Dienstag, 18. Dezember 2012, 19:40h
Steckt in häufig kritisierten Betreuern in Wahrheit ein heimlicher Robin Hood?
Immer, wenn es mir gelingt, mich längere Zeit nicht mit der Kritik an Betreuern und unserer Arbeit zu beschäftigen, dann passiert garantiert irgend etwas, das die alten Geschichten wieder aufleben lässt. Gestern gab es wieder so einen Rückschritt, denn das Gesprächsthema kam unter anderem wieder auf diejenigen Betreuer, deren Verhalten auf allen Ebenen Anstoß zu Kritik und Beschwerden erregt.
Und da habe ich dann eine denkwürdige Erklärung für die große Menge an Kritik an bestimmten Betreuern erhalten: „Es sind ja häufig gar nicht die Betreuten, die Kritik äußern, sondern die betroffenen Institutionen, wie Pflegedienste, PPM-Anbieter oder die Angehörigen, e.t.c. Die Betreuten selbst sind doch alle rundherum zufrieden.“ Dies wäre doch ein deutliches Zeichen, dass man die Kritik getrost übergehen kann.
Mit dieser merkwürdigen Sichtweise hat man dann im Handumdrehen eine geschickte Möglichkeit geschaffen, um für die an sich negative Tatsache der häufigen Kritik eine durch und durch positive Erklärung abzugeben. Denn gemäß dieser abenteuerlichen Erklärungslogik zeigt doch gerade die häufige Kritik, wie überaus engagiert der Kritisierte sich für seine Betreuten einsetzt. Wir haben es sozusagen mit einem Robin Hood zu tun, der mit Kritik strafverfolgt wird, weil er sich mit aller Konsequenz und natürlich völlig selbslos für die Witwen und Waisen dieser Welt einsetzt!
Man könnte so einen Unsinn fast glauben, wenn man nicht wüsste, dass sich viele der involvierten Dritten eben gerade deswegen über bestimmte Betreuer beschweren, weil sie aus allernächster Nähe mitbekommen, dass deren Betreute nicht gut betreut werden.
Aber auch davon abgesehen, gibt es auch weitere gute Gründe, die Kritik von Dritten nicht gleich ad acta zu legen, denn oftmals hängt das Wohl der Betreuten eben gerade davon ab, ob es gelingt, zwischen dem Betreuten und seiner Umwelt ein spannungsfreies und soziales Miteinander herzustellen. Wenn man die Probleme der Pflegedienste, der PPM-Betreuer, der Vermieter, der Heime oder der Angehörigen einfach ignoriert, wird sich dies unweigerlich auch auf das soziale Zusammenspiel mit dem Betreuten auswirken. Niemand engagiert sich gern, wenn er dafür einen Fußtritt erhält. Und dies kann sich dann sogar auch auf abstraktere Ebenen verschieben, indem beispielsweise manche Vermieter überhaupt keine Betreuten mehr als Mieter wollen, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass Betreuer sich einen Dreck um die Erfüllung der mit einem Mietverhältnis verbundenen Pflichten kümmern.
Es ist an sich schon schlimm genug, dass manche Betreuer in ihrer Umgangsform ein derart autoritäres Verhalten zeigen, das wahrscheinlich selbst bei der Bundeswehr zu einem Rausschmiss führen würde. Aber es grenzt an einer kaum zu übertreffenden Fehlwahrnehmung des eigenen Handelns, wenn man die von vielen Seiten hagelnde Kritik auch noch zur Auszeichnung hochstilisiert.
Nein, wir haben es hier nicht mit Robin Hood zu tun. Der genoss nämlich der Sage nach auf breiter Ebene – abgesehen von der Obrigkeit – Verehrung im Volk, weil er das meiste von dem was er erbeutete, an andere abgegeben hat. Und nur so ganz nebenbei erwähnt – von Robin Hood wird nirgends berichtet, dass er wohlhabend war, sondern im Gegenteil, er gehörte zu den Ärmsten der Armen!
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Donnerstag, 29. November 2012, 23:26h
Auf die alten Tage nach Thailand?
