Freitag, 11. Oktober 2013, 00:28h
Fragwürdige Wertungen und bröckelnde Fassaden
Vor kurzem traf ich eine pädagogische Betreuerin wieder, die ich seit längerem nicht mehr gesehen hatte und mit der ich früher sehr gern zusammengearbeitet habe. Besagte Betreuerin war im Rahmen einer Maßnahme der „persönlichen Betreuung von psychisch kranken Menschen“ tätig, in der es um die Hilfe bei der Bewältigung und Gestaltung des Lebensalltags geht.
Ich ließ die Zusammenarbeit ein wenig Revue passieren und ich erinnerte mich daran, dass zwei meiner Betreuten von der pädagogischen Betreuerin betreut wurden. Beide waren von ihr begeistert und empfanden die die von ihr geleistete Unterstützung als eine große Hilfe. Allerdings erinnerte ich mich auch daran, dass eine meiner Kolleginnen sich sehr abfällig über die betreffende Betreuerin geäußert hatte und kommentierte: „Die ist ja selbst fast wie eine Betreute“. Mich hat diese Formulierung sowohl geärgert als auch nachdenklich gemacht.
Was hatte mich an der Betitelung so geärgert? In erster Linie die merkwürdige Ansicht der Kollegin, Menschen in Betreute und Nichtbetreute einzuteilen – nämlich in diejenigen, die ihrer Ansicht nach in irgendeiner Form nicht der Norm entsprechen und diejenigen, bei denen alles vorbildmäßig verläuft und die ihr Leben anscheinend perfekt meistern. Ich kann nur spekulieren, aus welchem Grund besagte Kollegin die pädagogische Betreuerin der ersten Kategorie zuordnete. Vielleicht weil sie oftmals eine sehr direkte und manchmal auch etwas flapsige Art hat. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass sie äußerlich nicht dem Typ der adretten Bürodame entspricht, sondern eher dem der etwas flippigen Szenefrau. Allerdings sind dies wahrscheinlich genau die Gründe, warum sie von meinen Betreuten so gemocht wurde, denn auch die beiden entsprachen in ihrer Lebensart nicht den gängigen bürgerlichen Normen. Und beide hatten ein sehr empfindliches Gespür dafür, ob sich jemand ihnen gegenüber aufrichtig verhielt und ob das Interesse an ihrer Person auch wirklich echt war.
Die Welt ist bunt, wie es so schön im Volksmund heißt. Und bunt sind auch die Lebensentwürfe. Nicht jeder Mensch will heiraten, Kinder haben, ein Haus bauen, Lebensversicherungen abschließen und um jeden Preis einen perfekten Eindruck machen. Manche Menschen haben einen steinigen Lebensweg und es geht um andere Wertigkeiten, wie zum Beispiel um Authentizität und Aufrichtigkeit. Ich persönlich schätze die Zusammenarbeit mit solchen Menschen sehr, denn in der Arbeit mit Menschen – und dazu zählt rechtliche Betreuung genauso wie pädagogische – kommt es eben gerade nicht darauf an, einen guten Eindruck zu machen, sondern die Beziehung zum Betreuten authentisch und tragfähig zu gestalten.
Die Aussage „Die ist ja selbst fast wie eine Betreute“ steht für mich für ein Weltbild, demzufolge das eigene Leben als perfekt funktionierend eingeschätzt wird, während Probleme und Unzulänglichkeiten ausschließlich bei anderen wahrgenommen werden. Das Fatale an dieser Selbsteinschätzung ist, dass dabei alle eigenen Schwächen und Konflikte konsequent ausgeblendet werden. Tragischerweise hat dies wiederum die Tendenz zur Folge, sich allen konfliktreichen und anstrengenden Beziehungen zu entziehen und sich nur noch den netten und angenehmen zu widmen. Dies kann sowohl auf den familiären Bereich als auch auf den beruflichen Bereich zutreffen.
Auch im Bereich der rechtlichen Betreuung ist es möglich, schwierige und anstrengende Betreuungen abzugeben. Fast jeder Betreuer hat Betreute, mit denen die Zusammenarbeit manchmal an die Grenzen des Erträglichen geht und irgendwann an den Punkt gelangt, an dem es besser ist, einen Betreuerwechsel zu beantragen um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Allerdings sollte dies immer nur die letzte Möglichkeit sein und nicht allein aus dem Grund veranlasst werden, weil man sich lieber denjenigen Menschen widmet, zu denen die Beziehung harmonisch verläuft und durch die man sich positiv bestätigt fühlt.
