Mittwoch, 25. Januar 2012, 11:09h

Pro und Kontra ehrenamtliche Arbeit

behrens

Gerade habe ich unter der Rubrik „Ersatzhomepage“ eine Notiz über das vor kurzem in unserem Stadtteil eröffnete Freiwilligennetzwerk eingetragen. Um es gleich vorweg ganz deutlich zu sagen: ich habe Hochachtung vor Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und ich halte Freiwilligenarbeit für einen wichtigen Teil der Gesellschaft.

Ich habe einmal in irgendeinem Buch gelesen, dass alle Sätze, die mit dem Wort „aber“ beginnen, die davor gemachte Aussage wieder zurücknehmen. Nun, ich denke, dass dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss, wenn auch ein Fünkchen Wahrheit in diesem Ausspruch steckt. Mein „Aber“ in Bezug auf Freiwilligenarbeit bezieht sich im Grundsatz auf das, was auch für die Problematik der Ein-Euro-Jobs zutrifft – es werden reguläre Arbeitsplätze verhindert. Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit und viele Menschen würden gern arbeiten, wenn sie denn eine Arbeit finden würden. Gleichzeitig bin ich nicht so naiv, anzunehmen, dass der riesige und sich ständig vergrößernde Bereich der sozialen Arbeit in seiner Finanzierung kein Problem darstellen würde.

Ich kann mich noch an die ideologischen Streitereien während meines Studiums erinnern, wo die Lösung genauso platt wie lautstark präsentiert wurde: „Dann müssen wir eben die Kosten für die Rüstung einsparen und die Bundeswehr verkleinern“. Tja, zumindest letzteres ist inzwischen passiert und trotzdem ist die Frage der Finanzierung der wachsenden Sozialausgaben nicht gelöst.

Während meiner Arbeit in einer Einrichtung für drogenabhängige minderjährige Prostituierte geriet ich einmal in eine heftige Diskussion, als es um eine Gruppe des Kirchenkreises ging, die ehrenamtlich einmal wöchentlich für die Mädchen kochen wollten. Dies stieß bei einigen Kolleginnen auf heftige Kritik, weil nach deren Empfinden der Grundsatz: „Frauenarbeit muss bezahlt werden“ verletzt wurde. Allerdings war zum damaligen Zeitpunkt das Budget für Honorararbeiten schon ausgeschöpft. Aber damals war es noch nicht so selbstverständlich wie heute, dass man sich auch über den finanziellen Hintergrund des Trägers Gedanken machte und so musste ich mir dann sagen lassen, dass ich es anscheinend nicht verstanden hätte, was die Grundsätze des Verständnisses von Frauenarbeit wären.

Aber auch abgesehen von den Diskussionen über die nicht zu leugnenden Auswirkungen der Freiwilligenarbeit auf den Arbeitsmarkt, gib es Aspekte, die mich an einer uneingeschränkten Befürwortung hindern. Soziale Arbeit ist einem Wandel unterzogen, der von einer zunehmend betriebswirtschaftlichen Orientierung gezeichnet ist. Freie Träger und Vereine werden zu GmbHs und ehemals staatliche Trägerschaften gehen an private über, so wie es beispielsweise bei Heimeinrichtungen geschieht. Hier bekommt Freiwilligenarbeit einen anderen Hintergrund. Der Einsatz von engagierten Bürgern, die gern etwas für andere Menschen tun möchten, kommt dann nicht mehr dem Staatshaushalt – und somit der Gesellschaft – zugute, sondern privaten Institutionen.

Ein Beispiel, das mich nachhaltig sensibilisiert hat für die Thematik der Freiwilligenarbeit, war meine Beschäftigung im Betreuungsverein. Betreuungsvereine haben primär die Funktion, die ehrenamtlichen Betreuer in ihrer Arbeit zu unterstützen und außerdem für die Übernahme ehrenamtlicher Betreuungen zu werben. In den meisten Fällen handelt es sich bei den ehrenamtlichen Betreuern um Familienangehörige oder Freunde. Aber es gibt darüber hinaus auch Menschen, die sich aus reinem sozialem Engagement für das Amt eines Betreuers bewerben. Wenn nun aber ein Betreuungsverein, dessen satzungsmäßig formuliertes Hauptziel das der Förderung und Unterstützung des ehrenamtlich geführten Betreueramtes ist, eine Geschäftsführung hat, der es einzig und allein um den eigenen Verdienst und nicht um die Aufgabe an sich geht, dann bekommt die Arbeit des ehrenamtlich Tätigen einen unguten Beigeschmack. Ich kann mich noch gut an den Ausspruch des damaligen Geschäftsführers erinnern: „Mir würde es im Traum nicht einfallen, etwas zu tun, was nicht bezahlt wird“. Wie passt diese Einstellung noch zusammen mit den Statuten des Vereins, denen zufolge die Förderung des Ehrenamts als Ziel formuliert wird?

