Donnerstag, 17. Juli 2008, 19:21h

Jean-Paul Sartre (1905 – 1980)

behrens

"Die Hölle - das sind die anderen"

Die menschliche Existenz ist für Sartre dadurch bestimmt, daß der Mensch sich selbst verwirklicht, so formuliert er: „Der Mensch schafft sich selbst“. Der Mensch ist „zur Freiheit verurteilt“. Einen übergeordneten Sinn gibt es nicht. Für Sartre darf das Individuum einerseits nicht dem Kollektiv geopfert werden aber andererseits ist der Mensch ein soziales Wesen und muß sich gemeinsam wehren gegen Unrecht und Krieg. Nur so kann der die Gesellschaft zu einer gerechteren, freieren Welt vorwärts bringen. Jede Kritik an der bestehenden Gesellschaft braucht Entwürfe von gerechteren und menschlicheren Formen des Zusammenlebens.

Die Freiheit des Individuums kann nicht verwirklicht werden, wenn nicht auch die Freiheit der anderen verwirklicht wird. Beides hängt unabänderlich voneinander ab. Die eigene Freiheit findet so auch ihre Begrenzung in der Freiheit der anderen.

Für Sartre ist die Hölle kein jenseitiger Ort, sondern bereits im Diesseits erfahrbar. Dies formuliert er treffend in dem Ausspruch: „Die Hölle - das sind die anderen“. Wir erfahren in den anderen eine Beschränkung in unserer Verwirklichung. Gleichzeit hat Sartre aber ja die Eingebundenheit des Individuums in die Masse erkannt.

Ich habe zwei – sehr unterschiedliche – Werke von Sartre gelesen: "Das Spiel ist aus" und „Ekel“. Während es im ersten Buch darum geht, daß zwei für einander bestimmte Menschen nicht die Chance ihrer einmaligen Liebe ergreifen geht es im zweiten Buch um die Beschreibung eines Menschens, der auf die erfahrene Sinnentleerung und Zufälligkeit seiner Existenz mit Ekel reagiert. Ekel vor allem und jeden.

Es macht nicht unbedingt gute Laune, Sartre zu lesen. Denn trotz seines im Grunde optimistischen Postulats „Der Mensch schafft sich selbst“ – also alles ist möglich, fehlt seinen Werken jeglicher Optimismus. So könnte man eigentlich abschließend das Postulat ergänzen: „Der Mensch schafft sich selbst – und das geht gründlich daneben“.

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Kusch und sein Sterbeautomat

behrens

Schon seit einiger Zeit geistert der ehemalige Hamburger Senator Kusch mit seinem selbstentwickelten Sterbeautomat durch die Medien. Ich habe in meiner Arbeit sehr viel mit Leiden und Tod zu tun und natürlich interessiert mich das Thema. Frage mich aber die ganze Zeit, warum man zum Sterben einen Automaten benötigt.

Der Wunsch nach Beendigung seines Lebens ist so alt wie die Menschheit. Ebenso die Angst vor Gebrechlichkeit und Krankheit. Schon Sappho hat vor mehr als 2500 Jahren über die Altersgebrechlichkeit und das Ergrauen der Haare geklagt und sich schließlich auch tatsächlich in den Tod gestürzt. Und viele, viele andere beendeten auch ihr Leben aus eigenem Entschluß.

Die Meinung der Kirche – zumindest der katholischen – die Selbstmord als Sünde brandmarkt, hat allerdings im Alltagsleben kaum noch Bedeutung und kann daher auch nicht Gegenstand der Diskussion um „menschenwürdiges Sterben“ sein. Vielmehr wird da ein „Recht auf Freitod“ proklamiert, das aber im Grunde von (fast) niemandem bestritten wird und somit in seinem Kampfgeist nicht so ganz verständlich ist.

Wer den Entschluß zum Freitod gefaßt hat, wird diesen auch umsetzen und es wird kaum möglich sein, denjenigen daran zu hindern. Dies zeigt die Erfahrung mit Menschen, die nach einem mißglücktem Selbstmordversuch erneut versuchen, sich das Leben zu nehmen. Ich habe übrigens noch von keinem verhinderten Selbstmörder Vorwürfe gegenüber denjenigen Menschen vernommen, die ihm das Leben gerettet haben. Und viele Menschen leben nach einem gescheitertem Versuch auch in einem weitgehend normalen Leben weiter.

Mir ist der Wunsch nach Beendigung des Lebens mindestens genauso verständlich wie der Wunsch zu leben. Allerdings verstehe ich nicht, wieso manche Menschen zum Sterben in die Schweiz fahren, wo Sterbehilfe erlaubt ist oder warum manche Menschen einen Sterbeautomaten benötigen. Jeder kranke Mensch bekommt Medikamente verschrieben, die in hoher Dosis tödlich sein können. Jeder gesunde Mensch kann sich derartige Medikamente besorgen, was vielleicht ein bißchen umständlicher ist, aber auch zum Ziel führt. Menschen haben sich schon an Orten umgebracht, an denen Selbstmordverhütung groß geschrieben wird, wie in Psychiatrien und Untersuchungshaftanstalten. Wozu also der Sterbeautomat?

Ist es vielleicht doch der Wunsch, nicht allein den tödlichen Plan umsetzen zu müssen, sondern einen Teil der Verantwortung an andere abzugeben? Ist es vielleicht der Wunsch nach Sterben in Anwesenheit der vertrauten Menschen? Das wäre noch zu verstehen. Allerdings sagen hiervon diejenigen Menschen, die sich vor ihrem Entschluß zu dem Thema geäußert haben, nichts. Es geht immer und immer wieder um die Gründe für einen Tod zur Verkürzung des Leidens.

Ist es dann wirklich notwendig, aus dem Freitod eine öffentliche Angelegenheit zu machen? Und brauchen wir wirklich Menschen, die sich auserkoren fühlen, Menschen bei der Durchführung ihres Wunsches zu helfen? In der – mir verhaßten – neudeutschen Sprache könnte man denjenigen dann als „Sterbemanager“ bezeichnen, so wie es ja auch Eventmanager gibt. Existentielles Leiden wird zum profanen Abwickeln eines Events gemacht. Das muß nicht sein. Und ich glaube, das braucht auch niemand.

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