Montag, 16. November 2015, 00:38h

behrens

Je suis Paris2

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Montag, 2. November 2015, 13:09h

Fernsehsendung zum Thema Sterbehilfe

behrens

Heute gab es eine Sendung zum Thema Sterbehilfe mit dem Titel: "Sterbehilfe - von den Bürgern gewollt, vom Staat verboten?"

Die Diskussion verlief streckenweise so, wie ich es erwartet habe: diejenigen, die Strebehilfe befürworten, betrachten sich unhinterfragt als diejenigen, die für die freie Willensentscheidung eintreten und die Gegner der Sterbehilfe stehen stellvertretend für jene, die Sterbenden eine freie Willensentscheidung absprechen.

Vor meiner Arbeit als Betreuerin wäre ich vielleicht für diese Polarisierung empfänglich gewesen, aber durch meine Erfahrung mit dem Thema Sterben komme ich nicht umhin, es differenzierter sehen zu müssen. Da ich die Vertreter beider Seiten kennengelernt habe, kann ich eindeutig sagen, dass es bei weitem nicht immer der Respekt vor dem freien Willen ist, der das Motiv des Eintritts für die Legalisierung der Sterbehilfe darstellt, sondern in den meisten Fällen ist es schlichtweg schnödes Desinteresse. Es ist enorm zeitintensiv, Gespräche mit den Betroffen und deren Angehörigen zu führen und nach Alternativen zu suchen. Nur wer sich wirklich für den Betroffenen interessiert, wird die Bereitschaft zeigen, dies in Kauf zu nehmen.

Unter den Betreuern sind es paradoxerweise gerade diejenigen, die sich durch ausgeprägt autoritäres Verhalten auszeichnen, die plötzlich vom freien Willen des Betreuten reden. Gerade die, denen der freie Wille des Betreuten ansonsten ziemlich egal ist, rücken in Bezug auf Sterbehilfe auf einmal den freien Willen in den Focus. Und was das Thema Respekt angeht – man sollte sich auch dabei nicht die Illusion machen, dass dies eine Eigenschaft ist, die besonders auf die Vertreter der Legalisierung der Sterbehilfe zutrifft.

Ich habe übrigens in keinem einzigen Fall in Bezug auf die ärztliche Behandlung Schwerkranker und Sterbender erlebt, dass Ärzte darauf drängten, jedes Mittel einzusetzen, um den Betreffenden möglichst lange am Leben zu halten. Im Gegenteil – ich war überrascht, wie klar angesprochen wurde, ob lebensverlängernde Mittel tatsächlich sinnvoll wären. Dabei sei betont, dass hierbei die Entscheidung mir als rechtlicher Betreuerin überlassen wurde und nicht überprüft wurde, wie eingehend ich mich bei dem Betreffenden und seinen Angehörigen über dessen Vorstellungen informiert habe. Da genau liegt der Schwachpunkt, denn es sollte verbindliche Richtlinien geben, die vorschreiben, möglichst genau mit dem Betreffenden und auch mit seinen Angehörigen zu recherchieren, wie der Betreute sterben möchte. Wobei ich nicht außer Acht lassen möchte, dass es offensichtlich einigen Angehörigen vor der Vorstellung eines langen Sterbeprozesses mehr graut, als den Sterbenden selbst.

Mit den Pflegekräften und ambulanten und stationären Pflegekräften von Sterbenden habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Übrigens nicht nur hier, sondern auch in Frankreich, wie ich an anderer Stelle beschrieben habe. Es ist sehr berührend, mit welch hohem Maß an Engement und Empathie diese Menschen sich für andere einsetzten. Aber ich möchte nicht verschweigen, dass das Leiden eines Menschen dennoch so stark und unerträglich sein kann, dass auch ein Höchstmaß an Pflege und Fürsorge nicht ausreicht. Dann – und nur dann –muss darüber nachgedacht werden, ob man dem Betreffenden in seinem Wunsch nach Erlösung durch den Tod entspricht. Dies ist jedoch keine Entscheidung, die allein an juristischen Kriterien festgemacht werden kann, sondern es geht in erster Linie um Empathie und die Fähigkeit, Menschen die Hilfe zu geben, die sie benötigen.

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Samstag, 12. September 2015, 02:29h

Was wäre wenn…die Arbeitsgrundlagen rechtlicher Betreuung auch in anderen Bereichen öffentlicher Aufgaben angewandt würden? Ein beunruhigendes Gedankenspiel.