Fazit: wenn ehrenamtliches Engagement dazu eingesetzt wird, dass Träger oder Einzelpersonen einen höheren Gewinn erzielen, dann stellt dies eine Zweckentfremdung des sozialen Engagements dar. Die zusätzlich von ehrenamtlichen Helfern geleistete Arbeit dient dann nicht mehr der Verbesserung des qualitativen Standards, sondern ermöglicht personelle Einsparungen oder höhere Fallzahlen – beides gleichbedeutend mit höherem Gewinn. Und somit ist nicht das Klientel der Nutznießer des ehrenamtlichen Engagements, sondern allein diejenigen, denen der Gewinn zufließt.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 12. Januar 2012, 00:50h

Ein Ort zum Sterben – Hospiz

behrens

Vor einigen Tagen habe ich mir ein Hospiz im südlichen Landkreis von Hamburg angesehen. Ich hatte schon früher im Rahmen meiner Arbeit Hospize kennengelernt. Diesmal besuchte ich mit einer Freundin deren Mutter, die seit kurzem aufgrund ihrer Krebserkrankung im Hospiz wohnt. Die Schwere der Erkrankung und zwei Knochenbrüche machten eine Pflege in der eigenen Wohnung so schwierig, dass sich die Mutter für den Wechsel in das Hospiz entschied.

Obwohl der Anlass sehr traurig ist und die Konfrontation mit dem Tod äußerst schmerzhaft, hat man in dem Hospiz das Gefühl einer liebevollen und aufmerksamen Umsorgung. Es wird als selbstverständlich angesehen, dass die Angehörigen oder Freunde bei Bedarf beim Patienten übernachten können. Das Hospizzimmer macht mehr den Eindruck eines gemütlichen Wohnzimmers, als eines Krankenzimmers. Meine Freundin sagte mir, dass die dortigen Mitarbeiter sich sehr gut um die Patienten kümmern und für individuelle Wünsche offen sind. Für Menschen, die gläubig sind, gibt es spezielle Begleitung.

Aus meiner Arbeit mit meinen Betreuten weiß ich, dass es oftmals sehr schwierig ist, einen Hospizplatz zu erhalten. Da die Pflegekosten eines Hospizes teuer als reguläre Heimkosten sind, wird ein Kostenübernahmeantrag nicht so einfach bewilligt und ist oftmals mit langen Wartezeiten verbunden. Es kann die unsägliche Situation entstehen, dass entweder bei rechtzeitiger Anmeldung die Krankenkasse die Kostenübernahme ablehnt, weil der Gesundheitszustand noch nicht schlimm genug ist oder aber bei sehr später Anmeldung die Bearbeitung so lange dauert, dass die Bewilligung erst eintrifft, wenn der Erkrankte schon verstorben ist.

Es ist schwer zu beschreiben, welche Gefühle man hat, wenn man als Besucher ein Hospiz betritt. Wenn ich nach einem treffenden Ausdruck suche, dann fällt mir als erstes das Wort „Menschlichkeit“ ein. Eine Menschlichkeit, die an der Art der Gestaltung des Gebäudes, an den hellen und freundlichen Farben und an den sorgsam ausgesuchten Bildern deutlich wird. Ich habe mir auch die Infobroschüre des Hospizes aufmerksam angesehen. Das Hospiz wird durch Kranken- und Pflegekasse finanziert, muss aber zehn Prozent der Kosten selbst tragen, was nur durch Spenden und durch ehrenamtliche Mitarbeit möglich ist. So wie überhaupt das ganze Hospiz seine Entstehung einer Initiative von engagierten Bürgern verdankt. Vielleicht ist es das, was den Eindruck des Hospizes für mich ausmacht – es wird getragen von Menschen, die sich aus reinem Engagement voll und ganz für andere Menschen einsetzen. Und das ist auch der Grund, warum man sich an diesem Ort aufgehoben fühlen kann.

Sterben wird für einen Menschen immer mit Leid verbunden sein und auch liebevolle Umsorgung wird dieses Leid nicht völlig aufheben können. Aber die Gewissheit, an einem Ort zu sterben, an dem man sich auf die echte Anteilnahme der dortigen Menschen verlassen kann, kann dem Tod ein wenig von seinem Schrecken nehmen.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 4. Januar 2012, 16:45h

Jobcenter - wie gewohnt und auch mal anders

behrens

Ich war gerade dabei, eine kleine Begebenheit mit dem Jobcenter aufzuschreiben, die wieder einmal sehr unerfreulich verlief, als ich einen Anruf bekam, der ein Beispiel dafür ist, dass es doch auch Mitarbeiter beim Jobcenter gibt, denen die ihnen anvertrauten Menschen nicht völlig gleichgültig sind.

Fangen wir dennoch mit der unerfreulichen Begebenheit an. Vor einiger Zeit habe ich für einen Betreuten einen Reha-Antrag beim Arbeitsamt gestellt, da dieser sehr gern in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten würde. Es hatte in der Vergangenheit bereits ein Beratungstermin stattgefunden, der aber negativ verlief, weil man im Arbeitsamt der Meinung war – die ich nicht teile – dass mein Betreuter erstmal andere Angebote wahrnehmen sollte. Nachdem der zweite Beratungstermin im November stattfand, schickte ich, ohne mir dabei etwas Böses zu denken, der Reha-Abteilung eine kurze Mail, in der ich anfragte, was der Termin ergeben hatte.

