Sonntag, 2. September 2012, 12:12h
„Da kann ja jeder kommen“ – von der Unmöglichkeit im Bezug von Hartz-IV eine Wohnung zu finden
Es gibt manchmal Dinge, die sind nicht miteinander vereinbar, wie zum Beispiel die Suche nach eine dringend erforderlichen Wohnung und der Bezug von Hartz-IV. Meine Betreute Frau J. steckt in diesem Dilemma, denn sie wohnt mit ihren beiden Kindern in einer viel zu teueren und viel zu großen Wohnung und sucht schon seit langem nach etwas Günstigerem. Frau J. ist Frührentnerin und ihr volljähriger Sohn steht im Bezug von Hartz-IV. Obwohl es in Hamburg enorm schwierig ist, eine Wohnung mit bezahlbarer Miete zu finden, hatten wir jetzt endlich Glück und haben ein Wohnungsangebot mit günstiger Miete gefunden. Allerdings muss sowohl Kaution als auch Courtage gezahlt werden, weswegen ich mich sofort nicht nur an das Jobcenter als auch an das Sozialamt gewandt habe. Leider reagierte trotz der Eiligkeit der Angelegenheit niemand auf meine Faxe und so schickte ich Frau J. persönlich ins Amt, ausgestattet mit allen erforderlichen Unterlagen und einem Schreiben mit der genau dargelegten finanziellen Situation.
Die Mitarbeiterin des Grundsicherungsamtes behandelte Frau J. auch sehr freundlich, schickte sie allerdings sofort ins Jobcenter, denn da der älteste Sohn im Bezug von Hartz-IV steht, wäre dieses zuständig. Damit fängt allerdings das Dilemma an, denn eben dieser Sohn soll nicht mit in die neue Wohnung einziehen. Dies ist nicht nur ein Wunsch meiner Betreuten, sondern auch die dringende Empfehlung des Jugendamtes, da es massive Erziehungsschwierigkeiten gibt und sich schon seit langem abzeichnet, dass diese sich auf die Entwicklung der jüngeren Tochter sehr negativ auswirken. Ich habe mir für diesen Sachverhalt ein ausführliches Schreiben des Jugendamt geben lassen, das ich den Unterlagen von Frau J. beigefügt habe.
Durch den Umstand, dass der Sohn gar nicht mit einziehen soll, ist es wiederum auch nicht selbstverständlich, dass das Jobcenter eine Kaution zahlen muss. Allerdings gibt es da noch die Tochter, die aufgrund der Tatsache, gerade fünfzehn geworden zu sein, wahrscheinlich einen eigenen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen hat. Ich benutze die Formulierung „wahrscheinlich“, weil eben diese Frage im Amt sehr unterschiedlich gesehen wird. Denn als Frau J. bei der zuständigen Mitarbeiterin des Jobcenters vorsprach, wurde ihr gesagt, dass sie wieder ins Grundsicherungsamt gehen müsse, da dieses zuständig sei. Meine Betreute verstand dies alles nicht mehr. Zufällig rief ich sie aber gerade an, als sie bei der betreffenden Mitarbeiterin war und bat sie, doch einfach das Handy an die Mitarbeiterin weiterzureichen, damit die mir erklären kann, wie es weitergehen soll. Aber genau dies war nicht möglich, denn die betreffende Mitarbeiterin weigerte sich! Ich war verblüfft, denn eine Klärung der sehr komplizierten Angelegenheit wäre ja im Interesse aller gewesen.
Als meine Betreute wieder zuhause war, rief sie mich weinend an. Bei dem ganzen Streit um die Zuständigkeit sank die Chance auf die Bewerbung für die Wohnung auf Null, denn der Vermieter möchte verständlicherweise die Frage der Kautionsübernahme sofort geklärt haben. Ich versuchte sie zu beruhigen, da mich inzwischen die sehr hilfsbereite Mitarbeiterin des Grundsicherungsamtes angerufen und mitgeteilt hat, dass das im gleichen Gebäude befindliche Jobcenter wahrscheinlich tatsächlich nicht die richtige Anlaufstelle gewesen sei, denn zuständig wäre die Abteilung für minderjährige Hartz-IV-Empfänger, die sich wiederum in einem völlig anderen Bezirk befindet. Die Mitarbeiterin des Grundsicherungsamtes hatte übrigens auch versucht, die Jobcentermitarbeiterin telefonisch zu erreichen, um die schwierige Angelegenheit zu klären. Dies war allerdings nicht möglich, da diese nicht ans Telefon ging! Die Grundsicherungsmitarbeiterin musste sich erst persönlich in die im gleichen Gebäude liegende Abteilung begeben.
