Dienstag, 16. Oktober 2012, 02:06h

Existentielle Bedrohungen und Hilflosigkeit

behrens

Es gibt momentan nicht nur bei einer meiner Betreuten massive Probleme mit dem Jobcenter. Jetzt hat auch meine bei mir auf Minijobbasis angestellte Mitarbeiterin Frau S. große Schwierigkeiten mit dem Jobcenter, das ohne stichhaltige Begründung die Leistungen gesperrt hat. Als Grund dafür wird die Verweigerung der Mitwirkungspflicht genannt. Angeblich hätte Frau S. die vom Jobcenter angeforderte Betriebskostenauflistung nicht zugesandt. Dies entspricht jedoch überhaupt nicht den Tatsachen, denn Frau S. hat die Abrechnung bereits zweimal zugeschickt.

Viel schlimmer als das nicht überwiesene Geld ist bei der ganzen Sache die nicht überwiesene Miete. Da es in der Vergangenheit bereits zu Mietschulden kam, weil Frau S. irrtümlich davon ausging, dass Miete vom Jobcenter überwiesen wurde, kam es zur Kündigungsandrohung. Durch einen weitern Fehler, der eindeutig beim Jobcenter lag (verspätete Überweisung durch Zahlendreher), kam es dann erneut zu einer verspäteten Mietzahlung. Und durch die jetzt erfolgte wiederholte Nichtzahlung der Miete hat sich die Situation jetzt dramatisch zugespitzt und der Vermieter nutzt jetzt seine Chance um gegen Frau S. die Kündigung durchzusetzen.

Frau S. hat drei kleine Kinder und ihr Mann ist gerade ins Krankenhaus gekommen und es geht ihm nicht gut. Heute brach sie weinend zusammen, weil sie nicht weiß, wie es weitergehen soll. Ich weiß nicht, was ich für sie tun kann, da ich ja leider nicht als Anwältin agieren kann. Ich habe einen Brief an den „Standortleiter“ geschrieben und darauf hingewiesen, dass durch das Verhalten der betreffenden Mitarbeiterin jetzt eine ganze Familie von Wohnungslosigkeit bedroht ist.

Ich habe Frau S. als einen sehr verantwortungsbewussten und sehr sozialen Menschen kennengelernt, der ohne eigene Schuld in die Hartz-IV-Falle geraten ist. Sie hat erst vor kurzem geheiratet und ihr Mann fand aufgrund seines Status als Ausländer bisher noch keinen festen Arbeitsplatz, sondern nur einen Minijob, den er jetzt allerdings höchstwahrscheinlich durch den Krankenhausaufenthalt verlieren wird. Noch vor einigen Jahren hatte Frau S. überhaupt nichts mit Hartz-IV zu tun. Die Hartz-IV-Falle schnappte erst zu, als sich ihr erster Ehemann von ihr trennte. Da die Kinder noch klein waren, konnte sie nicht arbeiten. Und wie es so oft der Fall ist, war das Gehalt des Ehemannes zwar ausreichend für einen Haushalt, aber längst nicht für zwei Haushalte. Im Klartext heißt dies dann Hartz-IV.

Ich habe noch immer die Idee, mich an die Presse zu wenden. Vor einigen Jahren hatte ich das getan und dabei sofort eine Reaktion des Jobcenters erhalten. Allerdings muss man sorgfältig abwägen, wie sich die Öffentlichmachung in Hinsicht auf die Kinder auswirken könnte. Durch einen Artikel in der Presse wird bekannt, dass eine Familie im Hartz-IV-Bezug steht und es ist nicht auszuschließen, dass dies auch zu Diskriminierung führen kann.

Aber was bleibt sonst noch für eine Möglichkeit? Der betreffenden Sachbearbeiterin ist es schnurz-piepe-egal, in welche Not sie eine Familie bringt. Da wird auch kein Appell an die Menschlichkeit helfen, denn die besitzt sie nun mal nicht.

Ich kann es nur sehr schwer aushalten, wenn ich miterlebe, wie Menschen völlig verzweifelt sind ohne dass es eine Möglichkeit der Hilfe gibt. Sind dann noch Kinder mit im Spiel, wird es für mich noch schwieriger.

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