Donnerstag, 27. Juni 2013, 20:27h
Ein Gedankenspiel
Bei den vielen Informationen, die ich im Laufe meiner Arbeit im Betreuungswesen und auch jetzt noch nach Beendigung meiner Tätigkeit erhalte, habe ich mir angewöhnt, mir bei manchen schwierigen Problemlagen folgende Frage zu stellen: Was wäre, wenn man ein Problem in einem konkreten Betreuungsfall verwenden würde für das Thema einer Examensklausur der juristischen Fakultät?
Wozu das Gedankenspiel gut ist? Ganz einfach, es geht dabei eben nicht um den Aspekt der schnellsten oder lukrativsten Methode, sondern schlicht und einfach um den Aspekt der optimalen. Und dies nicht auf der Ebene einer Diskussion in legerer Freizeitatmosphäre, in der man auch ruhig mal mit seiner Ansicht daneben liegen darf – nein, in der entscheidenden Situation eines Examens, das die Voraussetzung für die Ergreifung des Berufs eines Juristen ist. Man kann also mit der Beurteilung „Nicht bestanden“ abgestraft werden, wenn man sich zuwenig oder die falschen Gedanken macht.
Ich nehme mir also einen der vielen Fälle vor, in denen es strittig ist, welche Maßnahmen denn nun die besten für den Betreuten sind und welche eben nicht. Und damit es nicht so einfach ist, lautet die Fragestellung nicht nur: „Welche Maßnahmen sollten für den Betreuten ergriffen werden“ sondern hat den Zusatz:
„Welche Maßnahmen sind erforderlich, um die Lebenssituation des Betreuten optimal zu gestalten? Welche psychosoziale Situation sollte im Sinne des Wohls des Betreuten angestrebt werden und welche juristischen Mittel sind hierfür sinnvoll?“
Ich empfinde dieses Gedankenspiel als sehr interessant, weil ich mir vorstelle, was geschehen würde, wenn in der Examensarbeit genau das beschrieben werden würde, was auch in der konkreten alltäglichen Arbeit geschieht. Man kann das Gedankenspiel auch ein wenig ändern, indem man sich vorstellt, dass eine konkret geführte Betreuung geschildert wird und die Fragestellung ganz einfach lautet: „Sind die von dem/der Betreuer/in ergriffenen Maßnahmen optimal auf das Wohl des Betreuten ausgerichtet oder wären andere Maßnahmen besser geeignet um eine zufriedenstellende psychosoziale Gesamtsituation herbeizuführen“.
Natürlich ist die Fragestellung einer Examensarbeit ungleich komplexer und schwieriger gestaltet. Vielleicht sollte man sich auch einfach nur eine normale Hausarbeit oder ein Referat zum Thema rechtliche Betreuung vorstellen, in dem die fiktive Fragestellung optimal beantwortet werden muss.
Wie gesagt, dies ist mein kleines Gedankenspiel, dem ich bisweilen nachgehe und das man vielleicht auch in Bezug auf das hier beschriebene Problem übertragen könnte. Natürlich immer unter dem Aspekt, das hier nur die Sicht einer Seite beschrieben wird.
Und natürlich bin ich mir bewusst, dass auch im Falle der von mir geführten Betreuungen nicht immer das von mir veranlasst wurde, was im nachherein die optimale Lösung gewesen wäre. Ich erhebe bei weitem nicht den Anspruch darauf, alles richtig gemacht zu haben. Deswegen habe ich mein kleines Gedankenspiel auch ab und zu mit mir selbst als Protagonistin gespielt und hätte dabei wohl leider auch die ein- oder andere Prüfung nur so gerade eben bestanden. Aber eben dafür sind solche Gedankenspiele auch da - es beim nächsten Mal besser zu machen!
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Montag, 17. Juni 2013, 17:53h
Es ist zum Heulen
Seitdem mein Stiefvater vor acht Jahren einen Schlaganfall erlitt, kümmere ich mich um Antragsstellungen, Bankgeschäfte e.t.c. Nicht im Rahmen einer rechtlichen Betreuung, sondern auf Grundlage einer Bevollmächtigung, die auch überall anerkannt wird.
Heute rief ich die Hamburger Bank meines Stiefvaters an, da schon vor längerem die Auflösung und Guthabenübertragung eines Sparbuchs vereinbart wurde. Hierzu ist eine Unterschrift erforderlich und zu meinem großen Ärger verlangt die Bank jetzt, dass mein Stiefvater dort persönlich zur Abzeichnung der Vereinbarung erscheint. Mein Stiefvater ist allerdings zu 100 % schwerbehindert, besitzt die Pflegestufe I und kann sich nur mühsam im Rollstuhl fortbewegen. Aufgrund seiner Behinderung ist er bereits vor Jahren in eine behindertengerechte Wohnung im Landkreis gezogen, die rund sechzig Kilometer von Hamburg entfernt liegt. Ich habe zwar auch am Wohnart ein Konto eröffnet, aber durch eine Kontoüberziehung des Hamburger Kontos müssen auch dort immer noch Dinge geregelt werden.
