Freitag, 13. Dezember 2013, 13:10h

Morgendlicher Besuch. Armut ist relativ

behrens

Vor ein paar Tagen wurde ich früh morgens durch ein Gemurmel vor unserer Wohnungstür geweckt. Als ich die Tür öffnete, sah ich in Augenhöhe zuerst nichts und erst als mein Blick weiter nach unten wanderte, entdeckte ich einen Mann, der gebettet auf eine seiner Jacken auf dem Boden lag. Ich wohne im vierten Stock in einer Dachgeschosswohnung und entsprechend klein ist der Flur, so dass der Mann sich gerade eben ausstrecken konnte. Ich fragte den Mann erstaunt, was er auf dem Boden machen würde. „Ich dachte, hier ist niemand zuhause“ antwortete er mir und machte sich daran zu gehen. Meine Frage, ob er keine Wohnung hätte, wurde bejaht, so dass ich ihm sagte, dass er meinetwegen dort liegen bleiben könne, aber leise sein sollte.

Mein Lebensgefährte war etwas irritiert über meine Auskunft, dass jemand vor unserer Tür schlafen würde und als er ebenfalls nachsah, muss er wohl ein wenig furchteinflößend ausgesehen haben, so dass unser Besucher seine Jacke anzog und gehen wollte. Davon ließ er sich auch nicht abhalten, als ich ihm nochmals beteuerte, er könne bleiben.

Mir hängt dieses Erlebnis auch jetzt noch nach. Es herrscht Eiseskälte und jemand hat keine Bleibe, so dass er sich in Hausfluren schlafen legt. Armut ist relativ. Einige Menschen nennen etliche Immobilien ihr Eigen oder haben ein sechstelliges Jahreseinkommen und jammern trotzdem um die Wette. Andere wiederum besitzen noch nicht einmal ein möbliertes Zimmer, haben lediglich ein Existenzminimum zur Verfügung und beklagen sich nicht. Und gehen einfach, wenn sie das Gefühl haben, unerwünscht zu sein. Und erinnern dabei an einen Hund, der fortgejagt wird.

Wie lange hält eine Gesellschaft so ein riesiges soziales Gefälle noch aus? Ich hoffe, nicht mehr allzu lange…

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Da "Gesellschaft" ein leerer Wertbegriff ist,

so lange,

wie einer dominierenden Minderheit der gewollte
Glaube eingeredet werden kann, Mitgefühl sei ein
Bildungsproblem.

Wie solidarisierungsfähig sind Menschen unterhalb
des Existenzminimums und wo dürfen sie sich "verorten"?

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wie solidarisierungsfähig sind Menschen unterhalb des Existenzminimus?

Es ist in der Tat ein bezeichnendes Phänomen, dass die Solidarisierungsfähigkeit mit dem Einkommen steigt. Mir fällt dazu aus aktuellem Anlass sofort die in meinem Beitrag vom 17.12.13 beschriebene hochempörte Reaktion einiger Betreuer auf die Begrenzung der Betreuungszahlen ein. Die damit verbundene Einkommensgrenze scheint für manche eine existentielle Verletzung der Menschenrechte darzustellen, die unbedingt sofortige solidarische Aktionen fordert. Bei der Frage, ob die Reaktion angemessen ist oder nicht, sollte man bedenken, dass bei der Begrenzung immerhin noch ein Umsatz von rund 7.000,00 € verbleibt, der nur dann wesentlich geschmälert wird, wenn hohe Personalkosten anfallen, was bei vielen Betreuern aber gar nicht der Fall ist. Und es darf eben auch nicht außer Acht gelassen werden, dass manche Betreuer auch noch zusätzlich lukrative Nebentätigkeiten ausüben. Dennoch ist die Empörung groß genug um sich trotz des ansonsten unangetasteten Prinzips der Konkurrenz zu solidarisieren.

