Freitag, 23. November 2007, 06:52h

Manchmal fehlen sie mir ........

behrens

Manchmal fehlen sie mir - die Sozialarbeiter aus früheren Zeiten. Die auch mal den Mund aufgemacht haben und noch den Wunsch nach Veränderung hatten. Die sich mit Behörden, Vorgesetzten und wem auch immer angelegt haben, wenn es sein mußte. Die Sozialarbeiter, ohne die es die jetzigen Beratungsstellen, Fachbeauftragten und so einige Rechtsansprüche auf Hilfen nicht geben würde, weil die nicht einfach vom Himmel fielen, sondern hart erkämpft werden mußten. Sozialarbeiter, für die ihre Arbeit nicht bloß kaufmännische Kosten/Nutzenrechnung war, sondern die manchmal ein bißchen über das unbedingt Erforderliche hinaus getan haben, weil es eben manchmal genau das kleine Bißchen mehr ist, das für wirkliche Veränderungen erforderlich ist. Sozialarbeiter, die keine Angst hatten, zu ihrer Einstellung und ihrer Arbeit mit allem Für und Wider auch in der Öffentlichkeit zu stehen und damit etwas in Bewegung gebracht haben.

Sicher, es gibt immer noch Menschen, die sich in ihrer Arbeit aufreiben und viel mehr für andere tun, als sie eigentlich müßten. Aber leider tun sie dies im stillen Kämmerlein und so kann niemand mitbekommen, daß viele Dinge nur umgesetzt werden konnten, weil man eben NICHT nur das Plansoll erfüllt hat. So edel und lobenswert diese Kollegen auch sind; hätte es in der Vergangenheit nur diese Arbeitsweise gegeben – wir würden uns jetzt wahrscheinlich noch im Mittelalter befinden, wir hätten noch die 60 Stundenwoche und als einzige soziale Einrichtungen würde es vielleicht Findelhäuser und Suppenküchen geben.

Was speziell die Betreuer und Betreuerinnen betrifft, so gibt es auch hier einige, die sich sehr engagiert um ihre Betreuten kümmern und die dabei nicht nur ihre Vergütung im Kopf haben, obwohl in nicht wenigen Betreuerköpfen kaum ein anderes Thema Platz findet. Leider scheint es aber wenig Hoffnung zu geben, Mitstreiter im Einsatz für grundlegende Veränderungen zu finden, und die bräuchten wir heute mehr denn je.

Wenn Sozialarbeit nicht auf Flickschusterei begrenzt bleiben soll, sondern auch verändernd eingreifen will, wird nicht nur Engagement gebraucht, sondern auch die Bereitschaft, Mißstände offen zu benennen und Konflikte auch – oder gerade - in der Öffentlichkeit auszutragen.

Ich habe in meiner Arbeit dieses Ideal noch lange nicht verwirklicht. ABER: ich habe zumindest noch dies Ideal!

18.05.:1498/24.11.:1412

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soziale arbeit
ich vergesse nie diesen Auspruch.
" Sozialarbeit oder auch Therapie kann nur im Kontext mit der Gesellschaft funktionieren."
Wenn also ein großer Prozentsatz der Bevölkerung mehr und mehr abhängig wird von sogenannten Transferleistungen, Sozialarbeit gar in bestimmten Einrichtungen die Einzelnen nur noch in teilzeit beschäftigt und so mancher sozial arbeitender Mensch Angst davor haben muß selbst einmal als sozialhilfeempfangender Klient zu landen, dann kann es leicht verstanden werden das Niemand mehr so richtig gegen Strömungen schwimmen mag, die für Gesetzgeber oder Träger der Arbeit gebenden Einrichtungen unbequem sein könnten. Die kirchlichen Träger sind da keinen Deut besser als die öffentlichen. Ich weiss gut wovon ich rede und nun bin ich arbeitslos.

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Ich glaube nicht, daß es nur die Existenzangst ist, die Menschen daran hindert, Dinge zu sagen, die gesagt werden sollten.

Ich bin mit so einem Verhalten seit vielen Jahren konfrontiert und Betreuer setzen nicht so schnell ihre Existenz aufs Spiel, wenn sie mal etwas sagen.

Manche (Viele) Menschen sind von einem extremen Opportunismus geprägt und haben überhaupt kein Bedürfnis, sich für irgendetwas anderes als sich selbst einzusetzen. Andere wiederum haben eine riesengroße Angst, irgendwo aufzufallen. Und wiederum andere hechten so dem Geld hinterher, daß sie es als vertane Zeit abtun, mal den Mund aufzumachen.