Ich empfand es als höchst ärgerlich, dass die ohnehin sehr schwierige Frage der Zuständigkeit noch weiter kompliziert wurde durch die Tatsache der Weigerung der Jobcentermitarbeiterin, mit mir zu telefonieren und ich wandte mich deswegen an die Vorgesetzte. Die verteidigte das Verhalten ihrer Mitarbeiterin allerdings vehement. Ihrer Ansicht nach sei es völlig normal, dass diese nicht mit mir über das Handy der Betreuten sprechen wollte: „Da könne ja schließlich jeder kommen und ich hätte ja auch später über das Festnetz anrufen können!“ Abgesehen davon, dass sich mir nicht erschließt, worin der Unterschied zwischen einem übers Handy und einem über das Festnetz geführten Telefonat liegen soll, konterte ich, dass die Mitarbeiterin ja telefonisch gar nicht erreichbar sei, da selbst die Grundsicherungsmitarbeiterin erst persönlich vorsprechen musste. Den Umstand, dass mich meine Betreute später weinend anrief, weil sie sich sehr unfreundlich behandelt fühlte, kommentierte die Vorgesetzte damit, ich hätte dann eben meine Betreute begleiten müssen. Das Argument, dass persönliche Begleitung nicht zu den Aufgaben einer Betreuerin gehört, ignorierte sie. Außerdem verwies sie mich auf die Möglichkeit, die Anträge schriftlich zu stellen, obwohl ich ja genau dies getan hatte, indem ich sofort ein Fax an die Sachbearbeiterin des ältesten Sohnes geschickt hatte – ohne jedoch eine Antwort erhalten zu haben.
Obwohl immer noch offen war, wo denn nun eigentlich die Kaution zu beantragen sei (Grundsicherungsamt oder Jobcenter?), vereinbarte ich mit meiner Betreuten, dass sie am kommenden Tag das Jobcenter für Hartz-IV-Empfänger unter 25 aufsuchen solle. Dort war man längst nicht so unfreundlich wie die Mitarbeiterin am Vortag, allerdings wurde auch dort meiner Betreuten gesagt, dass ich als gesetzliche Vertreterin doch hätte mitkommen müssen. Aber immerhin wurde meine Betreute nicht sofort wieder weggeschickt – das war ja schon ein kleiner Fortschritt.
Das eigentlich Traurige an der äußerst ärgerlichen Angelegenheit ist nicht nur der Umstand, dass die Wohnung jetzt höchstwahrscheinlich weg ist, sondern dass meine Betreute, die schon seit einiger Zeit trocken war, jetzt wieder angefangen hat zu trinken. Die Belastung der Ungewissheit der Wohnsituation und die unfreundliche Behandlung ist einfach zuviel für sie. Und ich habe jetzt tatsächlich ein schlechtes Gewissen, weil ich meine Betreute nicht begleitet habe. Wie bereits gesagt, gehört die Begleitung zur Behörde definitiv nicht zu den Aufgaben einer Betreuerin. Es ist überhaupt nicht möglich, diese zeitintensive Aufgabe zu leisten, beispielsweise war ich am betreffenden Tag bis fast 22.00 Uhr in meinem Büro um für meine Urlaubsabwesenheit vorzuarbeiten. Trotzdem mache ich mir Vorwürfe, weil ich meiner Betreuten das ganze Procedere nicht erspart habe.
Bleibt noch anzumerken, dass immer noch nicht geklärt ist, von welcher Behörde die Kaution übernommen werden soll. Eventuell sind tatsächlich drei (!) Abteilungen zuständig, denn für die beiden Kinder werden jeweils unterschiedliche Akten geführt werden und die Mutter fällt aufgrund der Tatsache des Rentenbezugs in Grundsicherungsamt.
Ach ja – das eigentlich Wichtige habe ich ganz vergessen: das Jobcenter selbst hat mich vor kurzem zur Suche einer billigeren Wohnung aufgefordert und schon vorab die Reduzierung der Leistungshöhe angekündigt, wenn der Forderung nicht Folge geleistet wird!!!