Hartz-IV-Empfänger und Leichtlohngruppen könnten sich davon eine Scheibe abschneiden…

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Der goldene Schnitt
Auszug aus einem Betreuerbericht (System Butler) anno Domini 2013

Arbeitstitel: Wer nicht passt, wird zurechtgeschnitten

Ziffer 12.

Mit dem Betreuten halte ich wie folgt persönlichen Kontakt:
------------------------------------------------------------------------

„regelmäßige Besuche in der Einrichtung“

Ziffer 13.

Sonst habe ich zu berichten:
----------------------------------

„Die krankheitsbedingte Vorgeschichte setze ich als weitestgehend bekannt voraus.

Herr H. leidet an einem multiplen Krankheitsbild und ist dabei bettlägerig. Dies führt zudem zu häufigen Klinikaufenthalten des Betroffenen.

Der Umgang mit Herrn H. selbst, war auch weiterhin schwierig, da er gegen alles etwas auszusetzen hatte und somit auch mit allem unzufrieden wirkte.
Will man mit ihm konkrete Absprachen treffen, weicht er aus und verweigert eine Antwort.

Aufgrund der nicht behandelten Entzündung des Fußknochens, kam es in diesem Betreuungszeitraum schließlich zu einer Notamputation bei Herrn H.
Im Anschluss daran, hatte sich der Gesundheitszustand des Betroffenen stabilisiert.

Aber auch im Kontakt, war der Betroffene zugänglicher und absprachefähiger geworden.

Das Grundstück des Betroffenen, konnte durch einen Auktionator zum Zwecke des Verkaufs geräumt und schließlich versteigert werden.
Der notarielle Kaufvertrag liegt dem Vormundschaftsgericht zur Genehmigung vor.

Am .... 2013 wurde Herr H. notfallmäßig in das P. Krankenhaus, R. eingewiesen
(Anm.: über zwei Stadtgrenzen hinweg) und ist dort aufgrund seiner multiplen Erkrankung am (Anm.: Tag danach) 2013 verstorben.“

Ich versichere die Richtigkeit und Vollständigkeit.

Federstrich (Name geändert)

Diplom Sozialpädagoge K.

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Hätte es Ihrer Ansicht nach eine Möglichkeit gegeben, bei dem Betreuten/Patienen mehr Kooperation in der Behandlung seiner Entzündung zu bewirken und damit letztendlich die Amputation zu vermeiden? Es gibt meiner Meinung nach Menschen, bei denen auch bei viel Einsatz keine Bereitschaft zur Annahme von Veränderungsvorschlägen besteht und man läuft gegen Wände. Die Frage ist immer, ob nichts unversucht blieb, den Betreffenden zu erreichen.

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Abgezockt und totgepflegt
wurde und wird hier bestätigt.

Bei Halbseitenparese sind Fersenpolster nahezu zwingend in der Pflege angezeigt.
Trotz Anti-Dekubitus-Wechseldruck-Luftmatratze sollte zudem eine Freilagerung der
Fersen angestrebt werden. Das "erhöht" natürlich den Aufwand an Pflegesekunden
und den Reinigungsbedarf der Polsterbezüge.

Ein kleiner roter Fleck in solchen Fällen sollte Anlass sein, den Betroffenen umgehend in einer Gefäßchirurgie vorzustellen, z.B. um die Anlage eines pedalen Bypasses abzuklären.

Amputieren ist billiger.

Gräber sind pflegeleichter und widerspruchsärmer.

Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung und Tötung durch unterlassene Hilfeleistung bleibt.

Der Betreuer, der zudem noch als Psychotherapeut firmiert, war intensiv
mit der Liquidation des Sachvermögens des Betroffenen beschäftigt.

Die Liquidierung des Betroffenen oblag dem behandelnden Arzt und
den "examinierten" Pflegekräften.

Das rechnende Denken und Handeln lief geschmeidiger, in flotten 10.000,-- Euro
Schritten.

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