Es ist eine traurige Erkenntnis, dass gerade bei denjenigen, deren Lebensstrategie darin besteht, alle Disharmonien konsequent auszublenden, Schein und Realität weit auseinanderklaffen und die Fassade der heilen Welt irgendwann gefährlich bröckelt. Mich erfüllt dies nicht mit Genugtuung, aber ich fühle mich bestätigt in meiner Ansicht, dass diese Lebensstrategie weder für die Arbeit mit Menschen taugt, noch für den Umgang mit Menschen im Allgemeinen. Weder Betreute noch Angehörige profitieren von einem guten Eindruck. Das, worauf es ankommt, ist Authentizität, Aufrichtigkeit und echtes Interesse für den Anderen. Gerade die Bereitschaft, den anderen auch in schwierigen und anstrengenden Konflikten nicht fallen zu lassen, macht den Wert einer menschlichen Beziehung aus.
Selbst wenn die zweifelhafte Betitelung „Die ist ja selbst fast wie eine Betreute“ tatsächlich auf jemanden zuträfe, so steht dies meiner Meinung nach der Arbeit mit Menschen weniger entgegen als die Haltung eines Menschen, der nur dann Interesse an Beziehungen hat, wenn diese die Fassade der Harmonie und Perfektion nicht gefährden.
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Freitag, 30. August 2013, 15:22h
Ein Weg, den man weitergehen sollte – Kirsten Heisig
Gestern habe ich mir eine Dokumentation über die Berliner Richterin Kirsten Heisig angesehen. Heisig war in Berlin-Neukölln die Hauptinitiatorin des „Neuköllner Modells zur besseren und schnelleren Verfolgung jugendlicher Straftäter“. Darüber hinaus hat sie den Dialog gesucht mit den Erziehungsberatungsstellen, der Polizei und den Eltern von straffälligen Jugendlichen. Ihr Ansatz ist nicht unumstritten, denn manche empfanden ihre Arbeitsweise als Einmischung. Aber genau das ist es, was sie von der Justiz forderte – sich aus der Amtsstube hinauszubegeben und in den Dialog zu treten mit denjenigen, um die es geht. Heisig hat ihre Erfahrungen mit straffälligen Jugendlichen und ihren Ansatz zur Bekämpfung der Jugendkriminalität in dem Buch „Das Ende der Geduld“ verarbeitet.
Ich habe das Buch nicht gelesen und ich habe auch kein Detailwissen über das Neuköllner Modell, sondern nur im Internet recherchiert. Aber ich stimme einer zeitnäheren Strafverfolgung jugendlicher Straftäter uneingeschränkt zu, denn wenn man einen Jugendlichen monatelang auf sein Verfahren warten lässt, verharmlost man die Straftat und setzt falsche Signale. Noch weitaus wichtiger erscheint mir der Ansatz, endlich einmal in den Dialog mit den betroffenen Eltern zu treten. Der Anteil jugendlicher Straftäter aus Familien mit Migrationshintergrund ist in einigen Berliner Stadtteilen überproportional groß und es ist völlig unverständlich, diese Tatsache zu ignorieren.
Auch wenn ich selbst keine Erfahrung in der Arbeit mit straffälligen Jugendlichen aus Migrantenfamilien habe, so habe ich immerhin 14 Jahre lang in einem Hamburger Stadtteil gearbeitet, in dem der Ausländeranteil höher als der der Deutschen ist, was auch für meinen Wohnort zutrifft. Und ich bin mir einer Sache absolut sicher: ohne die Einbeziehung der Familie wird jede Intervention in Bezug auf die Straffälligkeit Jugendlicher aus Migrationsfamilien kläglich scheitern. Im Gegensatz zu der Entwicklung in unserer westlichen Gesellschaft gibt es in vielen türkischen oder arabischen Familien nach wie vor klare Hierarchien und strikte Rollenaufteilung. Derselbe Jugendliche, der sich auf der Straße respektlos und gewalttätig gegenüber seinen Mitmenschen verhält, wagt oftmals seinen Eltern gegenüber nicht den geringsten Widerspruch. Das Defizit des Fehlens der für das Erwachsenenwerden erforderlichen Selbstbestimmung und der Respektierung der eigenen Person wird auf der Straße ausgelebt und kompensiert.
