Samstag, 13. November 2010, 00:50h

Die ungewollten Betreuer

behrens

Eigentlich wollte ich heute mal den Abend verbringen, ohne mich mit meiner Arbeit zu beschäftigen. Aber wie es nun mal so kommt – es gab eine Sendung, in der es um das Thema Betreuung ging. Auf MDR waren in der Sendung „Unter uns“ Menschen zu Gast, die sehr schlechte Erfahrungen mit der Betreuerin eines Angehörigen gemacht haben. In dem einen Fall ging es um einen 89jährigen Ehemann, dessen Frau nach einem Schlaganfall eine Betreuerin erhielt, die die Ehefrau in ein Heim einwiesen ließ. Der Ehemann, der zumindest in der Sendung einen geistig fitten Eindruck machte, kritisierte, dass er überhaupt nicht gefragt wurde, ob nicht er die Betreuung seiner Frau übernehmen wolle. Erst nachdem er sich an verschiedene Stellen gewandt hatte und zum Gericht ging und nicht nachgab, konnte er seine Frau wieder in die Wohnung zurückholen. Allerdings sind für die Zeit des Heimaufenthalts rund 8.000,00 € Kosten angefallen, für die er und seine Frau, die übrigens nur 680,00 € Rente bezieht, aufkommen müssen.

Bei dem anderen Angehörigen handelte es sich um einen Mann, dessen Großmutter wegen angeblicher Verwahrlosung ihrer Wohnung eine Betreuerin erhielt und dann auf deren Veranlassung ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Als die Großmutter aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war in der Zwischenzeit ihre Wohnung geräumt und die restlichen Möbel in eine andere Wohnung gebracht worden. Die neue Wohnung verfügte über keine Küche mehr, obwohl die Großmutter noch regelmäßig – sogar für andere – gekocht hatte. Die Großmutter wandte sich irgendwann hilfesuchend an ihren Enkel, der einen Anwalt beauftragte, nachdem er selbst nichts ausrichten konnte. Erst der Anwalt erreichte, dass die Betreuung auf einen anderen Enkel übertragen wurde.

Man könnte jetzt viel dazu sagen und vielleicht auch Erklärungen dafür finden, warum trotz der geschilderten Sachlage möglicherweise dennoch die Einrichtung einer Betreuung sinnvoll gewesen ist. Vielleicht wollte im ersten Fall die Ehefrau gar nicht wieder so gern zurück in die eigene Häuslichkeit und vielleicht spielten für den Ehemann ja auch finanzielle Gründe eine Rolle, um die Ehefrau lieber zuhause zu haben. Auszuschließen ist dies ohne die Befragung der anderen Beteiligten nicht.

Im Falle der Großmutter könnte es vielleicht auch selbstgefährdende Handlungen gegeben haben, aus denen heraus ein Verbleib in der Wohnung nicht mehr verantwortbar gewesen ist. Solange man nur die eine Seite gehört hat, bleibt einiges im Spekulativen.

Aber es wäre auch zu einfach, nur wieder das alte Lied anzustimmen von der Sensationspresse, die nur darauf wartet, über gesetzliche Betreuer Gemeinheiten zu verbreiten. Da ich meine Arbeit ja nicht erst seit gestern mache, sondern schon seit vielen Jahren, habe ich gewisse Dinge immer wieder mitbekommen. Und dazu gehört unter anderem, dass eben doch so mancher Betreuer der Meinung ist, seine Entscheidungen nicht begründen zu müssen und wir niemandem Rechenschaft schuldig sind. Der Betreute wird nicht als Teil eines sozialen Systems gesehen, das die Entscheidungen mittragen muss, sondern es wird über viele Köpfe hinweg entschieden.

Und dann ist da eben noch der wichtige Faktor Zeit. Erklärungen für Entscheidungen abgeben, Gespräche mit Angehörigen führen und bei der Suche nach der richtigen Entscheidung genau zu recherchieren – all dies kostet Zeit. Kein Fall ist mit dem anderen vergleichbar und die Individualität einer Problemlage muss immer wieder neu erfasst werden. Außerdem handelt es sich oftmals nicht um eine einzige Entscheidung, sondern um einen Entscheidungsprozess – also um einen längerfristigen Zeitraum. Je höher die Betreuungszahl, desto eher stößt man dann an zeitliche Grenzen.

Wenn wir Betreuer Verständnis von den Angehörigen und der Öffentlichkeit erwarten, dann müssen wir auch in den Dialog mit dem Umfeld treten. Und wir müssen uns die Zeit nehmen, die dafür erforderlich ist. Ich selbst schaffe das leider auch nicht immer, aber trotzdem versuche ich, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Einige Kollegen sehen dies ähnlich. Aber es gibt eben auch viele Betreuer, die es als Anmaßung empfinden, Entscheidungen gemeinsam zu fällen. Und die vor allem nicht bereit sind, dafür ihre kostbare Zeit zu investieren. Unserem Ruf als Betreuer ist das nicht gerade förderlich. Daran können dann auch positive Darstellungen in Websites nicht viel ändern. Ich selbst habe ja nun auch so meine Erfahrungen damit, wie Kollegen mit Kritik umgehen und kann mir deshalb auch nicht vorstellen, dass jede Kritik von Betreuten oder deren Angehörigen unberechtigt ist.

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