Mittwoch, 19. Januar 2022, 15:45h

"Was ist eigentlich einfühlsam?" Nachtrag

behrens

Da wieder einmal der Vorwurf der Unkollegialität im Raum steht, weil in meinem Beitrag "Was ist eigentlich einfühlsam?" jemand aus dem früheren Kollegenkreis kritisiert wird, möchte ich den Beitrag nachträglich ergänzen mit der Schilderung eines Vorfalls, in dem es um eben jene Kollegialität geht:

vor einiger Zeit hat sich die Betreuerin, deren Verhalten in dem besagten Beitrag beschrieben wird, an das Amtsgericht gewandt, um dort die angebliche Behauptung eines Betreuten mitzuteilen. Behauptet wurde, dass ein Betreuer eine hohe Geldsumme an Dritte zahlen würde, wenn diese ihn für die Übernahme einer Betreuung vorschlagen. Es gibt viele Dinge, die man als unkollegial bezeichnen kann, aber wenn eine Betreuerin eine Information eines Betreuten unhinterfragt und ungeprüft gleich an das Amtsgericht weiterleitet, ist das so ziemlich das Letzte, was man von einem Kollegen erwarten sollte. In diesem konkreten Fall war die Behauptung nachweislich ebenso falsch wie absurd, denn der betreffende Betreuer hat einen guten Ruf und es absolut nicht nötig, um Betreute zu werben.

Man muss nicht viel spekulieren, worin die Motivation für eine derart schäbige Denunziation liegt. Wenn jemand den zweifelhaften Ruf hat, in erster Linie auf Gewinnmaximierung ausgerichtet zu sein und zudem oftmals einen grenzwertigen Ton im Umgang mit Betreuten zu haben, dann ist es natürlich ärgerlich, wenn andere Betreuer einen guten Ruf haben, weil deren Priorität in der Qualität der Arbeit besteht. Was bietet sich da besser an, als ein wenig Rufschädigung zu betreiben?

Ich bin weder Anwältin noch Immobilienmaklerin, sondern Sozialpädagogin. Dabei ist die Anmerkung wichtig, dass ich noch zu Zeiten vor dem Neoliberalismus studiert habe. Dementsprechend stellen für mich die Menschen, die sich hilfesuchend an mich wenden, auch keine "Kunden" dar, sondern Klienten und andere Betreuer oder Sozialarbeiter stellen für mich keine Konkurrenz dar, sondern Kollegen.

Die zunehmenden Beschwerden von Betroffenen im Bereich der rechtlichen Betreuung bedürfen keiner lächerlichen Werbefloskeln, sondern einer offenen Thematisierung und eines Dialogs. Die Tatsache, dass Menschen zunehmend nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag ohne Hilfe von Dritten zu bewältigen, sehe ich nicht als ein rein individuelles Problem, sondern als ein gesamtgesellschaftliches, das nicht durch die Etablierung von immer mehr Betreuungsbüros gelöst werden kann. Dies allein ist mein Anliegen, wenn ich hier in diesem Blog über Sozialarbeit und speziell über Betreuungen schreibe. Um Probleme zu lösen, ist es unvermeidlich, diese auch zu benennen. Wer da mit Unkollegialität kontert, stellt nicht das Wohl des Klientels in den Fokus, sondern das eigene.

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