Montag, 6. März 2017, 21:58h
Im Rechtsstreit mit kriminellen Betreuern – manchmal erfolgreich.
Vor einiger Zeit habe ich hier zwei sehr unschöne Vorfälle beschrieben, in denen es um Betrug ging. Bei dem ersten Fall handelt es sich um den ehemaligen Geschäftsführer eines Betreuungsvereins, der die vermögenswirksamen Beiträge seiner Mitarbeiter nicht wie vorgeschrieben an die betreffenden Institutionen abführte, sondern in die eigene Tasche steckte und außerdem auch die fälligen Löhne mit zum Teil monatelanger Verspätung zahlte. Bei dem zweiten Fall handelt es sich um einen Betreuer, der einem Handwerker den für die geleistete Arbeit angefallenen Lohn verweigerte und damit drohte, den Betreffenden, bei anderen Betreuern zu diffamieren, falls er nicht nachgeben würde.
Im ersten Fall gelang es dem geschädigten Mitarbeiter mit anwaltlicher Hilfe einen gerichtlichen Beschluss zur Kontopfändung zu erhalten. Die erste Pfändung ergab zwar nur einen Betrag von 8,00 €, aber mittlerweile konnten auch höhere Beträge gepfändet werden, so dass gute Chancen bestehen, den finanziellen Schaden irgendwann voll erstattet zu bekommen.
Im zweiten Fall kam es nach Ergehen eines gerichtlichen Mahnbescheides zum gerichtlichen Klageverfahren. Zwar hat der um seinen Lohn geprellte Handwerker nicht seine volle Forderung erhalten, aber es kam zumindest zu einem Vergleich mit der Auflage zur Zahlung der Hälfte des gezahlten Lohns. Wir erwartet lief das Klageverfahren sehr unschön ab, der betreffende Betreuer bestritt die Rechtmäßigkeit des Lohns ab und schreckte dabei auch nicht vor haarsträubenden Lügen zurück, allerdings kam er damit bei der zuständigen Richterin nicht durch.
Ich muss gestehen, dass ich im zweiten Fall nicht mit so einem positiven Ausgang gerechnet hätte. Der besagte Betreuer ist bekannt dafür, seinen Willen mit allen Mitteln durchzusetzen und dabei auch vor äußerst fragwürdigen, teilweise sogar kriminellen Methoden nicht zurückzuschrecken. Eine ehemalige Kollegin beschrieb den Betreuer einmal als jemanden, vor dem die Menschen Angst hätten und ein Kollege ergänzte, dass dies sogar auf einige Rechtspfleger zutrifft. Wenn jemand sogar in einem Gericht gefürchtet wird, stellt das kaum eine gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Gerichtsverfahren dar.
Unter den geschilderten Umständen muss man über das Ergebnis froh sein. Aber dennoch sollte man dabei nicht außer Acht lassen, dass die Durchsetzung seiner Rechte erst im Rahmen eines Rechtsstreits möglich war. Der wiederum ist meist nur dann erfolgsversprechend, wenn anwaltliche Unterstützung vorhanden ist. Im ersten Fall stellte dies kein Problem dar, weil der geschädigte Mitarbeiter eine Rechtsschutzversicherung besaß, was jedoch im zweiten Fall nicht zutraf. Zwar kann sowohl ein Mahnbescheid als auch eine Klage grundsätzlich auch ohne Anwalt eingereicht werden, aber zum einen wissen das nur sehr wenige Menschen und zum anderen stellt dies für jemanden ohne Erfahrung in rechtlichen Dingen mit Sicherheit eine Überforderung dar, so dass sich dies auch kaum jemand zutraut. Dass es trotzdem zumindest zu einem Vergleich kam, lag hauptsächlich daran, dass der betreffende Handwerker von privater Seite juristische Unterstützung bei dem Verfahren erhielt. Dieses Glück haben die meisten Menschen jedoch nicht und ein derartiger Rechtsstreit würde somit im Normalfall für den Betreuer und nicht für den Geschädigten erfolgreich ausgehen.
