Mittwoch, 13. April 2011, 20:53h
Geplatzte Träume und doch Hoffnungsschimmer
Mir wurde gerade von einer Kollegin ein Hinweis auf einen interessanten Artikel gegeben:
http://www.sozialarbeiter.in/2010/11/04/der-zerplatzte-traum/
Wie der Name schon sagt, geht es um die unerfüllten Träume der Sozialarbeiter. In erster Linie wird dabei auf die Strukturen und die Arbeitsbedingungen in der Sozialarbeit eingegangen. In der Einleitung wird geschildert, wie enthusiastisch die angehenden Sozialarbeiter nach Beendigung ihres Studiums ihre Arbeit antreten und wie der Enthusiasmus irgendwann einer Resignation Platz macht. Für mich sind dies Worte wie aus einer anderen Welt:
„Denn ihr Antrieb ist es, anderen Menschen etwas zu geben, sie zu unterstützen, Menschen zu helfen, die es im Leben nicht so gut getroffen haben, wie sie selber. So starten sie voller Vorfreude auf die Arbeit mit ihren neuen Kollegen.“
Diese Worte sind so unendlich weit entfernt von Aussagen wie „Wir möchten einen guten Eindruck machen“ und dem Vorwurf des „Anspruchsdenkens“ an Menschen, die nicht in ein Heim möchten, weil sie ihren Lebensabend nicht mit einem winzigen Heimtaschengeld verbringen wollen. Hier geht es tatsächlich noch um die Motivation, die darin besteht, Menschen, die in dieser Gesellschaft benachteiligt sind, darin zu unterstützen, eine gleichberechtigte Position zu erlangen.
Auch wenn der Artikel den politischen und gesellschaftlichen Wandel nicht thematisiert, so drückt er doch sehr gut aus, wie soziales Engagement an der Realität zerrieben wird und schließlich scheitert. Wobei es nicht bei dieser deprimierenden Erkenntnis bleibt, sondern durchaus Vorschläge zu Abhilfe gemacht werden, die sich in erster Linie auf die Ausbildungsschwerpunkte im Studium und auf die Anforderungen an Führungskräfte beziehen.
Für mich ist der Artikel eine Erinnerung an die „alte“ Welt der Sozialarbeit. Trotz aller geschilderten Probleme ein kleiner Hoffnungsschimmer: es gibt sie also doch noch – Menschen, die sich jenseits von Gewinnmaximierung und Werbewirksamkeit um die Zukunft der Sozialarbeit Gedanken machen. Vielleicht gelingt es ja, Antworten auf die vielen Probleme zu finden. Zumindest ist das, was dafür unverzichtbar ist, geschehen: den Vorhang des guten Eindrucks zur Seite zu ziehen und einen Blick auf die dahinter vorborgene Realität zu werfen.
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Dienstag, 5. April 2011, 00:46h
Warum explodieren Kosten? Ein verspäteter Aprilscherz
In meinem Beitrag darüber, wie wir Betreuer unser Geld verdienen, hatte ich das der Betreuungsarbeit zugrundeliegende Vergütungssystem näher erläutert und dabei geschildert, dass seit 2005 die detaillierte Einzelvergütung durch eine Pauschalvergütung abgelöst wurde.
Am Ende des Beitrags habe ich darauf hingewiesen, dass die Umstellung auf eine Pauschalvergütung die Konsequenz der Kostenexplosion im Betreuungswesen war. Und ich hatte angekündigt, einmal einen Vergleich zweier Rechnungen anzustellen. Denn es ist ja eine spannende Frage, ob die Kostenexplosion darauf zurückzuführen ist, dass Betreuer früher mehr (zuviel?) Zeit in ihre Arbeit investiert haben oder ob es vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass manche Betreuer den Umstand der Schwierigkeit einer Kontrolle zu ihrem Vorteil ausgenutzt haben.
Und hier jetzt einmal zwei Gegenüberstellungen zum Vergleich:
Ein Betreuer hat im Jahr 2001/2002 für die Betreuung eines Heimbewohners einen Aufwand von 4,7 Stunden pro Monat geltend gemacht, was eine Jahresrechnung von etwa 2.070,00 € ergab.
Meine eigenen Rechnungsbeträge für die Betreuung von Heimbewohnern lagen in der Zeit vor der Pauschalierung in einer Spanne von 400,00 € bis 1.500,00 € bei Heimbetreuungen, die schon länger als ein Jahr bestanden. Eine Rechnung in Höhe von 2.070,00 € für Betreuungen bei Heimbewohnern hatte ich noch nie, obwohl ich in der Zeit meine Betreuten alle 4 bis 8 Wochen besucht habe. Die Rechnungsummen meiner damaligen Büropartner waren mit meinen vergleichbar.
Was könnte die Ursache sein für eine um einige hundert Euro höhere Rechnungssumme? Da gibt es so manches. Zum Beispiel ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand, weil eine Erbschaft angetreten wurde, ein Haus geräumt und veräußert werden musste, eine schwere chronische Erkrankung ständige Kontakte mit den Ärzten erforderlich machte oder eine psychische Erkrankung ständig Kriseninterventionen erforderte. Die Liste könnte man noch um einiges verlängern. Oder die hohe Rechnungssumme könnte vielleicht auch darauf zurückzuführen sein, dass es sich um einen Betreuer handelt, der sehr viel Wert auf regelmäßige monatliche Besuche legte oder der ständigen Kontakt zu den Angehörigen pflegt.
