Montag, 3. Februar 2014, 02:19h

Ein krönender Abschluss durch eine Stiftung – der späte Gesinnungswandel des Michael-Corleone-Prinzips

behrens

Manche lügen schon beim Denken.
Hans-Horst Skupy

Wahrscheinlich kennen die meisten Francis Ford Coppolas Trilogie „Der Pate“. Während es bei den beiden ersten Teilen um die Darstellung des Aufstiegs eines Mafia-Clans geht, geht es im dritten Teil um das genaue Gegenteil, nämlich um einen Ausstieg und den Versuch einer Kehrtwende hin zur gesellschaftlichen Anerkennung. Diese Wandlung setzt bezeichnenderweise erst ein, nachdem alles, was man erreichen kann, auch erreicht ist – keine Minute eher. Die Karriere, in der es bisher ausschließlich um die eigene Person ging, erhält den krönenden Abschluss durch die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung. Altruismus statt Egoismus heißt die neue Devise.

Mir gefällt gerade der dritte Teil der Trilogie deswegen so gut, weil dessen Thema längst nicht nur die Gefilde der großen Kriminalität und der Kapitalverbrechen betrifft, sondern auch die ganz normale Geschäftswelt. Dort, wo es ohne Rücksicht auf Verluste um Profit um jeden Preis geht, aber immer gekonnt an den Grenzen der Straffälligkeit vorbeijongliert wird. Dort, wo die Möglichkeiten des Gewinns grundsätzlich bis zur Schmerzgrenze ausgereizt werden und andere Menschen immer nur Mittel zum Zweck sind.

Jetzt könnte man einwerfen, dass Kapitalverbrechen nicht so einfach mit Gewinnsucht gleichgesetzt werden kann, schließlich sind die Auswirkungen der organisierten Kriminalität ungleich schlimmer als die des Profitstrebens, selbst wenn dieses noch so extrem ist. Das mag auch zutreffen, aber man vergisst bei dieser Argumentation, dass beide Bereiche diese Gesellschaft schädigen und beide fast immer auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen werden. Was die Wandlung zum Altruisten betrifft, um die es in diesem Beitrag geht, so ist es sowohl für den Bereich der Kriminalität als auch für die Grauzone des reinen Profitstrebens gleichermaßen bezeichnend, dass bei diesem Typus die Wandlung erst eintritt, nachdem weitaus mehr angehäuft wurde, als überhaupt jemals verbraucht werden könnte und das Abgeben somit überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt. Beiden Fällen ist die Haltung gemeinsam des „Schaut her! Ich habe es nicht nur zu etwas gebracht, ich tue der Gesellschaft dabei auch noch etwas Gutes!" Während diese Gesinnungswandler einen derartigen Umschwung bei anderen sofort spöttelnd als inszenierten Selbstbetrug erkennen würden, unterliegen sie im Hinblick auf sich selbst einer bemerkenswerten Selbsttäuschung und scheinen tatsächlich der festen Überzeugung zu sein, die Gesellschaft durch ihr Dasein zu bereichern.

Eine Stiftung, deren Gelder durch Kriminalität oder durch auf Ellbogenmentalität beruhenden grenzwertigen Praktiken verdient wurden, entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit, denn das Motiv für die Kehrtwende zum Altruismus besteht nicht in der guten Absicht als solche, sondern lediglich in dem Wunsch nach einer positiven Außenwirkung, die das bisherige Handeln vergessen lässt und somit die Funktion einer Art Absolution erfüllt. Daran ändert auch das Argument nichts, eine Kehrtwende sei doch immerhin besser, als wenn so wie bisher weitergemacht werden würde. Dies ist ein Trugschluss, denn es kommt nicht darauf an, irgendwann in ferner Zukunft ein lobenswertes Ziel zu erreichen, sondern es ist entscheidend, auf welche Weise dieses Ziel erreicht wird. Auf dem langen Weg zum „Irgendwann“ kann nämlich sehr viel Schaden angerichtet werden und dies kann empfindlich lange dauern für all diejenigen, die auf dieser Wegstrecke als Mittel zum Zweck missbraucht wurden. So etwas wird nicht einfach dadurch ungeschehen gemacht, dass von viel zusammengerafftem Überfluss ein kleines bisschen abgegeben wird.

