Mittwoch, 8. Februar 2012, 01:27h
Chantal
Heute habe ich gemeinsam mit einem Vermieter einen Hausbesuch gemacht. Mein Betreuter wohnt direkt neben der Wohnung, in der die elfjährige Chantal gelebt hat. Schon von weitem sah man die vielen Grabkerzen und Kuscheltiere, die vor die Hauswand gestellt worden waren. Chantal starb an einer hohen Dosis Methadon. Wie es dazu kam, dass sie sich mit dem Methadon vergiftete, ist noch nicht geklärt. Fest steht aber, dass es aus dem Haushalt der Pflegeeltern stammte, die beiden früher drogenabhängig waren und davon große Mengen gehortet hatten.
Jetzt stellt die Öffentlichkeit die Frage danach, warum drogenabhängige Menschen ein Pflegekind annehmen können. Und warum es niemandem auffiel, dass die Vierzimmerwohnung, in der noch ein weiteres Pflegekind, zwei eigene Kinder und zwei Hunde lebten, keine ideale Bedingung für die Aufnahme von Pflegekindern ist.
Und wie erwartet, wird jetzt der Ruf laut, dass Köpfe rollen sollen. Gestern las ich einen Leserbrief, der sich ausnahmsweise einmal nicht über die Inkompetenz der Jugendamtsmitarbeiter ereiferte. „In der gesamten Pädagogik und Sozialarbeit hat sich ein Wahnsinn um Datensammlung, sogenannte Qualitätsentwicklung und Evaluation etabliert“. Dies ist eine Quintessenz des kurz zuvor anonym veröffentlichten Berichts einer Jugendamtsmitarbeiterin, die ihren Tagesablauf beschreibt: „Vor mir liegen neue Konzepte zum Fallmanagement, Eingangsmanagement, Netwerkmanagement und zu sozialpädagogischen Diagnostik“.
Diese Erkenntnis der Leserbriefschreibers spricht mir aus der Seele! Der Begriff Management geistert schon seit vielen Jahren durch Sozialarbeit und durch Verwaltung. Hätte man diesen Begriff doch dort gelassen, wo er hingehört – in Wirtschaftsbetriebe! Es ist ein Irrglaube, dass man schwerwiegende soziale Probleme durch immer mehr Formen des Managements bewältigen kann. Menschen, die in irgendeiner Form soziale Probleme haben, kann man nicht unter den ebenfalls inflationär benutzten Begriff des „Kunden“ erfassen.
Sozialarbeit war schon immer ein Bereich, in dem versucht wurde, die in der Gesellschaft bestehenden Defizite auszugleichen. Und auch schon früher, als noch niemand die Begriffe Kunde oder Management verwendete, waren die vielen unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen und Diagnostikverfahren niemals ein Allheilmittel. Aber sie waren kein Selbstzweck, sondern Arbeitswerkzeug. Und dieses Arbeitswerkzeug hat man sich während des Studiums in theoretischer Form und durch Praktika angeeignet. Stand man dann fest im Berufsleben, wurde nicht mehr ständig theoretisiert, sondern praktisch gearbeitet. Und man machte zwangsläufig die Erkenntnis, dass vieles, was sich theoretisch sehr gut anhört, für die Praxis untauglich ist.
Zurück zu Chantal. Genau wie bei dem Tod der kleinen Lara fällt mir auch hier auf, dass mit aller Kraft auf das Jugendamt eingedroschen wird. Die Pflegeeltern sind völlig aus der Verantwortung genommen. Und genau das ist es, worüber ich stolpere. Mich erschreckt es zutiefst, dass zwei Menschen mit massiven Drogenproblemen sich für fähig halten, sich um Pflegekinder zu kümmern. Ohne Frage hätte das Jugendamt seiner Aufsichtspflicht nachkommen und es von vorneherein verhindern müssen, dass überhaupt eine Pflegeerlaubnis erteilt wird. Dass dies nicht passiert ist, ist aber mit großer Sicherheit kein Problem des nicht ausreichenden Qualitätsmanagements, sondern der völlig unzureichenden personellen Ausstattung. Und eine genauso große Rolle spielt die Tatsache, dass ein großer Mangel an Pflegeeltern besteht. Und jetzt kommen wir zu dem eigentlichen Problem, an dem unsere Gesellschaft krankt: es gibt eine erschreckende Zunahme an Eltern, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder ohne professionelle Hilfe zu erziehen.
