Freitag, 7. Dezember 2007, 07:07h

95 Euro müssen reichen

behrens

95 Euro müssen reichen

Wer irgendwann einmal nicht mehr in seiner eigenen Wohnung leben kann und in ein Heim ziehen muß, erhält den sogenannten „Barbetrag zur persönlichen Verfügung“, der rund 95,00 Euro (exakt sogar nur 93,69 Euro) beträgt. Von diesen 95,00 Euro muß dann all das bezahlt werden, was man außerhalb der im Heim angebotenen Verpflegung und Aktivitäten benötigt. Und das ist eine ganze Menge. Angefangen von den Zuzahlungen für Medikamente, die auch ein Heimbewohner erst nach der einmaligen Zahlung von genau 41,64 Euro erhält, bis zu täglichen und monatlichen Kosten für Zeitung und Telefongebühren.

Aber auch wenn man bei dieser Rechnung erstmal einfach nur auf das Notwendigste zusammen rechnet, kommt schon eine Menge zusammen. Nehmen wir einfach mal die Kosten, die im medizinischen Bereich anfallen, wie z.B. die vielen Medikamente, die zwar notwendig sind, aber trotzdem nicht verschrieben werden und somit selbst gezahlt werden müssen. Auch einige dringend erforderliche medizinische Hilfsmittel, wie z.B. speziell gepolsterte Hosen für gebrechliche Menschen, die oft stürzen, müssen selbst gezahlt werden. Brillen und Hörgeräte, deren Notwendigkeit wohl von niemandem bestritten werden, müssen ebenfalls aus eigener Tasche gezahlt werden. Vorsorge wie gynäkologische Ultraschalluntersuchungen oder prophylaktische Maßnahmen wie Zahnreinigung gehen auch auf eigene Kosten. Die Fahrkarte zum Arzt oder für sehr gebrechliche Menschen das Taxi muß auch auf eigene Kosten beglichen werden.

Im Bereich der Körperhygiene muß der Heimbewohner alles allein zahlen. Selbst wenn ganz spartanisch auf nicht unbedingt notwendige Dinge wie Creme, Deo, Haarpflegemittel e.t.c. verzichtet wird, bleiben immer noch die Kosten für Seife, Shampoo, Rasiermittel und Zahnpasta. Der Friseurbesuch und die Fußpflege, die die meisten alten Menschen nicht mehr selbst vornehmen können, kommen auch noch hinzu.

Kontakte außerhalb des Heimes gibt es natürlich nicht zum Nulltarif und so müssen Heimbewohner, die auch gern mal mit ihren Bekannten und Angehörigen telefonieren möchten, wie jeder andere auch die Grundgebühren für ein Telefon zahlen, die trotz Ermäßigung immerhin noch 17,00 Euro betragen. Sollten Heimbewohner gar den Wunsch nach persönlichen Kontakten haben, müssen die Kosten für die Fahrkarten auch von den 95,00 Euro gezahlt werden. Es gibt für Heimbewohner weder eine Ermäßigung für Einzelfahrscheine noch für Seniorenabonnements. In Hamburg muß beispielsweise für eine Tageskarte rund 5,00 Euro und für eine Seniorenmonatskarte 33,00 Euro gezahlt werden.

Wenn man zynisch sein will, könnte man entgegnen, daß Fahrkosten ja gar nicht notwendig sind, denn alle Aktivitäten außerhalb des Heims sind ja sowieso viel zu teuer für einen Heimbewohner, denn von 90,00 Euro können weder Theaterbesuche, noch Ausstellungen noch Restaurants gezahlt werden. Besuche von Verwandten und Bekannten kosten zwar nur das Fahrgeld, aber für kleine Mitbringsel wie Blumen, Geburtstagsgeschenke oder etwas zu Naschen für die Enkelkinder muß verzichtet werden.

Rechnet man einfach mal nur die Kosten für Fußpflege, Telefon, Medikamentenbefreiung und eine Fahrkarte zusammen, dann verbleiben weniger als 25,00 Euro für alles Restliche!

Wie schön, daß die jetzigen Alten noch Sparsamkeit und Verzicht gelernt haben, denn ohne diese Tugenden würde ein Heimleben wohl kaum erträglich sein. Bei den nachfolgenden konsumverwöhnten Generationen kann man sich allerdings auch mit viel Phantasie kaum vorstellen, wie diese den Einschränkungen eines Heimlebens gewachsen sein sollen und es wird dann wohl zwangsläufig Änderungen, welcher Art auch immer, geben müssen. Der jetzigen Generation wir dies allerdings nichts mehr nützen. Die jetzige Heimgeneration, die die Entbehrungen der Kriegszeiten, der Inflation und einer erheblich härteren Arbeitswelt erleben mußte, darf jetzt ihren Lebensabend wie gehabt mit weiteren Entbehrungen verbringen.

Interessieren tut die ganze Problematik der Armut von Heimbewohnern aber außer einigen wenigen Angehörigen kaum jemanden, denn von Heimbewohnern bekommt man in der Öffentlichkeit nur wenig mit, weil ihnen das heute so entscheidende Merkmal der Werbewirksamkeit fehlt. Heimbewohner taugen denkbar schlecht als Zielgruppe. Man kann sie im Fernsehprogramm weder in Nannyshows, noch in Einrichtungsserien noch in Modellbewerben präsentieren. Mit anderen Worten: in den Medien fehlt für die Heimbewohner jede praktische Verwendung. Und das ist nun mal die Vorraussetzung für ein öffentliches Interesse.

Es gibt Betreuer, die meine Kritik als Anspruchsdenken ansehen. Dies hat einen bitteren Beigeschmack, wenn man bedenkt, daß Betreuuer nicht gerade zu den Leichtlohngruppen zählen, auch wenn einige von ihnen das Gegenteil behaupten. Es ist kein Anspruchsdenken, wenn jemand, der sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hat, im Alter menschenwürdig leben möchte. Möglichkeiten hierfür gäbe es sicherlich, wenn man Heimarmut nur einmal thematisieren würde. Die Verkehrsverbände und die Telefongesellschaften könnten beispielsweise bezuschußt werden um spezielle Tarife für Heimbewohner anzubieten. Wie gesagt, Möglichkeiten gäbe es, wenn es Menschen geben würde, die sich mal Gedanken darüber machen. Und zwar nicht erst dann, wenn man selbst im Heim lebt. Dann hört nämlich keiner mehr hin!

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