Um es gleich vorab zu sagen: ich bin ein absoluter Asien-Fan. Ich liebe buddhistische Länder, den Dschungel und den Mekong, die asiatische Küche und quirlige Basare. Ich muss mindestens jedes zweite Jahr nach Asien fliegen, damit ich nicht an Fernweh erkranke. Aber trotzdem würde ich nicht in ein asiatisches Pflegeheim ziehen, wenn der Zeitpunkt kommt, wo ich auf pflegerische Hilfe angewiesen sein werde. Warum? Ich habe hier meine Wurzeln, habe hier meinen Freundeskreis und meine Familie, hier wird meine Sprache gesprochen und ich bin an die hier herrschenden Umgangs- und Kommunikationsformen gewöhnt. Und ich vermute, dass ich mich darin auch nicht völlig von den meisten Menschen unterscheide.
Warum geben jetzt Familien ihre pflegebedürftigen oder dementen Angehörigen ausgerechnet in ein Pflegeheim, das sich auf der anderen Seite der Welt befindet? Weil es erheblich billiger ist. Man kann in Thailand eine Eins-zu-Eins-Pflege – also eine Betreuungsperson ganz für sich allein – zum gleichen Preis erhalten, wie hier in Deutschland für einen ganz normalen Heimplatz mit einem Personalschlüssel von vielleicht Acht zu Eins*. Es geht also nicht nur darum, einfach nur die billigere Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, sondern auch um Qualität. Aber geht diese Rechnung tatsächlich auf? Funktioniert es wirklich so reibungslos, einen alten Menschen in eine für ihn völlig fremde Umgebung zu geben? Mit einem Kontakt zur Familie, der sich allein aufs Skypen beschränkt?
Es gibt nicht nur in Thailand Heime, die sich auf deutsche Heimbewohner einstellen, sondern auch in Osteuropa. Auch hier gibt es deutschsprechendes Personal mit dem Bestreben, sich nicht nur auf einheimische Heimbewohner, sondern auch auf deutsche einzustellen. Ich las vor kurzem einen Leserbrief zu diesem Thema, der nachdenklich macht: „Jetzt gehen unsere alten Menschen nach Osteuropa, weil dort ein Heimplatz billiger ist und gleichzeitig kommen aus den osteuropäischen Ländern Arbeitskräfte zu uns, weil sie hier mehr verdienen“.
Ich mag mir gar nicht meine längst verstorbene Oma vorstellen, die zweimal durch den Krieg ihre Heimat verlor. Zum einen wäre es ihr in Thailand viel zu heiß und schwül (da geht es mir übrigens nicht anders) und zum anderen würde sie alles vermissen, an das sie sich hier gewöhnt hat. Und je älter sie war, desto schwieriger war die sprachliche Verständigung und man musste etwas schon sehr exakt aussprechen, damit sie es verstand. Genauso, wie wir Deutschen uns manchmal merkwürdig anhören, wenn wir eine asiatische Sprache sprechen, so ist es auch umgekehrt der Fall. Es gibt ältere Menschen, die es lieben, wenn Ärzte oder Pflegepersonal auf plattdeutsch mit ihnen sprechen, weil es mit vielen Heimaterinnerungen verbunden ist. Obwohl meine Oma gern auch mal chinesisch essen ging, wäre sie auf die Barrikaden gegangen, wenn sie nicht mindestens fünfmal wöchentlich ihre typisch pommersche Hausmannskost erhalten hätte. Und irgendwie kann ich mir meine Oma bei aller Phantasie nicht vor einem Laptop beim Skypen vorstellen, denn sie hat sich schon geweigert, ein Tastentelefon (früher gab es Wählscheiben) zu bedienen.
All diese vielen Einzelheiten, die das Gefühl von Heimat ausmachen, kann man darauf wirklich einfach so verzichten?
Es gibt zu diesen Thema auch noch eine Art Fortsetzung
* Da hat mich mein subjektiver Eindruck arg getäuscht, wie man hier lesen kann!
