen weder die Kollegin noch das Team, worum es bei den Beschwerden konkret geht.
Ich versuchte, der Kollegin beizustehen, aber selbst, als der Familienangehörige verstarb und sie einen schweren Zusammenbruch erlitt, wurde rigoros weiterhin verweigert, das ihr vorgeworfene Fehlverhalten konkret zu benennen, wodurch ihr auch Möglichkeit einer Stellungnahme genommen wurde. In meinen Augen sehr fragwürdig, denn wenn Arbeitnehmerrechte so offensichtlich ignoriert werden, dann wird ein Abmahnverfahren zu einem bedenklichen Willkürakt degradiert. Was mich an dem ganzen unerfreulichen Vorgang besonders erschreckte, war die Reaktion des Teams auf meinen Hinweis darauf, dass selbstverständlich auch jemand, der sich ein (vermeindliches) Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen hat, ein gesetzlich garantiertes Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln und auf eine faire Behandlung hat. Während ich dies immer als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt hatte, blieben einige Teammitglieder bei ihrer Meinung, dass bei einem Fehlverhalten auch auf die Gewährung der Rechte auf Einhaltung des Rechtswegs verzichtet werden dürfe.
Die Art und Weise, in der mit personeller Macht umgegangen wurde, entpuppte die neue Leiterin als weibliche Variante eines Machiavelli. Nicht unbedingt in Hinsicht auf dessen geistige Größe, aber in Hinsicht auf die Unterordnung ethischer Grundsätze unter den Anspruch auf Macht. Und irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich wirklich unter jemandem arbeiten möchte, der sich wie ein spätgeborener Machiavelli aufführt. Und diese Frage habe ich mir mit einem klaren „Nein“ beantwortet.
Während das Team in der jetzigen Situation aufgrund des Fehlens von zwei Kolleginnen hart an seiner Belastungsgrenze arbeitet, hat die Leiterin jetzt für fast zwei Monate eine Auszeit durch eine Kur mit anschließendem Urlaub genommen.
Die sechs Jahre mit meinen Kollegen waren toll und wir hatten ein durch Kollegialität und hohe Fachkompetenz geprägtes Team, in dem sich jeder wohl fühlte. Wir haben aus dem Nichts einen gut besuchten sozialen Treffpunkt aufgebaut – was zu einem großem Teil auch der inzwischen gegangenen Kollegin zu verdanken ist – und außerdem auch gute sozialpsychiatrische Betreuung geleistet. Aber ein autoritärer Führungsstil hat die bisherige Offenheit der Kommunikation schlagartig in Einschüchterung gewandelt und kritisches Hinterfragen wird jetzt als Störfaktor gewertet, auf den mit fragwürdigen Halbwahrheiten reagiert wird.
Einen Machiavelli hält selbst das beste Team nicht aus.
Und deswegen: Ich bin dann mal weg
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