Donnerstag, 15. August 2013, 15:47h

Blick über unseren westlichen Tellerrand – ein Altenheim in Myanmar

behrens


"Home For The Aged" in Bagan/Myanmar

Seit drei Tagen bin ich aus meinen Urlaub in Myanmar zurück. Obwohl ich nicht zum ersten Mal in Südostasien war, ist es immer wieder von neuem beeindruckend, ein asiatisches Land zu bereisen. Myanmar ist ein buddhistisches Land und der Glaube wird auch gelebt. Fast jeder Mann geht mindestens einmal in seinem Leben für eine gewisse Zeit ins Kloster und man sieht auch ungewöhnlich viele Nonnen in Myanmar. Auch wenn sich an der Macht der Militärs nichts Grundlegendes geändert hat, so wurde mit der Freilassung von Aung San Sue Kyi im November 2011 der erste Schritt hin zu einer Demokratisierung getan.

Ich war sehr erstaunt, als ich Bagan, der Ansiedlung im Gebiet des großen Tempelareals, ein „Home For The Aged“ entdeckte. Ich ging immer davon aus, dass es in Asien Altenheime allenfalls in größeren Städten geben würde, da es in asiatischen Familien ein großes Verantwortungsgefühl gegenüber den Eltern/Großeltern gibt und die Familie es daher für ihre Pflicht hält, sich selbst um die ältere Generation zu kümmern.

Burma old menUnd obwohl ich im Urlaub in Bezug auf meinen Arbeitsalltag sehr gut abschalten konnte, interessierte es mich dann doch brennend, wie es in einem birmanischen Altenheim aussieht. Da wir gerade zuvor eine Tagestour mit einem Guide gemacht hatten, fragte ich unseren Guide Tun-Tun, ob er uns zu dem Heim fahren und für mich übersetzen würde, was er sofort bejahrte. Tun-Tun verdient sich durch diese Fahrten sein Studium, denn eigentlich ist er Student und spricht exzellent Englisch.

Wir wurden in dem „Home For The Aged“ von den beiden Heimbetreuern ausgesprochen freundlich empfangen und bekamen gleich Essen und Trinken angeboten. Tun-Tun übersetzte meine Fragen. Natürlich lautete meine erste Frage, wieso die Bewohner nicht bei ihren Familien leben, was damit beantwortet wurde, dass die Angehörigen zu arm seien, um ihre Eltern/Großeltern selbst zu versorgen. Aber es wurde betont, dass es in der birmanischen Gesellschaft von immens großer Wichtigkeit sei, sich um die Eltern zu kümmern und dies wirklich nur in absoluten Ausnahmefällen nicht geschehen würde.

Hier nun einige Daten zu dem besagten Home For The Aged:

Es leben 9 Frauen und 7 Männer in dem Heim, die Männer sind im Alter zwischen 74 bis 87, die Frauen zwischen 73 und 84 Jahren. Keiner von den Bewohnern ist pflegebedürftig. Das Heim ist nicht staatlich und lebt ausschließlich von Spenden. Es gibt sechs Mitarbeiter, die allerdings auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Zweimal monatlich besucht eine Krankenschwester das Heim, wenn jemand ernsthaft krank wird, muss er sich allerdings selbst ins Krankenhaus begeben. Die Frauen wohnen gemeinsam in einem Raum und die Männer ebenfalls.

