Freitag, 8. August 2008, 03:40h

Sterbehilfe versus Sterbebegleitung – verdächtig geschlechtsspezifisch

behrens

Bei der Diskussion um Sterbehilfe lohnt es sich, mal einen Blick auf diejenigen zu werfen, die in der Sterbebegleitung aktiv sind. Im Gegensatz zur Sterbehilfe wird in der Sterbebegleitung der Sterbende umsorgt, gepflegt und unterstützt. Eine äußerst schwierige und extrem belastende Arbeit, die oftmals an die Grenzen derer geht, die diese Arbeit leisten.

Ich selbst bin keine Expertin auf diesem Gebiet sondern habe erst einmal das Sterben eines Menschen miterlebt. Das war vor 13 Jahren in Frankreich, als ein Freund an Aids verstarb. Ich habe damals unseren Freund mehrmals in der Woche besucht und mich dabei auch mit der Mutter des Freundes angefreundet, so daß ich auch den großen Schmerz der Angehörigen miterlebt habe. In dieser Zeit las ich auch das Buch von Marie Hennezel „La mort intime“, in dem zahlreiche Sterbebegleitungen hautnah geschildert wurden.

Das, was mir irgendwann einmal auffiel, ist die Tatsache, daß in der Sterbebegleitung meist Frauen arbeiten. Die ehrenamtlichen Helfer und auch die in den Hospizen Beschäftigten sind meistens Frauen. Viele der entsprechenden Bücher sind ebenfalls von Frauen geschrieben worden, wie z.B. von der Schweizerin Elisabeth Kübler-Ross.

Bei denjenigen, die in der Sterbehilfe aktiv sind, handelt es sich hingegen meist um Männer. Die Sterbehilfe ist im Gegensatz zur Sterbebegleitung eine meist nicht allzu zeitintensive Angelegenheit. Es wird ein Kennenlernen vereinbart, es wird ein Termin für den Sterbetag bestimmt und im Großen und Ganzen war’s das dann auch schon. Das Ganze macht eher einen kaufmännischen als einen zwischenmenschlichen Eindruck.

Ganz anders bei der Sterbebegleitung. Eine Terminierung ist hier nicht möglich, denn der Tod ist nicht terminierbar. Es kann lange dauern oder aber ganz schnell gehen. Nichts für Menschen, die gern mit Fristsetzungen arbeiten. Der Sterbeprozeß verlangt den Begleitern außerdem höchste Emphatie ab. Vor allen Dingen ist der Sterbebegleiter oder besser gesagt die Sterbebegleiterin nicht der Macher und Organisator, sondern es muß sich voll und ganz auf eine abwartende Rolle beschränkt werden. Und bei der Sterbebegleitung handelt es sich nicht um eine Arbeit, die im Delegieren besteht, sondern im Gegenteil; hier geht es um die Anwesenheit, um die Präsenz. Nicht sehr verwunderlich, daß viele Männer hiervon gern Abstand nehmen. Insbesondere die Erfordernis von Passivität und Abwarten dürfte denjenigen Männern, die gern Anweisungen erlassen und Anordnungen treffen, suspekt sein.

Bei der Sterbebegleitung ist der Sterbende immer als Individuum mit seiner höchst intimen und nur ihm eigenen Geschichte präsent. Sterbebegleitung ist immer ein Einfühlen in den anderen, ein Erfassen und Erahnen dessen, was demjenigen in seiner Not helfen könnte. Das kann bei jedem anders sein – bei dem einen wird es vielleicht ein Ablenken vom Tod, bei dem anderen vielleicht die Konfrontation damit bedeuten. Während es bei einigen wichtig ist, spirituelle Unterstützung zu leisten, kann es bei anderen wiederum wichtig sein, handfeste praktische Hilfe anzubieten. Sehr ungeeignet also für Menschen, die starre Ideologien vertreten und die sich in der Rolle gefallen, immer zu wissen, wo’s langgeht.

Bei der Sterbehilfe ist das Schema immer gleich. Jemand will seinen Tod selbst bestimmen und das Warum und Wie ist nur nebenrangig (außerdem auch sehr zeitintensiv und damit teuer...) und es wird stereotyp die jeweils von der Sterbeeinrichtung favorisierte Sterbemethode angeboten. Hier steht auch nicht die Präsenz der Helfer im Vordergrund, sondern die Organisation der Durchführung. Auch die Werbung nimmt dabei keinen geringen Raum ein und genau wie im Fall von Ex-Senator Roger Kusch und auch so manchen anderen Männern, wird die eigene Methode gern der Presse präsentiert. Ein bißchen erinnert das an die Togal-Werbung aus den 70ern: „Sie haben Schmerzen? Da habe ich was für Sie!“. Im unser Zeit wird dies jetzt zu „Sie wollen sterben? Da habe ich was für Sie!“.

Der Tod ist noch immer etwas, was unkalkulierbar, unerklärbar, unbeeinflußbar und angsteinflößend ist. Für Männer vom Typ Manager muß das die reine Hölle sein: keine Frist setzen zu können, passiv abwarten zu müssen und Leid und Angst mitansehen zu müssen. Für Frauen hingegen stellt dies jedoch genau das dar, was ihnen seit Urzeiten abverlangt wurde: präsent zu sein wenn jemand hilfsbedürftig ist. Wenn jemand leidet, wenn jemand stirbt (übrigens bis vor kurzem auch wenn jemand geboren wird) und wenn jemand schwach oder alt ist waren und sind immer Frauen zur Stelle.

So unerklärlich ist es also nicht, daß gerade Männer mit ihren Sterbeapparaten auf Tournee gehen und Frauen die erheblich anstrengendere Arbeit erledigen, über die im übrigen auch viel weniger berichtet wird als über Sterbehilfe.

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