Und ehe ich jetzt auf den konkreten Bezug eingehe, der mich zu diesem Beitrag bewegt hat (den gibt es nämlich…) schließe ich mit dem weisen Kommentar, mit dem Michael Corleones Ex-Frau May auf die feierliche Huldigung der Stiftungsgründung reagiert. Im Gegensatz zu der Begeisterung der anderen Teilnehmer lautet ihre Bemerkung lapidar: „Es ist unerträglich!“

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Montag, 6. Januar 2014, 02:11h

Der Stoff, aus dem Gewalt ist

behrens

Die Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt als politische Aktion besteht in dem Umstand, dass Gewalt per se schon die Ablehnung von Auseinander- setzungen beinhaltet. Gewalt bezieht ihre Existenz aus dem Schwarzweißdenken und Differenzierung jeglicher Art ist ihr verhasst oder zumindest fremd. Dies hat die fatale Folge, dass Ablehnung von Gewalt gleichgesetzt wird mit der Leugnung der Missstände, gegen die sich die Gewalt wendet. Dieser Logik zufolge werden unterschiedslos all jene, die Gewalt als Mittel zur Behebung gegen gesellschaftliche Missständen ablehnen, sofort denjenigen zugeordnet, die die Missstände bestreiten.

Ich spreche von den Auseinandersetzungen um die Rote Flora, ein autonomes Zentrum in einem Hamburger Stadtteil, das verkauft werden soll. Die Gewalttätigkeit der Aktionen gegen den Verkauf hat erheblich zugenommen. Es gibt sehr gute Gründe für die Ablehnung des geplanten Verkaufs, der nicht auf die Situation der in dem Stadtteil lebenden Menschen ausgerichtet ist, sondern in erster Linie auf kommerzielle Interessen. Zu oft hat man es erlebt, wie Städteplanung Menschen regelrecht aus ihren Stadtteilen vertreibt und es gibt diverse Beispiele dafür, wie man an den Interessen von Menschen vorbeiplant und dadurch die soziale Kluft weiter vergrößert.

Die Diskussion um Gewalt zur Durchsetzung politischer Forderungen ist vom Grundsatz her nicht auf die Rote Flora begrenzt – es könnte sich genauso gut auch um Hausbesetzungen, Atomkraftwerke oder Aufrüstung handeln. Worum es im Wesentlichen geht, ist die Frage, mit welchen Mitteln für oder gegen etwas gekämpft werden soll. Und dabei kommt es dann zu dem genannten Dilemma, dass es kaum möglich ist, Gewalt abzulehnen ohne dabei sofort als Befürworter der Gegenseite eingestuft zu werden und dadurch grundsätzlich als diskussionsunwürdig zu gelten. Ein bisschen scheint dies übrigens auch ein typisch deutsches Problem zu sein, unter den Ausländern meines Bekanntenkreises geht es bei dieser Thematik meist weniger polarisierend zu.

Ich habe gerade einen Artikel über die Kriegseuphorie unter den deutschen Intellektuellen zu Beginn des ersten Weltkriegs gelesen und manches ist der Thematik der Gewaltaktionen durchaus ähnlich. Es ist die Überzeugung des "Wir sind die Guten“, die den Soldaten mit dem Revolutionär oder dem Straßenkämpfer eint. Eine Überzeugung, die von Schuld- oder Reuegefühlen befreit, denn schließlich setzt man sich für etwas ein, das für alle gut ist und bekämpft somit das Böse. Menschen, die auf Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung setzen sind grundsätzlich davon überzeugt, im Recht zu sein und fühlen sich berufen, der Gerechtigkeit mit Gewalt Nachdruck zu verleihen. Das Tragische daran ist, dass durch die Legitimierung jeglicher Form von Gewalt dem Gegner das Menschsein abgesprochen wird.

„Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Friede ist der Weg“ formulierte Mahatma Gandhi. Dieser Ansicht folgend kann man nur zu dem Schluss kommen, dass der konkrete Weg das Entscheidende ist und nicht das in ferner Zukunft liegende Ziel. Gewalt als Mittel zur Auseinandersetzung ist Selbstzweck. Vielleicht erinnert sich mancher an das Foto von Joschka Fischer, das vor einigen Jahren durch die Presse wanderte und ihn bei einer Straßenschlacht auf einen Polizisten einprügelnd zeigt. Nun, inzwischen hat sich vieles geändert und Herr Fischer schlägt nicht mehr auf Polizisten ein, sondern arbeitet unter anderem als Unternehmensberater für Firmen, deren Ziele nicht gerade auf das Allgemeinwohl ausgerichtet sind und weit entfernt liegen von dem, was Herr Fischer früher einmal anstrebte. Oder sehen wir uns Horst Mahler an, der früher aus voller Überzeugung die RAF vertrat und mittlerweile ganz rechtsaußen steht. Oder erinnern wir uns an die Entebbe-Entführung, die sich nur gegen jüdische Passagiere richtete. Die Entführer kamen nicht aus dem rechten Umfeld, sondern aus den revolutionären Zellen. Eben jene Organisation die für sich in Anspruch nahm, die Verantwortlichen für die Greueltaten des zweiten Weltkriegs zur Rechenschaft zu ziehen.

Aber man muss gar nicht prominente Beispiele zitieren, oftmals finden sich auch schon im eigenen Bekanntenkreis Menschen, deren vorgeblich auf Gerechtigkeitssinn basierende Gewaltbejahung sich später als reiner Selbstzweck entpuppt. Ein früherer Bekannter von mir hat Gewalt gegen die Staatsmacht vehement damit gerechtfertigt, dass der Staat sich nur für die Wohlhabenden einsetzt und seine Verpflichtung gegenüber den sozial Schwachen gänzlich vernachlässigt. Mit den eigenen Verpflichtungen nahm es der Betreffende allerdings nicht so genau; er hatte noch nie einen Cent Unterhalt für sein Kind gezahlt, geschweige denn die Mutter seines Kindes in der Erziehung unterstützt. Auch der Kollegenkreis ist nicht frei von jenem Typus. „Ich war kurz davor, mir eine Waffe zu nehmen und zur RAF zu gehen“, sagte mir ein Kollege, der dies dann allerdings doch nicht tat, sondern stattdessen lieber Betreuer wurde. Das eigentlich Interessante an dieser Wandlung ist, dass aus jemanden, der einst den Staat mit Gewalt bekämpfen wollte, jemand geworden ist, der mittlerweile bei Konflikten eben jene einst so verhasste Staatsmacht zur Hilfe ruft, indem er selbst bei Lappalien die Polizei einschaltet und bei dem leisesten Anflug von Kritik rechtliche Schritte androht. Dies Verhalten wird durch ein autoritäres Auftreten abgerundet, mit dem derjenige jeden Feldwebel in den Schatten stellt.

Resümee meiner Erfahrungen mit gewaltbereiten Menschen ist, dass Gewalt keinen anderen Grund hat als Lust an Gewalt und Macht. Alle anderen Auslegungen sind Augenwischerei. Auch wenn das Argument der Wirkungslosigkeit friedlichen Widerstands oftmals schmerzhafte Realität ist und mancher Amoklauf als Reaktion auf soziale Missstände allzu nachvollziehbar scheint – es ist durch nichts zu rechtfertigen, einem Menschen das Gesicht mit einem Stein zu zertrümmern. Derartige Aktionen sind Ausdruck einer tiefen Menschenverachtung und werden nichts anderes bewirken als eine Eskalation der Gewalt, die letztendlich auch völlig Unbeteiligte ausbaden müssen.

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Samstag, 28. Dezember 2013, 13:13h

Erben als Rechtsstreit – die eigentlichen Gewinner sind meistens nicht die Erben…

behrens

“Beim Erben können sich Besitzer ganzer Häuserzeilen um eine Tasse streiten.“
Professor Dr. Josef Vital Kopp (1905-1966), Schweitzer Theologe

Diesen in meiner Tageszeitung gefundenen Ausspruch musste ich einfach zitieren. Er stellt eine Ergänzung dar zu der Thematik des Erbens, die ich hier schon einmal beschrieben habe. Wobei nochmals betont sei, dass der Streit eben nicht erst bei Eintritt des Erbfalls beginnen muss, sondern schon in Erwartung desselben.