Jugendamtsmitarbeiter können nicht mehr alles auffangen, was in unserer Gesellschaft falsch läuft. Und der Irrglaube, dass man die ohnehin überforderten Jugendamtsmitarbeiter mit der Anleitung zu den vielen Formen des Managements zu besserer Arbeit befähigt, sollte endlich als Irrglaube entlarvt werden. Auf der Ebene der Sozialarbeit können nur geringere Fallzahlen eine Lösung darstellen. Auf der politischen Ebene wird eine Lösung nicht so schnell zu finden sein. Aber man sollte endlich einmal die Augen aufmachen und anfangen zu fragen, was die Ursache darstellt für die große Zunahme des Bedarfs an professioneller Hilfe bei der Erziehung von Kindern.
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Samstag, 4. Februar 2012, 12:58h
Flüchtende Betreute, anstehenden Operationen, Versäumnisse und ein Berg Unerledigtes
Bei der Arbeit als Betreuerin kann man noch so gut planen und organisieren – man kann nicht verhindern, dass alles wieder von den Betreuten oder vom Schicksal über den Haufen geschmissen wird.
Eine meiner Betreuten ist an Krebs erkrankt. Der Krebs ist schon so weit fortgeschritten, dass sich in mehreren Organen Metastasen gebildet haben und der Tumor nicht mehr operabel ist. Festgestellt wurde die Erkrankung während eines Psychiatrieaufenthaltes. Natürlich sollte die weitergehende Behandlung sorgfältig geplant werden. Aber das fluchtartige Verlassen der Klink machte alles zunichte. Und da meine Betreute zu Bekannten in ein anderes Bundesland zog, war es auch nicht möglich, schnell irgendwelche Hilfen zu beantragen.
Ein Mensch der Geld hat, kann hingehen, wo er will. Ein Mensch, der im Hartz-IV-Bezug steckt, darf das nicht. Die Genehmigung des Umzugs muss in einem langwierigen Verfahren bewilligt werden, die Kostenübernahme für die bei Erkrankung notwendige hauswirtschaftliche Versorgung muss beantragt und bewilligt werden und auch pflegerische Hilfe muss erst beantragt werden. Um am neuen Wohnort eine Kostenbewilligung für Hilfen zu erreichen, muss man erst nachweislich dort gemeldet sein. Für die Meldung benötigt man aber erstmal eine Wohnung. Geeignete Wohnungen kann man oft nur gegen Zahlung einer Courtage finden, aber die wird vom Jobcenter nicht übernommen. Egal wie schwerkrank jemand ist – die Prozedere ist unumgehbar. Eine Betreute, die nicht kooperativ ist und jede Vereinbarung über den Haufen schmeißt, macht es dann vollends unmöglich, dass die so dringend erforderlichen Hilfen organisiert werden können.
Heute kam dann die die überraschende Wende, und meine Betreute kehrte genauso Hals-über-Kopf wieder in ihre Wohnung zurück, wie sie sie vor zwei Monaten verlassen hat. Gott-sei-Dank hat sie auf meinen Rat gehört und die Wohnung doch nicht gekündigt. Jetzt kann ich zwar Anträge stellen, da Meldeadresse und tatsächlicher Aufenthalt übereinstimmt, aber die Situation ist dennoch sehr schwierig, da meine Betreute allein lebt und die Krankheit inzwischen noch weiter fortgeschritten ist. Ich finde zwar schnell einen Pflegedienst für die Verabreichung der unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Medikamente, aber die befinden sich noch in der Wohnung des Bekannten, der die Medikamente trotz Zusage nicht vorbeibringt. Die erforderliche Verordnung für den Pflegedienst muss ich auch erst noch beantragen. Ich verbringe dann meine Zeit damit, ein Fax als Eilantrag aufzusetzen, in dem ich die Schwierigkeit der Situation genau schildere. Außerdem informiere ich schon mal vorab das für die Stellungnahme zuständige Gesundheitsamt. Vielleicht gelingt es mir dadurch, morgen zumindest schon eine mündliche Zusage zu erreichen. Meine Betreute geht nicht ans Handy und ist aufgrund eines Nachsendantrags auch nicht postalisch erreichbar, was die Kommunikation natürlich weiter kompliziert.