Überträgt man diese Erkenntnis auf die Situation von rechtlich Betreuten, dann wird deutlich, dass das Rechtsmittel der Beschwerde gegen einen Betreuer zwar ein Instrumentarium im Sinne der Rechte von Betreuten darstellt, de facto kann dieses Rechtmittel jedoch durch die ungleichen Voraussetzungen kaum das halten, was es verspricht. Dies trifft umso mehr zu, da eine Betreuung dem Grundsatz nach nur dann eingerichtet wird, wenn der Betreute selbst nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten eigenständig ausreichend zu regeln.
Bei dieser Thematik fällt mir wieder die Argumentation einer früheren Kollegin ein, die über meine offen geäußerte Kritik an der zweifelhaften Arbeitspraxis einiger Betreuer sehr erbost war und dabei gebetsmühlenartig immer wieder betonte „die Betreuten können sich ja schließlich beschweren“. Die beiden hier beschriebenen Fälle machen mehr als deutlich, wie realitätsfremd und blauäugig diese Einschätzung ist.
Trotzdem oder gerade deswegen weiß ich es umso mehr zu schätzen, wenn zumindest in diesen zwei Fällen der Kampf gegen kriminelle Betreuer doch einmal von Erfolg gekrönt ist!
... link (0 Kommentare) ... comment
Freitag, 28. Oktober 2016, 01:17h
Auch das gibt es – ein Betreuer, der wegen eines Betreuten seinen Urlaub verschiebt
Zu einer der traumatischsten Situationen, die man erleben kann, gehört sicherlich der Verlust der eigenen Wohnung. Auch ein rechtlicher Betreuer kann so eine Situation nicht immer verhindern, denn nicht selten ist bei Übernahme der Betreuung schon so viel schiefgelaufen und so viel versäumt worden, dass es keine Rechtsmittel mehr gibt, die eine Räumung verhindern können. Erschwert wird dies dann noch dadurch, dass der vom drohenden Wohnungsverlust Betroffene nicht bereit ist, dieser Tatsache ins Auge zu sehen und dadurch die Vorbereitung erforderlicher Alternativmöglichkeiten verhindert.
Diese Situation erlebt hat vor kurzem ein früherer Kollege, der eine pflegebedürftige alte Frau betreut, bei der sich aus verschiedenen Gründen so hohe Mietschulden angehäuft hatten, dass auch die Einlegung sämtlicher möglichen Rechtsmittel nichts mehr an einer gerichtlich anberaumten Zwangsräumung ändern konnte. Die alte Dame reagierte mit Verdrängung der Realität und sah dem definitiv festgesetzten Räumungstermin in der Überzeugung entgegen, es würde letztendlich doch nicht dazu kommen. Sie stimmte zwar der Vereinbarung eines stationären Aufenthalts zum betreffenden Zeitpunkt zu, aber ging dennoch fest davon aus, dass ihr ihre Wohnung nach wie vor bei der Rückkehr weiterhin zur Verfügung stehen würde.
Der vom Gericht anberaumte Räumungstermin fiel unglücklicherweise genau in den Zeitraum des geplanten Urlaubs meines Kollegen und konnte nicht mehr verschoben werden. Was also tun? Die alte Dame in der katastrophalen Situation ohne Beistand lassen und außerdem einem eventuellem Handlungsbedarf aufgrund der Ortsabwesenheit nicht nachkommen können? Mein Kollege entschied sich anders und verschob seinen mit der Familie geplanten Urlaub.