Es gibt eine Meditationshalle, in der sich fünfmal täglich alle Bewohner zum Meditieren treffen. Burma Meditationshalle Ich wurde darauf hingewiesen, wie wichtig diese gemeinsamen Treffen zur Meditation seien. Ich fragte natürlich, ob es denn keine pflegebedürftigen Bewohner geben würde, die einer intensiveren Pflege bedürfen. Die Antwort darauf fiel ein wenig vage aus, es sei anscheinend nur einmal bei einem über Neunzigjährigen vorgekommen, dass eine Pflegebedürftigkeit bestand, was ich natürlich nicht so recht glauben konnte, denn erfahrungsgemäß wird ja jeder Mensch (ausgenommen die Fälle eines plötzlichen Herztods oder Schlaganfalls) irgendwann mehr oder weniger pflegebedürftig. Hierauf bekam ich dann die Antwort, dass dies wahrscheinlich auf die regelmäßig praktizierten Meditationen zurückzuführen sei. Diese Erklärung ist natürlich für uns Westler erstmal nicht so leicht zu verstehen. Auch wenn man um die tiefgreifenden positiven Wirkungen der Meditation weiß, so kann man sich nur schwer vorstellen, dass dadurch altersbedingte Prozesse einfach außer Kraft gesetzt werden. Tun-Tun wies dann auch noch darauf hin, dass der Leichnam von Mönchen keinen Verwesungsgeruch hätte, was ebenfalls mit der intensiven Meditationspraxis begründet wurde. Ich habe davon zwar auch schon gehört, aber wie gesagt – als jemand, der aus einer westlichen Industriegesellschaft kommt, bin ich nicht so leicht zu überzeugen.

Ich fragte außerdem, ob es denn nicht zu wenig Privatsphäre geben würde, wenn so viele Menschen gemeinsam in einem Zimmer wohnen. Die Frage stieß auf allgemeines Unverständnis, denn allein in einem Zimmer wäre es nach Ansicht der Heimbetreuer und auch Tun-Tun doch viel zu einsam.Burma Zimmer Zum Verständnis dieser Aussage muss man sich unbedingt vor Augen führen, dass die meisten Familien in Myanmar mit mehreren Personen in einem Zimmer wohnen und dabei oftmals auch das Bett geteilt wird. In einem Zimmer zu sieben oder sogar neun Personen zu wohnen ist somit etwas weitgehend Normales.

Ich möchte hier auf etwas hinweisen, das mir schon oft in Asien aufgefallen war. Während hier in Deutschland für ältere Menschen oftmals eine Sitzerhöhung für Stuhl oder WC und auch ein höhenverstellbares Bett angeschafft wird, setzen sich in Asien selbst sehr alte und gebrechliche Menschen meist mühelos im Schneidersitz auf den Boden. Anscheinend ist das ständige Hinsetzen auf den Boden der Grund dafür, dass der Körper seine Gelenkigkeit behält. So verwundert es auch nicht, dass die Meditationshalle für die Bewohner nicht mit Stühlen ausgestattet ist.

Ich fragte die Bewohner, ob ich sie fotografieren dürfe, was lächelnd bejahrt wurde. Überhaupt begegneten mir fast alle Bewohner sehr freundlich.Burma old LadyEine der Bewohnerinnen bestand lebhaft darauf, sich vor dem Foto auf die birmanische Art zu schminken, das bedeutet, sich eine Paste aus Tamarinde auf die Haut aufzutragen. Fast alle Frauen tragen regelmäßig diese ungewöhnliche gelbe Paste auf. Zuletzt wurde mir noch eine Art Gästebuch vorgelegt, in dem Touristen ihre Spenden vermerkt hatten und meist noch ein paar persönliche Worte hinzufügten. Einige Touristen hatten Brillen mitgebracht, andere gaben Geld.

Ich bin sehr dankbar, dass mir so bereitwillig Einblick in die Einrichtung gegeben wurde. Auch wenn noch viele Fragen offen sind, wie z.B. die Frage nach der Versorgung schwer pflegebedürftiger Menschen. Ich vermute, dass bei dem angeblichen Nichtvorhandensein von Pflegebedürftigkeit unter anderem auch die schlechtere medizinische Versorgung eine Rolle spielt, die dazu führt, dass infolge der Nichtbehandlung von Erkrankungen wie beispielsweise Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenentzündung die Menschen versterben, bevor sie pflegebedürftig werden. Es ist noch gar nicht so lange her, dass dies auch in Deutschland so war. Ich kann mich noch erinnern, dass in meiner Kindheit alte Menschen meist nach kurzer schwerer Erkrankung verstarben und der Zustand der schweren Pflegebedürftigkeit niemals über Jahre andauerte. Ich will aber auch nicht von vorneherein ausschließen, dass eine regelmäßige Meditationspraxis ihren Teil zum Erhalt der Gesundheit beiträgt.

