Mittwoch, 17. November 2010, 11:26h

Insichgeschäfte machen nur die anderen?

behrens

Vor einigen Jahren gab es in einer kleinen Gruppe von Betreuern einen Vorschlag eines Kollegen, der mir noch im nachherein Bauchschmerzen bereitet. Es ging darum, dass dieser Kollege dem Amtsgericht eine Mitteilung darüber machen wollte, dass eine Betreuerin eine Wohnung an einen Betreuten vermietet hatte, was für ihn den eindeutigen Fall eines Insichgeschäfts darstellte, durch den die Betreuerin sich Vorteile verschaffen würde.

Sicherlich ist es keine optimale Lösung, wenn ein Betreuer auch Vermieter des Betreuten ist, aber angesichts der verheerenden Wohnungsknappheit in Hamburg aufgrund der einige Betreute sogar obdachlos sind, ist es durchaus verständlich, wenn ein Betreuer die Möglichkeit der Vermietung einer Wohnung nutzt. Von einem Bekannten erfuhr ich übrigens, dass es sich bei der betreffenden Betreuten um eine sehr engagierte Betreuerin handelt, die weit davon entfernt ist, von ihren Betreuten zu profitieren.

Von den Betreuern der Gruppe teilte niemand mein Befremden und als ich einen früheren Kollegen darauf ansprach, entgegnete mir dieser sofort, dass meine Kritik anmaßend wäre, da ich selbst doch auch ein ganz typisches Insichgeschäft betreiben würde. Welches? Mein Freund hatte regelmäßig bei einer meiner Betreuten Besuchs- und Einkaufsdienste gemacht, die ihm auch (mit 9,00 € pro Stunde) bezahlt wurden. Ich habe daraufhin mit einem Rechtspfleger gesprochen, der mir sagte, dass mir zwar niemand im Gericht unterstellen würde, zum eigenen Vorteil zu handeln, doch wenn ich wirklich auf der sicheren Seite stehen wolle, wäre es besser, keinen Auftrag an meinen Freund zu erteilen. Nachdem die Betreute verstarb, habe ich meinem Freund folglich keine weiteren Besuchsdienste vorgeschlagen, allerdings zähneknirschend, denn mein Freund hat seine Arbeit nach Meinung aller gut gemacht und wurde vom Hausarzt sogar als „pure Therapie“ bezeichnet. Außerdem kommt mir der Vorwurf des Insichgeschäfts etwas abwegig vor, da ich mich ja nicht selbst beschäftigt habe, sondern eine dritte Person.

Was aber an dem Vorwurf des Insichgeschäfts an die Kollegin – ob nun berechtigt oder nicht – das eigentlich Absurde ist, ist die Tatsache, dass dieser Vorwurf ausgerechnet von jemandem erhoben wurde, der neben dem Führen der Betreuungen auch als Makler arbeitet und hierbei auch für die eigenen Betreuten tätig wird. Warum die Vermietung einer Wohnung – für die man in Hamburg übrigens ohne Schwierigkeiten etliche andere Mieter finden würde – soviel verwerflicher sein soll, ist mir völlig unverständlich. Und unverständlich ist auch die Reaktion der Kollegen, die mit keinem Wort auf diesen Widerspruch hinwiesen.

Worum geht es eigentlich wirklich bei der Auseinandersetzung über die Arbeit im Bereich der Berufsbetreuung? Geht es wirklich noch um Maßstäbe, die einzig und allein am Wohl des Betreuten ausgerichtet sind? Oder geht es in Wahrheit nicht viel mehr um das Wohl des Betreuers, das wiederum auch nur dann Priorität hat, wenn es sich um das eigene handelt oder um dasjenige von Kollegen, mit denen man unmittelbar zusammen arbeitet?

Eine Betreuerin bei Gericht anschwärzen zu wollen, die sich im Grunde gar keines Vergehens schuldig macht und deren Handeln in keiner Weise einen Nachteil für die Betreuten darstellt, ist mehr als unschön. Geschieht dies dann aber noch vor einem Hintergrund, wie hier geschildert, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einzig und allein um eins geht: darum, in bester Kaufmannsmanier Konkurrenz auszuschalten. Und was die wenigen Kollegen betrifft, die dieses Verhalten genauso befremdlich empfinden wie ich – die würden sich aus Angst vor der Reaktion eher die Zunge abbeißen, als ihre Bedenken zu äußern, was die dringend erforderliche Auseinandersetzung dann gänzlich zum Stocken bringt.

Was wird bei alldem aus dem von genau diesen Betreuern so gern proklamierten „Wohl des Betreuten“? An das verschwendet niemand einen Gedanken, so dass dieses angebliche Wohl kläglich auf der Strecke bleibt und zur reinen Werbefloskel verkümmert.