Mein Lebensgefährte, der lange Zeit in französischen Vorstädten als Erzieher mit aus arabischstämmigen Familien kommenden Jugendlichen gearbeitet hat, bestätigt voll und ganz die Erfahrung, dass der entscheidende Einfluss nicht bei Sozialarbeitern, sondern bei den Eltern liegt. Es kommt manchmal dazu, dass die Eltern ihre Kinder bei Straffälligkeit oder auch bei Drogenkonsum zurück ins Heimatdorf schicken. Abgesehen von der Frage, ob dies an den Ursachen etwas ändert oder nicht, so sollte man das Resultat nicht ignorieren: Die Jugendlichen sind am Heimatort durchaus in der Lage, sich gewaltfrei und sozial zu verhalten!
Zurück zu Kirsten Heisig. Ihr Ansatz erlangte nicht zuletzt auch durch den traurigen Umstand ihres Selbstmordes im Jahr 2010 mehr Bekanntheit. Die Gründe bleiben im Bereich der Spekulation, was immer eine heikle Angelegenheit darstellt. Da sie und ihr Mann sich einige Zeit zuvor getrennt haben, kann es durchaus sein, dass ihre Gründe nicht im Bereich ihrer beruflichen Tätigkeit zu suchen sind. Dennoch ist offensichtlich, dass ihr außerordentliches Engagement mit Sicherheit enorm kräftezehrend war. In der gestrigen Dokumentation kamen auch Kollegen aus Justiz und den Projekten zu Wort. Kirsten Heisigs ebenfalls als Jugendrichter arbeitender Kollege bekannte, dass er das Engagement seiner Kollegin bewunderte, aber manchmal mit ihren Ansprüchen kaum noch mithalten konnte. Und andere sagten aus, dass Kirsten Heisig sowohl unter Ungerechtigkeit enorm litt als auch unter der ständigen Konfrontation mit der Gewalt. Kirsten Heisig selbst sagte auch in einem ihrer zahlreichen Interviews, dass die extremen Gewalttaten der Jugendlichen und insbesondere das völlige Fehlen jeglichen Mitgefühls mit den Opfern für sie kaum noch fassbar seien. Letztendlich mag es zu ihrer Verzweiflung beigetragen haben, dass nicht alle hinter ihr standen und sie auch angefeindet wurde. Denn nach wie vor gibt es jene Menschen, die selbst den geringsten Ansatz einer Thematisierung der Straffälligkeit von Ausländern sofort als verfehlt und rassistisch brandmarken. Und dann gibt es natürlich auch immer noch jene, für die es völlig unverständlich ist, dass jemand es nicht einfach dabei belässt, nur das zu tun, wofür er bezahlt wird, sondern einen gesellschaftlichen Bezug herstellen möchte.
Und damit spanne ich den Bogen zur Betreuerarbeit. Auch einige der Betreuer vertreten die Einstellung „Ich tue nur das, wofür ich bezahlt werde“, die mit einem völligen Desinteresse an allen gesellschaftlichen Zusammenhängen einhergeht. Und auch einige Betreuer zeigen ein völliges Unverständnis für die Wichtigkeit eines Dialogs mit den Betroffenen. Und manchmal gipfelt dies dann sogar in einem generellen Verbot jeder Kritik und selbst jeglicher Diskussion. Dass dies in eine Sackgasse führt braucht man sicher nicht länger zu erläutern.
Ich schließe mit den Worten eines türkischen Vaters, der in einer Elterninitiative tätig ist, die mit Kirsten Heisig zusammengearbeitet hat: „Als ich von ihrem Tod gehört habe, habe ich mich zurückgezogen und eine Stunde lang geweint“. Ich glaube, diese Worte machen mehr als jede Analyse deutlich, wie unverzichtbar Menschen wie Kirsten Heisig für unsere Gesellschaft sind. Und es müssen Wege gefunden werden, den Weg des Dialogs und der Miteinbeziehung gesellschaftlicher Zusammenhänge zu gehen, ohne sich dabei als Einzelner völlig aufzureiben. Vielleicht hätte Kirsten Heisig einfach nur mehr Unterstützung gebraucht um den begonnenen Weg weiterzuführen.