All mein Argumentieren, dass ich doch schließlich bevollmächtigt bin und mein Stiefvater definitiv nicht in der Lage ist, persönlich in der Bank zu erscheinen, stößt auf taube Ohren. Dies seien nun mal die Regeln, da könne man nichts machen. Ich hatte diese unerfreuliche Diskussion vor einiger Zeit schon einmal und schrieb damals einen langen Beschwerdebrief an den Filialleiter, der auch Erfolg hatte und dazu führte, dass das erforderliche Verfahren auf dem Postweg abgewickelt werden konnte. Jetzt ist der damalige Mitarbeiter allerdings in Urlaub und zu allem Übel hat auch die Leitung der Filiale gewechselt, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als erneut einen langen Beschwerdebrief zu schreiben und darauf zu hoffen, dass dieser auch Erfolg haben wird.
Und immer wieder, wenn diese aus meiner Sicht völlig unnötigen Schwierigkeiten mich stressen und wütend machen, werde ich im Bekanntenkreis gefragt, warum ich mir diese Strapazen denn nicht erspare und eine rechtliche Betreuung anrege – zumal ich doch selbst jahrelang bis vor kurzem selbst Betreuungen geführt habe.
Die Antwort liegt allerdings schon in der Fragestellung – eben weil ich mit dem Bereich der rechtlichen Betreuungen bestens vertraut bin, möchte ich niemanden, der mir nahesteht, rechtlich betreuen lassen.
Mir klingt immer noch im Ohr, wie mir bei der Erwähnung des Umstands, dass mein Stiefvater ein Pflegeheim ablehnt, weil er seinen Lebensabend nicht mit 95,00 € Taschengeld verbringen will, von einem meiner damaligen Websitekollegen, der sich im Laufe seiner Betreuungstätigkeit diverse Immobilien zulegte, geantwortet wurde, dies sei „reines Anspruchsdenken, das unser System kaputtmachen würde.“ Und ich sehe immer noch vor meinem geistigen Auge die diversen völlig abwegigen Mandate, die dem Geschäftsführer meines damaligen Betreuungsvereins auf Kosten der Betreuten erteilt wurden. So wie ich auch besagte/n Anwaltskollegen/in vor mir sehe, der/die von einer im Hartz IV-Bezug stehenden alleinerziehenden Mutter trotz staatlichen Beratungsscheins einen hohen Vorschuss verlangte. Und last-not-least erinnere ich mich an das letzte Zusammenkommen mit einer Kollegin, welche mir bitterste Vorwürfe machte, dass ich in einer Fernshesendung sagte, ich sei mir immer bewusst, dass die Betreuertätigkeit auch für Eigeninteressen missbraucht werden könne.
Gerade diese letzte Auseinandersetzung machte mir deutlich, wie wenig Interesse daran besteht, sich auch mal mit den unschönen Dingen zu beschäftigen, die im Rahmen von Betreuungsarbeit vorfallen und die im krassen Widerspruch stehen zu dem Bild des engagierten und emphatischen Betreuers, für den einzig und allein das Wohl des Betreuten im Mittelpunkt steht.
Ja, ich weiß - es sind doch längst nicht alle Betreuer so. Aber gerade deswegen ist es längst überfällig, dass diejenigen, die ihre Tätigkeit seriös und engagiert ausführen, sich deutlich distanzieren und die Kritik Betroffener endlich einmal ernst nehmen und nicht einfach nur schulterzuckend darauf hinweisen, dass sich doch schließlich jeder beschweren könne.
Nein, mir bleibt vorerst wohl nichts anderes übrig, als mich weiterhin herumzuschlagen mit Institutionen und Menschen, denen es völlig gleichgültig ist, in welcher Notlage sich Hilfsbedürftige befinden können. Und auch weiterhin gegen Wände zu laufen, die gar nicht existieren könnten, wenn weniger werbewirksame Phrasen gedroschen würden und stattdessen mehr Bereitschaft zur Schaffung von Strukturen bestände, die auch Behinderten, Kranken und alten Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Würde ermöglichen.
Wie ich schon sagte – es ist zum Heulen!
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Samstag, 8. Juni 2013, 13:05h
Überflüssige juristische Haarspaltereien – keine Organspende möglich bei bestimmten Patientenverfügungen?
Durch den Blog von Rentner Anton bin ich auf einen weiteren Blog mit dem Thema Pflege gestoßen und dort wiederum auf einen Beitrag, in welchem darauf hingewiesen wird, dass eine Patientenverfügung, die auf einen Behandlungsabbruch (wenn keine Hoffnung mehr auf Heilung besteht) abzielt, mit einer Organspende nicht vereinbar ist.