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Auch diejenigen, die persönlich kaum etwas mit Behörden oder öffentlichen Einrichtungen zu tun haben, werden bestimmte Vorstellungen haben, wie dieser Bereich arbeitet und strukturiert ist. So wird wahrscheinlich jeder grundsätzlich davon ausgehen, dass mit öffentlichen Aufgaben betraute Einrichtungen eingegliedert sind in Verwaltungsstrukturen, die sich auszeichnen durch gesetzliche Vorgaben, klar definierte fachliche Weisungen und Kontrollorgane, durch die die Arbeit beaufsichtigt und unterstützt wird. Sollte also jemand in die Situation kommen, auf die Hilfe einer bestimmten öffentlichen Leistung angewiesen zu sein, wird jeder es als selbstverständlich voraussetzen, dass man diese Leistung nicht von einer einzelnen privaten Person erhält, die ihre Aufgabe freiberuflich und ohne jegliche behördliche Zuordnung wahrnimmt, sondern von einer für das Anliegen zuständigen Abteilung der betreffenden Behörde.

Für den Bereich der rechtlichen Betreuung trifft jedoch genau dies nicht zu, hier erfolgt die Hilfe nicht in einem behördlichen Rahmen, denn ein rechtlicher Betreuer ist kein Mitarbeiter einer Behörde oder einer sozialen Einrichtung, sondern ein Freiberufler, der frei entscheiden kann, ob er in einer Bürogemeinschaft oder allein arbeitet. Über die Höhe seines Einkommens entscheidet folglich auch kein klar definierter Tarifvertrag, sondern allein die Höhe der Anzahl seiner Betreuten, die wiederum allein vom Betreuer bestimmt wird.

Was wäre die Folge, wenn dieses Prinzip plötzlich nicht nur für rechtliche Betreuer gelten würde, sondern auch auf andere Bereiche ausgeweitet wird? Stellen wir uns beispielsweise die Mitarbeiter eines Jugendamtes vor, die eine bestimmte Anzahl von Jugendlichen, bzw. Familien zu betreuen haben und die dies plötzlich nicht mehr im Rahmen einer angestellten Tätigkeit tun würden, sondern auf freiberuflicher Basis. Selbstverständlich wäre auch hier der gesetzliche Rahmen nach wie vor geregelt, genauso wie auch die Tätigkeit rechtlicher Betreuer durch entsprechende rechtliche Grundlagen geregelt ist. Allerdings würden die Mitarbeiter jetzt nicht mehr innerhalb einer klar gegliederten Verwaltungsstruktur angesiedelt sein, sondern hätten eigene Büros, die weder zusammenarbeiten noch miteinander kommunizieren.

Nehmen wir jetzt also an, es tritt der Fall ein, dass eine Familie mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert ist, es kommt zur Vernachlässigung und das Jugendamt wird darüber informiert. Normalerweise wird daraufhin innerhalb des Jugendamtes nach Absprache die Zuständigkeit geregelt und ein Mitarbeiter mit dem Fall betraut. Der betreffende Mitarbeiter ist eingebunden in ein Team und wird sich über die Führung des Falles trotz eigenständigen Arbeitens in seinem Team austauschen und der Vorgesetzte muss über wesentliche Schritte informiert sein. Die Grundlage für die Arbeit geht weit über juristische Aspekte hinaus und zeichnet sich aus durch eine enge Vernetzung mit anderen Stellen wie beispielsweise Schule, Verwandte, Therapeuten etc. und wird ist an sozialwissenschaftlichen Richtlinien ausgerichtet. Die Teilnahme an regelmäßigen Fortbildungen und Supervision sind fast immer selbstverständlich und bei schwierigen Fällen erfolgen zusätzliche Fachgespräche.

All dies fiele plötzlich weg, wenn so gearbeitet werden würde, wie es die Praxis im Bereich rechtlicher Betreuung ist. Der entscheidende Unterschied läge jedoch nicht nur im Wegfall wichtiger Strukturen, sondern in dem Umstand, dass man es bei einer Umstellung von einer behördlichen auf eine freiberufliche Struktur plötzlich nicht mehr wie gewohnt mit einer Einrichtung zu tun hat, sondern mit – einer Firma! Und somit konkurriert die Prämisse der fachlichen Qualität jetzt mit der Prämisse der Wirtschaftlichkeit. Nicht mehr geringe Fallzahlen stellen das Ziel dar, sondern hohe. Die zuvor für die Arbeit als qualitätssteigernd geschätzte Teamarbeit und Vernetzung weicht dem Prinzip der Konkurrenz.

Ein weiterer oftmals unterschätzter Aspekt ist der Wegfall jeglichen wissenschaftlichen Hintergrunds. In Bereichen, in denen soziale Hilfestellungen, gleich welcher Art, geleistet werden, findet die Arbeit auf der Grundlage einer sozialwissenschaftlichen Ausbildung statt. Zum Studium der Sozialen Arbeit gehören beispielsweise unter anderem Soziologie, Psychologie, Recht, Methodik sozialer Dienste, Erziehungswissenschaften, sowie diverse Spezialgebiete, wie Jugendarbeit, Arbeit mit alten Menschen, Arbeit im Strafvollzug etc. Da sich die Gesellschaft ständig verändert, müssen sich auch Arbeitsansätze, Methodik und Erklärungsmodelle ständig wandeln und neuen Erkenntnissen muss Rechnung getragen werden. Lagert man allerdings ein Aufgabenfeld aus diesem Kontext aus und überlässt es durch die Struktur der Freiberuflichkeit ganz allein dem Einzelnen, welchen Stellenwert er fachtheoretischem Wissen beimisst, dann besteht die Gefahr, dass dieses durch betriebswirtschaftliche Interessen verdrängt wird.