Wen die Dokumentation interessiert: hier der Link: http://www.youtube.com/watch?v=qiLZdjARFHk
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Donnerstag, 15. August 2013, 15:47h
Blick über unseren westlichen Tellerrand – ein Altenheim in Myanmar
"Home For The Aged" in Bagan/Myanmar
Seit drei Tagen bin ich aus meinen Urlaub in Myanmar zurück. Obwohl ich nicht zum ersten Mal in Südostasien war, ist es immer wieder von neuem beeindruckend, ein asiatisches Land zu bereisen. Myanmar ist ein buddhistisches Land und der Glaube wird auch gelebt. Fast jeder Mann geht mindestens einmal in seinem Leben für eine gewisse Zeit ins Kloster und man sieht auch ungewöhnlich viele Nonnen in Myanmar. Auch wenn sich an der Macht der Militärs nichts Grundlegendes geändert hat, so wurde mit der Freilassung von Aung San Sue Kyi im November 2011 der erste Schritt hin zu einer Demokratisierung getan.
Ich war sehr erstaunt, als ich Bagan, der Ansiedlung im Gebiet des großen Tempelareals, ein „Home For The Aged“ entdeckte. Ich ging immer davon aus, dass es in Asien Altenheime allenfalls in größeren Städten geben würde, da es in asiatischen Familien ein großes Verantwortungsgefühl gegenüber den Eltern/Großeltern gibt und die Familie es daher für ihre Pflicht hält, sich selbst um die ältere Generation zu kümmern.
Und obwohl ich im Urlaub in Bezug auf meinen Arbeitsalltag sehr gut abschalten konnte, interessierte es mich dann doch brennend, wie es in einem birmanischen Altenheim aussieht. Da wir gerade zuvor eine Tagestour mit einem Guide gemacht hatten, fragte ich unseren Guide Tun-Tun, ob er uns zu dem Heim fahren und für mich übersetzen würde, was er sofort bejahrte. Tun-Tun verdient sich durch diese Fahrten sein Studium, denn eigentlich ist er Student und spricht exzellent Englisch.
Wir wurden in dem „Home For The Aged“ von den beiden Heimbetreuern ausgesprochen freundlich empfangen und bekamen gleich Essen und Trinken angeboten. Tun-Tun übersetzte meine Fragen. Natürlich lautete meine erste Frage, wieso die Bewohner nicht bei ihren Familien leben, was damit beantwortet wurde, dass die Angehörigen zu arm seien, um ihre Eltern/Großeltern selbst zu versorgen. Aber es wurde betont, dass es in der birmanischen Gesellschaft von immens großer Wichtigkeit sei, sich um die Eltern zu kümmern und dies wirklich nur in absoluten Ausnahmefällen nicht geschehen würde.
Hier nun einige Daten zu dem besagten Home For The Aged:
Es leben 9 Frauen und 7 Männer in dem Heim, die Männer sind im Alter zwischen 74 bis 87, die Frauen zwischen 73 und 84 Jahren. Keiner von den Bewohnern ist pflegebedürftig. Das Heim ist nicht staatlich und lebt ausschließlich von Spenden. Es gibt sechs Mitarbeiter, die allerdings auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Zweimal monatlich besucht eine Krankenschwester das Heim, wenn jemand ernsthaft krank wird, muss er sich allerdings selbst ins Krankenhaus begeben. Die Frauen wohnen gemeinsam in einem Raum und die Männer ebenfalls.
Es gibt eine Meditationshalle, in der sich fünfmal täglich alle Bewohner zum Meditieren treffen. Ich wurde darauf hingewiesen, wie wichtig diese gemeinsamen Treffen zur Meditation seien. Ich fragte natürlich, ob es denn keine pflegebedürftigen Bewohner geben würde, die einer intensiveren Pflege bedürfen. Die Antwort darauf fiel ein wenig vage aus, es sei anscheinend nur einmal bei einem über Neunzigjährigen vorgekommen, dass eine Pflegebedürftigkeit bestand, was ich natürlich nicht so recht glauben konnte, denn erfahrungsgemäß wird ja jeder Mensch (ausgenommen die Fälle eines plötzlichen Herztods oder Schlaganfalls) irgendwann mehr oder weniger pflegebedürftig. Hierauf bekam ich dann die Antwort, dass dies wahrscheinlich auf die regelmäßig praktizierten Meditationen zurückzuführen sei. Diese Erklärung ist natürlich für uns Westler erstmal nicht so leicht zu verstehen. Auch wenn man um die tiefgreifenden positiven Wirkungen der Meditation weiß, so kann man sich nur schwer vorstellen, dass dadurch altersbedingte Prozesse einfach außer Kraft gesetzt werden. Tun-Tun wies dann auch noch darauf hin, dass der Leichnam von Mönchen keinen Verwesungsgeruch hätte, was ebenfalls mit der intensiven Meditationspraxis begründet wurde. Ich habe davon zwar auch schon gehört, aber wie gesagt – als jemand, der aus einer westlichen Industriegesellschaft kommt, bin ich nicht so leicht zu überzeugen.
