Donnerstag, 26. April 2012, 15:17h

Das Meer in mir - Todeswunsch und Lebenswille

behrens

Gestern sah ich den spanischen Film „Das Meer in mir“, dem die wahre Geschichte eines gelähmten Mannes zugrunde liegt, der für sein Recht auf Sterben kämpfte. Ramón Sampedro, der im Alter von 25 Jahren einen Unfall erlitt, aufgrund dessen er von Kopf bis Fuß gelähmt war, wollte nach 28 Jahren, die er nur im Bett liegend verbracht hatte, vor Gericht das Recht auf Sterbehilfe erkämpfen. Obwohl er den Prozess verlor, war seine Freundin bereit, ihm aktiv dabei zu helfen und verabreichte ihm im Jahr 1998 eine Zyankalisösung.

Ich zappte eine Weile nach dem Ende des Films herum und landete bei einer Talkshow, in der es auch um das Leben eines von Kopf bis Fuß Gelähmten ging, nämlich um den jungen Samuel, der vor etwa einem Jahr bei einem Unfall in der Sendung „Wetten, dass?“ schwer verletzt wurde.

Zwei Schicksale, die sich ähneln und die dennoch völlig unterschiedlich sind. Während Ramón Sampedro sein Leben als würdelos empfand, will Samuel auf jeden Fall leben. Zwei Aussagen stehen sich gegenüber: „Es ist ein würdeloses Leben als Gefangener meines Körpers“ und „Glücklichsein kann man auf jedem Niveau“. Man darf natürlich nicht ignorieren, dass Roman 55 Jahre alt war, als er sich entschloss, zu sterben und Samuel erst 23 Jahre alt ist. Vielleicht hat auch Samuel in vielen Jahren nicht mehr die Kraft, ein Leben unter so schweren Bedingungen zu leben.

Was für mich bei den beiden Lebensgeschichten so entscheidend ist, ist die Tatsache, dass beide von Menschen umgeben waren, bzw. sind, die ihnen helfen und von denen sie geliebt werden. Die Entscheidung der Freundin Ramons, aktive Sterbehilfe zu leisten, war keine übereilte Entscheidung, die aufgrund von Argumentationsgängen getroffen wurde. Sie liebte Ramon und erkannte die Bedeutung, die der Todeswunsch für ihn hatte. Erst nach einem langen Prozess war sie bereit, ihm dabei zu helfen, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Der Film „Das Meer in mir“ berührt sehr. Der Anblick von Samuel, der mit einem bewundernswerten Willen für ein lebenswertes Leben kämpft, berührt genauso.

Und deswegen kann die Frage, danach, wann ein Leben lebenswert ist und wann nicht, überhaupt nicht allgemeingültig beantwortet werden und es gibt kein allgemeingültiges Richtig oder Falsch. Es gibt die Entscheidung, für sein Leben zu kämpfen und es gibt die Entscheidung, sein Leben nicht mehr leben zu wollen. Entscheidend ist bei dem Wunsch nach der Beendigung seines Lebens, dass sich nicht irgendwelche Außenstehenden anmaßen, diese Entscheidung beurteilen zu können. Nur Menschen, die wirklich Anteil am anderen nehmen, sind überhaupt in der Lage, die Situation des anderen annähernd zu beurteilen. Nur diese Menschen können beurteilen, ob es vielleicht noch andere Wege als den des Todes gibt. Und nur diese Menschen werden sich die Mühe machen und sich die erforderliche Zeit nehmen, nach den anderen Wegen zu suchen.

Menschen, die mit dem Blick auf die Uhr eine möglichst schnelle Entscheidung fällen wollen, sind bei solchen existentiellen Entscheidungen völlig fehl am Platz. Dies trifft auch auf Menschen zu, denen der zwischenmenschliche Respekt vor andern fehlt und die eigene Entscheidungen für unfehlbar halten. Meine Ansicht deckt sich mit der von Sherwin B. Nuland, für den die Sterbehilfe in die Hand derjenigen Ärzte gehört, denen der Patient langjährig vertraut ist. Wobei für mich auch nahe Angehörige den Platz von Ärzten einnehmen können.

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