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Freitag, 23. November 2012, 00:49h
Und das gibt’s auch – unerwartete Zustimmung
Ich habe mittlerweile akzeptiert, wie schwer es für andere Menschen nachvollziehbar ist, wenn es mir auch nach langer Zeit nicht gelingt, die unseriösen Machenschaften endlich zu vergessen, die ich während meiner ersten Jahre als angestellte Betreuerin bei einem Betreuungsverein miterlebte. Und irgendwie ist es ja auch nicht völlig falsch – man kann sich schließlich nicht immer mit der Vergangenheit beschäftigen. Auch die Empörung über den wenig rühmlichen Umgang einiger Betreuer mit ihren Betreuten oder Kollegen darf man nicht zum Hauptthema machen, wenn man sich konstruktiv mit der Weiterentwicklung seiner Arbeit auseinandersetzen will.
So habe ich es heute bei einem mit einer Beraterin zum Thema Arbeitsorganisation/ Arbeitsprobleme geführten Gespräch auch tunlichst vermieden, mich in Richtung Vergangenheit oder Kollegen zu bewegen. Allerdings erzählte ich dann im Zusammenhang der Hartz IV-Problematik von meiner Bekannten, deren Problem mit dem Jobcenter und dem Vermieter sich so dramatisch zuspitzte, dass sie von der Behörde einen Beratungsschein mit Kostenübernahme für eine anwaltliche Beratung erhielt. Die dann allerdings nicht zustande kam, weil besagter Anwalt trotz der Kostenübernahme einen Vorschuss von 100,00 € verlangte, wodurch ich dann wiederum in die Situation kam, nach einer Lösung des Problems zu suchen.
Und als ich mir gerade auf die Zunge beißen wollte, weil ich ja viel zu oft negativ über unseren Berufsstand berichte, kam eine Reaktion, die mich völlig verblüffte „ Kann man denn gegen so etwas nichts machen? Es muss doch eine Möglichkeit geben, dieses Verhalten irgendwo zu melden!“. Die Beraterin war offensichtlich sehr entsetzt über diesen Vorfall. Und daraufhin konnte ich es mir dann doch – trotz guter Vorsätze – nicht verkneifen, zu erwähnen, dass besagte Anwalt auch als Betreuer arbeitet und sich in seiner Homepage als „engagiert“ und „einfühlsam“ preist.
Es verschlug mir regelrecht die Sprache, dass es tatsächlich doch noch jemanden außer mir gab, den dieses Verhalten empört. Und genau darüber redeten wir dann – über den gravierenden Unterschied zwischen der Arbeitsauffassung von Sozialarbeitern, deren Fokus immer auf dem Einsatz für gesellschaftlich Benachteiligte liegen muss und der Arbeitseinstellung von Menschen, für die ein Arbeitsfeld wie das der Betreuung nichts anderes darstellt, als eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit.
Es gibt sie also doch – Menschen, die nicht nur gelangweilt mit den Schultern zucken, wenn Menschen, die ohnehin gesellschaftlich benachteiligt sind, auch noch um ihre Rechte gebracht werden.
Das Gespräch hallte noch lange in mir nach, denn es erinnerte mich daran, wie wichtig es ist, in bestimmten Ansichten eine selbstverständliche Zustimmung anderer zu erhalten. Es gibt vieles, wo man geteilter Meinung sein kann und es dabei auch ertragen muss, keine Zustimmung zu erhalten. Aber es gibt bestimmte Bereiche, in denen gibt es kein Wenn und Aber. Und dazu gehört die uneingeschränkte Ablehnung der Bereicherung an Menschen in hilfloser und abhängiger Lebenslage.
Um wie viel einfacher wäre meine Arbeit, wenn diese Zustimmung auch in meinen unmittelbaren Arbeitsalltag existieren würde. Und aus meiner Erinnerung heraus weiß ich, dass es um vieles leichter ist, inakzeptable Umstände abzuhaken, wenn ein Konsens darüber besteht, dass es sich eindeutig um inakzeptable Begebenheiten handelt. Vielleicht war das heutige Gespräch ein Schritt dahin…
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