Auch wenn eine Betreuung akuten und umfangreichen Handlungsbedarf mit sich bringt, dürfen die anderen Betreuten natürlich nicht vernachlässigt werden. Bei einer Heimbewohnerin beraten die Ärzte, wie der schwere Dekubitus (Wundgeschwür) am Steißbein behandeln werden soll. Eine komplizierte Hautverpflanzung und die Verlegung des Darmausgangs zu Verhinderung bakterieller Infektionen werden ärztlicherseits diskutiert. Da ich die Betreute in die Entscheidung mit einbeziehen will, habe ich sie vor ein paar Tagen aufgesucht und mich eingehend mit ihr und den behandelnden Ärzten unterhalten. Ich spreche auch mit dem Heimpersonal und der behandelnden Hausärztin. Da ich irrtümlich davon ausging, dass beide OPs zusammenhängen, entscheide ich zuerst für ein Nein, weil die Gefahr groß ist, dass die Stelle mit der verpflanzten Haus sich wieder entzündet. Dann sagt mir der Arzt jedoch, dass auch nur eine OP, nämlich die Verlegung des Darmausgangs vorgenommen werden könnte. Ich erreiche den Arzt danach nicht und melde mich am nächsten Tag mit einer positiven Entscheidung. Da hat man aber schon die Entlassung geplant, weil man meine erste Entscheidung als endgültig ansah. Nach vielen Hin- und Hers und Entschuldigungen meinerseits wird dann aber die Entlassung rückgängig gemacht und die OP für die kommende Woche geplant. Und dann ändert die Betreute doch noch ihre Entscheidung und die Operation wird wieder rückgängig gemacht.
Dann ein aufgeregter Anruf einer pädagogischen Betreuerin. Das Sozialamt droht, das schon gezahlte Geld für die über Monate geleistete Eingliederungshilfe zurückzufordern, weil nicht bekannt gegeben wurde, dass die betreffende Betreute umgezogen war und inzwischen mit Freund und Kind zusammen wohnt. Ich hatte der pädagogischen Betreuerin zugesagt, dass ich mich um die Meldung an die Behörde kümmere, es dann aber vergessen. Ich war einige Monate damit beschäftigt, vom Jobcenter ausreichende Leistung zu erwirken, die nicht gewährt wurden, weil bestimmte Urkunde, die erst aus dem Heimatland angefordert werden mussten, fehlten. Erschwert wurde alles noch durch das ausgesprochene unkooperative Verhalten des Freundes. Bei all den Schwierigkeiten habe ich völlig die von mir zugesagte Meldung ans Sozialamt vergessen.
Fehler sind menschlich, aber bei uns Betreuern unentschuldbar. Ich habe sofort alle erforderlichen Unterlagen herausgesucht und ein langes Entschuldigungsschreiben aufgesetzt und alles zusammen persönlich zur Leiterin des Sozialamts bringen lassen. Da die sehr engagierte pädagogische Betreuerin von ihrem Vorgesetzten einen Rüffel erhalten hat, habe ich auch noch deren Chef ein Entschuldigungsschreiben geschickt. Bleibt zu hoffen, dass meine Entschuldigungen angenommen werden. Falls nicht, und dem Träger tatsächlich rückwirkend Gelder gestrichen werden, werde ich mich das erste Mal an meine Berufshaftpflicht wenden.
Aber auch das war heute noch längst nicht alles. Der Sohn einer meiner Betreuten muss als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II beantragen, was bedeutet, einen rund zwanzig Seiten umfassenden Antrag auszufüllen und diverse Unterlagen beizufügen. Damit ist der Sohn meiner Betreuten aber überfordert, wie viele andere Antragsteller auch, denn die Anträge sind in striktem Amtsdeutsch verfasst, dass nur von Behördenmitarbeitern verstanden wird. Vor ein paar Tagen habe ich ihm also für anderthalb Stunden beim Ausfüllen der Formulare geholfen, denn wenn er keine Leistungen erhält, betrifft dies nicht nur ihn, sondern auch meine Betreute, die ohnehin mit ihrer kleinen Rente kaum auskommt. Obwohl ich geholfen habe, bekomme ich heute einen Anruf des Sohns, dass noch weitere spezielle Formblätter, die er wieder nicht versteht, ausgefüllt werden müssen. Ich muss also wieder tätig werden, wenn genug Geld für die Bedarfsgemeinschaft vorhanden sein muss.