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Vielleicht lag es daran, daß es damals einfach eine andere Zeit war? Eine Zeit, die polarisierte zwischen Links und Rechts, zwischen Oben und Unten, wo Jugendliche gegen Eltern, Frauen gegen Männer aufstanden? Es gab Aufbruch und Widerstand. Ich denke, eine ähnlich polarisierende Zeit wird wiederkommen...
Robert

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Reich und Arm gibt's noch immer
Das Polarisieren der früheren Zeiten hat mich auch furchtbar genervt. Am meisten nervte mich, wenn alles und jeder als „faschistoid“ bezeichnet wurde, der es wagte, linke Theorien zu kritisieren. Zu Zeiten meines Studiums war die DDR beispielsweise das gelobte Land, in dem alles perfekt war. Es war nahezu unmöglich, die DDR zu kritisieren, ohne dabei als Kapitalismus-Fan eingestuft zu werden.

Aber ich weiß nicht, ob der Verschwinden der engagierten Sozialarbeiter nur eine Folge des Nachlassens der Polarisierung ist. Es gibt immer noch Reich und Arm und es gibt immer noch jede Menge Ungerechtigkeit und soziale Probleme. Auch jenseits von Polarisierungen kann man die tiefe Sehnsucht nach Veränderung dieser Probleme haben. Aber vielleicht sind wir alle materialistischer geworden und konzentrieren uns mehr aufs Eigenheim und die Schulnoten der Kinder? Und vielleicht unterschätzt man den Einfluß der allseits präsenten Medien, die einen so gekonnt ablenken von allem, was nicht so schön ist. Es gibt immer etwas im Fernsehen, was so extrem dämlich und bescheuert ist, daß es schwerfällt, auszuschalten.

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Vision?
Ich erinner mich dunkel. Auch ich liebäugelte heimlich ein bißchen mit der DDR ;-) Naja, man versprach sich halt die große Alternative zu dem hiesigen Muff, zu den autoritären Erziehungsstrukturen usw. Ich glaube, das Kölner Biermann-Konzert, das ich nur im Fernsehen gesehen habe, und Biermanns Ausbürgerung haben mich dann doch ins Grübeln gebracht. Ich war allerdings nie der politische Aktivist. Mich hat immer schon mehr der Mensch interessiert, als irgendwelche Dogmen.

Klar, gibt es Reich und Arm, nimmt ja auch wieder zu, Ungerechtigkeit genauso. Aber alleine etwas dagegen unternehmen? Ich war z.B. ganz begeistert, als die WASG auftauchte, habe mich denen auch direkt angeschlossen, was aber nicht lange währte. Nachdem ich mitbekam, wie im Hintergrund intrigiert wurde, wie einzelne Personen die Macht regelrecht an sich rissen, da war für mich wieder Schluß. Und in den Jobs aufmucken ging auch nicht. Damit hätte ich mich gegen unseren Auftraggeber (Arbeitsagentur, ARGE) gestellt. Ich hätte postwendend die Kündigung von meiner Firma bekommen. So was ähnliches ist mir dann ja doch noch passiert: kaltgestellt, Posten entzogen. Kündigung war nicht nötig, der Vertrag war eh nur projektbezogen, also befristet. Wir ließen ihn einfach auslaufen. Den Beitrag von gfabritz kann ich da schon verstehen. Und wem aufgrund von "Aufsässigkeit" oder so gekündigt wird, dem drohen erstmal drei Monate Sperre des Arbeitslosengeldes, denn er hat ja die Kündigung bewußt in Kauf genommen, also den Arbeitsplatzverlust selbst verschuldet. Das muß natürlich "bestraft" werden. Großes Verständnis sollte man da bei den Mitarbeitern der Arbeitsagentur nicht erwarten. Die können knallhart und ungerecht sein. Das macht Existenzangst.

Natürlich sind wir alle materialistischer geworden, natürlich auch bequemer und mehr auf die eigenen Probleme fixiert. Aber viele werden merken, daß das nicht reicht. Gestern hatte ich noch ein Gespräch mit einem Psychologen, der mittlerweile feststellen muß, daß viele seiner Patienten unter dem Leistungsdruck in den Firmen leiden, darüber auch krank werden. Ich glaube, wenn man hier anfangen würde, die Vision von einer menschenwürdigeren, liebevolleren, rücksichtsvolleren Gesellschaft zu entwerfen, früher oder später dürfte das schon zu einer gewissen Bewegung kommen, weil einfach der Leidensdruck zu groß wird. Das wird nix Großes werden. Aber immerhin.

Tiefe Sehnsucht nach Veränderung: Das hast Du schön geschrieben. Die habe ich natürlich auch. Nur noch nicht mein persönliches Mittelchen gefunden, an dieser Veränderung mitzuarbeiten. In den Strukturen, denke ich zumindest, wird es kaum möglich sein.

LG, Robert

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