Auch wenn es himmelweite Unterschiede zwischen dem Leben in Myanmar und dem in Deutschland gibt, Burma Moencheso stellt es eine Chance dar, einmal über seinen westlichen Tellerrand zu gucken.Insbesondere die in den Alltag integrierte Meditation ist es wert, näher betrachtet zu werden.Auch hier in Deutschland habe ich schon Menschen getroffen, die Interesse daran haben, eine Wohnform mit spirituellem Hintergrund zu schaffen. Vielleicht sollte man es einfach mal anpacken und dabei ein wenig von anderen Kulturen lernen.

Natürlich habe ich in Myanmar nicht nur Altenheime besucht. Wer sich für die anderen Eindrücke dieses wunderschönen Landes interessiert, kann hier und hier weiterlesen.

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Mittwoch, 14. August 2013, 19:39h

Der Himmel kann warten

behrens

Veranstaltungstipp - Heaven Can Wait im St.Pauli-Theater

Wahrscheinlich ist dem einen oder anderen die amerikanische Gruppe young@heart bekannt, ein Chor, der aus Senioren besteht. Das Besondere an diesem Chor ist, dass er keine Volkslieder oder alte Schlager interpretiert, sondern Rockmusik. Die Bandbreite geht von Clash, Ramones, Talking Heads bis zu Jimi Hendrix. Näheres in dem Trailer.

Aber nicht nur die Amerikaner zeigen, was für musikalische Leistungen alte Menschen erbringen können. Wie ich gerade erfahren habe, gibt es jetzt endlich auch in Deutschland eine Gruppe rockender Senioren. Heaven Can Wait besteht aus Menschen, die mindestens 70 Jahre alt sind, das älteste Mitglied ist 87. Es werden Hits von Coldplay, Nirvana und den Toten Hosen geboten.

Wer Interesse hat: die Gruppe tritt vom 21.-25.08. im St.Pauli-Theater in Hamburg auf (jeweils 20.00 Uhr, Tel. 47110611, Karten zwischen 19,90 – 29,90 €).

Es gibt anscheinend noch kein youtube-video, aber zur Einstimmung hier der Trailer von young@heart:


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Donnerstag, 18. Juli 2013, 14:06h

Mal etwas Positives. Es geht auch anders!

behrens

Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Prioritäten im Bereich der Arbeit mit Menschen ausfallen können. Gestern habe ich mich mit ein paar Freunden getroffen und bei unserem Gespräch ging es auch um das Thema Arbeit. Zwei der Freunde sind, bzw. waren in Arbeitsprojekten tätig, die im Bereich künstlerischer Gestaltung angesiedelt sind. Eines der Projekte wurde für Menschen mit einer Suchtproblematik geschaffen, das andere Projekt steht allen Ein-Euro-Jobbern offen.

Bei dem ersten Projekt geht es um Skulpturen, die für einen Parkfriedhof in Göttingen geschaffen wurden. Man kann das Resultat in einem wunderschönen Kalender oder auch auf der Website betrachten. Was meinen Bekannten sehr beeindruckte, war das Engagement und die Zuverlässigkeit, mit der die Teilnehmer an dem Projekt arbeiteten. Wer Erfahrung hat mit der Arbeit mit Suchtkranken, wird dies gut verstehen, denn die Suchtproblematik nimmt oftmals einen so großen Teil des Lebens ein, dass kaum noch Raum und Energie bleibt für etwas anderes. Umso erstaunlicher, dass die Teilnehmer dieses Projektes nach kurzer Zeit soviel Interesse und Spaß an ihrer Arbeit zeigten, dass die regelmäßige Mitarbeit kein Problem mehr darstellte. Dies wiederum schuf bei vielen wieder Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Bei dem zweiten Projekt geht es um die Verschönerung von Institutionen. Auftraggeber sind beispielsweise Heime, Wohnunterkünfte, Kitas e.t.c. Man kann sich die Resultate der Arbeit hier ansehen. Auch hier ist man erstaunt, was Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, für Ideen und Leistungen entwickeln.