All dies trifft aber bei der besagten Rechnung in keiner Weise zu – die Gründe für eine derartig hohe Rechnungssumme bleiben geheimnisvoll im Dunkeln. Was jedoch nicht heißt, dass sich niemand Gedanken darüber macht. Angehörige, Pflegepersonal, Besuchsdienste oder vielleicht auch der Betreute selbst stellen die Seriosität solcher Rechnungen in Frage. Und ab und zu kommt es zu einer Beschwerde. Auf diese Weise ist auch die hier zitierte Rechnung zu mir, bzw. zu meiner damaligen Bürogemeinschaft gelangt, denn ein Angehöriger war hochempört über diese Rechnung - zumal der Betreuer den Betreuten kein einziges Mal besucht hat - und fragte uns nach unserer Meinung. Ich kramte daraufhin einige meiner Rechnungen heraus, die sich aber alle in der Höhe (bei gleichwertigem Aufwand) erheblich unterschieden. Meine beiden damaligen Kollegen waren genau wie ich der Meinung, dass eine derartige Rechnungssumme nicht plausibel ist. Trotzdem haben wir alle schön brav den Mund gehalten – ein Betreuer hackt dem anderen schließlich kein Auge aus. Das so oft zitierte Wohl des Betreuten blieb das, was es in Wahrheit ist – eine leere Floskel. Und nebenbei bemerkt: einen positiven Eindruck, auf den einige Kollegen ja so immensen Wert legen, macht solche Arbeitspraxis mit Sicherheit auf niemanden.
Warum ich jetzt nach so langer Zeit darüber schreibe? Weil ich inzwischen so meine Erfahrungen gemacht habe, mit Betreuern vom Schlage derer, deren gesamtes Denken um die Gewinnmaximierung kreist und denen dabei jedes Mittel recht ist, ihr Handeln zu verteidigen. Und nicht zu vergessen all diejenigen, die nicht müde werden, genau diesen Betreuern mit ganzer Kraft den Rücken zu stärken.
Und mit so einem Kollegen habe ich heute gesprochen. Auf meine Frage, ob man nicht zumindest einen Hauch von schlechten Gewissen haben sollte, wenn man solchen Arbeitspraktiken tatenlos zusieht, bekam ich dann prompt eine denkwürdige Antwort:
„Betreute haben die Möglichkeit, sich bei Gericht zu beschweren und da die Angelegenheit dann überprüft wird, sind sie auch nicht rechtlos“.
Auweia – es bleibt wirklich nur zu hoffen, dass so eine Einstellung nicht Schule macht, denn dies wäre gleichbedeutend mit einem Freibrief für muntere Phantasierechnungen. Mit dem dumpfen Hinweis auf die Möglichkeit der Beschwerde und der Überprüfung wäre dann jeder Handwerker, Zahnarzt, Steuerberater und wer-auch-immer dazu berechtigt, seine Rechnungen ein wenig aufzustocken. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass viele Betreute gar nicht mehr in der Lage sind, sich zu beschweren und die Gerichte auch so schon überlastet sind und eben auch diese Arbeitspraxis zu der Umstellung auf eine Pauschalierung geführt hat – wie kann man allen Ernstes grünes Licht geben für den Missbrauch einer Vertrauensstellung?
Aber egal wie viele begründete Bedenken es gegen so eine fragwürdige Einstellung auch geben mag – man wird sie alle einzig und allein darauf zurückführen, dass diejenigen, die diese Bedenken äußern, sich moralisch überhöhen wollen (oder wie besagter Kollege es gern ausdrückt: „beweihräuchern)“. Und last und least kommt dann mit absoluter Sicherheit das Totschlagargument: jeder hat doch schon mal irgendwo geschummelt! Jeder ist schon mal schwarzgefahren, jeder hat schon mal bei der Steuererklärung gemogelt, in der Pubertät eine Telefonzelle demoliert oder ein paar Stunden schwarz nebenbei gearbeitet. Warum also aufregen?
Ich kann so einen Unsinn nur damit entschuldigen, dass es sich irgendwie um einen verspäteten Aprilscherz handeln muss...
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Montag, 4. April 2011, 00:19h
Die gesetzliche Grundlage der Betreuung
§ 1901 BGB
Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers
(1) Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen.
(2) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.
(3) Der Betreuer hat Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Dies gilt auch für Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will. Ehe der Betreuer wichtige Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft.
(4) Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Wird die Betreuung berufsmäßig geführt, hat der Betreuer in geeigneten Fällen auf Anordnung des Gerichts zu Beginn der Betreuung einen Betreuungsplan zu erstellen. In dem Betreuungsplan sind die Ziele der Betreuung und die zu ihrer Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen darzustellen.
(5) Werden dem Betreuer Umstände bekannt, die eine Aufhebung der Betreuung ermöglichen, so hat er dies dem Betreuungsgericht mitzuteilen. Gleiches gilt für Umstände, die eine Einschränkung des Aufgabenkreises ermöglichen oder dessen Erweiterung, die Bestellung eines weiteren Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 1903) erfordern.“
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