Einer meiner Betreuten, der schon eine lange Zeit trocken war, hatte einen Rückfall und wartet dringend auf einen Rückruf von mir. Er wurde nach eigenen Aussagen schon nach drei Tagen Entgiftung entlassen. Er wird am Montag wieder seine Arbeit aufnehmen und ich drücke ihm natürlich dabei die Daumen.
Mein Anrufbeantworter leuchtete heute wieder wegen Überfüllung. Ich rufe einen Betreuten zurück, besser gesagt seine Lebensgefährtin und weiß schon vorher, dass ich mir wieder anhören muss, dass ich das Geld nicht richtig einteile. Zum x-ten Mal erkläre ich, dass ich nicht mehr Geld auszahlen kann, als zur Verfügung steht, stoße dabei aber wie immer auf taube Ohren. Ich habe eigentlich keine Lust, immer wieder und wieder die gleichen Erklärungen herunter zu leiern, aber wenn ich das nicht tue, endet dies in einer Beschwerde beim Amtsgericht, auf die ich mit einer Stellungnahme antworten muss. Und da entscheide ich mich dann doch lieber fürs x-te Erklären. Trotzdem droht die Lebensgefährtin – die anscheinend mehr über das Geld meines Betreuten zu sagen hat, als er selbst – mit einer Beschwerde bei der nächsten turnusmäßigen Anhörung.
Ach ja, vor kurzem hat auch wieder der Vater einer meiner Betreuten verbal zugeschlagen, indem er mir zu nächtlicher Zeit Beschimpfungen auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hat. Er droht wieder einmal damit, gegen mich vorzugehen und will dazu jetzt auch über das Internet gehen. Da dieser Mann in der gleichen üblen Weise mit meiner Betreuten umgeht und sich ihr psychischer Zustand mittlerweile immer weiter verschlechtert hat, erwäge ich eine Unterbringung. Meine Betreute ist nicht in der Lage, sich dem Vater zu entziehen und ich habe Angst, dass sich ihr Zustand noch gravierender verschlechtert.
Neben all diesen Vorkommnissen gibt es noch diverse Korrespondenz zu erledigen. Außerdem ist Monatsanfang und die gesamten Konten müssen gebucht werden und es sind auch wieder einige Vermögensabrechnungen und Berichte für das Amtsgericht fällig. Ein Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme eines Rollstuhls muss aufgesetzt werden. Es steht noch ein gemeinsamer Hausbesuch mit einem Vermieter bei einem Betreuten an, dessen Wohnung so muffelt, dass dies schon auf den Hausflur zu riechen ist. Außerdem muss bei einem anderen Betreuten dringend ein gemeinsames Gespräch mit dem Werkstattleiter stattfinden, denn es droht ein Rausschmiss, weil der Betreute fast nur noch Fehlzeiten hat.
Es ist längst noch nicht alles, was passiert ist und noch erledigt werden muss. Aber jetzt geh ich erstmal ins Wochenende...
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Dienstag, 31. Januar 2012, 02:02h
Unerwartete Rückendeckung
In der Arbeit als Betreuer kann es mitunter zu großen Anfeindungen kommen. Insbesondere im Bereich der Geldeinteilung kommt es in steter Regelmäßigkeit vor, dass nicht die knappe Bemessung des Hartz-IV-Bedarfssatzes als Ursache für den Geldmangel angesehen wird, sondern der Betreuer. Entweder es wird uns vorgeworfen, dass wir Geld veruntreuen oder es wird unterstellt, dass wir nicht alle Möglichkeiten der Beantragung von Zuschüssen ausschöpfen würden. Oftmals wird auch kritisiert, dass wir Geld ansparen für die notwendigen größeren Anschaffungen, anstatt das Geld sofort auf der Stelle auf einen Schlag auszuzahlen.
Vor einigen Wochen fand ein sogenanntes Hilfeplangespräch statt. Das ein Gespräch, zu dem alle, die an der Betreuung/Versorgung eines Menschen beteiligt sind, geladen werden. In diesem Fall waren es sehr viele Beteiligte, da es sich um eine Betreute mit einem kleinen Kind handelte. Anwesend waren die Hebamme, der Familienhelfer, die PPM-Betreuerin, die Mitarbeiterin des Jugendamtes, meine Betreute, ihr Mann, ihr kleines Kind, eine Übersetzerin und ich.