Als er mir davon erzählte, schwankte meine Reaktion zwischen Anerkennung für sein großes Engagement und Bedenken, dass es ein viel zu großes Opfer darstellt, auf einen mit dem Partner geplanten gemeinsamen Urlaub zu verzichten. Mir fielen dabei frühere Situationen aus der Zeit meiner Tätigkeit als rechtliche Betreuerin ein, in denen Angehörige oder Betreute ihre Empörung darüber äußerten, dass ich „einfach so“ in Urlaub fuhr, obwohl ich mich während dieser Zeit dann nicht um ihre Probleme kümmern konnte. Mir fiel außerdem auch ein Gespräch mit dem früheren Leiter der Landesbetreuungsstelle ein, der mir auf meine Frage, was ihn zur Aufgabe seiner Betreuertätigkeit bewegte, antwortete: „Als Betreuer konnte ich eigentlich kein einziges Mal mit wirklich ruhigem Gewissen in Urlaub fahren.“
Ich kenne so manchen Betreuer, der jetzt sofort einwenden würde, alles sei nur eine Sache der Organisation. Wäre ich nicht selbst Betreuerin gewesen, dann würde ich dies vielleicht auch glauben. Aber es gibt sogenannte hoheitliche Maßnahmen, die definitiv nicht delegiert werden können, es sei denn, es wird ein Betreuer zur Vertretung bestellt, wozu das Gericht jedoch wegen des hohen administrativen Aufwands nur ungern bereit ist. Situationen wie Wohnungsräumungen, erforderliche geschlossene Unterbringungen (Zwangseinweisungen), Kontopfändungen aufgrund derer jemand plötzlich ohne Geld dasteht und nicht zuletzt gravierende und lebensbedrohliche Verschlechterungen des Gesundheitszustandes mit der Erfordernis umgehender Entscheidungen richten sich nicht nach dem Terminkalender des Betreuers.
Wie ein Betreuer mit diesen Anforderungen umgeht, ist nicht allein davon abhängig, ob er über kaufmännisches Organisationstalent verfügt, sondern wie wichtig ihm das Wohl des Betreuten ist. Beispielsweise wird jemand wie mein früherer Chef, der auf die Ablehnung einer dringend erforderlichen Kostenzusage nur mit dem lapidaren Kommentar „Ist eben Pech“ reagiert ohne sich um Alternativmöglichkeiten zu kümmern, auch kein Problem dabei haben, wenn ein alter Mensch einer Zwangsräumung ohne jeglichen Beistand ausgeliefert ist, denn auch das ist für ihn einfach nur „eben Pech.“
Als ich noch rechtliche Betreuerin war, hatte ich Überlegungen angestellt, was für Möglichkeiten geschaffen werden müssten, damit in Abwesenheitszeiten auch akute Notsituationen ausreichend und für alle Beteiligten angemessen vertreten werden können. In Bürogemeinschaften ist dies sicherlich in mancher Hinsicht einfacher, aber es gibt nun mal auch Betreuer, die allein arbeiten. Und auch in Bürogemeinschaften besteht das Problem der hoheitlichen Maßnahmen, die an die Person des Betreuers gebunden sind. Wie dem auch sei – es gab niemanden im Kollegenkreis, der Lust hatte, sich zu diesem Thema Gedanken zu machen.
Jetzt ist der Beitrag doch wieder länger geworden als geplant. Eigentlich wollte ich gar nicht so sehr auf die Probleme hinweisen, die sich für Betreuer durch unvorhergesehene schwerwiegende Ereignisse ergeben, wenn diese in den geplanten Urlaub fallen. Nein, eigentlich wollte ich etwas ganz anderes – nämlich darauf hinweisen, dass es doch auch immer wieder Menschen gibt, denen das Schicksal anderer Menschen nicht gleichgültig ist und die über ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl verfügen. Vielleicht gelingt es ja irgendwann einmal, Bedingungen zu schaffen, unter denen solche Menschen ihre verantwortungsbewusste und engagierte Arbeit leisten können, ohne dabei auf den wohlverdienten Urlaub verzichten zu müssen.
... link (6 Kommentare) ... comment
Sonntag, 11. September 2016, 03:22h
Ein Film, der unter die Haut geht – das Miterleben des Leides eines geliebten Menschen
Wohl bringt die Liebe uns zuletzt auch Leid, denn eines muss ja vor dem andern sterben.