Ich bin darüber einigermaßen erstaunt, denn für mich spricht überhaupt nichts dagegen, dass jemand bei einer hoffnungslosen Situation, in der keine medizinische Heilung mehr möglich ist, trotzdem seine Organe spenden möchte. Aber anscheinend sehen das Juristen und auch Ärzte anders. Wer in seiner Patientenverfügung formuliert hat, dass er in einer Situation, in der Aussicht auf eine Heilung ausgeschlossen ist, keine Weiterführung der Behandlung wünscht, der verfügt damit den Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen, wie z.B. Beatmungsgerät, künstliche Ernährung e.t.c. Viele Organspenden sind jedoch nur möglich, wenn die Organe unmittelbar nach dem Versterben entnommen werden und die Transplantation zeitnah erfolgt. In der Praxis bedeutet dies, dass unter Umständen die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht sofort abgebrochen werden können, sondern erst, wenn die Entnahme vorbereitet wird.
Ich hätte jetzt nicht erwartet, dass jemand daraus ein Problem macht. Niemand, der in seiner Patientenverfügung ausdrücklich formuliert, dass unter bestimmten Umständen lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen, formuliert damit auch, dass dies zwingend sofort geschehen soll. Wenn die Verfügung ebenfalls einen Passus des Wunsches einer Organspende enthält, dann ist meines Erachtens eindeutig, dass dies Vorrang vor einer sofortigen unmittelbaren Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen darstellt.
Ich bin aus vollster Überzeugung damit einverstanden, meine Organe zu spenden und trage schon seit meinem zwanzigsten Lebensjahr einen Organspenderausweis bei mir. Und ich habe mich entschieden, dass bei einer aussichtslosen schweren Erkrankung, bei der ein Weiterleben nur durch die Zuhilfenahme von künstlicher Beatmung und künstlicher Ernährung möglich ist und somit nur der Sterbeprozess verlängert wird, die Behandlung abgebrochen werden darf. Wie bereits erwähnt, bin ich äußerst erstaunt darüber, dass man hieraus einen Widerspruch ableiten kann.
Eigentlich hätte mir die Problematik schon vorher auffallen müssen, denn in meiner eigenen Patientenverfügung, deren Vorlage ich im Internet fand, ist ein Passus eingefügt, der der Thematik Rechnung trägt:
Organspende
Ich möchte meine Organe spenden und bin somit grundsätzlich zur Spende meiner Organe und Gewebe bereit. Es ist mir bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des Hirntodes bei aufrechterhaltenem Kreislauf entnommen werden können. Deshalb gestatte ich ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der Organe.
Die Vorlage der Patientenverfügung kann unter http://www.ekd.de/download/patientenverfuegungsformular_bis_2003.pdf heruntergeladen werden. Wer sich daran stört, dass es ich bei der Verfügung um eine christliche Patientenverfügung handelt, der kann natürlich diesen Passus auch in irgendeine andere Vorlage oder in eine frei verfasste Verfügung einsetzten, wobei es natürlich auch gut möglich sein kann, dass andere Vorlagen mittlerweile diesen Passus auch enthalten.
Abschließend kann ich sagen, dass das ganze Thema Patientenverfügung für mich nicht die Sicherheit mit sich bringt, die eigentlich vom Gesetzgeber beabsichtigt wurde. Ich habe
hier hier ja schon einmal vor einigen Jahren über das Thema geschrieben und auch schon eine entsprechende Fortbildung zu der Thematik gemacht. Bei der Fortbildung wurde dann erwähnt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, einen Betreuer zur Durchsetzung der Patientenverfügung einzusetzen. Das ist jedoch genau das, was ich gerade nicht will, denn wozu formuliere ich auf mehreren Seiten meine Wünsche, wenn dann letztendlich doch ein Betreuer benötigt wird? Und genauso wenig möchte ich im Falle eines erkrankten Angehörigen oder Freundes, dass ein Betreuer für etwas eingesetzt wird, das eigentlich durch eine Patientenverfügung schon ausreichend geregelt wird.
Mir fällt immer wieder auf, wie wenig hilfreich es ist, wenn auf ärztlicher Seite nicht mehr auf den gesunden Menschenverstand gesetzt wird, sondern stattdessen ängstlich in dem Bedürfnis nach absoluter Absicherung juristische was-wäre-wenn-Probleme konstruiert werden. Diese werden dann anscheinend von juristischer Seite dankbar aufgenommen und letztendlich wird das Thema Sterben dann wieder aus dem Familien- und Freundeskreis ausgelagert hin zu Menschen, die den Betreffenden gar nicht kennen. Gerade weil sich viele Angehörige durch Betreuer ausgebootet fühlen und gerade weil leider nicht die geringste Bereitschaft zur offenen Auseinandersetzung mit Kritik besteht, sollte man die Patientenverfügung mit gesundem Menschenverstand lesen und nicht in akribischer Suche nach Formulierungen, die eine äußerst geringe Möglichkeit der anderweitigen Interpretation bieten.
Nein, sehr viel sicherer fühle ich mich durch die existierende praktische Umsetzung des Gesetzes über Patientenverfügungen nicht unbedingt.
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