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Montag, 27. August 2012, 13:06h
Altersdiskriminierung
Man weigert sich,
solange man im jugendlichen Drang
den wechselvollen Alltag genießt,
in den Greisen das eigene Schicksal zu sehen.
Simone de Beauvoir (1908-1986)
Ich habe schon seit längerem vor, mich mehr dem Thema Alter zu widmen. Anfangen will ich mit den Vorurteilen, die aus allen Bereichen heraus gegenüber alten Menschen bestehen. Ich erinnere mich noch gut, dass es sogar im Studium der Sozialpädagogik, in dem ja eigentlich Vorurteile abgebaut anstatt vertreten werden sollen, auch hier und da heftig gegen alte Menschen ausgeschlagen wurde. „Ich habe keinen Bock auf alte Menschen, die sind alle voll fascho!“ äußerte ein Kommilitone. Auch wenn die meisten anderen Studenten diese Ansicht mit Sicherheit nicht teilten, so hat doch niemand den Mund aufgemacht, was wahrscheinlich auch daran lag, dass es sich nicht lohnt, auf so platte Aussagen zu reagieren. Allerdings wäre dies mit großer Wahrscheinlichkeit doch etwas anderes gewesen, wenn sich so eine platt verallgemeinernde Aussage gegen andere Gruppen, wie zum Beispiel Ausländer oder Jugendliche, gerichtet hätte. „Alte Leute sind doch alle voll fascho“ sagte auch eine frühere Kollegin aus einer Drogenberatungsstelle. Mit einer differenzierten Sichtweise können alle möglichen Bevölkerungsschichten rechnen – alte Menschen jedoch nicht.
Auch hier unter den Bloggern habe ich mal einen (sehr unerfreulichen) Dialog mit jemandem geführt, der gegen einen von mir veröffentlichten Beitrag über die Vermarktung der Sexualität unter anderem mit einem Argument konterte, das genauso platt wie diskriminierend ist:
Ich sitze schließlich nicht in einem Altenheim unter zu Betreuenden, sondern mitten im Leben unter jungen Menschen zwischen zwei bis sechzig und älteren.
Abgesehen davon, dass zu Betreuende nicht nur im Altersheim anzutreffen sind, sondern ein großer Teil der Betreuungen quer durch alle Altersklassen verläuft, also auch weit unter 60, drückt diese Aussage die ganze Armseligkeit eines Vorurteils aus. Da gibt es also zum einen diejenigen, die „mitten im Leben stehen“ weil sie ihr Leben unter jungen Menschen verbringen. Die anderen – also diejenigen, deren Beruf mit alten Menschen zu tun hat, bekommen vom eigentlichen Leben nichts mehr mit. Und selbstredend ist die erste Gruppe weltoffenen und allem Neuem aufgeschlossen und letztere kleinkariert und erzkonservativ. Man muss also noch nicht einmal selbst alt sein, sondern es reicht aus, dass man seine berufliche Zeit mit alten Menschen verbringt. Anscheinend geht besagter Blogger davon aus, dass die „Krankheit“ Alter ansteckend ist. Und selbstredend nimmt er für sich in Anspruch, jung geblieben zu sein. Dies trifft merkwürdigerweise auf viele zu, die platte Vorurteile gegen das Alter vertreten, obwohl gerade unter diesen Vertretern so mancher ist, der eher oberlehrerhaft als jugendlich und tolerant wirkt.
Ich komme zurück auf das Zitat von Simone de Beauvoir. Für mich ist Beauvoir, die auch im hohen Alter noch publiziert hat, ein positives Beispiel dafür, dass man die Auseinandersetzung mit dem Thema Alter auch anders angehen kann. Ohne platte Vorurteile, sondern mit Respekt und im Bewusstsein der Wichtigkeit dieses Themas, das in unserer Gesellschaft so gern verdrängt wird, weil es einen selbst – und darauf ist so mancher offensichtlich sehr stolz – ja überhaupt nicht betrifft.
Die bittere Ironie des Schicksals der ewig Jungen besteht darin, dass es wenn der Zeitpunkt dann doch irgendwann eintritt (was nicht zu verhindern ist), zu spät ist, sich aktiv für seine Belange einzusetzen.