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Aus meiner Sicht hängt es von der Höhe der Miete ab, ob das Insichgeschäft verwerflich ist. Wenn sie ihrer Betreuten die Wohnung zu einem Preis zur Verfügung stellt, der höher ist als marktüblich, ist es das natürlich.

Wenn sie weniger verlangt, etwa, um dem Vorwurf, sie würde sich auf ihre Kosten bereichern, vorzubeugen, ist es zwar auch ein Insichgeschäft, das sie (vermutlich) dem Gericht zu melden verpflichtet wäre. Aber wenn sie in einem solchen Fall nicht das Gericht einschaltet und sich absichert, ist das aus meiner Sicht nicht unethisch.

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Die Antwort liegt in der Motivation
Bei dem Thema des Insichgeschäfts geht es mir in diesem Fall nicht so sehr um die Definition des Insichgeschäfts, sondern darum, dass jemand, der selbst ohne Zweifel Insichgeschäfte tätigt, sich dazu berufen fühlt, einem anderen Kollegen eben genau dies vorzuwerfen. Ich frage mich, aus welchem Grund so etwas geschieht - Interesse am Betreuten wird ja wohl kaum das Motiv sein.

Die Gretchenfrage bei einem Insichgeschäft ist doch die: „Was ist die eigentliche Motivation?“ Ist es die Tatsache, dass ein Klient in irgendeiner Form eine Nachfrage nach einem Hilfebedarf hat, den man im Interesse des Klienten beheben möchte? Oder ist es vielleicht so, dass man gezielt eine andere berufliche Ausbildung mit der Tätigkeit eines Betreuers kombiniert, weil man als Betreuer sicher sein kann, dadurch das Klientel für die gewünschte Nachfrage zu finden?

Wie ich schon schrieb – jemand, der Wohnungen vermietet, hat zumindest in Hamburg nicht das geringste Problem, dafür sofort Abnehmer zu finden. Bei Maklergeschäften sieht dies doch ein wenig anders aus. Da herrscht ein harter Konkurrenzkampf und das potentielle Klientel läuft einem nicht gerade das Büro ein.

Bei der Beantwortung der Frage nach der wirklichen Motivation ist es unerlässlich, sich näher anzusehen, wie jemand Betreuungen führt und welche Prioritäten herrschen. Wie dominierend ist das Thema Zeitersparnis? Spielt es eine große oder eine untergeordnete Rolle? Wird der Betreute respektvoll behandelt und jede Betreuung in ihrer Zielsetzung individuell ausgerichtet? Ist der Betreuer offen für Kritik? Zeigt er auch an nicht vergütungsrelevanten Themen Interesse?

Will man dies sicher wissen, reicht es nicht, sich eine Website anzusehen, denn dort wird – wie ich ja gerade erfahren habe – allein Wert auf einen positiven Eindruck gelegt, und der gibt meist herzlich wenig Auskunft über die Realität.

Du weißt ja von meiner Vergangenheit im Betreuungsverein. Der war das beste Beispiel für eine vorrangig in finanziellen Interessen begründete Motivation. Bei der Vereinsgründung wurde der sichere Nachschub an anwaltlichen Mandaten und die Möglichkeit des Zusatzverdienstes durch privat geführte Betreuungen ins Auge gefasst. Wenn man im Verein als Mitarbeiterin auch nur die allerkleinste rechtliche Frage stellte, ohne dass damit die Aussicht auf eine Mandatserteilung verbunden war, stieß man auf taube Ohren. Nichts-desto-trotz kann die Tatsache, dass jemand neben der Betreuertätigkeit auch Anwalt ist, einen enormen Vorteil für die Betreuten darstellen – vorausgesetzt, allein der Vorteil für den Betreuten ist richtungsweisend bei der Frage nach einer anwaltlichen Vertretung.

Was den gegen mich erhobenen Vorwurf meines früheren Kollegen betrifft, so lag der Grund für die damalige Beauftragung meines Freundes für einen Besuchsdienst nicht darin, ihm Arbeit zu beschaffen, sondern darin, dass die betreffende Betreute dringend einen Besuchsdienst benötigte und ich hierfür aus Kostengründen nur eine Honorarkraft und nicht einen niedergelassenen Besuchsdienst beauftragen wollte, der etwa dreimal so teuer ist. Da sich die beiden sehr gut verstanden haben, sah ich auch keinen Grund, die Zusammenarbeit zu beenden. Es gibt übrigens auch einen Besuchsdienst und einen Pflegedienst, bei dem ich mich mit einer Mitarbeiterin näher angefreundet habe – folgt man konsequent der Argumentation des Kollegen, so wäre auch dies bei der nächsten Auftragserteilung bereits ein Insichgeschäft.

Noch mal zurück zur Gretchenfrage: was steckt eigentlich tatsächlich dahinter, wenn jemand durch einen Betreuten – auf welche Weise auch immer – einen Dazuverdienst hat? Die Antwort gibt Auskunft darüber, welcher Stellenwert den Betreuten beigemessen wird.

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