In den sechzehn Jahren, in denen ich als rechtliche Betreuerin arbeitete, habe ich kaum Betreuer kennengelernt, die an Hintergrundwissen Interesse zeigten. Themen wie zunehmende Verschuldung, Pflegenotstand in Heimen, Aspekte des Alterns in unserer Gesellschaft, Suizidprävention etc. – diese Themen werden von rechtlichen Betreuern für die Ausübung ihrer Arbeit nicht als wichtig erachtet. Während in anderen gesellschaftlichen Bereichen sozialer Arbeit neue Ansätze entstehen und auf gesellschaftliche Veränderungen mit neuen Konzepten und entsprechenden Maßnahmen reagiert wird, herrscht im Bereich rechtlicher Betreuung eine ausgeprägte und besorgniserregende Stagnierung.

Gehen wir wieder zurück zu dem Gedankenspiel, bei dem es um das Problem der Vernachlässigung eines Kindes geht und das Jugendamt die angeordnete Intervention einem freiberuflichen Mitarbeiter überträgt, der weder einem Team angehört, noch einer Fachaufsicht unmittelbar vor Ort unterliegt. Was ist, wenn sich die Betreuung der Familie – aus welchen Gründen auch immer – sehr zeitaufwendig gestaltet? Wer kontrolliert, ob der Betreuer dann tatsächlich den erhöhten Zeitaufwand in Kauf nimmt, oder aber ob er grundsätzlich nicht über ein bestimmtes Zeitmaß hinausgeht, weil es sich dann „nicht mehr rechnet“? Wer prüft, ob der Betreuer tatsächlich die geeignete Maßnahme veranlasst und mit der richtigen Methodik vorgeht? Wer kontrolliert, ob der Betreuer sich nicht im Ton vergreift, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt? Wer hindert den Betreuer daran, mit einem autoritären Führungsstil zu arbeiten?

Die verheerendsten Auswirkungen auf die Arbeitsqualität würden in diesem Gedankenspiel allerdings dabei auftreten, wenn im Falle der Einführung des Prinzips der Freiberuflichkeit innerhalb der Jugendarbeit die zwingende Verbindlichkeit einer spezifischen berufliche Qualifikation wegfallen würde. Damit gelten dann die gleichen Bedingungen wie in der Praxis der rechtlichen Betreuung und es wäre somit keine Ausbildung als Sozialpädagoge, Erzieher oder Psychologe mehr gefordert, sondern es könnte auch ein Bankkaufmann, eine Industriekauffrau oder ein Immobilienmakler mit der Verantwortung für eine Familie oder für Jugendliche betraut werden. Wenn man sich vor Augen hält, dass es sich dabei auch um Probleme wie beispielsweise Misshandlung, Suizidalität oder Drogensucht handeln könnte, muss man schon sehr optimistisch sein, um keine Bedenken zu haben. Kann man wirklich davon ausgehen, dass kaufmännische Kenntnisse ausreichen um auf gravierende Probleme angemessen zu reagieren? Und kann man davon ausgehen, dass Menschen, deren Berufswahl eindeutig aufgrund kaufmännischer Interessen erfolgte, sich tatsächlich dafür eignen, hilfsbedürftigen Menschen emphatisch zur Seite zu stehen?

Die meisten Menschen interessieren sich für nur dann für Probleme, wenn sie unmittelbar davon betroffen sind. Aber schneller als man denkt kann man selbst oder die eigenen Angehörigen betroffen sein. Alter ist unausweichlich und Krankheit oftmals leider auch. Beides kann mit Hilfsbedürftigkeit einhergehen, die von anderen abhängig macht.

Ich möchte mit meinem hier geschilderten Beispiel deutlich machen, wie absurd es ist, einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe wie der der rechtlichen Betreuung den ihr angemessenen Rahmen einer Einbindung in eine Behörde oder einen sozialen Träger zu versagen und dadurch dem Risiko der durch die Freiberuflichkeit möglichen Willkür preiszugeben. Die Wahrnehmung einer hohen sozialen Verantwortung bedarf nicht nur einiger gesetzlicher Vorgaben, sondern vor allem auch fachlich fundierter Richtlinien. Und die Einhaltung dieser Richtlinien wiederum darf nicht auf Freiwilligkeit beruhen, sondern muss verbindlich durch kompetente Fachaufsicht gewährt werden.

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