Obwohl der Mann meiner Betreuten kaum etwas von der deutschen Sozialgesetzgebung wusste, da er noch nicht allzu lange in Deutschland lebt, machte er mir massive Vorwürfe, weil ich seiner Meinung nach widerrechtlich das Kindergeld nicht auszahlen würde. Ich hatte ihm etliche Male geduldig erklärt, dass Hartz-IV eine nachrangige Hilfe ist und jede andere Leistung, wie z.B. Unterhalt, Rente oder Kindergeld auf jeden Fall angerechnet wird. Obwohl dieser Grundsatz eigentlich sehr einleuchtend ist, wollte der Mann ihn nicht verstehen und seiner Meinung nach war einzig und allein durch meine Unfähigkeit viel zu wenig Geld vorhanden. In der Tat gab es einen sehr krassen finanziellen Engpass, weil entscheidende Urkunden für die Anmeldung des Kindes fehlten, wodurch für das Kind auch kein Geld gezahlt wurde. Aber das war nicht meine Schuld, weil bestimmte Unterlagen erst angefordert werden mussten. Darüber hinaus wurde das Kindergeld natürlich voll und ganz als Einkommen angerechnet.
Ich wurde also vor der recht großen Versammlung als unfähige Betreuerin dargestellt, die nicht in der Lage ist, der Betreuten und ihrem Kind zu ihrem Recht zu verhelfen. Keine besonders angenehme Situation, zumal der Mann meiner Betreuten jede Menge Zahlen anführte, welche ich, da ich natürlich nicht alle Buchungsunterlagen dabei hatte, nicht so einfach widerlegen konnte.
Und dann passierte etwas, was für mich in meiner Tätigkeit als Betreuerin völlig neu war. Die PPM-Betreuerin erhob plötzlich das Wort und erklärte, dass ich als Betreuerin alles Mögliche unternommen hätte, um die schwierige Situation in den Griff zu bekommen. Sie betonte ausdrücklich, dass nicht ich an dem finanziellen Engpass Schuld war, sondern eine Verkettung von unglücklichen Umständen, angefangen von fehlenden Urkunden, die erst aus dem Heimatland angefordert werden mussten bis hin zu bürokratischen Vorschriften des Jobcenters, das ein Kind erst dann als ein Kind anerkennt, wenn die entsprechende Urkunde vorliegt.
Für mich war die unerwartete Rückendeckung etwas, was mich zutiefst überraschte. Nicht, dass mir eine derartige Situation völlig unbekannt wäre – in meinen früheren Stellen war es durchaus üblich, Kollegen bei ungerechtfertigten Angriffen nicht im Regen stehen zu lassen. Unter Betreuern ist dies allerdings etwas nahezu Unbekanntes. Ich selbst habe vor Jahren einmal einen Leserbrief geschrieben, als ein Betreuer von der Presse heftig auseinandergenommen wurde und hatte dabei auch um Mitunterzeichnung einiger Kollegen gebeten, was die dann auch – allerdings nicht sehr begeistert – getan hatten. Und wenn ich mir den Satz eines Kollegen „Andere Betreuer sind deine Konkurrenz“ vergegenwärtige, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass das Unterzeichnen eines Leserbriefs als Maßnahme der Unterstützung für einen Betreuer als überflüssig und lästig empfunden wird.
Die mir Rückendeckung gebende Kollegin war keine rechtliche Betreuerin, sondern eine pädagogische Betreuerin. Das schmälert aber nicht meine Freude darüber, dass es Menschen gibt, für die es selbstverständlich ist, bei ungerechtfertigten Anschuldigungen auf den Tisch zu hauen. Gäbe es mehr davon, würde man sich eine Menge Zeit für unsinnige und unerfreuliche Auseinandersetzungen sparen, die man wesentlich sinnvoller in die Verbesserung der Arbeitsqualität investieren könnte. Darüber hinaus halte ich es für unverzichtbar, dass jemand, der andere beleidigt und diskreditiert, umgehend und konsequent in die Schranken gewiesen wird. Passiert dies nicht, ist menschliche Kommunikation kaum erträglich.
Und deswegen stellt das Verhalten der pädagogischen Betreuerin für mich weitaus mehr als nur eine Solidaritätsgeste dar. Es erinnert daran, dass die Welt nicht nur vom Homo Oeconomicus bevölkert ist.
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