Ich habe an anderer Stelle schon auf eine sehr informative Dokumention verwiesen, die unter anderem auch ein eindrucksvolles Beispiel für Erbstreitigkeiten zeigt. Gleich am Anfang wird ein Fall beschrieben, in dem es um das Erbe eines Ferienhauses geht. Die Mutter von drei Töchtern hat das Ferienhaus verkauft und den Erlös zu gleichen Teilen an die Töchter weitergegeben. Hierdurch fühlte sich die jüngste Tochter benachteiligt, da es eine vor 20 Jahren getroffene Erbvereinbarung gab, in der ihr bei einem Verkauf die Hälfte des Ferienhauses zusprach. Anstatt aber daraufhin mit ihren älteren Schwestern zu reden, wandte sich die jüngste Tochter sofort an das Betreuungsgericht und veranlasste die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung. Hierzu sagen die Töchter:

Wir hätten uns zusammen setzen können und hätten sagen können, wie wollen wir das? Und dann hätten wir uns ja vielleicht gezankt, das kann ja möglich sein, aber wir hätten das untereinander regeln müssen. Das wäre im Null-Komma-Nix geregelt ohne meine Mutter da hineinziehen zu müssen oder gar meine Mutter zu entmündigen… Das bricht natürlich auch in eine Familie ein und bricht sie gegebenfalls auch auseinander.

Und die Betreute selbst bringt es sehr gut auf den Punkt:
Erbschaft ist, wenn ich tot bin, aber doch nicht, während ich noch lebe!

Wichtig zu betonen, dass ein heftiger Streit um das zu erwartende Erbe grundsätzlich auch völlig unabhängig von der Existenz eines Betreuers bestehen kann. Und zwar überall und zu allen Zeiten. Auch wenn mir nicht jeder zustimmen wird, so halte ich die Einrichtung einer Betreuung in manchen Fällen von Erbstreitigkeiten für sinnvoll. Allerdings auf keinen Fall im Hinblick auf eine als Rechtsstreit geführte Auseinandersetzung, sondern im Sinne des Versuchs einer gütlichen Einigung. Ich selbst habe zweimal eine Betreuung geführt, in der es auch um das zu erwartende Erbe ging. Es ist keine sehr dankbare Aufgabe, aber es ist dennoch in manchen Fällen möglich, für alle Beteiligten eine zumindest halbwegs akzeptable Lösung zu finden. Allerdings nicht nach dem Motto: ”Ich bin hier der Chef”, sondern als Vermittler zwischen den Parteien, der eine einvernehmliche Lösung anstrebt. Nur dann ist die Einrichtung einer Betreuung vertretbar, ansonsten schließe ich mich dem in der Dokumentation durch einen Richter vertretenen Standpunkt an, dass für Streitigkeiten um das Vermögens ausschließlich die Familiengerichte geeignet sind und nicht das Betreuungsverfahren.

Schade, dass der Betreuer der alten Dame nicht den geringsten Versuch gemacht hat, eine einvernehmliche Lösung anzustreben und die durchaus vorhandene Kompromissbereitschaft der älteren Schwestern zu nutzen. Damit hätte er nicht nur die Interessen seiner Betreuten besser vertreten, sondern er hätte auch nicht das Zerbrechen der Familie herbeigeführt. Bleibt noch anzumerken, dass ein Betreuer, der Anwalt ist, seine Betreuten im Falle von gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht in der Funktion des Betreuers vertreten muss, sondern in der Funktion eines Anwalts auftreten kann. Mit anderen Worten – zusätzlicher Verdienst.



Wie der Zufall so will, so passt auch der heutige Ausspruch meiner Tageszeitung zu der Thematik:
"Im Streit geht die Wahrheit stets verloren." (Publius Syrus 90-40 v.Chr.)

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