Donnerstag, 15. November 2007, 16:33h
Pressefreiheit oder ungerechtfertigte Hetze?
Hamburger Abendblattartikel über zwei fragwürdige Betreuer
Im Frühjahr letzten Jahres hat ein Artikel im Hamburger Abendblatt ziemlich viel Wirbel verursacht. In dem Artikel ging es um eine unter Betreuung stehende 68-jährige Frau, deren Haus von ihren Betreuern verkauft wurde. Die offizielle Begründung hierfür lautete, das durch den Verkauf erzielte Geld würde für die Begleichung von Erbschaftssteuern benötigt. Das Grundstück soll weit unter Preis an die Gemeinde verkauft worden sein, die dieses als wertvolles Bauland nutzen wollte. Die eingesetzte Verfahrenspflegerin arbeitete in einer Bürogemeinschaft mit dem Betreuer, der auch als Rechtsanwalt tätig ist.
Als sich die Betreute an das Abendblatt wandte und die Geschichte veröffentlicht wurde, erreichten die Betreuer per einstweiliger Verfügung, daß unter anderem die Namen der Beteiligten und der Ort des Geschehens nicht mehr genannt werden durften. Dies hatte dann einen groß angelegten Bericht des Abendblattes zur Folge, in dem unzählige Textstellen geschwärzt waren. Die Betreute hatte sich schon zuvor an einen Anwalt gewandt um die Räumung des Grundstücks zu stoppen, doch die Betreuer hatten beim Landgericht die Zurückweisung des Antrags erreicht. Eine Entscheidung, die jedoch später wieder aufgehoben wurde. Außerdem hatten die Betreuer auch erwirkt, daß diese Angelegenheit nur durch sie und nicht mehr durch die Betreute gegenüber Medien vertreten werden durfte.
Alle Betreuer wissen, daß es sehr gute Gründe geben kann, ein Grundstück, ein Haus oder auch eine Wohnung gegen den Willen des Betreuten räumen zu lassen. Wir Betreuer wissen aus unserer praktischen Arbeit auch, daß Betreute, selbst wenn sie dement oder psychisch krank sind, sehr wohl Dritten gegenüber klar und selbstbewußt auftreten können und in der Lage sind, Sachverhalte völlig zu verdrehen. Last not least wissen wir auch alle, daß die Presse gern Stories bringt, die auf die Tränendrüse drücken und es auch nur diese Stories sind, die Aufsehen erregen und sich gut verkaufen lassen.
So weit so gut – aber rechtfertigt dies allein schon, die Pressefreiheit auszuhebeln? Ich für meinen Teil bin nicht nur Betreuerin, ich bin ganz nebenbei auch jemand, der Zeitung liest und ich möchte einen Bericht vollständig und nicht mit geschwärzten Textpassagen lesen. Ich halte eine freie Presse für unverzichtbar – die vierte Gewalt in einer Demokratie und nicht weniger wichtig als die drei anderen. Auch Betreuer können irgendwann einmal zu Betreuten werden und jeder sollte sich zumindest einmal Gedanken darüber machen, wie es wäre, wenn es keine Möglichkeit der freien Äußerung mehr geben würde.
Als dieser Vorfall im vergangenen Jahr unter Betreuern diskutiert wurde, teilte nur ein einziger der Kollegen meine Meinung, alle anderen beklagten mehr oder weniger die Vorgehensweise der Presse. Auch ich halte die Presse oftmals für sensationssüchtig und für opportun was die Auswahl ihrer Themen angeht. Wie viele andere Betreuer auch, befürchte ich oft im Stillen, daß irgendeiner meiner Betreuten irgendwann auch einmal die Presse einschaltet, weil er sich schlecht betreut fühlt. Dennoch kann und darf es nicht sein, daß wir wieder in die Zeit der Zensur zurückfallen. Egal ob es sich um Bestechung, Umweltskandale, Verfilzung oder dergleichen handelt – freie Berichterstattung muß sein - die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf. Letztendlich gibt es auch das Mittel der Gegendarstellung oder vielleicht auch einmal das Mittel der offensiven Öffentlichkeitsarbeit (das würde ich gern noch mal an anderer Stelle ausführen).
Der hier von mir geschilderte Fall wurde übrigens auch im Spiegel und im NDR dargestellt. Und die betreffenden Journalisten des Abendblattes haben die Auszeichnung des „Wächterpreises der Tagespresse“ erhalten. Man mag über die Art der Berichterstattung geteilter Meinung sein, aber dieser Preis wird mit Sicherheit nicht vergeben für Artikel, die falsch recherchiert wurden. Im Klartext: die erhobenen Vorwürfe waren zumindest nicht vollständig falsch! Noch klarer: die Betreuer haben mies gearbeitet!
http://www.anstageslicht.de/index.php?UP_ID=1&NAVZU_ID=16&STORY_ID=34
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