Ich fragte außerdem, ob es denn nicht zu wenig Privatsphäre geben würde, wenn so viele Menschen gemeinsam in einem Zimmer wohnen. Die Frage stieß auf allgemeines Unverständnis, denn allein in einem Zimmer wäre es nach Ansicht der Heimbetreuer und auch Tun-Tun doch viel zu einsam. Zum Verständnis dieser Aussage muss man sich unbedingt vor Augen führen, dass die meisten Familien in Myanmar mit mehreren Personen in einem Zimmer wohnen und dabei oftmals auch das Bett geteilt wird. In einem Zimmer zu sieben oder sogar neun Personen zu wohnen ist somit etwas weitgehend Normales.
Ich möchte hier auf etwas hinweisen, das mir schon oft in Asien aufgefallen war. Während hier in Deutschland für ältere Menschen oftmals eine Sitzerhöhung für Stuhl oder WC und auch ein höhenverstellbares Bett angeschafft wird, setzen sich in Asien selbst sehr alte und gebrechliche Menschen meist mühelos im Schneidersitz auf den Boden. Anscheinend ist das ständige Hinsetzen auf den Boden der Grund dafür, dass der Körper seine Gelenkigkeit behält. So verwundert es auch nicht, dass die Meditationshalle für die Bewohner nicht mit Stühlen ausgestattet ist.
Ich fragte die Bewohner, ob ich sie fotografieren dürfe, was lächelnd bejahrt wurde. Überhaupt begegneten mir fast alle Bewohner sehr freundlich.Eine der Bewohnerinnen bestand lebhaft darauf, sich vor dem Foto auf die birmanische Art zu schminken, das bedeutet, sich eine Paste aus Tamarinde auf die Haut aufzutragen. Fast alle Frauen tragen regelmäßig diese ungewöhnliche gelbe Paste auf. Zuletzt wurde mir noch eine Art Gästebuch vorgelegt, in dem Touristen ihre Spenden vermerkt hatten und meist noch ein paar persönliche Worte hinzufügten. Einige Touristen hatten Brillen mitgebracht, andere gaben Geld.
Ich bin sehr dankbar, dass mir so bereitwillig Einblick in die Einrichtung gegeben wurde. Auch wenn noch viele Fragen offen sind, wie z.B. die Frage nach der Versorgung schwer pflegebedürftiger Menschen. Ich vermute, dass bei dem angeblichen Nichtvorhandensein von Pflegebedürftigkeit unter anderem auch die schlechtere medizinische Versorgung eine Rolle spielt, die dazu führt, dass infolge der Nichtbehandlung von Erkrankungen wie beispielsweise Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenentzündung die Menschen versterben, bevor sie pflegebedürftig werden. Es ist noch gar nicht so lange her, dass dies auch in Deutschland so war. Ich kann mich noch erinnern, dass in meiner Kindheit alte Menschen meist nach kurzer schwerer Erkrankung verstarben und der Zustand der schweren Pflegebedürftigkeit niemals über Jahre andauerte. Ich will aber auch nicht von vorneherein ausschließen, dass eine regelmäßige Meditationspraxis ihren Teil zum Erhalt der Gesundheit beiträgt.
Auch wenn es himmelweite Unterschiede zwischen dem Leben in Myanmar und dem in Deutschland gibt, so stellt es eine Chance dar, einmal über seinen westlichen Tellerrand zu gucken.Insbesondere die in den Alltag integrierte Meditation ist es wert, näher betrachtet zu werden.Auch hier in Deutschland habe ich schon Menschen getroffen, die Interesse daran haben, eine Wohnform mit spirituellem Hintergrund zu schaffen. Vielleicht sollte man es einfach mal anpacken und dabei ein wenig von anderen Kulturen lernen.
Natürlich habe ich in Myanmar nicht nur Altenheime besucht. Wer sich für die anderen Eindrücke dieses wunderschönen Landes interessiert, kann hier und hier weiterlesen.
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