Donnerstag, 27. März 2014, 14:22h
Erkenntnisse der Traumatherapie und Konsequenzen für den Umgang mit Betreuten
In den 80ern wurde das Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung offiziell eingeführt und inzwischen ist die Traumatherapie weitgehend etabliert und anerkannt. Während bei der klassischen Psychoanalyse in Bezug auf Traumatisierungen der Schwerpunkt auf Aufdeckung und Bewusstmachung liegt, konzentriert sich die Traumatherapie auf Entwicklung sogenannter Ressourcen und versucht Strategien zu entwickeln, um den mit den traumatischen Erinnerungen verbundenen Leidensdruck zu verringern.
Traumatherapie ist ein zu komplexes Thema um es hier ausführlich darzustellen und dies ist auch nicht meine Absicht, denn mir geht es bei diesem Beitrag um konkrete Einzelaspekte, wie dem der Konsequenz im Umgang mit Traumatisierten. Bei meinen traumatisierten Betreuten ist mir immer wieder aufgefallen, wie sehr eine akute Belastungssituation die alten Traumata mit all ihren Symptomen wieder aufleben lassen kann. Immer wieder wurde deutlich, dass der Lebensalltag des Betreuten so gestaltet sein muss, dass Situationen vermieden werden, die in irgendeiner Form zu einer Belastung oder Überforderung führen. Dies bezieht sich auf die Wohn- und Arbeitssituation, den Freundes- und Bekanntenkreis, die familiären Beziehungen und letztendlich auch auf den Betreuer.
Das Ziel der Traumatherapie besteht wie auch bei anderen Therapien darin, den durch Traumatisierungen entstandenen Leidensdruck zu verringern. Das Leiden kann sich in Ängsten, Zwängen, Depressionen und auch in Suizidalität äußern und die Traumatherapie versucht behutsam neue Wege aufzuzeigen um mit dem Leid anders umzugehen. Es soll dem Betroffenen dabei geholfen werden, sein Leben wieder als lebenswert zu empfinden und es ohne quälende Symptome zu leben und es versteht sich von selbst, dass dies nicht vereinbar ist mit der Haltung: „Wer sterben will, soll doch sterben.“
Ein wichtiger Aspekt bei der Traumatherapie ist das Erleben von Ohnmacht in Bezug auf Situationen oder Personen, denen Traumatisierte in ihrer Kindheit oftmals ausgesetzt waren. Kommt es später im Erwachsenenalter zu ähnlichen Situationen und Traumatisierte erleben erneut Ohnmacht, wird dies wieder als höchst traumatisch erlebt, obwohl ein Erwachsener objektiv gesehen nicht mehr in dem gleichen Maß wie ein Kind ausgeliefert ist. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf Respektlosigkeit und Demütigung, auch dies sind Erfahrungen, die Traumatisierte in ihrer Kindheit oftmals in hohem Maß erlebt haben und auch hier gilt, dass durch erneute Konfrontation alte Wunden aufgerissen werden und die Folgen sind dann ungleich größer sind als bei einem Nichttraumatisierten.
Die Auseinandersetzung mit diesem Aspekt der Traumatherapie hat mich sofort an ein Gespräch mit einem Pflegedienstleiter erinnert, in dem er schilderte, wie destruktiv sich autoritäres und respektloses Verhalten auf einen psychisch Kranken auswirken kann. Der Pflegedienstleiter begleitete seinen Klienten zu einem Gespräch bei dessen Betreuer. Der Betreuer benahm sich gegenüber dem Betreuen ausgesprochen autoritär, ließ ihn überhaupt nicht ausreden und ließ es erheblich an Respekt mangeln. Die Folge dieses Gesprächs war, dass der Betreute nach dessen Beendigung in Tränen ausbrach und mit Angst vor seinem Betreuer reagierte. Bei diesem Vorfall handelt es sich übrigens nicht um einen „Ausrutscher“, denn eine Ärztin schilderte mir das Verhalten des betreffenden Betreuers genauso.
Man mag jetzt lakonisch entgegnen, dass manche Menschen nun mal überreagieren und man nicht auf jede Mimosität Rücksicht nehmen kann. So würde auch der besagte Betreuer antworten, wobei es eher unwahrscheinlich ist, dass er überhaupt einen Grund sehen würde, sein Verhalten zu rechtfertigen. Und auch manche andere Betreuer würden so antworten, da sie es als Anmaßung und Geltungssucht empfänden, das Verhalten eines Kollegen in Frage zu stellen.
Vergegenwärtigt man sich dagegen die Erkenntnisse der eingangs von mir beschriebenen Traumatherapie, dann wird klar, wie unvertretbar ein solches Verhalten in der Arbeit als Betreuer ist. Ein Betreuer soll seinen Betreuten in seiner Autonomie unterstützen und dabei ist ein respektvoller Umgang eine Grundvoraussetzung. Und dies umso mehr, weil gerade ein traumatisierter Betreuter von seinem Betreuer erwarten kann, nicht noch zusätzlich traumatisiert zu werden.