Friedrich Hebbel (1813-1863)
Wie kräftezehrend und extrem belastend es ist, mit einem Pflegebedürftigen oder Schwerkranken zusammenleben, wissen wahrscheinlich nur diejenigen, die dies selbst schon erlebt haben. Der Film „Liebe“ schildert diese Situation, in der das Zusammenleben eines alten Ehepaares zur Tragödie wird, als die Frau einen Schlaganfall erleidet.
Georges und Anne, gespielt von Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva, sind schon seit langem verheiratet und führen eine glückliche Ehe. Beide zeigen noch reges Interesse an Kultur und verbringen ihren Lebensabend ohne finanzielle Sorgen in einer schönen Wohnung in Paris. All dies ändert sich von einem Tag auf den anderen, als Anne einen Schlaganfall erleidet und sich von da an nur noch im Rollstuhl fortbewegen kann und auf Hilfe angewiesen ist. Zuerst bewältigt Georges die Aufgabe der Pflege und Versorgung seiner Ehefrau noch relativ gut, aber die Situation ändert sich dramatisch, als Anne einen zweiten Schlaganfall erleidet und danach völlig hilflos ist. Während Anne zuvor noch in der Lage war, sich zu äußern, ist ihr Sprachvermögen jetzt nahezu verschwunden, nur ein Wort äußert sie noch: „Hilfe“. Georges kommt an die Grenzen seiner Kraft, zumal Anne sich zunehmend weigert, Nahrung oder Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Irgendwann kommt es zur Katastrophe und Georges erstickt seine Frau mit einem Kissen.
Georges kleidet seine Frau an und schmückt ihr Bett mit Blumen. Danach sieht Georges plötzlich seine Frau in voller Gesundheit in der Küche und wird von ihr daran erinnert, dass sie beide ausgehen wollen, was dann auch geschieht.
Es ist schwer zu beschreiben, welche Gefühle der Film auslöst. Ich würde es am ehesten mit Hoffnungslosigkeit bezeichnen. Der Regisseur Michael Haneke hat in einem Interview erklärt, bewusst die Situation eines wohlsituierten Ehepaars gewählt zu haben, um das Thema nicht auf ein Sozialdrama zu beschränken. Das war meines Erachtens eine weise Entscheidung, denn auch wenn finanzielle Mittel Krankheit und Pflegebedürftigkeit in mancher Hinsicht erleichtern können, so handelt es sich doch um eine Grenzsituation, deren Leid existentiell ist und somit unabhängig vom sozialen Status.
Der Film führt in die Welt zweier Menschen, von denen einer am Ende seines Lebens durch eine schwere Erkrankung aller körperlichen und geistigen Fähigkeiten beraubt wird und der andere diesen Verfall eines geliebten Menschen ohnmächtig miterleben muss und dadurch an die Grenzen seiner Kraft gelangt. Sicher, man kann einiges tun, um es leichter zu machen – ambulante Pflegedienste, Hospizmitarbeiter, pflegegerechte Umgebung und Hilfsmittel – aber all dies kann das Leiden nur lindern und nicht beheben. Es tut sehr weh, einen geliebten Menschen leiden zu sehen und es fordert eine fast schon übermenschliche Kraft, denjenigen in seinem Leid nicht allein zu lassen. Hanekes Film „Liebe“ macht dies einfühlsam deutlich, was sicherlich auch der enormen schauspielerischen Leistung Jean Louis Trintignants und Emmanuelle Rivas zu verdanken ist, die die beiden Protagonisten mit sehr viel Respekt und Würde darstellen.Und genau darum geht es auch bei der Betreuung von Menschen, die sich in einer derart belastenden und kräftezehrenden Situation befinden – Respekt und Würde.
In dem Film gibt es eine Szene, in der Anne von einer der Pflegerinnen sehr schroff und herrisch behandelt wird, was dazu führt, dass ihr von Georges gekündigt wird. Er begründet dies ihr gegenüber damit, dass sie für den Umgang mit Menschen völlig ungeeignet sei. Diese Ansicht teile ich voll und ganz, denn das Mindeste, was ein kranker und hilfloser Mensch und auch sein Angehöriger verdient hat, ist eine respektvolle und würdige Behandlung.
... link (9 Kommentare) ... comment