Sonntag, 21. November 2010, 20:29h
Stichwort Konkurrenz unter Betreuern
Stehen Betreuer untereinander eigentlich in einem Konkurrenzverhältnis oder nicht?
Das steht und fällt mit dem Arbeitsansatz und dem Selbstverständnis des einzelnen Betreuers.
Es gibt zwei Arbeitsansätze, die sich diametral entgegenstehen. Betrachtet man das Führen von Betreuungen als eine soziale Aufgabe, dann sind andere Betreuer keine Konkurrenten, sondern Kollegen. So wie es z.B. auch in sozialen Einrichtungen der Fall ist, für die Vernetzung, Austausch und gemeinsame Zielformulierungen – insbesondere auch im Hinblick auf Mitgestaltung in sozialpolitischer Planung – unverzichtbar sind.
Der andere Arbeitsansatz ist der, in dem das Führen von Betreuungen mehr oder weniger als eine Dienstleistung eingestuft wird, die jeder Betreuer unabhängig vom anderen ausführen kann, wie er möchte. Ziel ist maximaler Gewinn – was gleichbedeutend mit hohen Betreuungszahlen und geringem Betreuungsaufwand ist. Die anderen Betreuer sind keine Kollegen, mit denen man sich vernetzen will, sondern Konkurrenz.
Berufsbetreuer sind – bis auf die Ausnahme der für Vereine tätigen – freiberuflich tätig und stehen somit in keinem Angestelltenverhältnis und gehören auch keiner sozialen Einrichtung an. Aus kaufmännischer Sicht sind wir also Konkurrenten, die um die Zuteilung neuer Betreuungen buhlen. Der Betreute wird zum „Kunden“, um dessen „Kaufleistung“ Betreuer untereinander konkurrieren. Es kann also gar nicht im Interesse eines Betreuers sein, wenn andere Betreuer gut arbeiten, da dies eine noch stärkere Konkurrenz darstellt. Je besser die anderen arbeiten, desto schlechter sieht es für einen selbst aus.
Soll dies für die Betreuten – um die es ja wie immer bei alledem geht – tatsächlich von Vorteil sein? Stimmt die These des „Konkurrenz schafft Qualität“ hier wirklich noch?
Wenn man die Leistung von uns Beteuern mit einem Supermarktangebot vergleichen würde, mag dies gerade noch zutreffen. Nur wer die beste Ware anbietet, verkauft erfolgreich und hat die meisten Käufer. Aber unsere Betreuten sind keine Konsumenten und es geht bei ihnen auch nicht um den Einkauf von Kartoffeln oder Würstchen. Wir Betreuer arbeiten in einem komplexen gesellschaftlichen System sozialer und rechtlicher Strukturen. Und die individuelle psychosoziale Problematik des einzelnen Betreuten ist ebenfalls sehr vielschichtig. Unter diesen Voraussetzungen ist es sehr fraglich, ob es für die Betreuten selbst von Vorteil ist, wenn jeder Betreuter vor sich hinarbeitet und dabei andere Berufsbetreuer lediglich als Konkurrenz betrachtet.
Und es gibt übrigens einen entscheidenden Unterschied zum Supermarkt. Dort ist das Angebot transparent und die Qualität von Produkten wie Kartoffeln und Würstchen ist überprüfbar. Bei Betreuungen, deren Führung für Außenstehende gar nicht einsehbar ist – und denen im Übrigen der Einblick oftmals sogar vehement verweigert wird – gilt dies nicht.
Das Prinzip der „Guten Qualität durch Konkurrenz“ scheitert schon in der ganz normalen Warenwelt. Im Bereich der Berufsbetreuungen ist es verheerend. Und eins darf man nicht vergessen – ein Käufer kann problemlos den Supermarkt wechseln, aus einer gesetzlichen Betreuung herauszukommen ist dagegen nicht ganz so einfach…
Ein wenig ausführlicher habe ich es hier dargestellt.
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