Natürlich kann es auch in anderen Arbeitsbereichen zu Respektlosigkeit oder autoritärem Verhalten kommen und nicht nur im Tätigkeitsfeld der Betreuer. Allerdings wird ein derartiges Verhalten dort unweigerlich zu Konsequenzen führen. Und genau dazu kommt es bei der auf Freiberuflichkeit beruhenden Betreuertätigkeit nicht. Auch wenn es von vielen Seiten Kritik hagelt – was bei dem hier geschilderten Beispiel durchaus der Fall ist – folgen keinen Konsequenzen.
Das Betreuungsgesetz ist das Resultat des Eintretens für mehr Partizipation der vormals unter Vormundschaft Stehenden. Ein Betreuer, dem es an demokratischen Führungsstil und respektvollem Verhalten mangelt, macht genau diese Reformidee wieder zunichte. Bei einem Verhalten wie hier geschildert, hätte man auch das alte Vormundschaftsgesetz beibehalten können, denn die Umsetzung der Idee nach mehr Autonomie und Partizipation steht und fällt mit dem Verhalten des Betreuers gegenüber seinen Betreuten.
Natürlich muss man sich nicht erst mit der Traumaforschung beschäftigen, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass im Umgang im Menschen respektvolles und demokratisches Verhalten eine Selbstverständlichkeit sein sollte und glücklicherweise benimmt sich die Mehrheit der Betreuer anders als hier geschildert. Aber mir ist es wichtig, hier die verheerenden Folgen deutlich zu machen, zu denen es kommen kann, wenn es sich um Menschen handelt, die eben nicht über die normalen Schutzmechanismen und das erforderliche Selbstbewusstsein verfügen um Respektlosigkeit und Bevormundung abzuwehren.
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Dienstag, 18. März 2014, 11:34h
Wenn Behörden sich querstellen
Schon seit Jahren kümmere ich mich im Rahmen einer Vollmacht um die Belange meines Stiefvaters, der seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt ist. Bisher gab es dabei auch nie irgendein Problem.
Gestern hatte ich nun das erste Mal einen gegenteiligen Fall und eine Mitarbeiterin des Versorgungsamtes Verden teilte mir mit, dass sie das von mir beantragte Beiblatt zur Beförderung zwar bewilligt hat, aber es nicht mir, sondern direkt meinem Stiefvater zusenden würde. Ihrer Auskunft nach wäre es nicht möglich, aufgrund einer Bevollmächtigung Schreiben nicht an den Betreffenden selbst zu schicken, dies sei nur der Fall bei rechtlichen Betreuungen. Es würde im PC-Programm auch nur eine Anschriftenspalte für Betreuer und nicht für Bevollmächtigte geben.
Man mag dies für eine Kleinigkeit halten, aber dies ist es nicht. Wenn alle Behörden, Versicherungen etc so verfahren würden, könnte man als Bevollmächtigter nichts mehr für seine Angehörigen tun und damit würde die gesamte Vollmacht kippen. Folge wäre dann zwangsläufig die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung, die aber ja gar nicht jeder haben möchte. Gesellschaftspolitisch gesehen ist es natürlich kaum vertretbar, dass teure Betreuungen eingerichtet werden müssen, weil Behörden aus nicht besonders stichhaltigen Gründen die Korrespondenz mit Bevollmächtigten verweigern.
Ich bat darum, mir die entsprechende Gesetzesgrundlage zu nennen, damit ich überprüfen kann, ob die Weigerung des Direktversands an mich als Bevollmächtigte tatsächlich rechtens ist. Die betreffende Mitarbeiterin konnte mir die entsprechende Grundlage nicht nennen und räumte ein, dass es eventuell auch nur eine Dienstanweisung des Vorgesetzten sei.
Für Angehörige ist die Sorge um ein hilfebedürftiges Familienmitglied immer sehr arbeitsintensiv und oftmals auch sehr belastend. Es ist fatal, wenn dabei der ohnehin sehr umfangreiche Schriftverkehr auch noch durch unsinnige Vorschriften erschwert wird. Bleibt zu hoffen, dass die mir zugesagte Information über die Gesetzesgrundlage nicht stichhaltig ist und ich eine Zurücknahme erwirken kann. Schließlich bin nicht nur ich von der Einschränkung betroffen, sondern unzählige andere Angehörige auch.
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Fernsehtipps
Über die sehr informative Seite http://www.wernerschell.de erhalte ich über einen Newsletter wertvolle Fernsehtipps. Zwei möchte ich hier weitergeben:
Rechtlos und ausgeliefert? Schicksal Demenz
am 23.03.2014, 16:30 - 17.00 Uhr, WDR
Film von Silvia Matthies zum Thema Altenpflege (Wiederholung)
Organspende - Mit dem Sterben Leben geben?
am 18.03.2014, 15.00 - 16.00 Uhr, WDR
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Montag, 17. März 2014, 13:53h
Magenschmerzen oder Selbstbeweihräucherung?