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Samstag, 18. August 2012, 13:55h
Wie erhalten Betreuer ihre Betreuungen?
Im Gegensatz zu Beratungsstellen, die von den Ratsuchenden frei frequentiert werden können, muss eine gesetzliche Betreuung von einem Amtsgericht eingerichtet werden. Wird von Angehörigen, Bekannten, einer Einrichtung oder unter Umständen sogar von den Betroffenen selbst eine Betreuung angeregt, so ist hierfür das zuständige Amtsgericht die erste Anlaufstelle. Von dort aus wird das Anliegen an die zuständige Betreuungsstelle weitergeleitet. So eine Stelle gibt es in der Regel in jedem Bezirk oder in jeder größeren Gemeinde. Die Aufgabe der Mitarbeiter einer Betreuungsstelle ist die Ermittlung der Notwendigkeit einer rechtlichen Betreuung. Dies geschieht durch Hausbesuche bei den Betroffenen und durch Gespräche mit Angehörigen, Freunden e.t.c.
Steht es fest, dass jemand eine rechtliche Betreuung benötigt, dann ist es die Aufgabe des ermittelnden Mitarbeiters der Betreuungsstelle, einen geeigneten Betreuer zu finden. Die meisten Betreuer sind der Betreuungsstelle bekannt, da es in größeren Abständen Treffen gibt, an denen die meisten Betreuer teilnehmen. In der Regel stellt sich jemand, der als Betreuer arbeiten will, der Betreuungsstelle vor. Es gibt allerdings auch Betreuungsrichter, die sich direkt an die Betreuer wenden, ohne vorher die Betreuungsstelle einzuschalten.
Die Kriterien für die Bestellung eines Betreuers für einen konkreten Fall sind nicht so leicht fassbar. Fallen bei einer Betreuung zum Beispiel sehr viel kaufmännische Arbeiten an, wie dies bei Geschäftsauflösungen oder bei einem Besitzer von Mietshäusern der Fall ist, dann ist es sinnvoll einen Betreuer mit kaufmännischen Kenntnissen oder einen Anwalt zu bestellen. Geht es bei einer Betreuung um jemanden, der an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, so bietet sich die Bestellung eines Sozialpädagogen oder Psychologen an. Arbeitet jemand schon sehr lange als Betreuer, gibt es auch mehr oder weniger Rückmeldungen, an denen sichtbar wird, wie jemand seine Aufgabe als Betreuer wahrnimmt. Diese Rückmeldungen können beispielsweise von den involvierten Pflegediensten, von den Mitarbeitern der Seniorenberatung oder von den Pflegeheimen kommen.
Ein weiteres Kriterium ist für viele Betreuungsstellen auch die Zahl der bereits vorhandenen Betreuungen des jeweiligen Betreuers. Wenn ein Betreuer bereits siebzig Betreuungen führt, dann wird sich die Betreuungsstelle wahrscheinlich in vielen Fällen erstmal an diejenigen Betreuer wenden, die weniger Betreuungen führt. Wer gerade mit seiner Arbeit als Betreuer begonnen hat, wird vielleicht erstmal vorrangig mit Betreuungen bedacht, damit der Aufbau eines Betreuungsbüros überhaupt möglich ist.
Bei alldem muss betont werden, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Zuweisung von Betreuungen gibt. Und man darf auch nicht verhehlen, dass – anders als bei Laufkundschaft – die Betreuungsstelle eine Art Monopol darstellt. Theoretisch ist es nicht möglich, als Betreuer tätig zu sein, wenn es – aus welchen Gründen auch immer – zu einem Bruch mit der Betreuungsstelle gekommen sein sollte.
Für den Betreuten – also derjenige, dessen Wohl im Mittelpunkt stehen sollte – ist es von zentraler Wichtigkeit, dass sowohl die beruflichen Kenntnisse seines Betreuers als auch dessen Art, mit Menschen umzugehen, zu ihm passen und seiner individuellen Situation angemessen sind. Genauso wichtig ist es, dass der Betreuer weder zuwenig noch zuviel Betreuungen führt. Bei zuviel Betreuungen steht nicht mehr genug Zeit für den Einzelnen zur Verfügung. Zuwenig Betreuungen bedrohen die berufliche Existenz des Betreuers, was unter Umständen zur Aufgabe des Berufs und somit zwangsläufig auch zur Beendigung der Betreuung führt.
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