Freitag, 23. November 2007, 11:17h

Memorandum für einen Betreuungsverein

behrens

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Es gibt nicht nur Menschen, die sich als Berufsbetreuer selbständig machen oder als Vereinsbetreuer angestellt sind, sondern auch Menschen, die gleich einen ganzen Betreuungsverein gründen. Dieser Spezies, die ich gleich zu Beginn meiner Laufbahn als Betreuerin kennengelernt habe, widme ich hier ein paar Zeilen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind also unvermeidbar:

Dem Vereinsgründer ist ein Angestelltenverhältnis viel zu anstrengend, zu schlecht bezahlt und zu stillos und die Gründung eines Betreuungsvereins ist daher für ihn die viel elegantere Lösung.

Die gesamte Vereinsgründung ist durch einen an die Cosa Nostra erinnernden Familiensinn geprägt; Geschäftsführung teilt man sich mit dem Schwager und im Vorstand sitzen die Ehefrauen, die auch gleich ganz praktisch mit vermögenden – und somit besser bezahlten – Betreuungen versorgt werden. Der Vorstand ist dadurch auch nicht kleinlich, wenn die Sozialabgaben des Geschäftsführers nicht in die Sozialkassen sondern ins eigene Portemonnaie fließen. Und über ein paar privat geführte Betreuungen des Geschäftsführers, deren Vergütungen ebenfalls ins private Portemonnaie und nicht in die Vereinskasse fließen, sieht man schon mal locker hinweg - we are family! Wie der Zufall so will, ist einer der Geschäftsführer Anwalt und natürlich ist es Ehrensache, daß Mandatserteilungen für die Betreuten in der Familie bleiben.

Bei der Frage nach der Notwendigkeit von Mandaten kennt der Einfallsreichtum der Geschäftsführer keine Grenzen; selbst wenn eigentlich der Betreuer für bestimmte Aufgaben bestimmt wurde oder das Gericht einem Rechtsmittel keine Erfolgsaussicht bestätigt: es wird munter drauflos prozessiert. Daß dies oftmals zu Lasten der Betreuten (und der Staatskasse!) geht und auch bei bei viel Phantasie jeglichen Sinn vermissen läßt, stört den Vereinsgründer nicht. Frei nach dem Motto - das Gesetz bin ich!

Aber der Verein bietet auch andere Annehmlichkeiten: die Kosten für die gesamte Anwaltskanzlei werden, bis auf ein paar Mark, auf den Verein abgewälzt und in der Vereinszeit kann man auch prima seinen Weinhandel (nur vom Feinsten!) betreiben.

Der Vereinsgründer sieht erstaunlicherweise keinen Widerspruch darin, sein Geld mit der Förderung und Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements zu verdienen, obwohl er für sich selbst ausdrücklich formuliert, daß es ihm „nicht mal im Traum“ einfallen würde, etwas ohne Bezahlung zu tun – übrigens eine der wenigen Aussagen, die man ihm voll und ganz abnehmen kann.

Gern nimmt er auch die vielen unbezahlten Überstunden der Mitarbeiter an, während er selbst am späten Vormittag erscheint und am frühen Nachmittag schon wieder spurlos verschwunden ist. An oberster Stelle steht für ihn das Wohl der Familie. Für das Fußvolk der Mitarbeiter gelten andere Regeln. Während für den schulschwachen Nachwuchs nur eine teure Privatschule in Frage kommt, muß der Lehrling ohne Ausbilderin auskommen und erhält als alleinige Unterstützung den aufmunternden Satz "Learning by doing".

In seinem Führungsstil scheint der Vereinsgründer direkt der Zeit des Absolutismus entsprungen zu sein. In Konflikten läßt er sich schon mal zu denkwürdigen (und glaubhaft bestätigten!) Aussagen hinreißen: „Wenn ich als Chef sage, dieser schwarze Stuhl hat die Farbe weiß, dann hat er für die Mitarbeiter weiß zu sein!“ Das hätte auch von Louis XIV stammen können – wie übrigens auch dessen verschwenderischer Lebensstil mit dem des Vereinsgründers durchaus Ähnlichkeiten hat. Letzteres allerdings ausschließlich im Privaten und nie im Bereich der Arbeit. Ein eigener PC für jeden Mitarbeiter ist daher längst nicht so selbstverständlich wie ein eigenes Reitpferd für den Nachwuchs. Aber wie bereits erwähnt : L’état c’est moi!

Irgendwann passiert das, was jeder Mißwirtschaft und jedem Betrug widerfährt, wenn man es allzu bunt treibt: der Laden wird dichtgemacht. Es wird allerdings nochmals mit letzter Kraft ein dickes Paket Vertuschungslügen in der Presse veröffentlicht. Der zweite Geschäftsführer taucht auf dem Papier plötzlich nicht mehr als Geschäftsführer auf, sondern kaum wiedererkennbar in degradierter Form als „ein Jurist, für den keine Sozialabgaben gezahlt wurden“. Und dieser clever formulierten Aussage kann man juristisch genauso wenig entgegensetzen, als wenn formuliert worden wäre: „ein Mensch“ oder „ein homo sapiens“, für den keine Sozialabgaben gezahlt wurden.

Der Zeitpunkt des Öffentlichwerdens des Betrugs ist dann auch der Zeitpunkt, wo das Prinzip des Blut-ist-dicker-als-Wasser unweigerlich seine Gültigkeit verliert. Der Jurist (oder auch der Homo Sapiens) verläßt mit einem sicheren Gespür für das richtige Timing blitzschnell noch kurz vorher den Verein und überläßt dem Schwager den Schlamassel. Der wiederum überläßt den Verein, in dem es ja immerhin auch um die Führung von über 50 Betreuungen geht, einfach den arbeitslos werdenden Mitarbeitern. Das Gespür für professionelles Timing mag bei ihm schwach entwickelt sein, das Gespür dafür, wie man sich trotzem gekonnt aus dem Staub macht und konsequent bis zum Schluß die Verantwortung anderen aufbürdet, jedenfalls nicht.

Während Kassiererinnen, die einen Bon für 90 Cent unterschlagen haben, vor dem Gericht keine Chance erhalten, mußte sich keiner der Vereinsgründer überhaupt jemals für seine Taten verantworten. Beide machen unbedarft und gutgelaunt weiter. Anwälte und Betreuungsservice (ja, richtig gelesen!) braucht man ja immer. Und am Ende bleibt die Frage, warum so ein Verein eigentlich 7 Jahre unbehelligt vor sich hin arbeiten konnte.

Denkt man sich beim Vereinsgründer die Bossanzüge, den teueren französischen Châteauneuf-du-Pape, den Mercedes und die Rolex weg, bleibt nichts anderes als ein Sozialschmarotzer übrig. Und zwar einer der übleren Sorte.

Was bleibt, ist Fassungslosigkeit und die Frage, wie so ein Verein eigentlich 7 Jahre unbehelligt vor sich hin arbeiten konnte. Und ein bitterer Nachgeschmack bei der Vorstellung, daß sich derartiges jederzeit wiederholen könnte. Oder könnte es etwa nicht.....???

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