Wahrscheinlich haben die meisten schon von Inge Hannemann gehört, eine ehemalige Mitarbeiterin des Jobcenters, die durch ihre Weigerung bekannt wurde, die Sanktion der Kürzung des Arbeitslosengeldes auszusprechen, da ihrer Meinung nach ein Existenzminimum nicht noch weiter geschmälert werden dürfe. Gegen die daraufhin ausgesprochene Freistellung des Jobcenters, die sogar mit einem Hausverbot verbunden wurde legte sie Rechtsmittel ein. Der endgültige Ausgang des Verfahrens steht noch aus.
Es sei dahingestellt, ob es arbeitsmarktpolitisch tatsächlich unproblematisch ist, bei Ablehnung von Stellenvorschlägen grundsätzlich auf Sanktionen zu verzichten. Worum es mir hier in diesem Beitrag geht, sind die Reaktionen, die Hannemann in Teilen der Öffentlichkeit hervorrief. Denn bei diesen Reaktionen ging es erstaunlicherweise oftmals eben nicht um das Für und Wider in Bezug auf Sanktionen des Jobcenters, sondern um Spekulationen über Hannemanns Motive. Diese lägen nach Meinung einiger nicht in der Sache an sich, sondern in Geltungssucht und Profilierungsstreben. Bemerkenswert an dieser Einschätzung ist das völlige Unverständnis gegenüber Menschen, die sich offen gegen eine als Missstand empfundene Praxis aussprechen. Da hat jemand einen sicheren und halbwegs gut bezahlten Job und gefährdet diesen durch ein öffentliches Statement – kann man dies anders als mit einem Defekt in der Persönlichkeit erklären?
Ein wenig erinnert mich das an die Reaktionen einiger meiner ehemaligen Kollegen, wobei ich mir nicht anmaße, mich mit Inge Hannemann vergleichen zu wollen, denn die hat im Gegensatz zu mir ihre ganze berufliche Existenz aufs Spiel gesetzt und sich außerdem öffentlichen Angriffen weitaus mehr ausgeliefert als ich es tat. Allerdings ist die Reaktion trotz aller Unterschiede die Gleiche – bei offenem Äußern von Kritik wird die Sachebene verlassen und auf die Beziehungsebene gewechselt. Die Liste der Argumente ist lang und reicht von dem Vorwurf „Du willst immer die Gute sein“ bis zu der Annahme, man wolle „auf Konkurrenz“ machen oder wolle – Standardvorwurf meines früheren Kollegen – „mich beweihräuchern“. Um die Auseinandersetzung dann vollends im Keim zu ersticken, spricht man dann noch ein Hausverbot aus oder schließt jemanden von der Homepage aus.
Inge Hannemann hat Magenschmerzen dabei, Menschen unter das Existenzminimum rutschen zu lassen und mir ging es genauso, wenn ich mitbekam, wie dies mittellosen Betreuten dadurch widerfuhr, dass kostspielige und völlig unsinnige Mandate erteilt wurden oder wenn der Wunsch, mehr als ein Heimtaschengeld zur Verfügung zu haben als Anspruchsdenken abgewertet wurde.
Im Grunde bringt es nichts, mit Menschen zu diskutieren, deren Verständnis es hoffnungslos übersteigt, wenn jemand nicht nur einfach möglichst gut verdienen will, sondern sich auch für diejenigen einsetzen möchte, die am Rande der Gesellschaft stehen. Was glücklicherweise jedoch noch nicht bedeutet, dass es überhaupt keine Diskussionen mehr gibt, denn es bleiben ja noch all jene, die offen sind für eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik ohne dabei absurde Motivationen wie Selbstbeweihräucherung oder Geltungsdrang zu unterstellen. Denke ich beispielsweise an meine Studienzeit zurück, dann ist es nur schwer vorstellbar, dass jemand der Studenten den Vorwurf der Geltungssucht gegen Hannemann erhoben hätte, selbst wenn manche ihre Ansicht sicher nicht geteilt hätten. Darin liegt der entscheidende Unterschied zwischen einem sozialwissenschaftlichen Hintergrund und einem kaufmännischem, es geht genau darum – sich für diejenigen einzusetzen, die Benachteiligungen ausgesetzt sind. Mit anderen Worten, Positionen, die aus kaufmännischer Sicht als Ausdruck von Geltungsdrang oder Selbstbeweihräucherung bewertet werden, entsprechen aus sozialarbeiterischer Sicht ganz normalen Standpunkten, für die sich niemand rechtfertigen muss.
Bleibt also positiv festzuhalten, dass es neben denjenigen, die anderen Menschen unlautere Motive unterstellen auch immer jene geben wird, die ebenfalls Magenschmerzen dabei empfinden wenn Menschen ins Abseits gedrängt oder übervorteilt werden. Und sei's auch nur aus dem mehr oder weniger egoistischen Beweggrund heraus, dass man selbst vielleicht schon morgen auch dazugehören könnte...
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