Jetzt wird so mancher kontern, dass Kunst ja schön und gut ist, aber eine reelle Arbeit dadurch nicht ersetzt wird. Das mag auch nicht völlig falsch sein, dennoch müssen Menschen, die lange Zeit keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachgegangen sind, erst wieder an einen Arbeitsrhythmus herangeführt werden. Ich selbst habe vor vielen Jahren bei meiner Arbeit in einer Betreuungsstelle für Langzeitarbeitslose/Schwervermittelbare erfahren, wie sehr bei vielen Arbeitslosen das Selbstbewusstsein unter der Arbeitslosigkeit gelitten hat, was wiederum dazu führt, sich überhaupt nichts mehr zuzutrauen. Gleichzeitig habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass bei so manchem Langzeitarbeitslosen enormes Potential vorhanden ist, wenn der/diejenige erst einmal wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gefasst hat. Aber auch abgesehen von dem eindeutig positiven Aspekt der Arbeitsmaßnahmen in Bezug auf diejenigen, die dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden, halte ich es für eine sehr gute Idee, die Aufträge für künstlerische Arbeit nicht ausschließlich an einzelne Künstler zu vergeben, sondern auch an Projekte, deren Teilnehmer einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft darstellen.

Was mich aber mindestens genauso beeindruckt wie die Arbeit dieser Projekte an sich, ist das Selbstverständnis derjenigen Menschen, die diese Projekte leiten, bzw. begleiten. Ein himmelweiter Unterschied zum Selbstverständnis so mancher Betreuer, die ich kenne und die es schaffen, ausnahmslos jedes Thema nach maximal fünf Sätzen auf den Aspekt des finanziellen Nutzens zu lenken. Bei den hier beschriebenen Projekten geht es weder um Gewinnmaximierung, noch um die größtmögliche Reduzierung des Arbeitsaufwands, noch geht es um einen möglichst guten werbewirksamen Eindruck, den man auf andere machen will. Es geht schlichtweg um eines – eine gute und sinnvolle Arbeit zu machen!

Als ich fragte, ob die Projektteilnehmer jetzt auch als „Kunden“ bezeichnet werden, erhielt ich nur die kurze Antwort „Quatsch!“. Und mein Bekannter unterstrich die Absurdität des Versuchs, soziale Arbeit in kaufmännische Kriterien zu zwängen und teilte meine Meinung, dass kaufmännische Kriterien zwangsläufig an der Komplexität und Individualität menschlicher Problemlagen scheitern. REFA-Verfahren mögen vielleicht bei Fließbandarbeit effektiv und vertretbar sein, in der Arbeit mit Menschen sind sie jedoch kontraproduktiv und erniedrigend.

Ich will nicht verschweigen, dass es natürlich auch in der Projektarbeit um Geld geht. Budgets müssen eingehalten, bzw. zuerst einmal mühsam erkämpft werden. Es müssen Auftraggeber gefunden und für beide Seiten akzeptable Bedingungen verhandelt werden. Im Mittelpunkt steht jedoch immer der Nutzen für das Klientel und für die Gesellschaft und nicht um die Höhe des eigenen Einkommens.

Konkret bedeutet der Kampf um das Geld für denjenigen meiner Bekannten, dessen Projekt beendet ist, jetzt eine neue Planung zu konzipieren. Es gibt auch schon eine Idee für die Neugestaltung eines äußerst hässlichen Gebäudes, das auch mir schon wegen seiner Unattraktivität auffiel. Für den anderen Bekannten besteht das Projekt zur Zeit noch, aber eventuell ist die Weiterfinanzierung nicht vollkommen sicher, so dass auch hier Ideen und Kreativität gefragt sind.

Was mir von dem gestrigen Abend so angenehm in Erinnerung geblieben ist, ist das Gefühl, dass es sehr viel Spaß machen kann, sich für eine Sache zu engagieren und Ideen zu entwickeln für Projekte, die einerseits einen Nutzen für diejenigen darstellen, die dort eine Arbeitsstelle bekommen und andererseits durchaus auch für die Gesellschaft eine Bereicherung darstellen.

Das ist vielleicht mein Resümee dieses sehr angenehmen Abends: es geh auch anders! Und es macht sogar verdammt viel Spaß.


P.S.: ruhig mal in die Websites reinsehen, es lohnt sich!

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