In der vergangen Woche rief die Vertretung der zuständigen Sachbearbeiterin an und da ich nicht im Büro war, nahm meine Mitarbeiterin den Anruf entgegen. Dann folgte ein Wortwechsel, über den meine Mitarbeiterin noch langer verärgert war. Es begann damit, dass die Sachbearbeiterin betonte, dass sie nicht sagen dürfe, um wen und um was es sich handeln würde, da meine Mitarbeiterin ja „nur“ eine Mitarbeiterin und nicht die Betreuerin war. Nachdem ihr meine Mitarbeiterin dann doch entlocken konnte, um welchen meiner Betreuten es sich handelte, folgte ein langer Vortrag darüber, wie es angehen könne, dass ich als Betreuerin nicht über das Gesprächsergebnis informiert sei. Meine Mitarbeiterin versuchte wacker, der Sachbearbeiterin zu erklären, dass meine Nachfrage etwas völlig Normales wäre. Dies sah die Sachbearbeiterin allerdings nicht ein und wies darauf hin, dass ich den Betreuten hätte begleiten müssen, wenn ich Informationen hätte haben wollen.

Ich könnte jetzt noch weiter dieses unerfreuliche und darüber hinaus durch und durch überflüssige Gespräch beschreiben, was aber zu nichts führen würde. Ich habe ja selbst einige Jahre im Arbeitsamt gearbeitet und hatte daher Gelegenheit, diesen Persönlichkeitstypus kennenzulernen, der sich durch ein völliges Unverständnis gegenüber all denen auszeichnet, die nicht in die amtsinternen Abläufe eingeweiht eingeweiht sind und logischerweise daher manche Dinge erfragen müssen. Und genau dieser Typus zeichnet sich wiederum meist durch ein äußerst lückenhaftes Fachwissen aus. Jeder Behördenmitarbeiter muss wissen, dass rechtliche Betreuer in der Regel auch Mitarbeiter haben, die befugt sind, Anrufe entgegenzunehmen und Schreiben zu bearbeiten – anders wäre die Arbeit als Berufsbetreuerin gar nicht machbar. Genauso sollte unbedingt bekannt sein, dass ein Betreuer nicht über das Zeitbudget für eine persönliche Begleitung verfügt. Und natürlich hat ein rechtlicher Betreuer auch nicht automatisch mit beruflichen Rehaverfahren zu tun, da es jede Menge Betreuungen gibt, bei denen so eine Maßnahme gar nicht in Frage kommt. Und die Tatsache, dass zwar eine Ablehnung in schriftlicher Form erfolgt, eine Bewilligung aber nicht, mag zwar einer Behördenmitarbeiterin logisch erscheinen, dem Rest der Welt wahrscheinlich aber nicht.

So, und nun die positive Erfahrung, die mich eben gerade gemacht habe: Es handelt sich um die Schwester meiner Betreuten, die ich momentan noch gar nicht gesetzlich betreue, sondern im Rahmen einer Vollmacht. Die Leistungen des Jobcenters wurden eingestellt, da aufgrund der vorhandenen Behinderung eine Erwerbstätigkeit gar nicht möglich wäre. Damit ich schnellstmöglich Grundsicherungsleistungen beantragen kann, wäre eine Schweigepflichtentbindung erforderlich. Die Schwester meiner Betreuten ist sich aber der Wichtigkeit nicht bewusst und hat den vereinbarten Termin nicht wahrgenommen. Heute ruft mich die Sachbearbeiterin an und teilt mir mit, dass sie übermorgen sowieso in der Gegend wäre, und daher auch einen kurzen Hausbesuch machen könnte. Ich war darüber äußerst erstaunt und fragte, ob dies öfter vorkäme, worauf die Sachbearbeiterin mir sagte, dass sie ab und zu Hausbesuche machen würde, wenn sie das Gefühl hätte, dass es sich um Arbeitslose handeln würde, die Schwierigkeiten haben, die in den Behördenschreiben formulierten Anliegen überhaupt zu verstehen.

Ich kann zu letzterem Beispiel nur sagen, dass wahrscheinlich so manche gesetzliche Betreuung gar nicht erforderlich wäre, wenn man in der Behörde realisieren würde, dass es sich nicht immer zwangsläufig um eine – wie in den Schreiben formulierte – "Verweigerung der Mitarbeit" handelt, sondern schlichtweg um Menschen, die mit der adäquaten Bearbeitung von Behördenangelegenheiten überfordert sind.

Es gibt sie also doch – Menschen, die nicht nur in der Lage sind, sich in andere hinein zu versetzen, sondern die auch bereits sind, hilfsbedürftigen Menschen Hilfe anzubieten!

... link (0 Kommentare)   ... comment